Die USA halten an ihren Regime-Change-Plänen in Venezuela fest. Nachdem Washington zunächst Anfang August ein Kopfgeld in Höhe von 50 Millionen Euro auf den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro ausgelobt hatte, lässt die Trump-Regierung derzeit militärisch die Muskeln spielen und hat sieben US-Kriegsschiffe sowie ein Atom-U-Boot vor die Küste von Venezuela beordert, bestückt mit 4.000 Marine-Infanteristen. Lateinamerikanische Führungsmächte wie Mexiko, Kolumbien und Brasilien verurteilten das US-Vorgehen mit scharfen Worten. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie die Bundesregierung diese beispiellose Maßnahme gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt bewertet und ob sie sich der Kritik der lateinamerikanischen Partner an den USA anschließt. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Bei den aktuell auf Befehl von US-Präsident Donald Trump vor die Küste von Venezuela entsandten Kriegsschiffen handelt es sich laut der Nachrichtenagentur Reuters unter anderem um die vier Zerstörer USS Gravely, USS Sampson, USS Jason Dunham und USS Lake Erie. Diese sollen laut Military Times als Begleitschutz agieren für amphibische Landungsboote, die mehr als 4.500 Marineinfanteristen transportieren. Dazu gehören das amphibische Angriffsflaggschiff Iwo Jima (LHD 7) sowie die amphibischen Transportschiffe San Antonio (LPD 17) und Fort Lauderdale (LPD 28).
Offiziell wird der Schritt mit dem „Kampf gegen den Drogenhandel“ begründet. In einer am 7. August gemeinsam vom Justiz- und Außenministerium veröffentlichten Pressemitteilung unter dem Titel „Belohnung für Hinweise, die zur Festnahme und/oder Verurteilung von Nicolás Maduro führen, erhöht auf bis zu 50 Millionen Dollar“ wird der venezolanische Präsident von der US-Regierung zu einem der größten Drogenhändler der Welt und zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten erklärt. Im Wortlaut heißt es unter anderem, ohne dass dafür der Öffentlichkeit bisher Belege präsentiert worden sind:
„Seit über einem Jahrzehnt ist Maduro Anführer des Cartel de los Soles, das für den Drogenhandel in die Vereinigten Staaten verantwortlich ist. Am 25. Juli 2025 stufte das US-Finanzministerium das Cartel de Los Soles als „Specially Designated Global Terrorist“ (besonders ausgewiesener globaler Terrorist) ein.“
US-Außenminister Marco Rubio erklärte zudem im selben Zusammenhang, die Regierung Venezuelas sei aus Sicht der Vereinigten Staaten nicht legitim, da Washington sie nicht anerkenne. Auch die gesamte Administration von Nicolás Maduro bezeichnete er als „kriminelle Organisation“.
Das ausgesetzte Kopfgeld auf das Staatsoberhaupt eines souveränen Staates wird von der US-Regierung wie folgt legitimiert:
„Das heutige Belohnungsangebot wurde vom Minister im Rahmen des NRP (Narcotics Rewards Program) genehmigt, das die Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität weltweit und der Strafverfolgung von Flüchtigen unterstützt und damit eine wichtige Säule der „America First“-Prioritäten von Präsident Trump darstellt.“
Venezuela mobilisiert und Lateinamerika zeigt sich empört
In direkter Reaktion kündigte die venezolanische Regierung eine großangelegte Truppenmobilisierung an: Rund 4,5 Millionen Bürger sollen im Falle eines möglichen US-Angriffs zusammengezogen werden. In einer offiziellen Mitteilung verurteilte Caracas die US-Militäraktion als „imperialistische Aggression“ und als Bedrohung der Souveränität der gesamten Region. Präsident Nicolás Maduro erklärte im venezolanischen Staatsfernsehen, man werde die Errungenschaften der chavistischen Revolution verteidigen und sich gegen jeden militärischen Angriff zur Wehr setzen.
Die Kritik aus Lateinamerika an dem Vorgehen der USA ließ nicht lange auf sich warten. So wies die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum die US-Behauptung zurück und erklärte, es gebe im Gegensatz zur US-Darstellung keinerlei Beweise für eine Verbindung zwischen Maduro und dem Sinaloa-Kartell. Ebenso deutlich äußerten sich der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez und Kolumbiens Präsident Petro. Beide bezeichneten den Militäreinsatz als Bedrohung für den regionalen Frieden und beriefen sich dabei auf die CELAC-Erklärung von 2014, die Lateinamerika zur Zone des Friedens erklärte – mit dem klaren Bekenntnis zu Nichteinmischung, Kooperation und friedlicher Konfliktlösung.
Nicht der erste Regime-Change-Versuch unter Trump …
Donald Trump versuchte bereits 2020, die venezolanische Regierung mit einem verdeckten Söldnereinsatz zu stürzen. Bei der sogenannten „Operation Gideon“ landeten 60 Kämpfer der privaten US-Söldnerfirma Silvercorp USA an der Küste nahe La Guaira. Sie wurden allerdings innerhalb kurzer Zeit von venezolanischen Sicherheitskräften aufgerieben und gefangengenommen. Darunter befanden sich zwei ehemalige US-Elitesoldaten, Airan Berry und Luke Denman, Ersterer mit Wohnsitz in Deutschland (Schweinfurt). Im weiteren Verlauf erklärten die Festgenommenen, sie seien mit dem Auftrag entsandt worden, Maduro zu entführen und strategische Einrichtungen einzunehmen.
Hauptorganisator der Operation war der ehemalige Green Beret Jordan Goudreau und Gründer der Söldnerfirma. Nach dem Scheitern der Landung beschuldigte Goudreau die von den USA unterstützte Hardliner-Opposition unter der Führung des ehemaligen selbsternannten „Interimspräsidenten“ Juan Guaidó, ihren Teil des Vertrags nicht erfüllt zu haben.
In dem durchgestochenen Dokument, das von Guaidó und seinen Helfern unterzeichnet wurde, beauftragte die Opposition Goudreaus Söldnerfirma Silvercorp mit der „Planung und Durchführung einer Operation, um Nicolás Maduro zu ergreifen/festzunehmen/aus dem Amt zu entfernen“. Auch weitere hochrangige Regierungsfunktionäre sollten entführt werden.
Die in den USA ansässige oppositionelle Journalistin Patricia Poleo veröffentlichte ebenfalls Beweise für eine Telefonkonferenz, an der Guaidó, Goudreau und andere Regierungsgegner teilnahmen.
Während die „Übergangsregierung“ versuchte, sich von der gescheiterten Operation zu distanzieren, zeigte Goudreau später den Guaidó-Mitarbeiter Juan José („JJ“) Rendón wegen Vertragsbruch an.
In den folgenden Monaten führten mehrere Verhaftungen, Interviews und Medienberichte zu weiteren Enthüllungen. Goudreau erklärte, dass US-Beamte der Regierung von Donald Trump den Putschversuch unterstützt hätten.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 27. August 2025
Frage Campos de Lacerda (freie Journalistin)
An das Auswärtige Amt: Die US-amerikanische Regierung mischt sich wieder in Lateinamerika ein. Neben den großen Problemen mit der mexikanischen Regierung hat Donald Trump Kriegsschiffe vor die Küste Venezuelas beordert. Die venezolanische Regierung ordnete die Bevölkerung an, sich registrieren zu lassen, um sich gegebenenfalls gegen einen Angriff verteidigen zu können. Gegen Brasilien führt die US-Regierung Handelskriege. Der Druck politischer Einmischungsversuche wird größer, je näher der Jahrestag (des Ausscheidens) des ehemaligen Präsidenten rückt, der ein Verbündeter von Donald Trump ist. Wie ordnet der Bundesaußenminister diese Anspannungen in Lateinamerika ein, die zu einer Destabilisierung der gesamten Region führen können?
Giese (AA)
In einer ganz allgemeinen Art und Weise gesagt: Wir wünschen uns, dass diese Spannungen nicht weiter zunehmen, sondern abnehmen. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen.
Zusatzfrage Campos de Lacerda
Wie kann die Bundesregierung mit den örtlichen Partnern einen Beitrag dazu leisten, dass diese Eskalation nicht dieses Ausmaß annimmt? Gibt es eine Möglichkeit?
Giese (AA)
Ich glaube, da geht es um politische Fragen, die zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den lateinamerikanischen Ländern, die Sie gerade genannt haben, bestehen. Ich glaube, in diesem Zusammenhang sollte das geklärt werden.
Frage Warweg
Es gab in dem Zusammenhang sowohl von der mexikanischen Präsidentin als auch von dem kolumbianischen Präsidenten relativ explizite Kritik an dem Vorgehen der USA. Das sind ja beides relativ enge Partner Deutschlands. Steht man denn im Austausch? Stützt die Bundesregierung, diese Kritik der mexikanischen und kolumbianischen Partner am Vorgehen der USA in der Karibik?
Giese (AA)
Natürlich stehen wir mit den Ländern, die das betrifft, ständig im Austausch. Wir haben da nämlich Botschaften, die haben Botschaften hier, und natürlich reden wir über Themen. Aber, wie ich gerade schon gesagt habe, betrifft das das bilaterale Verhältnis der USA zu den betroffenen Ländern. Das ist derzeit kein Thema für Deutschland.
Zusatzfrage Warweg
Wir hatten die eigenartige Situation, dass Deutschland fast erstmals einen konkreten selbsternannten Präsidenten anerkannt hat und nicht einen Staat. Ich spreche von der Causa Guaidó. Es liegt jetzt schon ein paar Jahre zurück. Dazu würde mich ein Update interessieren. Wie verhält sich die Bundesregierung aktuell zur Regierung von Maduro? Es wurde jetzt auch ein neuer Botschafter entsandt. Das ist gar nicht so lange her. Erkennt man mittlerweile wieder die Maduro-Regierung als politischen Partner an? Können Sie uns kurz auf den aktuellen Stand bringen, was das diplomatische Verhältnis der Bundesregierung im Verhältnis zu Venezuela angeht?
Giese (AA)
Es bleibt dabei, wie es immer ist: In Bezug auf alle Länder gilt, dass die Bundesregierung Länder anerkennt, und selbstverständlich erkennt die Bundesregierung den Staat Venezuela als Land an.
Frage Campos de Lacerda
Auch noch zu Venezuela und den Anspannungen in Lateinamerika: Es fällt mir sehr schwer, nachzuvollziehen, dass das Auswärtige Amt sagt, das seien bilaterale Probleme. Die können aber zur Destabilisierung der gesamten Region führen. Brasilien ist zum Beispiel der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Südamerika. Warum nehmen Sie es als bilaterale Sache hin, obwohl es einen ganz komplexen Zusammenhang, komplexe Auswirkungen mit sich führt? Das verstehe ich nicht.
Giese (AA)
Deswegen hatte ich zweiteilig geantwortet. Zum einen machen uns Spannungen überall auf der Welt natürlich Sorgen. Wir wünschen uns, dass diese Spannung abnehmen. Aber um dann dieser Hoffnung auch Taten folgen zu lassen, muss es eine Klärung im bilateralen Verhältnis zwischen den USA und den betroffenen Ländern geben, und darauf drängen die Länder dann selbst. Es gibt auch regionale Organisationen. Es gibt die Vereinten Nationen, die dabei auch helfen könnten. Sobald solche Wege beschritten werden, ist die Bundesregierung selbstverständlich jederzeit bereit zu unterstützen. Aber derzeit ist das ein bilaterales Thema, und das sollte dann auch bilateral geklärt werden.
Frage Warweg
Anfang des Monats hat die US-Justizministerin das Kopfgeld, das die USA auf den venezolanischen Präsidenten ausgesetzt haben, auf 50 Millionen US-Dollar verdoppelt. Mich würde ganz grundsätzlich interessieren: Wenn eine öffentliche und offizielle US-amerikanische Stelle ein Kopfgeld auf den Präsidenten eines souveränen Staates ausruft, trifft das auf die Unterstützung der Bundesregierung, oder lehnt sie so ein Vorgehen eher ab? Können Sie uns kurz mitnehmen, wie sich die Bundesregierung dazu verhält?
Giese (AA)
Da bin ich jetzt schon wieder gewillt, das Wort „bilateral“ zum nächsten Mal zu benutzen. Aber das ist eine souveräne Entscheidung der USA, und die kann ich hier nicht kommentieren.
Zusatzfrage Warweg
Das heißt, die Aussetzung eines Kopfgeldes auf einen Präsidenten eines souveränen Landes fällt für die Bundesregierung unter rein bilaterales Agieren? Das heißt ganz grundsätzlich, wenn ein anderes Land das tut, in dem die Hauptstadt nicht „Washington“ heißt, wird das von der Bundesregierung in derselben Weise als bilateral abgetan und nicht kommentiert? Es sind ja vielleicht noch andere Staaten interessiert, solche Kopfgelder auszusetzen.
Giese (AA)
Ich bleibe bei dem, was ich gerade gesagt habe.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 27.08.2025
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