Klage der NachDenkSeiten gegen Habeck hat sich erledigt

Klage der NachDenkSeiten gegen Habeck hat sich erledigt

Klage der NachDenkSeiten gegen Habeck hat sich erledigt

Ein Artikel von Markus Kompa

Wenn sich Robert Habeck am 1. September aus der aktiven Politik verabschiedet, werden ihn nicht nur seine Anhänger vermissen, sondern auch diverse Medienanwälte. An der schlechten Kinderstube des grünen Propheten haben sie gut verdient. Der Autor dieses Beitrags leistete hierzu in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt mehrfach Hilfestellung. Eine Rückschau von Markus Kompa.

Der Verein Bundespressekonferenz e.V. hatte den Bundesminister am 21. Februar 2024 zur Vorstellung seines Jahreswirtschaftsberichts eingeladen. Statt der erwarteten Hofberichterstattung erdreistete sich der Hauptstadt-Korrespondent der NachDenkSeiten, Florian Warweg, unerwünschte Fragen zu stellen.

Anlass für diese Unbotmäßigkeit war der zuvor vom Handelsblatt gegen den Charismatiker erhobene Vorwurf, der Politiker habe den Inlandsgeheimdienst gegen einen behördeninternen Kritiker bemüht. Der repressive Einsatz von Geheimdiensten gilt in der Bundesrepublik Deutschland als unüblich und wäre früher von der Presse als Skandal bewertet worden. Ironischerweise war der Verfassungsschutz früher gegen prominente Grüne wie Kretschmann eingesetzt worden. Grüne wollten die Geheimdienste auch schon mal ganz abschaffen.

Sind manche Medien „gleicher“?

Nachdem der Minister sich noch einmal vergewisserte, dass Herr Warweg für die NachDenkSeiten schrieb, antwortete er:

„Gut. Dann ist Ihre Frage schon voller falscher Unterstellungen, die ich hiermit zurückweise. (…)“

Warum die Identität eines Mediums einen Einfluss auf den Wahrheitsgehalt einer Frage ausüben sollte, blieb unklar. Nach den eigentlichen Antworten verfiel der grüne Minister auf seine inflationäre Ablenkungs-Rhetorik, jeglichen Unbill Russland anzulasten:

„Und wenn Sie mir erlauben, und, äh, vielleicht darf ich an der Stelle die Rolle des Berichts über den Jahreswirtschaftsbericht verlassen…

Es ist schon schwer zu ertragen, wenige Tage, nachdem Nawalny ermordet wurde, dass Russlands Berichterstatter hier im Land politisch wie in den Medien die liberale Demokratie in Deutschland so diskreditieren. Jede Frage soll beantwortet werden, aber mit der Sympathie für ein Land, wo noch nicht einmal Fragen gestellt werden dürfen, sondern Menschen, die Fragen stellen, weggesperrt oder ermordet werden, ist eine moralische Grenze erreicht, die schwer zu ertragen ist.“

Der Minister rückte damit also ohne Anlass oder Sachbezug die unbescholtenen Kläger in die Nähe eines ungeklärten Todesfalls, aus Habeck-Sicht eines Staatsmords. Der Minister bezeichnet die Kläger fälschlich als „Berichterstatter Russlands“. Habeck stellt die Kläger mit seinem Anwurf auf eine Stufe mit den russischen Staatsmedien, gegen welche die Europäische Union am 2. März 2022 Sanktionen verhängt hat. Tatsächlich leisten die deutschen Kläger unabhängigen Journalismus für ein deutsches Zielpublikum.

Der Minister bezichtigte die Kläger dann auch noch der Amoral – dieses in aller Öffentlichkeit im Beisein bundesweiter und internationaler Medienvertreter. Das Personal der von Journalisten organisierten Bundespressekonferenz, die als Gastgeber das Hausrecht ausübt, schritt gegen Habecks Verletzung des Gastrechts nicht ein oder verhielt sich wenigstens nachträglich solidarisch. Das Qualitätsmedium t-online berichtete sogar prominent über Habecks „Schlagabtausch“ – der keiner war, denn Warweg hatte weder gerüpelt noch zurückgerüpelt.

Gute Meinungsfreiheit, schlechte Meinungsfreiheit

Wenn der Minister Willkürmaßnahmen der Justiz wie „Einsperren von Unbequemen“ verurteilt, müsste er hierzu allerdings weder Russland bemühen noch in die befreundeten Länder Saudi-Arabien, Katar oder Aserbaidschan reisen (Skandal-Urteil in Berlin: Amtsgericht verurteilt Friedensaktivisten wegen Rede „Nie wieder Krieg gegen Russland“, Ballweg-Prozess: Eine unwürdige Justiz-Farce geht endlich zu Ende, Bayrischer Unternehmer vor Gericht: Schmähplakate gegen Grünen-Politiker).

Vergleichbare exekutive Eingriffe in die Meinungs- und Pressefreiheit waren in der Bundesrepublik Deutschland bis vielleicht auf die sogenannte „SPIEGEL-Affäre“ (1962) und die „CICERO-Affäre“ (2005) nicht bekannt, insbesondere nicht gegen Privatpersonen. Nicht einmal zu Zeiten der sogenannten „Terroristengesetze“ (1977) wurde von Seiten des Staats die Meinungsfreiheit in dieser Dramatik beschnitten, wie dies unter Rot-Grün-Gelb der Fall war.

Im September 2024 wurde bekannt, dass der von Berlin aus für die Meinungsfreiheit in Russland streitende Minister im Zeitraum von September 2021 bis August 2024 selbst sagenhafte 805 Strafanzeigen gegen „Unbequeme“ wegen Äußerungen erstattet hatte, die in einem Fall sogar zu einer Hausdurchsuchung für das Liken von politischer Satire führte. Selbst gegen professionelle Journalisten, etwa wenn sie eine Verwechslungsgefahr Habecks mit einem „Bahnhofsalkoholiker“ diskutieren, war Habeck vor Gericht gezogen – etwa gegen eine Anspielung mit einem Bahnhofsalkoholiker.

Neutralitätspflicht von Beamten

Warwegs Versuch, den Minister durch ein anwaltliches Schreiben auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, ignorierte der norddeutsche Spitzenbeamte. Mithin blieb nur der Rechtsweg. Die Kläger schleiften den Vizekanzler vor das Verwaltungsgericht Berlin.

Entgegen seiner Fehlvorstellung hatte sich Habeck sehr wohl in seiner Rolle als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz geäußert. Denn der Spitzenbeamte war in seiner Eigenschaft als Amtsträger von der Hauptstadtpresse zu einem Thema seines Ministeriums eingeladen worden. Die abenteuerlichen juristischen Verrenkungen von Habecks Anwälten, die eine private Äußerung konstruieren wollten, beeindruckten das Verwaltungsgericht nicht ansatzweise.

Amtliche Äußerungen mit Eingriffsqualität – Warnungen oder öffentliche Kritik – sind nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Amtsträger mit seinen Äußerungen im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt und die rechtsstaatlichen Anforderungen in der Form des Sachlichkeitsgebots gewahrt sind. So hatte es das Bundesverfassungsgericht schon Kanzlerin Merkel erklärt, als diese in einer Pressekonferenz parteipolitisch agitierte.

Zur Warnung vor unerwünschten Medien fehlte dem Bundeswirtschaftsminister bereits die erforderliche Zuständigkeit.

Zudem haben Amtsträger Medien gegenüber den Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren (Artikel 3 Grundgesetz). Während der Parteifunktionär Habeck bei der Öffentlichkeitsarbeit Medien weitgehend willkürlich bedienen kann, muss der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz alle Medien achten. Die tatsächliche oder gewähnte politische Ausrichtung der Kläger ist irrelevant.

Pöbeln gegen Journalisten und Medien verletzt deren allgemeines Persönlichkeitsrecht – Basiswissen professioneller Politiker.

Comedy-Gold

Die Kläger wurden mit unfreiwilliger Komik reichlich entschädigt. Auf 59 Seiten der vom Steuerzahler finanzierten Nobel-Kanzlei musste man nach Gegenargumenten mit der Lupe suchen. Auch die Geheimdienste schienen den Vizekanzler diesmal nicht erfolgreich beliefert zu haben.

Da die Anwälte in der Sache wenig entgegenzusetzen hatten, versuchten sie es – wie Herr Dr. Habeck – mit persönlichen Angriffen auf die Kläger.

So schwärzte man Warweg an, er habe mal für das (in der Bundespressekonferenz nach wie vor vertretene) russische Staatsfernsehen gearbeitet, verschwieg jedoch, dass Warweg diesen Arbeitgeber aus eigenem Entschluss bereits unmittelbar nach dem Angriff auf die Ukraine verlassen hatte. Dies lag zum Zeitpunkt von Habecks Pöbelei zwei Jahre zurück, was der üblichen Karenzzeit entspricht. Früher hatte Warweg u.a. für den prominenten Grünen Hans-Christian Ströbele gearbeitet.

Des Ministers Anwälte verloren bei ihrer Suche nach Belegen für ihre Verschwörungstheorie einer Steuerung durch den Kremls jedes Maß und schnüffelten hierzu in Warwegs Social-Media-Accounts. Stolz zeigten die eifrigen Advokaten dem Gericht Bilder, auf denen Warweg mit Kalaschnikow vor Lenin- und Marx-Bild posierte.


Quelle: Facebook Florian Warweg

Die Fotos stammten jedoch aus einer Dokumentation des Mitteldeutschen Rundfunks im Rahmen der Reihe „Geschichte Mitteldeutschlands“ über den Putsch Erich Honeckers gegen Walter Ulbricht von 2012, für welche Warweg als Sprechkomparse engagiert gewesen war. Die Russische Föderation wurde erst am 01.01.1992 ausgerufen, 20 Jahre nach der Spielhandlung im Mai 1971.

Auch ein von Warweg auf Twitter verbreitetes Zitat von Rudi Dutschke, „Der Kampf geht weiter“, sollte seinen subversiven Kampfgeist belegen. Peinlicherweise pflegten auch Habecks Parteifreunde dieses Zitat eifrig.

Selbstreferentiell zitierten die Anwälte aus einer Suada eines grünen Propagandisten, der Warweg einst beim Bundespressekonferenz e. V. mit bis heute unbekannten Vorwürfen angeschwärzt hatte. Allen Ernstes tischten die Anwälte dem Gericht auf, Warweg habe die Bundespressekonferenz „gekapert“. Unstreitig hat Warweg jedoch niemandem etwas streitig gemacht.

Den Vogel schossen des Ministers Anwälte aber mit der Verschwörungstheorie ab, die Kläger würden Inhalte einem „befreundeten russischen Medium“ selbst aktiv zur Verfügung stellen, jedenfalls aber deren „Übernahmen“ bewusst dulden. Tatsächlich handelte es sich um BPK-Videos auf YouTube, die mit der „Lizenz: Creative-Commons-Lizenz mit Quellenangabe (Wiederverwendung erlaubt)“ versehen waren. Jedermann, also auch Herr Dr. Habeck, hätte also diese Inhalte verwenden können.

Keine einstweilige Anordnung

Im Juli 2024 – fast vier Monate nach Beantragung – lehnte das Verwaltungsgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antrag sei zwar grundsätzlich berechtigt, allerdings fehle eine „konkrete Wiederholungsgefahr“, da nach Meinung des Gerichts eine situative Einmaligkeit vorgelegen habe. Der Bundesminister habe seine Äußerungen wenige Tage nach dem Tod von Nawalny geäußert (den das Gericht als „Ermordung“ bezeichnete), was die Situation zeitlich einmalig mache. Auch die Möglichkeit, dass das Ministerium ein Protokoll oder einen Mitschnitt seiner Pressekonferenz online stellen könnte, ließ das Gericht nicht gelten.

Außerdem sei aus dem weiteren Verhalten des Ministers zu schließen, dieser werde seine Rolle wohl künftig genauer beachten und deutlich machen, wann er sich als Minister und wann als Parteipolitiker äußere.

Erledigte Feststellungsklage

Parallel hatten die Kläger auch eine Feststellungsklage eingereicht, bei der es auf die Wiederholungsgefahr nicht ankommt. Nach einem Jahr Prozessdauer erklärten die Kläger auf Anregung des Gerichts die Klage gegen das Ministerium für erledigt, weil dessen Chef nach der Bundestagswahl nicht mehr Habeck hieß.

Obwohl es die Klage in der Sache als begründet erachtete, erlegte das Gericht den Klägern die Kosten auf. Das Gericht verneinte ein erforderliches besonderes Feststellungsinteresse und bezog sich erstaunlicherweise auf die Argumentation, mit der es bereits die besondere Wiederholungsgefahr verneint hatte. Außerdem hätten die Kläger keine Fortwirkungen der abträglichen Äußerungen bewiesen, sodass die Feststellung auch nicht zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses erforderlich sei.

Fazit

Die öffentliche Beschimpfung des Journalisten durch den ungestümen Vizekanzler blieb trotz evidenter Rechtswidrigkeit gänzlich folgenlos. Aus der fadenscheinigen Begründung könnte man schließen, dass sich das Beschimpfen der Kläger durch die Anwälte des Ministers als zielführende Strategie erwies.

Nicht einmal ein persönlicher Lerneffekt war zu erkennen: Bei seinem Abgang blieb sich Dr. Habeck treu und bedachte diesmal einige seiner Politikerkollegen mit Pöbeleien. Solidarität mit Verwandten im Geiste übte Habeck allerdings nicht: Seine Strafanträge gegen die Hunderte an „Unbequemen“ wegen angeblichen Äußerungsdelikten ließ Habeck weiterlaufen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 21.02.2024