Wieviel Lobby-Einfluss steckt in der „Frühstart-Rente“ der Bundesregierung für Kinder ab 6 Jahren?

Wieviel Lobby-Einfluss steckt in der „Frühstart-Rente“ der Bundesregierung für Kinder ab 6 Jahren?

Wieviel Lobby-Einfluss steckt in der „Frühstart-Rente“ der Bundesregierung für Kinder ab 6 Jahren?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Die Bundesregierung stellte in der Bundespressekonferenz das Eckpunktepapier „zur Ausgestaltung und Umsetzung der Frühstart-Rente“ vor. Ziel dieser Gesetzes-Initiative sei es laut Regierungssprecher Stefan Kornelius, „Kinder und Jugendliche früh mit den Chancen des Kapitalmarkts“ sowie dem Thema „Altersvorsorge und Kapitalanlage“ vertraut zu machen. Das besagte Eckpunktepapier sieht vor, dass Kinder ab Jahrgang 2020 ab dem sechsten Lebensjahr „eine staatliche Förderung in Höhe von monatlich zehn Euro für ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot“ erhalten. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund unter anderem wissen, wieviel Lobbyeinfluss von privaten Akteuren in dem Gesetzentwurf steckt. Von Florian Warweg.

Hintergrund

Ab Januar 2027 will die Bundesregierung für jedes Kind ab Geburtsjahrgang 2020 monatlich zehn Euro in ein privates Depot überweisen. Insgesamt bis zu 1.440 Euro pro Kind, angelegt in Aktienfonds oder Ähnlichem, steuerfrei während der Ansparphase, Auszahlung erst mit Renteneintritt. Die Förderung läuft über 12 Jahre, sodass pro Kind bis zu 1.440 Euro staatliche Zuschüsse zusammenkommen. Ziel ist es laut Darstellung der Bundesregierung, eine breite Teilhabe an der Kapitalmarkt-Rendite zu ermöglichen und so die Rentenlücke in einer alternden Gesellschaft zu schließen. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sieht darin einen „wichtigen Schritt für die Rente in Deutschland“. Die geplanten Kosten belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro jährlich, finanziert aus dem Bundeshaushalt.

Kritikpunkte

Das Konzept stößt auf erhebliche Kritik. So bezeichnet beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Frühstart-Rente als „ineffektiv und teuer“. Mit nur 10 Euro monatlich ergebe sich nach 12 Jahren ein Betrag von 1.440 Euro, der bei moderater Rendite kaum ausreiche, um Altersarmut zu bekämpfen. Stattdessen warnt der DGB vor einem „Rententrick“: Die Maßnahme stabilisiere das Rentenniveau auf dem Papier bei 48 Prozent, verberge aber reale Kürzungen und sei sozial ungerecht. Zudem kritisiert der DGB, dass die Förderung nicht an die gesetzliche Rente anknüpfe und stattdessen auf riskante Kapitalmärkte setze.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel erklärte diesbezüglich:

„Mit zehn Euro Monatsbeitrag entstehen nach 60 Jahren gerade einmal real 30 Euro Rente – ein teures Modell, das vor allem Finanzdienstleistern nützt und allenfalls einen verschwindenden Beitrag zur Altersvorsorge leistet.“

Statt solcher Symbolpolitik brauche es echte Reformen – darunter die Einbeziehung von Selbstständigen ohne Ausnahmen, eine konsequente Stärkung der gesetzlichen Rente und einen klaren Fokus auf soziale Gerechtigkeit.

Auch das als arbeitgebernah geltende ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München schlägt in eine ähnliche Kerbe. Kritisiert wird unter anderem „der Aufbau erheblicher zusätzlicher Bürokratie“, um die Anspruchsberechtigten zu identifizieren und die Zahlungen abzuwickeln, die genannten Kosten von mehr als einer Milliarde Euro („die man besser einsetzen könnte“) sowie das von der Bundesregierung angewandte Gießkannenprinzip, welches dazu führt, dass „nicht nur Kinder hilfsbedürftiger Familien, sondern Millionen von Jugendlichen, deren Eltern hinreichend hohe Einkommen haben und das Geld nicht brauchen“ von der staatlichen Subventionierung profitieren.

Reiner Heyse, Sprecher der Initiative „RentenZukunft“, warnt in einem Beitrag bei Makroskop unter dem Titel „Reformgesetz zur Altersvorsorge: Nun spekuliert mal schön“ vor weiteren Risiken in diesem Zusammenhang. Um zu illustrieren, wie verantwortungslos es sei, die Altersversorgung den Risiken der Finanzmärkte auszusetzen, führt er Presseberichte der letzten Monate an:

  • Das Versorgungswerk der Berliner Zahnärztekammer (VZB) verlor bis zu 1,4 Milliarden Euro, etwa die Hälfte ihres gesamten Anlagekapitals, durch Spekulationen vor allem mit Immobilienprojekten, berichtet das Fachmagazin für institutionelle Investoren.
  • Die Bayrische Versorgungskammer (BVK – 3 Millionen Versicherte) verzockte auf dem US-Immobilienmarkt 700 Millionen Euro.
  • Das Versorgungswerk der Ärztekammer Schleswig-Holsteins (VAESH) verlor von 2022 bis 2024 satte 64 Millionen Euro.
  • Das Versorgungswerk der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holsteins (KVSH) muss 2025 36 Millionen Euro abschreiben.
  • Bereits im März vermeldete die Regionalpresse Verluste bei den Versorgungswerken der Apotheker und der Zahnärzte von jeweils über 50 Millionen Euro.
  • Der bereits in Sachen Riester-Fondsverträgen aufgefallene und vom BGH zurückgepfiffene ALLIANZ Konzern, musste 2023 kräftige Strafgelder für Spekulationsverluste zahlen. Die ALLIANZ Global Investors hatte sich in den USA mit Pensionsfondsgeldern unter anderem der Lehrer in Arkansas und der Transportarbeiter New Yorks verzockt. Die Klage der Gewerkschaften endete mit einem Vergleich: Die ALLIANZ muss 5 Milliarden Dollar als Schadensersatz zahlen plus 860 Millionen Dollar an die US-Staatskasse.
  • Der schwedische Pensionsfonds Alecta verwaltet große Anteile der hierzulande als vorbildlich gepriesenen gesetzlichen Prämienrente. Die Alecta hatte in die Pleite gegangene Silicon Valley Bank und in zwei weitere kriselnde Banken investiert. Wertverlust für den Pensionsfonds: 1,7 Milliarden Euro.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 17. Dezember 2025

Regierungssprecher Kornelius:

(…) Jetzt komme ich zum Eckpunktepapier zur Ausgestaltung und Umsetzung der Frühstart-Rente. Sie wissen, dass die Frühstart-Rente im Prinzip beschlossen wurde. Hier kommen jetzt die Eckpunkte und die Ausgestaltung. Die Frühstart-Rente fördert Kinder und Jugendliche, macht sie früh mit den Chancen des Kapitalmarkts vertraut und stellt ihnen das Startkapital für eine private Altersvorsorge zur Verfügung. Das Eckpunktepapier sieht vor, dass Kinder ab dem Jahrgang 2020 ab dem sechsten Lebensjahr eine staatliche Förderung in Höhe von monatlich zehn Euro – das ist die Frühstart-Rentenprämie – erhalten. Diese Frühstart-Rente schafft sowohl für Kinder als auch für Eltern einen konkreten Anlass, sich frühzeitig mit dem Thema „Altersvorsorge und Kapitalanlage“ zu beschäftigen. Die Frühstart-Rentenprämie wird ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot sein. Dort wird sie eingezahlt. Das Depot kann mit eigenen Zahlungen aufgestockt werden. Bei Volljährigkeit wird ein unkomplizierter Anschluss an die steuerlich geförderte private Altersvorsorge sichergestellt. Bis zum Beginn der Auszahlungsphase, also bis zum Renteneintritt, bleiben die Erträge steuerfrei.

Dieses Eckpunktepapier, das heute verabschiedet wurde, dient als Grundlage für den Gesetzentwurf der Frühstart-Rente, der im Jahr 2026 beschlossen werden soll. Ziel ist es, dass das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 2026 in Kraft treten kann.

Frage Jung

Wie viel Zusatzrente gibt es denn nach 60 Jahren? ‑ Ich bin jetzt auf dem Stand, dass jedes Kind oder jeder jugendliche Mensch 10 Euro monatlich vom Staat bekommt. Was ergibt das dann am Ende?

Kornelius

Ich habe jetzt keine Modellrechnung da. Das hängt ja auch von der Investitionsform ab und von dem Modell, das man dann wählt. Ich vermute, das kann man so pauschal nicht sagen.

Dr. Wetter (BMF)

Genau, das Gesetzgebungsverfahren ist noch ausstehend. Das Eckpunktepapier wurde heute beschlossen, in dem vorgesehen ist, dass jedes Kind zwischen 6 und 18 Jahren 10 Euro monatlich dazubekommt. Wie das später genau ausgestaltet wird, hängt natürlich von vielen Punkten ab ‑ einmal, wie das Geld angelegt wird, aber natürlich auch, wie allgemeine Entwicklungen sind. Dafür bleibt das Gesetzgebungsverfahren abzuwarten.

Zusatzfrage Jung

Mein Stand ist, dass es auch um die Schließung der Versorgungslücke geht. Ich hatte jetzt gelesen, dass am Ende 30 Euro mehr nach 60 Jahren herauskommen sollen. Da frage ich mich, was das mit der Schließung einer Versorgungslücke zu tun hat oder wie das helfen soll.

Dr. Wetter (BMF)

Ich kenne die Rechnung leider nicht, die Sie gerade vorgetragen haben. Ich weiß nicht, auf welcher Basis das berechnet wurde, weil es natürlich auch eine Frage ist, welche Rendite da zugrunde gelegt wurde. Aber ein Schritt ist sozusagen, für alle Kinder früh eine Basis für die private Altersvorsorge zu schaffen. Die kann dann ‑ das hat Herr Kornelius vorhin auch gesagt ‑ nahtlos an die jetzt heute vorgelegte Reform der privaten Altersvorsorge mit 18 Jahren anschließen. Dann bleibt es natürlich abzuwarten.

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Frühstart-Rente ist auch, bereits jungen Menschen finanzielle Bildung näherzubringen.

Frage Warweg

Können Sie noch einmal kurz ausführen, mit welcher Begründung man das Startdatum bei der Generation ab 2020 gesetzt hat und man die vorhergehenden Generationen, die ja ebenfalls noch Kinder sind, bisher völlig unberücksichtigt lässt, selbst wenn man sich diese Logik der privaten Altersvorsorge verinnerlicht?

Dr. Wetter (BMF)

Genau. Wie heute im Eckpunktepapier dargestellt ‑ ich glaube, Herr Kornelius hat es auch schon vorgetragen ‑, ist dann Ziel des Gesetzgebungsverfahrens, dass rückwirkend zum 1. Januar oder für 2026 die Frühstart-Rente mit der Kohorte 2020 eingeführt wird. Wie im Koalitionsbeschluss schon beschlossen, wird geschaut, ob ab 2029 weitere, ältere Kohorten hinzugefügt werden können. Der Grund, warum man mit der Kohorte 2020 startet, ist einfach, dass dann ein langes Ansparintervall vorhanden ist. Bis zum Alter von 18 Jahren sind es dann zwölf Jahre, in denen angespart wird.

Kornelius

Ich möchte hinzufügen, dass im Koalitionsausschuss am 10. Dezember beschlossen wurde, ab 2029 zusätzliche Jahrgänge, die bis dahin keine Prämie erhalten haben, in die Frühstart-Rente einzubeziehen. Das wird dann finanziert als Dividenden eines Aktienpaketes aus Beteiligung des Bundes.

Zusatzfrage Warweg

Dazu hätte ich noch eine Verständnisfrage. Jetzt gibt es ja mehrere Gesetzgebungsverfahren, entweder Krankenhausreform oder damals auch Bologna-Reform, bei denen es ziemlich viel privaten Lobbyeinfluss gab, der sich auch entsprechend niedergeschlagen hat, zum Beispiel der Bertelsmann Stiftung bei der Bologna-Reform.

Herr Kornelius, können Sie das grob prozentual umschreiben, wie viel Lobbyinput in diesem aktuellen Gesetzgebungsverfahren drinsteckt, etwa von privaten Anbietern der privaten Altersvorsorge?

Kornelius

Ich glaube, es wäre sträflich verkürzt, wenn wir das hier als ein Lobbygesetz bezeichnen würden, sondern es ist ein Gesetz, das den Bedürfnissen der Altersversorgung in der Bundesrepublik entgegenkommt. Sie haben hier in den letzten Monaten eine sehr intensive Debatte erlebt, über die Alterssicherung einer Generation, die jetzt in einer starken Forderung steht, nämlich die Rentenzeiten der sogenannten Boomer-Generation zu finanzieren. Wir bemühen uns um eine umfassende Rentenreform. All die Beiträge, die ich eben verkündet habe und die auch in den letzten Wochen aufs Gleis gesetzt wurden, tragen dazu bei, dass es eine umfassende neue Form der Alterssicherung gibt. Insofern ist das ein politisches Vorhaben, das im Interesse der Koalitionsparteien ‑ ich vermute einmal, auch stark darüber hinaus ‑ und des breiten, breiten Spektrums der Bevölkerung steht.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 17.12.2025

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