Nachtrag zu „Milliarden Deals der Großen in Politik und (Finanz-) Wirtschaft …“

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am 18. Dezember 2012 hatten wir sechs Fälle des Zusammenspiels der Großen in Politik, Wirtschaft und speziell der Finanzwirtschaft skizziert. Weil ich den Beleg für den besonderen Fall eines 5-Milliarden-Zugeständnisses des Bundesfinanzministers an die Finanzwirtschaft nicht mehr fand, bat ich um Mithilfe unserer Leserinnen und Leser. Wie so oft wurden diese dankenswerterweise fündig. Ein Leser verwies auf einen einschlägigen Artikel bei „Zeit online“ hin. Wilfried Herz schildert dort ZEIT online: Das größte Geschenk aller Zeiten das Zu-Stande-Kommen des „größten Geschenks aller Zeiten“ an die Finanzwirtschaft und Großvermögen das ist der „Fall 7“, den ich versäumt hatte aufzulisten. Es folgt dann noch der aktuelle Fall 8: Das Geschenk an Hedgefonds und andere Spekulanten durch die spekulationfördernde, scheibchenweise Griechenland-Hilfe. Diese kostspieligen Umwege verdanken wir vor allem unserer eigenen Regierung. Albrecht Müller.

  • Fall 7: Steuerbefreiung der beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen realisierten Gewinne

    Mit Wirkung vom 1.1.2002 hat die Regierung Schröder beschlossen, die Gewinne, die beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen realisiert werden, steuerfrei zu stellen. Der Wirtschaftsjournalist Wilfried Herz schildert in einem ausführlichen Beitrag für „Zeit online“ die Entstehungsgeschichte und die Folgen. Der Artikel erschien am 8.9.2005 unter dem Titel „rot-grün – Das größte Geschenk aller Zeiten“ und der Einführung „Die Bundesregierung feierte ihre Unternehmensteuerreform – bis die Konzerne aufhörten, Steuern zu bezahlen Quelle: ZEIT online: Das größte Geschenk aller Zeiten.

    Der Artikel ist immer noch lesenswert und aktuell.

    • Beispielsweise sind die damals aktiven Berater des Bundesfinanzministers Hans Eichel immer noch politisch unterwegs, einer sogar einschlägig: Jörg Asmussen sitzt im Direktorium der Europäischen Zentralbank; ein anderer, Torsten Albig, damals Pressesprecher von Hans Eichel, ist heute Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
    • Beispielsweise leiden wir immer noch unter der damals entschiedenen weiteren Verarmung des Staates. Im Jahr 2000 hatte der Staat – so Autor Wilfried Herz – 23,6 Milliarden € Körperschaftsteuer von den Kapitalgesellschaften eingenommen. Nach Inkrafttreten der Reform brachen diese Einnahmen weg.
    • Beispielsweise hatte der damals forcierte Verkauf von Unternehmen an Private Equity Gruppen und Hedgefonds gravierende Folgen für 100 tausende von abhängig Arbeitenden.
    • Ihre Löhne wurden nach dem Verkauf ihrer Betriebe von den neuen Herren gedrückt, soziale Leistungen gestrichen, der Kauf der Betriebe wurde oft über Schulden finanziert und die Schulden wurden den Betrieben aufgedrückt, häufig wurden Sonderdividenden verlangt. In dem einschlägigen Kapitel 18 meines Buches „Meinungsmache“ habe ich diese Vorgänge ausführlich geschildert: „Kapitalmarkt als Casinobetrieb und die Plünderung deutscher Unternehmen“. Das betraf damals, bei Manuskriptabgabe von „Meinungsmache“ im Jahr 2009 schon 6000 Betriebe.

    Wir waren auf den NachDenkSeiten schon früher darauf eingegangen. So am 2. Mai 2005, nachdem Franz Müntefering sich über die „Heuschrecken“ beklagt hatte. Damals erschien diese Information für unsere Leser/innen:

    Regierung Schröder hat die “Heuschrecken” eingeladen und steuerfrei gestellt.

    Und dann folgte am 4. Februar 2007 eine Art Überblick zum Problem „Noch einmal zu den Folgen der Steuerbefreiung bei Verkauf von Aktienpaketen und wie es dazukam.

    Nachtrag zum Fall 2: 5 Milliarden Nachlass an die Lebensversicherer

    Die Antwort auf meine Bitte zur Recherche den Fall 2 des Beitrags zum 18.12.2012 betreffend findet sich übrigens auch im Artikel von Wilfried Herz. Ich zitiere den vorletzten Absatz. Relevanter Teil gefettet:

    Erstes Nachspiel: Als die Steuerausfälle unerträgliche Ausmaße annahmen, setzte Rot-Grün Nachbesserungen durch. So wurde für die Gewinnausschüttungen eine dreijährige Sperre verhängt. Und danach dürfen die alten angesammelten Gewinne bis 2019 nur noch in gleichen Jahresraten an die Aktionäre ausgezahlt werden. Außerdem wurde eine so genannte Mindestgewinnbesteuerung eingeführt: Alte Verluste dürfen neue Gewinne nur noch bis zur Hälfte steuerlich schmälern. Die verschenkten Milliarden waren jedoch nicht zurückzuholen. Und als einige Lebensversicherungen wegen der Kursverluste ihrer Aktienpakete zu straucheln begannen, wurde ihnen – systemwidrig – die Möglichkeit zugestanden, doch wieder Verluste geltend zu machen.

    Nach Abschluss dieses Artikels schickte der recherchierende NachDenkSeiten-Leser noch eine Recherchefrucht. Danke vielmals:

    Lebensversicherer: Eichel verzichtet auf Steuer-Milliarden
    Spiegel vom 13.10.2003

    Das bezieht sich direkt auf die Folgen der Steuerreform von 2000. Nachdem die Gewinne alle eingesackt waren, musste man jetzt dafür sorgen, dass die Verluste wieder absetzbar wurden. Das war dann 2003.

    Das Zusammenspiel zulasten von uns allen läuft wie geschmiert.

  • Fall 8: Die Politik hilft den Hedgefonds und anderen Spekulanten beim Spekulieren
    Am 19. Dezember 2012 um 09:50 Uhr berichtete Spiegel online:

    Schuldenrückkauf

    Hedgefonds verdient halbe Milliarde mit Griechenland

    Das Zocken hat sich gelohnt: Der Investor Dan Loeb vertraute darauf, dass Griechenland im Euro bleibt und einen Teil seiner Schulden zurückkauft. Jetzt ist sein Hedgefonds Third Point laut einem Zeitungsbericht rund 500 Millionen Dollar reicher.
    Dieser in diesem Artikel geschilderte Spekulationserfolg wurde den Spekulanten vor allem von der Regierung Merkel möglich gemacht. Diese hat zunächst den Eindruck erweckt, als könne man Griechenland aus dem Euroraum hinaus komplementären. Angela Merkel zögerte Hilfen für Griechenland immer wieder hinaus. Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzender Rösler sprach gar von einer geordneten Insolvenz. Ob das nur Zeichen von Inkompetenz waren oder ob die Bundesregierung den Spekulanten bewusst zuarbeitete, kann ich nicht entscheiden. Alles ist in diesem Zusammenspiel der Großen in Politik und Finanzindustrie möglich.

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