Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Nach den Wahlen
  2. Dollarzeichen im Auge – Über die Ökonomisierung der Gesellschaft
  3. Jürgen Todenhöfer – Darum sollten wir Netanjahu misstrauen
  4. Krise überwunden?
  5. Top-500-Liste: Deutschlands Reiche sind so reich wie nie
  6. Steuererhöhungen für Einkommens- und Vermögensstarke jetzt!
  7. A Brave New Transatlantic Partnership
  8. Kinderarbeit: Maloche statt guter Ausbildung
  9. Lernen in der Arbeitszeit – nur für die weiter oben auf der Leiter?
  10. Amazon plant neue Logistikzentren in Polen
  11. Ex-NSA-Chef setzt Snowden scherzhaft auf Todesliste
  12. Eigentum macht Bumm
  13. Wenn Staaten dem Profit schaden
  14. Stephan Hebel – Friedrichs Flüchtlings-Märchen
  15. Bildungsselektion – Du schaffst das!
  16. Frankfurter Buchmesse – OPEN BOOKS

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nach den Wahlen
    1. Sahra Wagenknecht – “Das ist alles ein Trauerspiel”
      Sahra Wagenknecht hält Rot-Grün vor, Wahlversprechen zu brechen, um mit der Union zu koalieren. Sie warnt vor faulen Kompromissen und bietet Sondierungsgespräche an.
      Quelle: ZEIT

      Dazu auch: Sahra Wagenknecht – Mehr Protest wagen
      Die 8,6 Prozent bei den Bundestagswahlen sind für DIE LINKE nach turbulenten Jahren ein Erfolg. Auch der Wiedereinzug in den hessischen Landtag ist geglückt.
      DIE LINKE hat seit 2009 jedoch 1,4 Millionen Wähler verloren, auch gegenüber 2005 wurden Stimmen eingebüßt. Am meisten Stimmen wanderten in etwa gleichem Umfang an SPD, Alternative für Deutschland (AfD) sowie Nichtwähler ab. Insbesondere im Osten war die AfD erfolgreich und bei den Europawahlen plant sie den Durchbruch. Noch schlimmer: Fast ein Drittel der Bevölkerung hat nicht gewählt. Der konservative Politikwissenschaftler Heribert Münkler sieht darin einen Ausdruck von Zufriedenheit. Absurd: Denn Nichtwähler sind vor allem Menschen mit geringen Einkommen und schlechten Zukunftsperspektiven.
      Demokratie ist, wenn sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen. Der moderne Kapitalismus setzt die Demokratie trotz Wahlen außer Kraft. Denn regelmäßig regieren Parteien, die Löhne und Renten kürzen und den Sozialstaat zerstören. Je länger die Merkels und Steinbrücks regieren, desto tiefer sitzt der Frust. Die Nichtwähler erreicht man daher kaum noch über Talkshows und Zeitungen. Man muss täglich dort sein, wo sie leben, etwa in sozialen Brennpunkten.
      Es reicht aber nicht, die »Abgehängten« zu gewinnen. Mit Niedriglöhnen und Arbeitslosigkeit wird auch die Mittelschicht erpresst. Der Sozialstaat wird aus Arbeit finanziert. Daher kann man ihn nur mit der Unterstützung breiter Schichten der Arbeitnehmer verteidigen. DIE LINKE hat jedoch gegenüber 2009 unter Gewerkschaftern überdurchschnittlich verloren.
      Quelle: neues deutschland

    2. Nachdenken mit Jens Berger – 20% Opposition als Gefahr für die Demokratie?
      Ist das Gleichgewicht der Demokratie in Gefahr, wenn die Opposition unter 20% Stimmanteil im Parlament hat? Ist die parlamentarische Kontrollfunktion der Opposition noch zu gewährleisten, wenn es ihr nicht mehr möglich ist einen Untersuchungsausschuss einzuberufen?
      Eine Miniopposition darf ebenfalls keine öffentlichen Anhörungen einberufen. Das Bundesverfassungsgericht einschalten geht auch nicht mehr. Ein Gespräch über den derzeitigen Koalitionspoker mit Jens Berger von den Nachdenkseiten.
      Quelle: Freier Rundfunk Erfurt International
    3. Remembering Bebel
      Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen. Kein Wunder, dass der alte Spruch des gewesenen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering dieser Tage besonders gern zitiert wird. Nur: Was ist eigentlich schrecklicher? Dass der Spruch ständig in den Medien geloopt wurde? Oder der Spruch selbst? Im Nachhinein wundert man sich immer noch, dass es jemand mit dieser waghalsigen Formel überhaupt zum Chef der “größten der Parteien” bringen konnte. Im Politikwissenschaftspropädeutikum wäre Müntefering mit dieser machiavellistischen Binse jedenfalls nicht durchgekommen. Denn als was anderes als eine oppositionelle Bewegung hat die Sozialdemokratie denn einst das Licht der Welt erblickt? Als Ferdinand Lassalle, August Bebel und Wilhelm Liebknecht Ende des 19. Jahrhunderts auf den Plan traten, schielten sie nicht darauf, mit dem Eisernen Kanzler Otto von Bismarck Koalitionsverhandlungen “auf Augenhöhe” zu führen. Die neue soziale Bewegung sollte Merkels Vorgänger durch ihre bloße Existenz von der Bildfläche fegen. Auch ein Blick in die Weltgeschichte hätte Müntefering darüber belehren können, dass Opposition eine ebenso legitime wie faszinierende Strategie ist. Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela haben es vorgemacht. Vor der berüchtigten Außerparlamentarischen Opposition der sechziger Jahre gruseln sich noch heute die Restbestände des damaligen bürgerlichen Lagers. Historisch muss man also ganz schön blind sein, um diese Politikoption derart schmallippig zu den Akten zu legen. – Zu Zeiten, wo selbst der Pop auf Retromania setzt, lohnt es deshalb daran zu erinnern, dass Bebels Oppositions-Formation erfolgreicher war als der Verein hasenfüßiger Reformisten, der die emanzipationspolitische gegen die staatspolitische Verantwortung eingetauscht hat. Und zu jedem nationalen Schulterschluss bereit ist, solange nur niemand “vaterlandslose Gesellen” ruft.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Bezeichnend und traurig ist es, dass ein Kunst- und Literaturkritiker uns an das Wesen von Opposition erinnern muss. Wo bleiben die Politologen, Parteienforscher und Historiker? Natürlich muss man hinzufügen, dass Ingo Arend kein reiner Kulturjournalist ist. Schließlich hat er auch Politik und Geschichte studiert und bringt diese Neigungen immer wieder fruchtbar ein. Es war einer Fehler Augsteins, diesen vielseitigen Journalisten bei der Neuausrichtung des “Freitag” kündigen.

    4. Debatte über Steuererhöhungen: Die Schatzsucher
      Der Satz liegt derzeit voll im Trend bei SPD und Grünen: “Steuererhöhungen sind für uns kein Selbstzweck”, lautet die Losung dieser Tage – sehr zur Freude von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Unionsgetreuen. Sie sehen darin ein erstes vorsichtiges Zugeständnis für mögliche Koalitionsverhandlungen: Steuererhöhungen? Müssen ja nicht unbedingt sein.
      Die beiden potentiellen Bündnispartner würden damit von einer ihrer zentralen Forderungen aus dem Wahlkampf abrücken. Allerdings wird die Kompromissbereitschaft mit einer klaren Erwartung verbunden. CDU und CSU müssten alternative Wege aufzeigen, wie die geforderten Zusatzinvestitionen vor allem in Bildung und Infrastruktur zu stemmen sind.
      Wenn es nach SPD und Grünen geht, kommt eine ganze Menge zusammen: Nach den Plänen der Sozialdemokraten sollen Bund und Länder von 2014 an 20 Milliarden Euro zusätzlich in Kitas, Ganztagsschulen und Unis stecken. Der Verkehrsetat würde um zwei Milliarden aufgestockt. Auch die Grünen fordern zehn Milliarden mehr für Bildung, dazu Investitionen in die Energiewende. Addiert man die Wahlversprechen der Union für Rentner und Familien, stellt sich die Frage: Woher soll das Geld für all die Wohltaten kommen?
      Quelle: SPON

      Anmerkung JB: Habe ich etwas verpasst? Sein wann waren denn bitte Steuererhöhungen eine „zentrale Forderung“ von SPD und Grünen? Es geht doch vielmehr darum, die eigentlichen inhaltlichen Forderungen trotz Schuldenbremse und Fiskalpakt auch seriös finanzieren zu können – und dies ist bei den kalkulierbaren Kosten eben nur über eine Erhöhung der Steuereinnahmen möglich. Diesen Zusammenhang haben SPIEGEL und Co. nie korrekt dargestellt, als sie in ihrer sagenhaften Kampagne v.a. die Grünen als Steuererhöher-Partei brandmarkten. Wenn SPON die Steuererhöhungen nun zu einer „zentralen Forderung“ hoch schreiben, stellt man die eigene Kampagne als Realität dar, die man im gleichen Atemzug kritisiert. Das ist dann wohl Manipulation für Fortgeschrittene. Viel interessanter ist dabei die Frage, auf welche Forderungen die SPD eigentlich verzichten will, wenn diese durch Steuererhöhungen nicht mehr finanzierbar sind? Aber das ist momentan noch reine Spekulation.

    5. Joschka Fischer im Interview
      Grünen-Ikone Joschka Fischer spricht im Interview mit der Mediengruppe Madsack über die Fehler seiner Partei im Bundestagswahlkampf, die große Leistung der FDP – und den weiten Weg der Kanzlerin zur Staatsfrau.
      Raus aus dem linken Lager – ist das die Zukunftsperspektive?
      Wenn man opponieren will und keine Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde hat, kann man sich am Rande aufhalten. Aber Mehrheiten werden in einer stabilen Demokratie in der Mitte geschaffen. Wenn Mehrheiten am Rande geschaffen werden, wird es in der Regel gefährlich, wie wir aus der Geschichte wissen. Soziale Gerechtigkeit ist ein Thema der Grünen und wird es bleiben. Aber es kann nicht im Zentrum stehen. Das kann die Linkspartei besser. Bei den Grünen spielen andere Themen eine zentrale Rolle, wie zum Beispiel ökologische Fragen und Europa. Wenn diese ganzen Übungen mit diesen Sondierungen jetzt einen Sinn haben, dann ist es der, dass die Tabus abgeräumt werden. 2017 wird weder Rot-Rot-Grün noch Schwarz-Grün noch ein Tabuthema sein. Ob es geht, ist eine andere Frage. Aber es wird im Bereich des Machbaren liegen. Insofern hat sich dann die Republik ein Stück weit wirklich verändert.
      Quelle: HAZ

      Anmerkung JK: Natürlich ist klar, dass das manipulative Gerede Fischers von einer „Linksverschiebung“ der Grünen von der Mainstreamjournaille begierig aufgenommen wird. Fischer hat offenbar bei seiner nun mehr ausschließlichen Beschäftigung damit, sich die eigenen Taschen vollzustopfen, auch gleich vergessen wo er herkommt. Den Grünen eine „Linksverschiebung“ anzukreiden ist fast schon grotesk, wenn man bedenkt, dass die Grünen wesentlich aus der Anti-AKW, Friedens- und Bürgerbewegung entstanden sind. Man kann den Grünen eher noch vorwerfen, dass sie schon seit langem ihre Wurzeln verleugnen. Fischer ist sich auch nicht zu schade, das Publikum mit dem erneuten aufkochen des Mehrheiten-in-der-Mitte-gewinnen Breis zu langweilen. Der im übrigen der SPD unter Fischers Kumpan Schröder übel bekommen ist. In Sachen politischer Zukunft der Grünen ist Fischer jedenfalls ehrlich, die Grünen sollen die FDP beerben und die neue Partei der Besserverdiener mit ökologischer Tünche werden – na dann Prost. Und immer schön das SUV vor dem Bioladen parken.

  2. Dollarzeichen im Auge – Über die Ökonomisierung der Gesellschaft
    Das Fernsehen verspricht mit seinen Castingshows den Mythos vom schnellen Aufstieg zum Superstar, der keine Geldsorgen mehr hat; das Fernsehen suggeriert in den inflationären Quizsendungen, Wissen habe mit enzyklopädischem Wissen zu tun, das in der Wissensgesellschaft ungeahnte Wettbewerbsvorteile verschafft. Und in anderen Formaten des Privatfernsehens darf man sich als Zuschauer lustig machen über die Verlierer der Gesellschaft, was sich auf reale Entsolidarisierungstendenzen bezieht. Der Erziehungswissenschaftler Matthias Burchardt von der PH Ludwigsburg nimmt Fernsehformate kritisch unter die Lupe und zeigt, wie sie die Ökonomisierung der Gesellschaft widerspiegeln.
    Quelle: SWR Landesschau

    Anmerkung JB: Sehr hörenswert!

  3. Jürgen Todenhöfer – Darum sollten wir Netanjahu misstrauen
    Iran ist bereit, zu verhandeln. Aber Israels Premier Netanjahu liebt den Konflikt, weil er im Frieden nicht gebraucht wird
    Ich habe viele Freunde in Israel. Von den meisten würde ich einen Gebrauchtwagen kaufen. Bei Netanjahu würde ich zögern. Weil er ein anderes, seltsames Verhältnis zur Wahrheit hat.
    Seit 1995 kündigt er, ohne rot zu werden, mit drastischen Worten „für übermorgen“ die iranische Bombe an – seit 18 Jahren! Unablässig. Ab der wievielten nicht eingetretenen Ankündigung verliert ein Mann seine Glaubwürdigkeit? Vor allem, wenn er die eigenen Atomwaffen verheimlicht.
    Ruhani ist wahrscheinlich auch mit allen Wassern gewaschen. Er wäre sonst nicht Präsident geworden. Aber er erfindet keine nicht existierenden Kriegs- oder Friedenspläne. Er spricht und handelt zurzeit auf der Basis eines sehr konkreten iranischen Verhandlungs- und Friedensangebots. Es liegt der amerikanischen Regierung seit dreieinhalb Jahren vor.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  4. Krise überwunden?
    Das Wachstum in Deutschland wird im Prognosezeitraum nur wenig dynamisch sein. Eine durchgreifende Erholung ist nicht zu erkennen.
    Quelle: IMK [PDF – 2.4 MB]

    Anmerkung Volker Bahl: Auch wenn man der “Gesamt”-Einschätzung nicht folgen mag ( das Lohndumping aus Deutschland als wichtige Krisenursache für die Eurozone kommt nicht vor ), so bieten sich doch aus dieser Analyse im Einzelnen hervorragende Einblicke – und so ist z.B. für Griechenland (oder die Krisenländer allgemein ) ein guter grafischer Überblick über die Entwicklung auf der Seite 23 zu sehen ( außer der Arbeitslosigkeit und der Staatsschuldenquote “steigt” nichts ) – und nicht zuletzt faszinierend ist die “Fieberkurve” der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen – hier dann speziell für Griechenland sehr bemerkenswert!

  5. Top-500-Liste: Deutschlands Reiche sind so reich wie nie
    Nie zuvor waren Deutschlands Superreiche reicher, nie gab es so viele Milliardenvermögen. Dies geht aus der Rangliste “Die 500 reichsten Deutschen 2013” vom manager magazin hervor. Gewinner 2013 sind unter anderem BMW-Aktionärin Susanne Klatten und Lidl-Eigner Dieter Schwarz.
    Deutschlands Superreiche sind reicher denn je: Nie zuvor wurden so viele Milliardenvermögen gezählt, nie zuvor besaß der hiesige Geldadel größere Reichtümer als heute. Das Vermögen der Top 100 stieg in den vergangenen zwölf Monaten um 5,2 Prozent auf den Rekordwert von 336,6 (Vorjahr: 319,85) Milliarden Euro. Es hat damit die Bestmarke des Jahres 2008 übertroffen, als sie 324,6 Milliarden Euro auf sich vereinigt hatten.
    Anzahl der Milliardenvermögen in Deutschland auf Höchststand
    Insgesamt vermehrte sich der Wohlstand der 500 reichsten Deutschen 2013 um 5,5 Prozent auf 528,45 (500,8) Milliarden Euro. Die Staatsschulden- und Euro-Krise hat die Vermögen damit nicht berührt. Auch die Anzahl der Milliardenvermögen in Deutschland hat mit 135 (Vorjahr: 115) einen neuen Höchststand erreicht.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JK: Damit diese Entwicklung auch nicht gestört wird, daran arbeitet die SPD ja gerade fleißig in den Koalitionsverhandlungen.

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Würde man davon jedes Jahr auch nur ein Prozent als Vermögensteuer erheben – nur von den 500 reichsten Deutschen, und mickrig genug -, dann hätte der Staat erkleckliche Mehreinnahmen von 5 Milliarden Euro jährlich. (Alleine unter den Top 10 gibt es einige, deren Vermögen in nur einem Jahr um 1 Milliarde Euro gestiegen ist, z. B. die Albrechts und Susanne Klatten…) Aber weil höhere Steuern für Milliardäre und Multimillionäre, deren Vermögen von der (angeblichen) “Staatsschulden- und Euro-Krise […] nicht berührt” wurde, augenscheinlich nicht zumutbar sind, denkt man lieber über eine “Reform der Mehrwertsteuer” und “allgemeine Haushaltskürzungen” nach, also über Steuererhöhungen und Leistungskürzungen des Staates, die Normalverdiener und in Armut lebende Menschen am meisten treffen.

  6. Steuererhöhungen für Einkommens- und Vermögensstarke jetzt!
    Sondieren durch steuerpolitisches Taktieren beenden
Der Streit um Steuererhöhungen steht im Zentrum der Findung einer Koalition. Trotz gegenteiliger Bekundungen, hinter den Kulissen scheint klar zu sein, Steuererhöhungen sind auch aus der Sicht der Bundeskanzlerin letztlich unvermeidbar. Die Frage ist nur, wem dann dieser steuerpolitische Kompromiss in die Schuhe geschoben wird. Die CDU/CSU verfolgt mit ihrem apodiktischen Nein einen doppelten Zweck: Die SPD soll zu Abstrichen in ihrem steuerpolitischen Konzept gezwungen werden. Und wenn dann der Kompromiss steht, soll für das (bedauerliche) Umfallen die SPD vorgeführt werden.
    Quelle: Rudolf Hickel [PDF – 46.7 KB]

    Anmerkung AM: Wo bleibt die Forderung nach Abschaffung der Steuerfreiheit beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen erzielten Gewinne? Nichts zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen in der Finanzkrise und der Gewinne der Geretteten. Das ist schwer, das weiß ich. Aber schließlich geht es ja um das Programm für die gesamte Legislaturperiode. Wenn man eine Große Koalition verabredet und eine Verabredung für 4 Jahre trifft, dann sollte es auch möglich sein, die Revision des Unsinns der Schuldenbremse als Thema und Vorschlag einzubringen.

    Passend dazu: Die Steuerpolitik der letzten Dekaden unterminiert die Soziale Marktwirtschaft
    Die Einkommensteuer gilt als die bestmögliche Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips und spielt eine besondere Rolle für die Steuergerechtigkeit. Zwischen 1995 und 1997 ist ein deutlicher Anstieg der Umverteilungsleistung der Einkommensteuer zu verzeichnen, was auf die erhöhte Steuerfreistellung des Existenzminimums und die Neuregelung des Familienausgleichs zurückzuführen ist. Die zwischen 2000 und 2010 gesunkenen Durchschnittssteuersätze und Grenzsteuersätze der Einkommensteuer für alle Einkommensgruppen2 kehrten diesen Trend um und ließen die Umverteilungsleistung sinken. Eine weitere Minderung der Umverteilungsleistung der Einkommensteuer resultiert aus der Begünstigung von Kapitaleinkünften. Zu nennen ist hier einerseits die Riesterrente, bei der Beiträge für eine kapitalgedeckte Altersvorsorge in vollem Umfang vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden können. Andererseits wirkt hier die Kapitaleinkommensbesteuerung (seit 2009 Abgeltungsteuer), die niedriger ist als die Steuerbelastung für persönliche Einkommen. Die steuerliche Begünstigung von Kapitaleinkünften kommt insgesamt lediglich mittleren und hohen Einkommensgruppen zugute.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 213 KB]

    Anmerkung JK: Amüsant, dies ist ein Beitrag der SPD-eigenen Friedrich-Ebert-Stiftung.

  7. A Brave New Transatlantic Partnership
    Talks between the European Union and the United States on a Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) took off this summer with many political and business leaders hailing the deal as a silver bullet against the difficult economic recovery affecting both sides of the Atlantic. The consolidation of trade relations between the two partners into a single transatlantic market has been sold to European and US citizens as a powerful vehicle for boosting economic growth, with some enthusiasts predicting an increase of up to 1% in GDP. EU and US officials are adamant that, by eliminating import tariffs and harmonising regulation across the Atlantic, trade between the two regions will increase and, as a result, millions of new jobs will be created.
    What emerges then is an understanding of TTIP as the political project of a transatlantic corporate and political elite which, on the unfounded promise of increased trade and job creation, will attempt to reverse social and environmental regulatory protections, redirect legal rights from citizens to corporations, and consolidate US and European global leadership in a changing world order
    Quelle: Seattle to Brussels Network [PDF – 1.1 MB]
  8. Kinderarbeit: Maloche statt guter Ausbildung
    Barfuß oder mit Gummilatschen knien die Jugendlichen im steinigen Acker. Sie ernten Rote-Bete-Rüben, ihre Hände sind lilarot gefärbt. Als die Inspekteure des Arbeitsministerium auftauchen, rennen einige erschrocken weg, andere verharren auf dem Feld. Insgesamt 21 Kinder und Jugendliche trafen die Funktionäre an, als sie Mitte September mehrere Bauernhöfe im Innern des brasilianischen Bundesstaates São Paulo unter die Lupe nahmen, gerade mal 250 Kilometer von der großen Industriemetropole entfernt. Sechs der jungen Arbeiter waren noch nicht einmal 13 Jahre alt. Lang andauernde, schwere Arbeit wie diese Feldarbeit ist in Brasilien für unter 18-Jährige verboten. Angesichts der prekären Arbeitsbedingungen zählt der Fall zur Kategorie der “schweren Kinderarbeit”, die Arbeitgeber müssen mit empfindlichen Strafen rechnen. Diese Form der Ausbeutung Minderjähriger ist seit dem Jahr 2008 entsprechend einer Resolution der Internationalen Arbeitsorganisation ILO geächtet. Auf der dritten Globalen Konferenz zu Kinderarbeit soll ab dem heutigen Dienstag in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia Bilanz gezogen werden. Im Verlauf von zwölf Jahren ist es laut der ILO gelungen, die Kinderarbeit um ein Drittel zu verringern. Im Jahr 2000 waren es noch fast 250 Millionen Minderjährige weltweit, die davon betroffen waren, jetzt geschätzte 168 Millionen. Mehr als die Hälfte von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft, auch als Haushaltshilfen werden sie häufig eingesetzt. Jungen sind dabei übrigens häufiger von Kinderarbeit betroffen als Mädchen. Trotz der sinkenden Zahlen arbeitender Kinder und Jugendlicher hat die ILO bereits vor der Konferenz eingeräumt, dass das Ziel der Roadmap wohl nicht erreicht werden wird – ein Ende der ausbeuterischen Kinderarbeit bis 2016.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Aus unserer Sicht werden arbeitende Kinder generell als nicht akzeptabel angesehen, sieht man von gelegentlicher Mithilfe im elterlichen Haushalt, auf dem Hof oder im Handwerksbetrieb ab. In ärmeren Kulturen nimmt diese Mithilfe einen viel größeren Raum ein und steht ganz selbstverständlich für die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft. Entscheidend für die Entwicklung dieser Kulturen dürfte sein, ob neben dem Arbeitseinsatz für die Familie eine schulische Ausbildung ermöglicht wird. Dabei geht es häufig nicht darum, eine übermäßige Belastung für die Kinder zu vermeiden – dafür sorgen fürsorgliche Eltern in Drittweltländern durchaus auch – sondern auf diese Hilfe zumindest partiell zu verzichten und so Zeit für Bildung/Ausbildung zu schaffen. Insofern ist das im Artikel genannte Sozialhilfeprogramm “Bolsa familia” vorbildlich. Die ILO unterscheidet innerhalb der 168 Millionen arbeitenden Kindern Formen der Kinderarbeit, die gefährliche Arbeiten beinhalten, die ihrer Gesundheit, Sicherheit und sittlicher Entwicklung schaden. Diese Kinder machen mehr als die Hälfte aus (85 Mio.). “Gefährliche Arbeit – beispielsweise Arbeit in Steinbrüchen oder mit gefährlichen Stoffen – wird von der ILO oft als Ersatzindikator für die schlimmsten Formen der Kinderarbeit verwendet. Zum einen macht gefährliche Arbeit den größten Teil der schlimmsten Formen der Kinderarbeit aus, zum anderen findet letztere oft statistisch kaum erfassbar im Verborgenen statt, etwa in illegalen Bordellen oder bewaffneten Konflikten.”
    In diesem Zusammenhang ist die von “arte2 gesendete Reihe “Die gefährlichsten Schulwege der Welt” aufschlußreich, die vereinzelt auf You Tube zu sehen ist:

  9. Lernen in der Arbeitszeit – nur für die weiter oben auf der Leiter?
    Lebenslanges Lernen, beruflich wie privat, ist eins der Ideale in den westlichen Ländern, die allgemein akzeptiert werden. Doch wie sieht es mit der praktischen Umsetzung der Weiterbildung aus? Der allgemeine Eindruck ist, dass angesichts wachsender Anforderungen in den Berufen mit der Schnelligkeit, mit der Wissensstoff auf allen Gebieten zunimmt bzw. sich verändert, kaum Schritt zu halten ist. Weil sich der Zeitaufwand, der fürs Lernen benötigt wird, mit dem reibt, was am Arbeitsplatz erledigt werden muss. […]
    In der Gegenüberstellung der vom DGB bei “statistischen Ämtern, der Bundesregierung und des Instituts für Berufsbildung” ermittelten Zahlen für 2012 sieht das so aus: Die “Weiterbildungsquote” der Beschäftigten mit Hochschulabschluss liegt bei 68 Prozent; bei denen, die einen Bruttoverdienst über 4.000 Euro haben, werden 78 Prozent angegeben. In großen Betrieben nehmen 63 Prozent der Mitarbeiter an Weiterbildungsschulungen teil.
    In “Kleinstbetrieben” waren es dem gegenüber nur 36 Prozent. Und bei den Einkommen zwischen 400 und 1.000 Euro 43 Prozent. Die “Weiterbildungsquote” der Beschäftigten ohne Berufsabschluss lag bei 37 Prozent. Auch die Angestellten aus der Gruppe mit Zuwanderungshintergrund seien im Nachteil legen die präsentierten Ergebnisse nahe. Nur ein Drittel konnte sich 2012 weiterbilden, heißt es. Dies seien stagnierende Zahlen angesichts einer allgemeinen Zunahme der Weiterbildungsteilnahmequoten.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers J.D.: Die Studie deckt sich mit meiner Erfahrung, dass vor allem Arbeiter im Schichtbetrieb und Angestellte im Einzelhandel von beruflicher Weiterbildung bzw. dem Nachholen eines höheren Schulabschlusses in Präsenz abgehalten werden. Manche Betriebe stellen ihre Mitarbeiter zwar vom Schichtdienst frei, bzw. erlauben das Tauschen der Schichten. Viele, vor allem mittelständische Betriebe, legen sich allerdings quer. Vor allem jüngere Mitarbeiter sehen sich aufgrund ihrer prekären Arbeitssituation gezwungen, ihre Weiterbildungswünsche auf Eis zu legen, oder alternativ bei privaten Fernunterrichtsanbietern gegen eine entsprechende Gebühr einen Lehrgang zu beginnen. Hier sind nicht nur die Kosten zu nennen, sondern vor allem das individuelle Lernen über einen längeren Zeitraum, das Probleme bereiten kann. Lernen lebt schließlich auch von sozialer Interaktion – und sei es auch nur, um über den Dozenten gemeinsam schimpfen zu können. Teilweise kommt es zu der paradoxen Situation, dass diejenigen Angestellten oder Arbeiter, die eine Weiterbildung machen, dies im Betrieb verschweigen. Viele Vorgesetzte sehen die (private) Weiterbildung nicht gerne, da sie das Vorurteil hegen, dass der Mitarbeiter sich dann nicht mehr voll auf die betrieblichen Belange konzentrieren könne. Oder vielleicht ist es auch nur die Angst, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner höheren Qualifikation auch höhere Ansprüche stellen könnte. Darüber möge sich der geneigte Leser selber sein Urteil bilden.

    Anmerkung JK: Dazu kommt, dass höherqualifizierende Ausbildungen wie etwa die eines Technikers oder Masters oft extrem teuer sind, man landet dort schnell bei einem höheren vierstelligen oder gar fünfstelligen Betrag, welche sich selbst bei finanzieller Unterstützung durch den Arbeitgeber, nur Arbeitnehmer mit einem entsprechenden Verdienst „leisten“ können.

  10. Amazon plant neue Logistikzentren in Polen
    In Deutschland ringt Amazon derzeit mit den Arbeitnehmern um einen Tarifvertrag. Gerade erst drohte Verdi-Sekretär Heiner Reimann im SPIEGEL mit neuen Streiks: “Ich würde mich an Amazons Stelle nicht darauf verlassen, vor Weihnachten alle Kundenversprechen einhalten zu können.”
    Umso mehr lassen Pläne des Internetversandhändlers in Polen aufhorchen. Dort will Amazon Chart zeigen drei große Logistikzentren eröffnen, wie der Konzern am Montag mitteilte. Jedes der Zentren werde eine Fläche von rund 13 Fußballfeldern haben und binnen drei Jahren etwa 2000 Arbeiter sowie in Stoßzeiten jeweils 3000 Saisonkräfte beschäftigten. Zwei der Lager sollen bis August 2014 fertiggestellt sein, das dritte Mitte 2015.
    Amazon betonte, es gehe nicht um eine Verlagerung von Logistik-Standorten aus Deutschland. Ziel sei der Ausbau des gesamten europäischen Geschäfts, sagte der für Europa zuständige Amazon-Manager Tim Collins. Polen sei wegen der günstigen geografischen Lage, der guten Anbindung und einer “großartigen Beschäftigten-Basis” ausgesucht worden, erklärte das Unternehmen.
    Allerdings werden die neuen Logistikzentren zunächst hauptsächlich Kunden der deutschen Amazon-Seite bedienen und erst später Nutzer von allen europäischen Websites. Die polnische Zeitung “Puls Biznesu” hatte schon vor mehreren Tagen von den Plänen berichtet und geschrieben, Amazon wolle nach den Arbeitsniederlegungen in Deutschland einen Teil der Aktivitäten nach Osteuropa verlegen.
    Quelle: SPON

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: So werden innerhalb der EU Sozialstandards, Mitbestimmungsrechte legal umgangen, zusätzlich noch Lohnkosten reduziert und wahrscheinlich noch Subvention legal “erschlichen”. Die EU ist ein Grenzen offener Wirtschaftsraum und es ist gleich, ob das Verteilzentrum in Flensburg, München oder in Polen ist, denn der deutsche Markt ist gleich nahe, aber die Arbeitnehmerstandards sind zwischen den EU-Ländern sehr unterschiedlich.
    Es ist immer das Gleiche: Profite werden privatisiert, Sozial- und Infrastrukturkosten auf den Staat abgewälzt. Ist da die EU-Frustration bei vielen Bevölkerungsgruppen nicht mehr als verständlich?

  11. Ex-NSA-Chef setzt Snowden scherzhaft auf Todesliste
    Der frühere Chef des US-Geheimdiensts NSA, Michael Hayden, hat eine klare Meinung von Whistleblower Edward Snowden. Unterstrichen hat er sie nun mit einem Scherz – den nicht alle lustig finden. Bei einer Podiumsdiskussion über Cyber-Sicherheit der Washington Post am Donnerstag sagte Hayden, dass Snowden in Europa für einen Menschenrechtspreis nominiert sei. Er spielte damit auf den Sacharow-Preis des Europäischen Parlamants an. “Ich muss zugeben”, kommentierte er, “dass ich in meinen schwächeren Augenblicken darüber nachgedacht habe, Herrn Snowden für eine andere Liste zu nominieren”. Die Zuhörer lachten und der republikanische Kongressabgeordnete Mike Rogers aus Michigan erwiderte: “Dabei kann ich Ihnen helfen.” Obgleich beide Männer den Begriff Todesliste nicht in den Mund nahmen, konnte sich das Publikum vorstellen, wovon die Rede war.
    Quelle 1: SZ
    Quelle 2: Ex-NSA chief Michael Hayden on Edward Snowden

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Scherz? Schauen Sie Haydon in das Gesicht. Der Mann, der ihm bei diesem “Scherz” assistierte, war der republikanische Abgeordnete Mike Rogers, Vorsitzender des ständigen Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Haydon hat dann sehr schnell gemerkt, dass er sich auf ein sehr heikles Gebiet vorgewagt hatte und präzisierte, es gäbe keine Attentate, weil dies per Verfügung des Präsidenten verboten sei – eine Anordnung aus den Jahr 1978, die auf US-Präsident Jimmy Carter zurückgeht und an die sich alle seine Nachfolger gehalten haben. Aber “gezielte Tötungen gegnerischer Kombattanten” würden durchgeführt. Immerhin sei das Land “im Krieg”, so Haydon. Der berüchtigte Krieg gegen den Terror. Nur, wer ist ein Terrorist? Auch einer, der Terroristen finanziert oder die Finanzierung ermöglicht? Einer, der die Welt inklusive Terroristen informiert, in welchem Umfang US-Geheimdienste die Welt überwachen können? Einer, der solche Informanten unterstützt? Oder, wie sieht die Praxis der Aufstellung von Todeslisten aus? (Siehe dazu den Artikel “Plan for hunting terrorists signals U.S. intends to keep adding names to kill lists” in der ‘Washington Post’)

  12. Eigentum macht Bumm
    Eine terroristische Macht sucht Deutschland heim: “Vier Millionen Deutsche leiden unter Mietexplosion” – “In Großstädten explodieren die Mieten” – “Mietpreis-Explosion erreicht neue Rekorde” So ist es in Zeitungen zu lesen, in Medien zu hören. Noch kann der Innenminister keine Namen nennen, der Verfassungsschutz keine Verhaftungen vornehmen, aber es gibt erste
    sachdienliche Hinweise, es sei der “Wohnungsmarkt”, dem diese Anschläge auf Leib und Leben zu verdanken seien. Nun wissen wir, dass der Markt mit einer unsichtbaren Hand begabt ist, man wird ihm deshalb nur schwer auf die Spur kommen. Doch die Opfer sind immerhin bekannt: Rund 300.000 Menschen in Deutschland sind obdachlos, Rentner, Studenten und Hartz IV-Empfänger können sich die Wohnungen des explodierten Marktes kaum noch leisten. Wie aber zündet der Markt seine Bomben?
    Zwei Fälle aus Berlin können uns auf die Spur der Täter führen. Jüngst, im Berliner Szene-Bezirk Friedrichshain, besaß ein Chefarzt aus Hannover eine Wohnung. In der Wohnung lebte eine Frau bei günstiger Miete. Weil der Chefarzt Eigentümer ist, darf er Eigenbedarf anmelden. Zwar will er nur dann und wann in der eigentümlichen Wohnung leben. Sein Wohnsitz bleibt in Hannover. Aber das Berliner Landgericht findet das ärztliche Eigentum schützenswerter als die Mieterin. Deshalb hat es entschieden: Frau dauerhaft raus, Arzt für ein paar Besuche im Jahr rein.
    Quelle: Rationalgalerie [PDF – 327 KB]

    Anmerkung JK: Hierzu sei auch auf einen schön ironischen Blog auf der Webseite der FAZ verwiesen: Wir sind die 1% und sagen: Danke! Leider bleibt fast nur noch Ironie bzw. Zynismus, wenn eben die Parteien (CDU/CSU) bei den Wahlen vollumfänglich bestätigt werden, welchen das Wohl der Villenbesitzer bzw. Wohnungseigentümer näher ist als das Weh der Mieter bzw. derjenigen, die verzweifelt eine bezahlbare Bleibe suchen.

  13. Wenn Staaten dem Profit schaden
    Bundesdeutsche Konzerne suchen ihre Profitinteressen immer häufiger mit Prozessen gegen souveräne Staaten durchzusetzen. Dabei geht es nicht nur um Verstaatlichungen, sondern auch um Steuererhöhungen, den Widerruf von Genehmigungen, neue Umweltgesetze oder auch um das Verbot von Produkten sowie Gewinntransfers. “Die mögliche Vielfalt schädlichen staatlichen Handelns ist praktisch unbegrenzt”, heißt es in einer Rechtshilfe-Publikation der bundeseigenen deutschen Außenwirtschaftsagentur “Germany Trade and Invest” (gtai). Bereits 27 Mal haben Siemens, E.ON, Daimler, Hochtief, Wintershall und andere deutsche Unternehmen das “Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten” (ICSID) oder andere Institutionen angerufen, um ihre Gewinne zu sichern. Berlin setzt sich weiterhin für umfassende Investoren-Schutzrechte ein, die als Grundlage für ICSID-Verfahren dienen.
    Quelle: german-foreign-policy

    Passend dazu: Entscheidung im Rechtsstreit NML Capital gegen Argentinien
    Der US-amerikanische Supreme Court hat heute die Revision Argentiniens gegen ein Urteil des New Yorker Berufungsgericht im Rechtsstreit NML Capital gegen Argentinien zurückgewiesen. Der Beschluss des Obersten Gerichtshof der USA bedeutet, dass Argentinien die Forderung des Hedgefonds NML Capital in voller Höhe von 1,33 Milliarden US-Dollar begleichen muss. erlassjahr.de befürchtet weitreichende Konsequenzen für die Souveränität hochverschuldeter Staaten.
    Der Hedgefonds NML Capital hatte während der argentinischen Finanzkrise Staatsanleihen des südamerikanischen Landes zu einem günstigen Nominalwert aufgekauft. Bei den 2005 und 2010 durchgeführten Umschuldungsmaßnahmen konnte Argentinien bei 92% seiner Gläubiger einen weitreichenden Schuldenschnitt durchsetzen. Die restlichen Gläubiger, unter ihnen NML Capital, lehnten ab. Nun klagte der sogenannte Geierfonds in einem mehrere Jahre andauernden Rechtsstreit den vollen Wert der Forderung ein – und bekam Recht.
    Geierfonds haben aus dem Ankaufen spottbilliger Forderungen an Staaten in finanziellen Krisensituationen und dem späteren Einklagen der vollen Forderung vor Gericht ein Geschäftsmodell gemacht. Dieses hebelt ein souveränes Schuldenmanagement hochverschuldeter Staaten systematisch aus.
    Quelle: erlassjahr.de

  14. Stephan Hebel – Friedrichs Flüchtlings-Märchen
    Den Schleusern müsse das Handwerk gelegt werden, sagt Innenminister Friedrich nach der Katastrophe von Lampedusa. Als ginge es nicht in Wahrheit um die Ursachen der Flucht.
    Wenn unser Bundesinnenminister über den Tod von mehr als 300 Flüchtlingen vor Europas Grenzen spricht, dann sagt er: „Die Schleuser-Verbrecher sind es, die die Menschen mit falschen Versprechungen in Lebensgefahr bringen und oftmals in den Tod führen.“ Hans-Peter Friedrich (CSU) will uns damit weismachen, dass es nicht etwa Schleuser gebe, weil es Flüchtlinge gibt. Er tut so, als gebe es Flüchtlinge, weil es Schleuser gibt. Er versucht uns auf diese Weise hinters Licht zu führen, weil es nicht opportun ist zu sagen, was er tut, nämlich Flüchtlinge abzuwehren, und sei es um den Preis ihres Lebens. Weil es gesellschaftsfähiger klingt, wenn man so tut, als ginge es nur darum, Verbrechern das Handwerk zu legen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. Bildungsselektion – Du schaffst das!
    Aufstieg durch Bildung? In Deutschland Fehlanzeige. Trotz Begabung schaffen die wenigsten sozial benachteiligten Schüler den Sprung an die Unis: keine Unterstützung von zuhause, keine Förderung durch den Staat. Von 100 Kindern, deren Eltern keine Akademiker sind, nehmen nur 23 ein Hochschulstudium auf – von 100 Akademikerkindern sind es stolze 77, die studieren.
    Suat Yilmaz (37) will das ändern. Weil es ungerecht ist – und weil auf diese Weise Deutschland viele Talente verloren gehen, die die Wirtschaft dringend braucht. Der Sozialwissenschaftler ist der einzige festangestellte Talentförderer der Republik. Er bereist im Auftrag der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen die Schulen des Ruhrgebiets auf der Suche nach begabten Arbeiterkindern, die er unterstützen kann: beim Abitur, bei der Studienwahl, beim schweren Wechsel auf die Hochschule. Yilmaz setzt auf die Elite, die von unten kommt. Auf Mario zum Beispiel – ein Mathegenie mit hunderten von unentschuldigten Fehlstunden. Bücher gab es in Marios Elternhaus nicht, seine alleinerziehende Mutter spricht kaum deutsch. Während sich seine Mitschüler auf das Abi vorbereiten, jobbt er im Altenheim. Er braucht Geld, er braucht Unterstützung. Das Abitur wird er wohl schaffen – aber dann?
    Deutschland braucht viele Talentförderer, davon ist Yilmaz überzeugt. Denn die Chancen für Kinder aus den untersten sozialen Schichten haben sich in den letzten zwanzig Jahren nicht verbessert, sondern gravierend verschlechtert: Gelang 1991 noch 21 Prozent von ihnen der Sprung an die Hochschule, waren es 2012 nur noch neun Prozent.
    Quelle: das erste

    Anmerkung JK: Für NachDenkSeiten-Leser leider keine neue Erkenntnis, dass Deutschland eines der sozialselektivsten Bildungssysteme der Welt hat. Anstatt beständig den angeblichen Fachkräftemangel zu bejammern sollte man sich hier überlegen welches Talent und Potential dadurch verschwendet wird.

  16. Frankfurter Buchmesse – OPEN BOOKS
    Ulrike Herrmann / Heiner Flassbeck
    „Der Sieg des Kapitals“ / „Handelt jetzt! Das globale Manifest zur Rettung der Wirtschaft“ / Westend Verlag
    Die Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten und deren Folgen lassen viele ratlos zurück. Wer aber das aktuelle Wirtschaftsgeschehen verstehen will, sollte unbedingt zu dieser Veranstaltung kommen.
    Moderation: Stephan Hebel, Frankfurter Rundschau
    Frankfurt, Ort Haus am Dom
    Großer Saal
    Mittwoch, 9. Oktober, 18.30h

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