“Etappensieg” für Privatisierungsgegner der Bahn?

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„Der Widerstand in der SPD gegen die geplante Privatisierung der Bahn wird stärker. Im Parteivorstand setzten die Kritiker der Regierungspläne am Montag durch, dass vor einer Entscheidung des Bundestages ein alternatives Modell geprüft werden kann.“ So schreibt die taz. Es soll also „geprüft“ werden, ob der Bund einen Anteil von 49% statt an Investoren in Form von „nicht stimmberechtigten“ Volksaktien verkaufen soll. Man kann es gar nicht glauben, dass der Autor Malte Kreutzfeldt auf eine so plumpe Rosstäuscherei hereinfällt. Wolfgang Lieb.

Ist die Veräußerung in Form von Volksaktien etwa keine Privatisierung?
Die versprochene Prüfung soll zudem „im Rahmen der vom Bundeskabinett beschlossenen Bahn-Privatisierung“ erfolgen. Wo liegt da ein „Etappensieg“ der Privatisierungsgegner?
Der Parteivorsitzende Kurt Beck sprach von einer „interessanten Idee“ – mehr aber auch nicht.
Merken die Privatisierungsgegner in der SPD-Fraktion um Hermann Scheer eigentlich nicht, wie sie da verschaukelt werden sollen?
Noch vor wenigen Tagen verkündete der Fraktionsvorsitzende Peter Struck im Handelsblatt: „Wir sind fertig mit den politischen Entscheidungen“. Strucks Stellvertreter, Ludwig Stiegler, nannte die Idee einer Bahn-Volksaktie eine „Träumereien am Kamin“.

Zur Idee der „Volksaktie“ schrieb die üblicherweise privatisierungsfreundliche FTD am 17. 08.07 nicht zu Unrecht:

Als ob ahnungslose Privatanleger mit der Volksaktie Deutsche Telekom nicht schon genug Geld verloren hätten.
Das Problem ist nicht der abschreckende Klang des Wortes, sondern ein oft übersehener Grundwiderspruch zwischen der Lage ehemaliger Staatsmonopolisten und den Anforderungen der Börse. Anleger erwarten Kursgewinne, dafür ist ein steigender Konzerngewinn nötig. Die Politiker verkaufen den Anlegern jedoch ein Unternehmen, dem sie dann systematisch und gezielt Marktanteile wegnehmen – was zu sinkendem Gewinn und einem fallenden Aktienkurs führt. Siehe Volksaktie Nummer eins (Telekom WL)…Warum sind Politiker trotz vieler Misserfolge so versessen auf Börsengänge von Ex-Monopolisten? Bessere Finanzierungsmöglichkeiten sollten das Ziel eines jeden Börsengangs sein. Das ist bei der Bahn nicht der Fall. Denn der Erlös von der Börse dürfte für die Bahn und die Regierung gering sein im Vergleich zu den 2 bis 3 Mrd. Euro, die der Steuerzahler auch nach dem Börsengang jährlich in das Bahnnetz stecken soll.

Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen, außer vielleicht der Grundsatzfrage:
Wozu eigentlich eine „Volksaktie“ wo doch die Bahn (bisher noch) dem „Volk“ gehört? Wozu eine „Volksaktie“ für ein vom Steuerzahler über ein Jahrhundert aufgebautes „Volksvermögen“ Bahn?

Der jetzt beschlossene „Prüfauftrag“ ist nichts anderes als der Versuch, die Gegner der Privatisierung in der SPD, die zwei Drittel der Bevölkerung hinter sich haben, vor dem anstehenden Bundesparteitag ins Boot für die Privatisierung der Bahn zu ziehen.

Vielleicht gibt es ja bei dieser „Prüfung“ einen der üblichen „Kompromisse“ und man beschließt, einen kleinen Teil der Bahn-Aktien als Vorzugsaktien für Kleinanleger zu emittieren.
Denen würde es jedoch vermutlich nicht viel anders gehen als den „Volksaktionären“ der Telekom: Sie dürften ihr Geld einbringen und Kursverluste hinnehmen und hätten im Übrigen nichts zu sagen. Oder haben die Telekom-Kleinaktionäre etwa verhindern können, dass der Finanzinvestor Blackstone mit einem Anteil von nur 4,5 Prozent der Telekom-Aktien im Konzern das Sagen hat?
(Natürlich nur im Zusammenspiel mit dem Großaktionär Bund, der sich – so Finanzminister Steinbrück – durch Blackstone „positive Impulse“ versprach. Tausende Telekom-Mitarbeiter haben diese Art von Impulsen gerade jüngst zu spüren bekommen, indem sie unter erheblichen Einbußen aus der Telekom ausgegliedert wurden.)

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