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  1. Hans-Werner Sinn: “Mindestlöhne unterminieren die Gesellschaft”
    „Je niedriger der Lohn für die Arbeit in einem speziellen Qualifikationssegment des Arbeitsmarktes ist, desto mehr Stellen gibt es in diesem Segment, weil sich mehr Projekte lohnen und weil mehr Arbeit eingeplant wird. Dies ist eines der Fundamentalgesetze der Volkswirtschaftslehre.
    In einer sich selbst überlassenen Marktwirtschaft bestimmt sich der Lohn für die verschiedenen Qualifikationssegmente durch Angebot und Nachfrage. Die Unternehmen konkurrieren um Arbeitskräfte und treiben den Lohn in jedem Segment bis zu dem Punkt, wo sich gerade so viele Projektideen rechnen, dass alle Menschen, die arbeiten wollen, auch tatsächlich beschäftigt werden.“
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Eine ganze Zeitungsseite bietet die wirtschaftsliberale Süddeutsche Zeitung, dem marktradikalen Dogmatiker Sinn um seine eindimensionale Arbeitsmarktlehre auszubreiten.
    Sinn hängt dem schlichten Bild vom Arbeitsmarkt, als einem Kartoffelmarkt an. Motto: Preis (=Lohn) runter, Angebot (=Arbeit) auf dem Markt (=Arbeitsmarkt) geräumt! So das schlichte gedankliche Konstrukt. Dieser „Preismechanismus“ trifft jedoch noch nicht einmal für den „Gütermarkt“ zu, denn auch dieser besteht aus einer riesigen Vielzahl von Märkten mit ganz unterschiedlichen Produkten, vom Brötchen bis zum Rolls Royce. Noch weniger passt dieses gedankliche Konstrukt für den Arbeitsmarkt, wo ja auch ganz unterschiedliche Fähigkeiten nachgefragt werden.
    Diese eindimensionale Denklogik finden wir bei Sinns Argumentation gegen den Mindestlohn: Ein Mindestlohn, der von den Arbeitgebern im Wettbewerb nicht bezahlt werden kann, vernichtet Arbeitsplätze.
    Weder Herr Sinn noch irgendeiner der neoklassisch inspirierten Ökonomen hat außer in der Welt ihrer Grenzprodukt-Modelle jemals auch nur näherungsweise ausrechnen können, was jeder einzelne im jeweiligen Produktionsprozess erwirtschaftet. Die Anhänger solcher Denkmodelle müssten ja sonst auch ausrechnen können, wie viel mehr der millionenschwere Manager gegenüber dem Portier „im Wettbewerb“ (Grenzprodukt) „erwirtschaftet“. Lohnverhandlungen oder Aufsichtsratsbeschlüsse über Managerbezüge könnte man sich ersparen. Vom Fegen des Hofes, bis zur Entwicklung eines Designs für ein Produkt, ja sogar der strategische Meinungsfindungsprozess des Topmanagers müsste danach nämlich exakt ausgerechnet werden können, was ihre letzte im Produktionsprozess eingesetzte „Arbeitseinheit“ erwirtschaftet (Grenzprodukt).
    Im Übrigen sollte man sich immer darüber im klaren sein, wer sich gegen Mindestlöhne ausspricht und damit für ein weiteres Sinken der Löhne in den untersten Lohngruppen, um damit Beschäftigung im Niedriglohnsektor zu schaffen, der „fordert implizit auch eine Senkung des durchschnittlichen Lohnniveaus, wenn er nicht gleichzeitig eine entsprechende Anhebung der Löhne in höheren Verdienstgruppen ausdrücklich anmahnt“ (Flassbeck/Spiecker).

    Die Anhänger des neoliberalen Angebotsansatzes starren zudem lediglich auf die Angebotsbedingungen für die Unternehmen, die Nachfragebedingungen bleiben hingegen nahezu völlig außer Acht. Ob die Produkte auf eine kaufkräftige Nachfrage stoßen ist für diese Lehre vernachlässigbar, denn für sie gilt ein vor 300 Jahren aufgestelltes Gesetz von Jean-Baptist Say. Say`s Law lautet: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage.
    Dass ein Anbieter auf seinem Angebot sitzen bleibt, muss aber keineswegs an fehlenden Konsumwünschen der Konsumenten liegen, sondern schlicht daran, dass mangels Einkommen der Konsumenten sie sich das Angebot einfach nicht leisten können.
    Der schlichte Zusammenhang „Löhne runter – Beschäftigung rauf“ mag das Denken eines einzelnen Unternehmers bestimmen und einzelwirtschaftlich tendenziell vielleicht eine gewisse Plausibilität haben, in einer gesamten Wirtschaft hängen jedoch Angebot und Nachfrage insgesamt voneinander ab. Die Zusammenhänge sind also etwas komplizierter als uns vorgegaukelt wird, und deswegen ist es ziemlich einfältig, den Arbeitsmarkt mit dem Kartoffelmarkt gleichzusetzen.
    Ein Unternehmer stellt doch nicht allein deshalb einen Mitarbeiter ein, weil er billig ist, sondern weil er, um mehr Produkte auf dem Markt absetzen zu können, dessen Arbeitskraft zur Herstellung der Produkte braucht – sofern er sie auf dem Gütermarkt absetzen kann, weil eine entsprechende Nachfrage danach besteht und der Unternehmer durch den Absatz einen entsprechenden Gewinn erwarten darf.
    Sinn kann in seiner eindimensionalen ökonomischen Welt nicht verstehen, dass Löhne nicht allein der Preis für das Gut Arbeit sind, sondern in der Summe das Einkommen der abhängig Beschäftigten, die immerhin die Hälfte das gesamten Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Sicher nimmt mit steigendem (gesamtwirtschaftlichen) Lohn die Kostenbelastung der Unternehmen zu, und das mag ihre (gesamtwirtschaftliche) Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen, aber andererseits nimmt mit steigenden Löhnen die (gesamtwirtschaftliche) Güternachfrage zu, was wiederum die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften steigert. Diese Zusammenhänge sind jedenfalls erheblich komplexer als sie durch die eindimensionale Angebots- und Nachfragekurve des gängigen Marktschemas erfasst werden könnten.

    Die Nachfrage nach Produkten findet für Sinn offenbar allenfalls im Export, aber nicht auf dem Binnenmarkt aufgrund der Kaufkraft auch der Arbeitnehmer statt. Er meint wohl tatsächlich, dass der mehrjährige „Exportweltmeister“ Deutschland zur weiteren Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit die Löhne so weit sinken müsse, dass sie billiger sind, als der Einsatz des Produktionsfaktors Kapital. Deutsche Autos kaufen eben dann die Ausländer (und vielleicht noch die Besserverdienenden im Inland).
    Sinn vertritt eine ökonomische Lehre, die letztlich den Weg zurück in die Steinzeit weist. Er unterstellt nämlich die sog. Substitutionsthese. Will sagen je billiger der Faktor Arbeit im Verhältnis zum eingesetzten Faktor Kapitel (Investitionen) wird, desto mehr Arbeit wird eingesetzt und desto weniger Anreiz besteht für den Unternehmer Kapital zu investieren, will heißen kapitalintensiver zu produzieren. Denkt man diesen Weg zu Ende, dann gelangt man ins vorindustrielle Zeitalter, denn billige Arbeit lohnt die Investitionen in Maschinen ja nicht mehr. D.h. es besteht kein Anreiz mehr zu Steigerung der Produktivität.
    Dementsprechend lautet ja auch das neoklassische Rezept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Reallohnsteigerungen möglichst gering zu halten. Nach dem Motto, wenn die Produktivität langsamer zunimmt, werden auch weniger Arbeitsplätze wegrationalisiert. Wettbewerb findet nicht über innovative Produkte und über die Steigerung der Produktivität statt, sondern vor allem über die Angleichung der Löhne an die Wettbewerber in Asien.
    Heiner Flassbeck und Friedericke Spieker haben in ihrem Buch „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ empirisch genau das Gegenteil nachgewiesen: Die Länder mit vergleichsweise guter Reallohnentwicklung (z.B. USA oder Großbritannien) haben eine vergleichsweise bessere Beschäftigungslage, als diejenigen mit stagnierenden Löhnen, also z.B. Deutschland und Japan.
    Und ganz anders als die Neoklassiker in ihrem Denkmodell annehmen, hat z.B. Japan mit der schlechtesten Beschäftigungsentwicklung gleichzeitig die niedrigste Produktivitätsrate. Nach Flassbeck/Spiecker belegt die Erfahrung der letzen zehn Jahre: „Hohes Reallohnwachstum geht einher mit einem hohen Produktivitätszuwachs und guter Beschäftigungsentwicklung.“

    Wenn Herr Sinn schon die Tatsache nicht überzeugt, dass in 20 von 27 Ländern gesetzliche Mindestlöhne existieren und dabei in den meisten Ländern eine niedrigere Arbeitslosigkeit herrscht als bei uns, dann sollte er wenigstens die einzig bisher vorliegenden empirischen Daten zum Bauhauptgewerbe in Deutschland des IAB anschauen, danach sind jedenfalls im Westen durch die Einführung des Mindestlohns auf diesem Arbeitsmarktsegment keine Jobs verloren gegangen. “Die weite Verbreitung und die regelmäßigen Erhöhungen zeigen, dass Mindestlöhne in der großen Mehrheit der europäischen Staaten als Erfolgsmodell gesehen werden“, heißt es noch in einer Studie des WSI vom Januar 2008. (Siehe auch WSI Tarifarchiv und unseren gestrigen Hinweis zur aktuellen Mindestlohndebatte [PDF – 172 KB] )

    Sollten Sie sich immer noch über laut Bild-Zeitung Deutschlands besten Ökonomen ärgern, dann schauen Sie doch einfach mal auf den Mitschnitt von Georg Schramm bei Maischberger.
    Quelle: youtube

  2. Lernblockade der SPD
    Die Einführung des Mindestlohns auf dem Verwaltungswege ist gescheitert. Nur acht Branchen wollen in das Entsendegesetz aufgenommen werden – und damit ist nur ein Bruchteil jener Jobs erfasst, in denen Hungerlöhne Alltag sind.
    Das Thema ist seit gestern keineswegs vom Tisch. Der Mindestlohn wird der Union noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Die SPD hingegen wird 2009 damit fröhlich Wahlkampf machen, die Gewerkschaften wieder an sich binden und der Unterschicht, nach Jahren der Zumutungen, mal wieder Erfreuliches anzubieten haben.
    Allerdings bleibt offen, mit wem die SPD den Mindestlohn umsetzen will. Mit der Union nicht, mit der FDP auch nicht. Der Mindestlohn wäre ein Kernprojekt einer rot-rot-grünen Koalition im Bund. Doch die schließen Beck & Co derzeit eifrig aus.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Die Frage, mit wem die SPD den Mindestlohn politische durchsetzen möchte, sollte man jedem Wahlkampfredner stellen.

  3. Arbeitsmarkt im März 2008
    3,507 Millionen registrierte Arbeitslose –617.312 (15,0%) weniger als im März 2007.
    6,115 Millionen „Arbeitslosengeld-Empfänger/innen“ (Alg I und Alg II), darunter 3.104 Millionen (50,7%) registrierte Arbeitslose.
    In einem Monat März wurden zuletzt 1993 weniger Arbeitslose registriert als im März des vierten
    Hartz IV-Jahres. Vor fünfzehn Jahren wurden von der BA insgesamt 3.363.945 Arbeitslose registriert, 143.491 (4,1%) weniger als im März 2008.
    Zur Erinnerung: Im März 1993 hatten 1.955.289 Frauen und Männer einen Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III). Im März 2008 waren dies noch 1.059.979 Millionen (vorläufig). Rechnerisch kamen im März 1993 etwa 581 Arbeitslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) auf 1.000 registrierte Arbeitslose. Im März 2008waren es nur noch etwa 302 Arbeitslosengeld-Empfänger/innen (SGB III).
    Quelle1 : Information des Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 272 KB]
    Quelle 2: Bundesagentur [PDF – 832 KB]

    Anmerkung: Was zur Statistik noch dazu gehört:

    • Im Monat März befanden sich 1,51 Millionen Personen in einer von Bund oder Bundesagentur für Arbeit in geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.
    • Im März begannen 360.200 Personen eine neue Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Seit Jahresbeginn sind 921.000 Personen, 0,5 Prozent weniger als im Vorjahr, in eine Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik eingetreten. Werden auch Einmalleistungen (wie z.B. Vermittlungsgutscheine und Mobilitätshilfen) hinzugezählt, haben 584.500 Personen im März und 1.608.000 Personen seit Jahresbeginn eine Förderung erhalten, 1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
    • Nur etwas mehr als die Hälfte des Beschäftigungsplus entfällt auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen.
    • Vor allem bei unternehmensnahen Dienstleistungen gab es einen kräftigen Anstieg (+6,5 Prozent bzw. +229.000), der wiederum zum größten Teil von Arbeitnehmerüberlassung getragen wird. D.h. über ein Drittel der Zunahme der Erwerbstätigkeit im letzten Jahr ging auf das Konto der Leiharbeit.
    • Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im Januar nach der Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit bei 27,08 Mio. Schaut man auf die Abbildung 1 so zeigt sich, dass sich die Steigerung seit 2004 sehr in Grenzen hält. Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse an der Gesamtbeschäftigung liegt weiter deutlich unter dem Niveau der 90er Jahre.
    • In Arbeitsgelegenheiten (in der Mehraufwandsvariante) waren im Februar 267.000 Arbeitslosengeld II-Empfänger beschäftigt.
    • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat nach ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit im Januar 4,90 Mio. betragen, 78.000 oder 1,6 Prozent mehr als vor einem Jahr. Darüber hinaus übten 2,15 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 193.000 oder 9,9 Prozent mehr.
    • Der gemeldete Stellenbestand hält sich auf hohem Niveau, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Das gemeldete Stellenangebot (einschließlich geförderter Stellen) ist im März saisonbereinigt um 3.000 gesunken, während die ungeförderten Stellen für „normale“ sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die besser die Marktentwicklung widerspiegeln, geringfügig um 1.000 zugenommen haben. In den letzten drei Monaten hat sich der gesamte Stellenbestand um monatsdurchschnittlich 7.000 und die ungeförderten „normalen“ Stellen um 3.000 reduziert.
    • Nach Angaben des IAB lag das gesamtwirtschaftliche Stellenangebot im vierten Quartal 2007 bei 1,22 Mio., im Vergleich zum Vorjahr waren das 149.000 oder 11 Prozent weniger.
    • Gegenüber dem Vorjahr hat die Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB III um 366.000 oder 25 Prozent und im Rechtskreis SGB II um 251.000 oder 10 Prozent abgenommen.
  4. Rudolf Hickel zum Tarifabschluss : Sozial gerechte Lösung
    Aber jetzt sollte auch darangegangen werden die Bedeutung des öffentlichen Dienstes und insbesondere der Kommunen durch eine bessere Finanzausstattung herauszuheben.
    Quelle: FR
  5. Sockel gegen Armutslöhne
    Wer wissen will, wie es um die finanzielle Situation breiter Einkommensschichten in Deutschland bestellt ist, der muss sich die Tarifeinigung anschauen, die gestern beschlossen wurde. Es gibt deutlich mehr Geld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Gegen die Preissteigerungen nimmt sich die Erhöhung eher bescheiden aus. Zudem können die ArbeitnehmerInnen bei Bund und Kommunen ihre Kaufkraft nur steigern, indem sie etwas länger ackern. Die ArbeitnehmerInnen sind immer noch in der Defensive. Trotzdem hat Ver.di mit dem Abschluss ein Zeichen gesetzt. Denn die Einigung begünstigt vor allem die Niedrigverdienenden.
    Quelle: taz
  6. attac: Finanzkrise: Plan von US-Finanzminister geht am Problem vorbei – EU muss bei Ecofin selbst Schritte für echte Regulierung beschließen
    Paulson plant, die verschiedenen Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte zusammenzulegen und die amerikanische Notenbank FED zu stärken. Dies würde die Börsenaufsicht SEC schwächen und mit der FED gerade jene Institution stärken, die kaum einer demokratischen Kontrolle unterliegt. “Paulson klammert alles aus, was das Gebaren an den Finanzmärkten tatsächlich unter Kontrolle bringen könnte”, betonte Stephan Schilling. Er habe nicht einmal Vorschläge für eine bessere Absicherung riskanter Geschäfte gemacht oder sich mit den neuen dubiosen Finanzmarktakteuren wie Schattenbanken oder Hedgefonds auseinandergesetzt.
    Die aktuelle Finanzkrise ist Attac zufolge die Bankrotterklärung der neoliberalen Finanzmarktarchitektur. Reformvorschläge, die sich ausschließlich an der Aufsicht, einzelnen Akteuren oder Produkten der Finanzmärkte abarbeiten, gingen daher völlig an der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Reform der Finanzordnung vorbei.
    Quelle: attac
  7. Der Kommerz ist ein schlechter Ratgeber
    Neue Studie offenbart die Dominanz von Industrielobbyisten bei Gesetzgebung der Europäischen Union. Gespräch mit Heidi Klein, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei “LobbyControl”.
    Quelle: junge Welt
  8. IWF sieht USA kurz vor Rezession – Pessimismus auch für Deutschland
    Die Skepsis verstärkt sich im Monatstakt: Erneut senkt der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognosen. Die pessimistischen Experten sehen die USA in die Rezession abstürzen – und auch in Deutschland seien die Aussichten nicht mehr so positiv.
    Ein ganzer Prozentpunkt nach unten, von 1,5 zu 0,5 Prozent – das ist viel in der Welt der Konjunkturprognosen. Die US-Wirtschaft wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds in die Rezession rutschen: Der neuen IWF-Konjunkturschätzung zufolge wird die bisherige Vorhersage für 2008 dramatisch nach unten korrigiert.
    Auch die Schätzung für die Weltwirtschaft soll der IWF revidiert haben – und die Prognosen für Deutschland. Im Entwurf für den aktuellen Konjunkturausblick rechnet der IWF für 2008 nur noch mit einem Wachstum von 1,2 Prozent. Ende Februar waren die Experten noch von 1,5 Prozent ausgegangen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Während fast überall in der Welt gehandelt wird oder zumindest über konjunkturstabilisierende Maßnahmen nachgedacht wird legt sich die Bundesregierung mal wieder zurück und wartet in Ruhe den Abschwung ab. Ist die Rezession erst da, wird dann umso lauter nach „Strukturreformen“ gerufen. Denn mehr als Sozialabbau und Lohnsenkungen fallen der herrschenden neoliberalen Wirtschaftspolitik ja nicht ein.

  9. Für Fehlspekulationen sollen Manager und Aktionäre haften
    EU-Währungskommissar Joaquín Almunia über die Finanzkrise, den starken Euro und Rezepte für unterschiedlich Kranke
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Orlando Pascheit: Zunächst lacht man nur über diese saubere Schau, die der Kommissar für Wirtschaft und Finanzen hinlegt, der überraschte, ratlose, aber bemühte Politiker, mit viel Empathie für den einfachen steuerzahlenden Bürger: “schließlich zahle ich auch Steuern”. Man lacht, bis einem die Galle hochkommt.
    Denn unser EU-Kommissar zuständig für Wirtschaft und Finanzen ist ein mit allen Wassern gewaschener Profi, der uns verkaufen will, dass es nicht einfach sei, “wundervolle Lösungen für ausgesprochen komplizierte Probleme zu finden.” Er sei überrascht, dass es bei den Banken losging, denn die “Banken waren vergleichsweise stark reguliert und unter intensiver Aufsicht.” Jeder aufmerksame Zeitungsleser wusste mindestens seit zwei Jahren um die Immobilienblase in den USA, und naturgemäß sind dann die Banken involviert. Und was heißt hier intensive Aufsicht?
    Was werden die Finanzminister und den Notenbankchefs der EU in der jetzigen Krise tun? “Wir haben im Oktober des vergangenen Jahres, beim vorherigen Treffen in dieser Runde, einen Aktionsplan beschlossen. Über den werden wir reden.” Und im nächsten Oktober kommt dann die Aktion? Und welche? “Regulierung ist kein Selbstzweck und löst nicht automatisch die Probleme.” Na dann, Prost!
    Natürlich sollen im Einzelfall “Manager und Aktionäre haftbar gemacht werden”, aber etwas “anderes ist es, wenn der Staat das Geld seiner Bürger nimmt, um Krisen abzuwenden, die nicht nur eine einzelne Bank, sondern das ganze Finanzsystem bedrohen”. Kurzum wenn viele Banken bzw. deren Manager “Fehler” gemacht haben, sind die Bürger haftbar.- Man könnte meinen der Mann sei ein Idiot, nur das wäre das Dümmste, was wir denken können. Das ist ein Politprofi, der es in Kauf nimmt, dass wir ihn u.U. dafür halten.- Diese Herren Finanzminister, Notenbankchefs und Kommissare haben ihre eigenen Gründe, weshalb sie Banken und Finanzmärkte weder sanktionieren noch regulieren möchten. Der Ex-Harvard-Professor, Ex-Minister, Ex-Generalsekretär des PSOE und Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Joaquín Almunia, weiß sehr wohl was er sagt bzw. tut oder nicht tut.

  10. Beck wirbt in der SPD für Bahnreform
    Ein Kernpunkt bei den weiteren Gesprächen ist nach Angaben von Teilnehmern die Zukunft des Regionalverkehrs. Dieser könnte nach einem Vorschlag Becks vom geplanten Teilverkauf des Fahrbetriebs ausgenommen werden. Damit trüge die SPD einer Sorge der Bundesländer Rechnung, die im Fall der Privatisierung eine Stilllegung schwach ausgelasteter Regionalstrecken befürchten. Zu klären sei auch, welche Art von Aktien an wen ausgegeben werden sollen, hieß es. Nach dem Holding-Modell soll der Fahrbetrieb der Bahn bis zu 49 Prozent veräußert werden. Die Infrastruktur bliebe vollständig im Bundesbesitz.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Orlando Pascheit: Einmal abgesehen vom Grundsätzlichen, unsere Schmalspurökonomen versuchen sich als Heuschrecke: Alles, was nach Kosten aussieht, verbleibt beim Bund, die Filetstücke werden verscherbelt.

  11. Atomkraft: Milliardengrab für Siemens
    Für Europas Atomindustrie ist es das wichtigste Projekt der letzten 20 Jahre. Im finnischen Olkiluoto wollten die Reaktorbauer Siemens und Areva der Welt beweisen, dass sich Atomkraft rechnet, dass sie sicher, innovativ und schnell zu realisieren ist. In Olkiluoto wird nicht weniger als das modernste und leistungsstärkste Atomkraftwerk der Welt gebaut, der erste europäische Druckwasserreaktor der dritten Generation, für den die Zunft jahrzehntelang getrommelt hat. Hier sollte das Supervorzeige-AKW entstehen.
    Doch das droht zum Milliardengrab zu werden. Schon ein halbes Jahr nach Baubeginn im Sommer 2005 mussten die ersten Probleme eingeräumt werden. Inzwischen ist von Mehrkosten bis zu 1,5 Milliarden Euro die Rede und von einer Verzögerung um volle zwei Jahre. Jeder weiß: Dabei wird es nicht bleiben.
    Quelle: taz
  12. Medizin-Rationierung
    Die Kosten für die medizinische Versorgung in Deutschland werden weiter steigen. Da aber das Budget begrenzt ist, stellt sich die Frage, wie Medizin rationiert werden kann.
    Experten nennen das verdeckte Rationierung. Doch offiziell heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium: “Eine Rationierung im Gesundheitswesen findet in Deutschland nicht statt.”
    Quelle: Fakt MDR

    Anmerkung: Leider behandelt der Beitrag nur die Auswirkungen der verdeckten Rationierung durch die Ärztebudgets und ist insofern eine platte Werbung für die private Krankenversicherung. Die „Rationierung“ der Kosten bei den Gesundheits-„Anbietern“, also etwa Arzneimittelpreise, Overheadkosten bei Krankenkassen, Vermeidung von Doppelbehandlungen etc. werden leider nicht angesprochen. Warum funktionieren andere Gesundheitssysteme mit gleicher Leistung in anderen Ländern besser und billiger?

  13. Heribert Prantl: „Der Knast als Profit-Center“
    Die Verbetriebswirtschaftlichung des Gemeinwesens hat vor einiger Zeit die Gefängnisse erreicht. Ende 2005 eröffnete Hessens Ministerpräsident Roland Koch in Hünfeld das erste teilprivatisierte Gefängnis Deutschlands. Der Staat schließt dort zwar noch auf und zu, aber wichtige Schlüsselpositionen sind privat besetzt.
    Der Staat wollte auf diese Weise sparen. Jetzt stellt sich heraus, dass das nicht funktioniert. Das halbprivate Spargefängnis ist teuerer als das klassische staatliche Gefängnis.
    Diese Erkenntnis ist geeignet, den gefährlichen staatlichen Privatisierungswahn zu stoppen. Der Midas-Glaube der neuen Ökonomie, welchem auch die deutsche Politik viel zu lang anhing, tut so, als könne man auch noch aus einem Gefängnis ein Profit-Center machen.
    Es handelt sich dabei um eine Irrlehre – und zwar weniger deswegen, weil sich zeigt, dass das Privatgefängnis teuerer ist, als man sich das vorgestellt hat. Es ist vielmehr so, dass es einen Wesenskern von staatlichen und hoheitlichen Tätigkeiten gibt, die nicht privatisiert werden dürfen, weil sich der Staat sonst selbst in Frage stellt.
    Die Bürgerinnen und Bürger erleben die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge als einen Sieg des Wertesystems angeblicher ökonomischer Effizienz über das Wertesystem der sozialen Verantwortung. Das schwächt die Loyalität zum Staat und zur Staatsform, das stärkt die Staatsverdrossenheit.
    Der Staat darf seine Aufgaben nicht abwerfen wie ein Baum seine Blätter im Herbst. Die Zahlen vom teueren Billigknast in Hünfeld sind geeignet, das Nachdenken über die Grenzen der Entstaatlichung zu fördern.
    Quelle: SZ
  14. Post verkauft Immobilien für eine Milliarde
    Die verkauften Immobilien sollen „im Rahmen eines innovativen Mietvertrags“ zurückgemietet werden. Er erlaube es der Post, sich auch leer stehender Häuser zu entledigen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Was man alles so tut, kurzfristig um den Kurs der Aktie zu steigern. Irgendwann wird uns jemand einreden zu wissen, den Bundestag zu verkaufen und dann zurückzumieten, auf den Leerstand in den Köpfen der Bürger hoffend.

  15. Schwindsucht bei Parteien
    Nur die Linke wächst
    Quelle: FR
  16. Bundesverwaltungsgericht lässt Revision gegen Studiengebührenurteil zu
    Die juristische Auseinandersetzung um Studiengebühren hat ein neues Niveau erreicht. Denn wie nun bekannt wurde hat das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss die Revision gegen das Grundsatzurteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 9.10.2007 zugelassen. Damit werden jetzt die Richter des zweithöchsten deutschen Gerichtes darüber entscheiden, ob die Einführung von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen gegen den Internationalen Pakt über soziale Rechte verstößt. Eben dies ist aus Sicht von 14.000 Musterklägern, für die eine Paderborner Studentin stellvertretend Klage eingereicht hatte, der Fall.
    Quelle 1: Aktionsbündnis gegen die Studiengebühren beim fzs
    Quelle 2: Rechtsgutachten Die Einführung von Studiengebühren und der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) [PDF – 456 KB]
    Quelle 3: Bei Studiengebühren hört das Völkerrecht auf. Anmerkungen zum Urteil des OVG Münster

    Anmerkung Wilhelm Achelpöhler: Die Entscheidung ist ein schöner Erfolg. Man kann ihr entnehmen, dass das BVerwG die Auffassung des OVG NW zur Bedeutung des UN-Sozialpakts in einem entscheidenden Punkt nicht teilt.

    Das OVG hatte die Auffassung vertreten, dass der Internationale Sozialpakt kein “Recht” darstelle. Auf der Grundlage dieses Rechtsstandpunkts war deshalb war es konsequent, dass das OVG die Revision nicht zugelassen hat. Denn das Bundesverwaltungsgericht kann nur über Bundes”recht” entscheiden.

    Offenbar ist das Bundesverwaltungsgericht hier anderer Ansicht als das OVG NW. Aus seiner Sicht handelt es sich beim Internationalen Pakkt über soziale Rechte sehr wohl um “Recht”, denn sonst macht die Zulassung der Revision keinen Sinn. Aus Sicht des BVerwG kann das Revisionsverfahren “voraussichtlich zur Klärung der Rechtsfrage führen, ob Art. 2 und 13 Abs. 1 und 2 Buchst. c) des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem durch Gesetz vom 23.11.1973 zugestimmt wurde …der Einführung einer Hochschulfinanzierungsabgabe der Studierenden durch Landesgesetz entgegensteht.”

    Damit setzt sich das BVerwG auch in Widerspruch zu den Entscheidungen einiger Verwaltungsgerichte, die dem OVG NW gefolgt waren.

    Das BVerwG hatte diese Frage in der Vergangenheit bei den Entscheidungen Langzeitstudiengebühren oder Verwaltungskosten immer letztlich offen gelassen, aber bereis darauf hingewiesen, dass sich aus dem Pakt Rechte herleiten lassen könnten.

    Ist damit der Sozialpakt als geltendes Recht durch das BVerwG anerkannt, so stellt sich jetzt die spannende Frage, ob das Landesgesetz dem Sozialpakt widerspricht. Genau das war unser zentrales Argument.
    Daneben können aber auch alle anderen Einwände gegen Studiengebühren vorgebracht werden. Das Revisionsverfahren ist nicht auf die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Sozialpakt beschränkt.

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