Mit feinem Gespür für das Denkbare

Jens Berger
Ein Artikel von:
Erich Schmidt-Eenboom

Kriminalromane aus dem Dunstkreis der Nachrichtendienste sind dünn gesät in Deutschland. Zu denken ist da in erster Linie an den 1975 erschienenen Schlüsselroman „Besondere Kennzeichen: Augen katzengrün“ von Dieter Sinn. Der mixte real existente Spitzenpolitiker wie Willy Brandt und Walter Ulbricht mit fiktiven Geheimdienstlern wie der Ost-Agentin Andrea Wintrich. Die Handlung kreist um illegale Waffenexporte und den verdeckten Krieg zwischen Bundesnachrichtendienst und Ministerium für Staatssicherheit, zwischen dem israelischen Mossad und ermordeten arabischen Agenten. „Dieter Sinns Schlüsselroman über einen unbekannten Spionagefall erregt Bonn“, titelte die Tageszeitung Die Welt im Juli 1975. Für Aufruhr sorgte das in Starnberg erschienene und damit auch vom Verlagsort nahe an Pullach angesiedelte Werk auch im BND, weil ein „Generalmajor Hans Klingmann“ und seine Entourage im Camp Nikolaus erheblichen Wiedererkennungswert zeitigten.
Nun hat Markus Kompa, bislang als Sachautor zu zahlreichen nachrichtendienstlichen Themen bekannt, zur Feder gegriffen, um ins Feld der Fiktion zu wechseln. Von Erich Schmidt-Eenboom[*].

Die Rahmenhandlung seines Thrillers aus der Reihe Westend Crime ist brandaktuell. Sie spiegelt den Zustand der deutschen Sicherheitsbehörden nach dem NSU-Skandal des Verfassungsschutzes und nach dem NSA-Skandal des BND. Der Autor erlaubt sich im Text auch immer wieder Rückgriffe auf die zahllosen Verwerfungen in den bundesrepublikanischen Sicherheitsbehörden von der Kießling-Affäre des Militärischen Abschirmdienstes über die Verquickung des Verfassungsschutzes mit dem braunen Thüringer Heimatschutz bis hin zur Observation von Journalisten durch den BND. Dabei gelingt ihm das Kunststück, dieses im Nachwort verdichtete Einordnungswissen so zu dosieren, dass der Spannungsbogen nicht leidet. Vielmehr bilden die Einblicke in den modus operandi und die Denkungsmuster der Dienste eine brauchbare Folie für die eigentliche Handlung.

Die ist fiktiv und tagebuchartig auf einen Zeitraum vom 24. Juni bis zum 24. September 2013 verdichtet. Sie wird getragen von einer frischen Präsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz „Ellen Strachwitz“, einem ergrauten BND-Chef „Jens Fricke“ und einem in seiner Machtfülle ein wenig überzeichnetem Präsidenten des MAD Generalmajor „Malte Lehr“. In einer Rezension die story zu erzählen, verbietet sich schon deshalb, weil es den Lesern das Beste rauben würde, was dieser Thriller zu bieten hat, die Spannung. Nur so viel: Einen Handlungsstrang und Motor der Geschichte bildet ein Hauptfeldwebel des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr mit mysteriösem Mordauftrag, den zweiten eine anonyme und nachrichtendienstlich unterwanderte Hackergruppe und den dritten die Ränkespiele der Geheimdienste bei der Bearbeitung einer neuen rechtspopulistischen Partei namens AED.
Die langjährige Erfahrung von Kompa bei der Analyse unterschiedlichster Geheimdienstaktivitäten erlaubt ihm diese drei Handlungsstränge abwechslungsreich miteinander zu verknüpfen und die Spannung über knapp 300 Seiten aufrecht zu erhalten. Erfunden ist die Geschichte von A bis Z, erfunden aber mit feinem Gespür für das Denkbare.

Markus Kompa: Das Netzwerk, Westend Verlag: Frankfurt/M. 2016, 284 Seiten, ISBN 978-3-86489-121-2


[«*] Erich Schmidt-Eenboom ist Publizist und Autor und gilt als einer der fachkundigsten Experten auf dem Gebiet der Geheimdienste

Rubriken:

Rezensionen

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!