„Wer gegen Trump ist, muss jetzt für den Freihandel sein“ – TTIP wird wiederbelebt und die Grünen sind dabei

Jens Berger
Ein Artikel von:
Jens Berger

Heute will ich meinen Kommentar mal mit einem zeitgenössischen Mantra beginnen, ohne das die Qualitätsmedien gar nicht mehr auskommen können: Trump ist böse! Und weil er so böse und zudem ein Populist ist, sind gegen ihn gerichtete politische Maßnahmen gut. Das sollte doch einleuchten. Trump verhängte schließlich auch Strafzölle, aus denen „wir“ noch mal mit einem blauen Auge rausgekommen sind. Das war böse und populistisch. Um künftigen Boshaftigkeiten des Leibhaftigen vorzubeugen, braucht es … na klar, ein Freihandelsabkommen! Darin sind sich sogar die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und die Grünen einig, obgleich über Details sicher noch zu reden sein wird. Offenbar setzt die Vernunft aus, wenn Lobbyisten die Trump-Keule auspacken. Von Jens Berger.

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Die Freude in tausenden Dorfdiskos war ausgelassen. Der erste transatlantische Handelskrieg ist erst einmal vertagt, Jim-Beam-Cola bleibt bezahlbar. Hurra! Die EU muss nun glücklicherweise nicht mehr auf den trumpschen Populismus mit rationalen Strafzöllen auf Bourbon, Harleys und Erdnussbutter reagieren. Buchstäblich in letzter Sekunde konnten die Diplomaten der EU es noch einmal verhindern, dass europäische Stahllieferungen in die USA mit einem „Strafzoll“ belegt werden. Nicht so erfolgreich waren indes die Chinesen, die – so wissen es zumindest die Schlaumeier von der Tagesschau – ja ohnehin das eigentliche Ziel von Trumps bösem Protektionismus sind. Ok, China liegt mit einem Handelsanteil von gerade einmal zwei Prozent zwar nur an zehnter Stelle bei den US-Stahlimporten und auch für den Achtplatzierten Deutschland mit seinen vier Prozent wären die angekündigten Strafzölle nun sicher kein Weltuntergang gewesen. Aber wen interessieren schon nüchterne Fakten? Hier geht es um die erste Pflicht eines jeden guten deutschen Bürgers – den Kampf gegen Populismus!

Und wer „Nein!“ zum Populismus sagt, muss auch „Nein!“ zum Protektionismus sagen. Wer gegen Trump ist, muss gerade jetzt für den Freihandel sein, so der intellektuell nicht gerade überkomplexe Slogan der auch ansonsten eher einfach gestrickten Lobbyistenvereinigung „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Und weil ja fast jeder Deutsche gegen Trump ist, rechnet sich die INSM auch gleich mal die Welt schön – 41% der Deutschen seien nun für Neuverhandlungen zu TTIP, so will es die INSM in einer selbst in Auftrag gegebenen Umfrage herausgefunden haben lassen. TTIP als eine Art modernes Münchner Abkommen, um den „Irren im Weißen Haus“ zu „appeasen“? Haben die Lobbyisten da vielleicht ein wenig zu tief ins Bourbon-Glas geschaut? Auf so einen Schmarrn kann wohl auch nur die INSM kommen … und die Grünen.

Denn die sind mal wieder intensiv am diskutieren. Zum Glück geht es diesmal nicht um ihr erneutes Placet zu verfassungswidrigen Angriffskriegen, sondern um eine Frage, die man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Spielt Freihandelskritik am Ende vor allem den Populisten in die Hände?“ Und da dies offenbar das Allerletzte ist, was die Grünen wollen, muss man wohl die Freihandelskritik über Bord werfen. Zwar kann man sich noch nicht so richtig für eine „echte“ Wiedergeburt des untoten TTIP-Abkommens erwärmen, aber mit einer Art TTIP-Light, einem Zollabkommen zur „Befriedung von Trump“, können die Grünen laut eines SPIEGEL-Online-Berichts wohl leben.

Zynisch könnte man dieses Sandkastenspiel wohl „typisch grün“ nennen. Nur um nicht in Verdacht zu kommen, irgendwie mit den Schmuddelkindern der politischen Linken zusammenzuspielen, distanziert man sich in Windeseile von jeglicher Form berechtigter Freihandelskritik und springt auf den „Böser-Trump-Zug“, mit dem sie von mir aus gerne nonstop ins politische Nirwana fahren können. Denn bei der gesamten Debatte um fairen und unfairen Handel geht es gerade für Deutschland auch um die wohl gewaltigste unfaire Wettbewerbsverschiebung – die deutschen Dumpinglöhne, die durch eine indirekte Abwertung des Euro durch unsere weniger exportfixierten Nachbarländer ein massives Ungleichgewicht im Welthandel darstellen. Doch dazu schweigt man offensichtlich als guter Grüner lieber. Zu niedrige Löhne, Lohndumping und Kritik an der deutschen Exportfixierung sind offenbar „Populismus“. Wenn dem so sei, dann bin ich gerne Populist.