Wird der Verfassungsschutz von einem AfD-Freund geleitet?

Jens Berger
Ein Artikel von:
Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen ist wieder einmal unter Beschuss. 2012 trat er als Präsident des Verfassungsschutzes an, um das durch die NSU-Morde zerstörte Vertrauen in seine Behörde „wieder“ herzustellen. Zumindest an dieser Aufgabe scheiterte er kläglich. Stattdessen geriet er immer wieder selbst durch Skurrilitäten in die Schlagzeilen. Nun steht der Verdacht im Raum, er habe der AfD-Spitze aus Sympathie Ratschläge gegeben, wie die Partei eine Überwachung durch den Verfassungsschutz vermeiden kann. Maaßen streitet dies ab und da in der Causa Aussage gegen Aussage steht, wird er wohl mit seinem Dementi durchkommen. Kann sich Deutschland einen Inlandsgeheimdienst leisten, der mehr oder weniger offen seine schützende Hand über den rechten Rand hält? Von Jens Berger.

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Wenn man ein wenig über Hans-Georg Maaßen recherchiert, stößt man schnell auf den Prototypen eines blutleeren Technokraten, wie ihn die juristischen Fakultäten leider immer noch zuhauf produzieren. Wer den Juristen und Beamten Maaßen im Ansatz verstehen will, dem sei ein Blick in einen Fachaufsatz empfohlen, den er 1998 als Beamter im Bundesinnenministerium zum Thema „Kirchenasyl“ verfasst hatte. Dass er das „Kirchenasyl“ als eine Form der „Selbstjustiz“ ablehnt, überrascht nicht. Aber dass er Gemeindemitgliedern, die sich für ein Kirchenasyl einsetzen, sogar die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ vorwirft, ist schon harter Tobak. Drei Jahre später sollte Maaßen im Auftrag der Bundesregierung für das Bundesinnenministerium ein Gutachten über den Fall „Murat Kurnaz“ erstellen – den aus Bremen stammenden türkischen Staatsbürger, der 2001 bei einem Aufenthalt in Pakistan gekidnappt, als „Terror-Verdächtiger“ an das US-Militär verkauft und daraufhin ohne Anklage von den USA im Folterlager Guantanamo interniert wurde. Maaßen erklärte in seinem an Zynismus kaum zu übertreffenden Gutachten, Kurnaz sei durch die Internierung in Guantanamo nun schließlich mehr als sechs Monate außer Landes gewesen, ohne dies den deutschen Behörden zu melden und habe damit sein unbegrenztes Aufenthaltsrecht verloren. Daher konnten die USA, die offenbar recht früh von Kurnaz´ Unschuld überzeugt waren, ihn nicht nach Deutschland überstellen. Erst vier Jahre später konnte Kurnaz, nachdem ein deutsches Gericht Maaßens Gutachten förmlich in der Luft zerrissen hatte, nach Deutschland entlassen werden. Vier Jahre Folter. Die ehemalige Justizministerin Däubler-Gmelin bezeichnet das gesamte Gutachten später im Einklang mit vielen Jura-Professoren als „falsch, empörend und unmenschlich“. Aufgrund dieser menschenverachtenden Minderleistung wurde Maaßen später übrigens sogar eine Honorarprofessur an der FU Berlin verweigert.

Die eigentliche Frage ist also, wie der Ministerialbeamte Maaßen, der durch seine reaktionäre Auslegung des Rechts immer wieder aneckte, überhaupt zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt werden konnte. Diese Frage kann wohl nur Hans-Peter Friedrich beantworten, der ihn damals als zuständiger Bundesinnenminister in das Amt berufen hat. Offenbar suchte Friedrich einen Bruder im Geiste, der ebenfalls hart am rechten Rand segelt und das Grundgesetz politisch variabel interpretiert. Als Präsident des Verfassungsschutzes ist ein Mann, der die Verfassung selbst gerne politisch nutzt, jedoch denkbar ungeeignet.

Auch im neuen Amt ließ Maaßen kein Fettnäpfchen mehr aus. Erst beschämte er die Opfer im NSU-Untersuchungssauschuss, indem er das Versagen des Verfassungsschutzes negierte und jegliche Mitverantwortung für die Morde abgestritten hatte. Dann veranlasste er eine Anzeige wegen „Landfriedensbruchs“ gegen die Journalisten von netzpolitik.org, die interne Dokumente veröffentlichten, nach denen sein Amt mit großem Budget an einer Einheit zur „Massendatenerfassung“ in den Sozialen Netzwerken arbeite. Die Kritik an Maaßens Vorgehen war massiv, der ehemalige Innenminister Gerhard Baum nannte ihn damals gar einen „Brandstifter“. Maaßen ging es aus heutiger Perspektive jedoch nicht um netzpolitik.org, sondern um einen Warnschuss gegen die Politik, die den Verfassungsschutz stärker kontrollieren wollte.

Kurze Zeit später schockierte Maaßen erneut – diesmal im NSA-Untersuchungsausschuss. Dort nannte er Edward Snowden einen Verräter, der „mit hoher Plausibilität ein russischer Agent“ sei. Beweise hatte Maaßen dafür freilich nicht. Genau genommen hatte er für diese unglaubliche Aussage noch nicht einmal Indizien. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Chef eines Inlandsgeheimdienstes einen Whistleblower und Informanten, der auch schwerste Verbrechen gegen die deutsche Verfassung durch US-Dienste offengelegt hat, als eigentliches Problem und „Verräter“ bezeichnet, jedoch keinen Finger rührt, um gegen die US-Dienste vorzugehen, die gegen deutsche Gesetze verstoßen.

Hat Maaßen der Kanzlerin noch in Sachen Kurnaz, NSU und NSA den Rücken freigehalten, fiel er ihr bei der Flüchtlingskrise in den selbigen. Maaßen gehörte damals zu den lautesten Kritikern von Merkels Politik der offenen Grenzen, mit der zehntausende Menschen ohne behördliche Prüfung ins Land kamen. Dies wiederum ist inhaltlich nicht zu kritisieren. Gerade als Präsident des Verfassungsschutzes musste Maaßen diese zeitweilige Rechtsfreiheit natürlich ankreiden. Das macht ihn nicht zu einem AfD-Sympathisanten, ist jedoch ein Indiz dafür, dass der Hardliner, der politisch bislang eher am rechten Rand der CSU zu verorten war, nun möglicherweise Sympathien für die AfD entwickelte.

Das ist es zumindest, was die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber eidesstattlich behauptet. Demnach habe Maaßen 2015 zweimal die ehemalige AfD-Sprecherin Frauke Petry eingeladen, um ihr Ratschläge zu erteilen, wie die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz oder eine Nennung im Verfassungsschutzbericht vermeiden könne. Dafür müsse sie – so Schreiber – lediglich ein Parteiausschlussverfahren gegen den Rechtsaußen Björn Höcke einleiten und sich zumindest oberflächlich von besonders rechten Landesverbänden distanzieren. Genau so kam es dann auch und nach Aussagen der taz hat sich Petry offenbar auch im AfD-Bundesvorstand öfter auf „Tipps von Maaßen“ berufen. Das ist an sich noch kein Skandal. Es wäre jedoch ein Skandal, wenn Maaßens Beratung nicht professioneller Natur wäre, sondern eine Art Sympathiebekundung. AfD-Aussteigerin Schreiber erklärte nämlich auch, „dass Frauke Petry [ihr] gegenüber mehrfach erwähnte, dass die AfD Glück habe, mit Hans-Georg Maaßen jemanden als Chef des Verfassungsschutzes zu haben, der der Partei wohlgesonnen sei und daher eine Beobachtung vermeiden wolle, und dass man diesen Vorteil nicht verspielen dürfe“. Sollte sich dies bestätigen, wäre Maaßen nicht mehr haltbar.

Doch das Zitat bezieht sich auf ein Vier-Augen-Gespräch, das offensichtlich so pikant war, dass Petry selbst – anders als Maaßen – bislang sogar abgestritten hat, dass es dieses Gespräch überhaupt gab. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass Petry nun die 180°-Wende vollzieht und ihren vermeintlichen „Sympathisanten“ Maaßen ins Messer laufen lässt. Und selbst dann stünde Aussage gegen Aussage. Hans-Georg Maaßen bleibt uns wohl noch länger erhalten.

Dabei wird immer deutlicher, dass Hans-Georg Maaßen nicht die Lösung, sondern Teil des Problems ist. Sein selbsterklärtes Ziel, das Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz wieder herzustellen, klingt sechs Jahre nach seiner Amtsübernahme wie ein schlechter Witz. Anstatt Vertrauen aufzubauen, hat Maaßen sich mit teils reaktionären, teils schlicht dummen Aussagen und Aktionen selbst zum Enfant terrible der Dienste gemacht und dem Verfassungsschutz damit den letzten Hauch von Glaubwürdigkeit genommen.

Man sollte die „Affäre Maaßen“ daher auch zum Anlass nehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz grundsätzlich zu hinterfragen. Grüne und Linke plädieren ja schon länger für eine Abschaffung des Bundesamts und der Landesämter für Verfassungsschutz. Der Staat im Staate, der sich einer Überwachung durch die Parlamente systematisch verweigert, auf dem rechten Auge ohnehin blind ist und mit dubiosen Methoden die Verfassung nicht etwa schützt, sondern sie vielmehr aushebelt und selbst gefährdet, sollte keine Daseinsberechtigung haben. Und dafür ist es sogar unerheblich, ob der Präsident dieser Behörde nun ein Sympathisant der AfD ist oder nicht.