Über die vorurteilsbeladene Sprache in der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussion. Ein Text von 1966. Und noch aktuell.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute wird viel über Framing geredet. Man kann manches auch einfach sagen. Ich kramte in meinem Bücherregal und fand einen Text, der jetzt rund 53 Jahre alt und immer noch aktuell ist. Damals analysierte ich für einen kleinen Kreis von Studenten und Sozialwissenschaftlern, die sich in einem Arbeitskreis des Evangelischen Studienwerks Villigst zusammengetan hatten, die Sprache in der wirtschaftspolitischen und gesellschaftspolitischen Debatte. Wenn Sie diesen Text lesen, werden Sie erkennen, wie aktuell das alles geblieben ist. Manipulationen gab es damals und noch früher auch, und die gleiche Manipulation mit den gleichen Methoden gibt es immer noch. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In meinem Text geht es um Zahlungsbilanz“überschüsse“ und „Defizite“, um „Arbeitsmarktspannungen“ und „Wachstum“, um „wirtschaftliche Freiheit“ und „freiheitliche Wirtschaftsordnung“ und um angebliche „Gesetzmäßigkeiten“.

Es falle auf, so schrieb ich damals, dass in der gesellschaftspolitischen Diskussion Wörter, Begriffe und Wortkombinationen verwandt werden und manchmal sogar dominieren, die in der jeweiligen Situation beim Angesprochenen (Leser, Hörer, Gesprächspartner) eine Stellungnahme, ein Urteil oder eine Aktion hervorrufen, die der Sache nicht angemessen sind, die zu einem Urteil führen, das auf dieser Stufe der Diskussion noch gar nicht möglich sein sollte. Damit werde die notwendige Kritik und Kontrolle überspielt und die Entwicklung der richtigen Problemstellung gehemmt. Das führe zu einer sonderbar gleichgerichteten Fehlorientierung. Es zeige sich, dass eine solche Fehlorientierung häufig dem Interesse bestimmter Gruppen dient.

Kommt Ihnen das bekannt vor?

Der Text ist eingescannt und nach dieser Einführung wiedergegeben. Außerdem finden Sie ihn hier als PDF.

Vorweg zur Einordnung noch einige biografische Hinweise: Ich war damals wissenschaftlicher Assistent bei Professor Dr. Hans Möller an der Universität München. Zusammen mit Freunden hatten wir einen Wirtschaftspolitischen Club gegründet und ein Forum an der Universität eingerichtet. Dort debattierten wir mit großer Resonanz bei den Studenten Fragen, die auch in meinem Beitrag angesprochen worden sind. Ansonsten schrieben wir kritische und programmatische Papiere; zum Beispiel erarbeiteten wir einen Vorschlag für eine Bodenwertzuwachssteuer. Wenn man so will, war die Gründung dieses Clubs eine erste Vorübung für die NachDenkSeiten.

Aus heutiger Sicht war der unten wiedergegebene Text über die vorurteilsbeladene Sprache in der wirtschaftspolitischen Debatte auch eine gute Vorbereitung für meine nächste berufliche Aufgabe, die ich 1968, also zwei Jahre später, in Bonn übernahm: als Redenschreiber des damaligen Bundeswirtschaftsministers Professor Dr. Karl Schiller.

Hier also der Text einer kleinen Rede aus dem Jahr 1966:

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