Mails von Leserinnen und Lesern zum „Internationalen Frauentag“

Ein Artikel von:

Die positive Resonanz auf unseren Artikel, der am „Internationalen Frauentag“ erschienen ist, hat uns überrascht. Bei früheren Artikeln mit sogenannten „Frauenthemen“ war die Zahl der Kritiker in der Überzahl. Diesmal nicht. Woran das liegt, vermögen wir nicht zu beurteilen. Jedenfalls freuen wir uns darüber, dass dieses Thema auch bei den NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern kein Nischendasein (mehr) fristet. Einen treffenden Kommentar, den wir auf Facebook entdeckt hatten, hatte Albrecht Müller nachgereicht. Besonders gefreut hat uns, dass auch Marlene Hilsenrath, politisch aktiv bei „Die Linke“ und Ehefrau des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Edgar Hilsenrath, sich gemeldet hat.

1. Leserbrief

Sehr geehrte Männer-Redaktion,
 
ich nehme an, die Überschrift “Internationaler Frauentag. Ein Zwischenruf von der einzigen Frau im Nachdenkseiten-Team” und das smily ist eine  Art von Selbstironie. Vielleicht sollten Sie wirklich einmal darüber nachdenken, warum es keine Frau in der Nachdenkseitenredaktion gibt, sondern “nur” eine Frau im sog. Nachdenkseiten-Team. Es liegt sicher nicht daran, dass es keine gute Journalistinnen gibt. Vielleicht könnten Sie das noch Ihren kritischen Leserinnen und Lesern im Nachgang zu dem Artikel von Frau Sorg erklären und ob das smily wirklich Ironie und Selbsterkenntnis ist. Ich warte schon lange auf eine Journalistin in der Redaktion.
 
Mit freundlichem Gruß
Klaus Kenke

Die Antwort von Anette Sorg:

Sehr geehrter Herr Kenke,

was die Zusammensetzung der Redaktion betrifft, kann ich Ihnen versichern, dass hier alles andere als ein frauenfeindliches Klima herrscht (nur für den Fall, dass Sie das mit Ihrer Einlassung andeuten wollten).

Es ist nicht nur schwierig, Frauen für die Redaktion zu gewinnen, es ist auch schwierig, Männer dafür zu gewinnen. Es klopfen nicht täglich welche an. Wer bei den NDS gearbeitet hat, bekommt danach nicht zwangsläufig den roten Teppich ausgerollt, wenn er sich woanders bewirbt. (Nachträgliche Ergänzung: Das ist schlicht die Folge der konsequent kritischen Haltung der NachDenkSeiten. Medien, die unter dieser notwendigen Kritik zu leiden haben, verschließen sich. Das ist verständlich, aber schade.)

Sollten Sie eine Qualitätssteigerung mit der Aufnahme von einer oder mehreren Frauen in die Redaktion vermuten, kann ich Ihnen auch versichern, dass die Qualität im Journalismus nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Es gibt gute und schlechte Journalistinnen, wie es auch gute und schlechte Journalisten gibt.

Wenn Sie mit Ihrer Einlassung vermuten, mit einer Frau als Redakteurin würden andere Themen bearbeitet oder anders gewichtet, kann ich Ihnen wiederum versichern, dass wir eine Vielzahl an tollen, kritischen, informierten Leserinnen haben, die uns ständig mit gutem Material versorgen, das auch verwendet wird. Alle, Männer wie Frauen, haben die Möglichkeit, Anregungen zu Themen, über die geschrieben werden könnte, zu geben. Viele Themen beinhalten ohnehin die spezielle Problematik betroffener Frauen (beim Thema Rentenversicherung/Altersvorsorge wird das z.B. fast immer thematisiert).

Sie sehen: ich verstehe Ihr Problem/Ihr Anliegen nicht so ganz.

Freundliche Grüße
Anette Sorg


2. Leserbrief

Liebe Anette,

zuerst meinen Dank für Deinen NDS-Beitrag und dafür, dass Du Unbehagen angesichts Geschäftemacherei und Sonntagsreden zum 8. März verspürst. Oder, es ist kein Unbehagen, eher Spott, den Du ausdrückst. Unbehagen trifft auf mein eigenes Gefühl zu.

Früher habe ich alljährlich mit anderen Genossinnen Blumen an U-Bahn-Stationen oder auf Marktplätzen verteilt. Vergangenes Jahr reichte es nur zu einer Rose per Email an alle Frauen, die ich kenne. Und dieses Jahr sind gar nur meine Gedanken bei uns Frauen. Aber ich habe heute bei einer Frau ein Glas Honig gekauft und eine andere habe ich besucht.

Deinen Artikel entdeckte ich schon heut’ morgen auf den NDS und ich habe mich den ganzen Tag auf die Lektüre gefreut. Du hast mir ganz persönlich eine Freude damit gemacht. 

Von Frauen um die 40, 50 höre ich oft, ach lass’ mal, Emanzipation, hmm. Wie Du schreibst: „… wir sind doch längst durch mit dem Gleichberechtigungszeug.“ Von der nächsten Generation, so um die 20, höre ich neuerdings auch immer mal wieder, oh ja, her damit, Gleichberechtigung ist spannend.

Wenn, wie Karl Marx sagt, sozialer Fortschritt am Stellenwert des weiblichen Geschlechts gemessen werden kann, dann ist noch viel zu tun. Überall auf der Welt ist die Frauenfrage eine soziale Frage.

Dieses Jahr habe ich es leider nur geschafft, einigen wenigen Frauen ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken, der mit dem Honig, meiner alten Tante, Dir und Sahra (Wagenknecht), die auch zur Trauerfeier und Beerdigung meines Mannes kam. Dein Text hat mir gut getan und ich hatte dadurch Kontakt zu meiner Trauer, den besten Mann verloren zu haben.

Trotz meiner privaten Trauer bleibt auch ein Unbehagen, was meine eigene Partei DIE LINKE versäumt, meine Wut, was Frauen an Gewalt angetan wird und was Männern an Gewalt angetan wird in gnadenlosen Wirtschaftsstrukturen und Rollenklischees, und meine Freude darüber, dass ich viele Frauen kenne, die ich mag und viele Männer, die selbstlos für die Verbesserung der Verhältnisse kämpfen.  

Herzlich
Marlene (Hilsenrath)


3. Leserbrief

Hallo Frau Sorg, schönen guten Abend aus dem sonnigen Mexiko.

Ich habe mit viel Interesse Ihren Artikel „Internationaler Frauentag…“ gelesen und auch gehört. Mir hat es wirklich gefallen wie Sie angefangen haben aufzulisten, warum der Tag uns manchmal stört. Sie haben recht.

Mir kamen die Tränen als ich folgenden Text gelesen habe: „Wer sich als Objekt zur Verfügung stellt, muss sich nicht wundern, wenn sie als Objekt behandelt wird.“

Ich werde Ihren Artikel an andere Arbeitskollegen weiterleiten, da es eine wunderschöne Möglichkeit ist, die deutsche Sprache im einem Sozialen Kontext weiter zu verstehen.

Vielen Dank für Ihre großartige Meinung
Vandria Guerrieri


4. Leserbrief

Sehr geehrte Frau Sorg,

vielen Dank für Ihren Artikel „Internationaler Frauentag. Ein Zwischenruf von der einzigen Frau im NachDenkSeiten-Team“. Ich teile Ihre Meinung in allen Absätzen, aber über den Abschnitt „Der Bachelor und seine Objekte“ bin ich dann doch ein wenig gestolpert. Das grundsätzliche Missfallen an diesem Format kann ich absolut nachvollziehen. Sie schreiben allerdings „So lange Frauen sich nicht entblöden, […]“ Diese Formulierung liest sich ein wenig, als gäbe es für Frauen in Zeiten der Emanzipation kein Recht auf Blödheit; im Umkehrschluss also schlimmstenfalls eine gesellschaftliche Verpflichtung der Frauen zur Klugheit. Natürlich wäre es gut und wünschenswert, das tägliche Zusammenleben würde sich auf Intelligenz gründen. Nun ist aber natürlich nicht jeder Mensch schlau, und Bildung ist nur ein Angebot. Ich persönlich denke nicht, dass jeder Mensch in einem utilitaristischen Automatismus hochwertige Fernsehunterhaltung der schlichten Bespaßung, z.B. in Form von „primitiven Kuppelshows“, vorzieht, wenn man ihm nur die Mittel und Möglichkeiten dazu gibt. Ich glaube eher, dass man im Sinne des Rechtes der freien individuellen Entfaltung die Vorliebe für schlechte Fernsehformate vermutlich ebenso wird aushalten müssen wie schlechte Witze oder sogar schlechtes Denken. Eingedenk Ihres Hinweises auf die aus der Existenz des Bachelors resultierende Notwendigkeit eines Frauentages, an dem auf die erkämpften Rechte verwiesen wird, möchte ich spitzfindig fragen: Ist jede Frau, die sich auf diese Weise „entblödet“, tatsächlich eine Gefahr für die Gleichberechtigung? Nur als kleines Zahlenspiel: Der Bachelor läuft in Deutschland in der neunten Staffel und wartete mit insgesamt 199 Kandidatinnen auf. Diese teilnehmenden Frauen bedeuten einen Anteil von ungefähr 0,0005 % an den in Deutschland lebenden 41 Millionen Frauen. Das stimmt mich doch recht optimistisch.

Ferner schreiben Sie „Wer sich als Objekt zur Verfügung stellt, muss sich nicht wundern, wenn sie als Objekt behandelt wird.“ Mir gefällt die Formulierung des ersten Nebensatzes, da sie die Freiwilligkeit des Individuums freistellt. Freilich hat schon Max Uthoff bei Markus Lanz in Bezug auf das Dschungelcamp darauf hingewiesen, dass man auch mit einem freien Bürger Schindluder treiben könne. Gleichwohl denke ich, dass man die Entscheidung der dort gezeigten Frauen, sich medienwirksam um einen Hahn im Korb zu zanken, auch als eine mögliche Ausprägung von Weiblichkeit akzeptieren könnte. Wenn gern darauf verwiesen wird, wie unterschiedlich Frauen sind, kommt man wohl nicht umhin, auch solche Persönlichkeiten unter diesen Schutz zu stellen, die einem selbst vielleicht in ihrem Betragen unemanzipiert erscheinen. Schlicht ausgedrückt: Es gibt Frauen, die sind so. Und ich wüsste keine Rechtfertigung, ihnen das abzusprechen.

Darüber hinaus kann es natürlich auch ein Fetisch sein, sich in die Rolle des Objektes zu begeben. Ich erinnere mich an einige schlimme Auswüchse der Empörung am Beginn der #MeeToo-Debatte, als nicht mehr viel gefehlt hätte, damit weibliche Sexualität plötzlich hochgradig politisch geworden wäre und keine Frau, nicht einmal mehr um der Befriedigung ihrer ehrlichen, natürlichen sexuellen Bedürfnisse wegen, sich einem Mann hätte in irgendeinem Moment unterordnen dürfen. So wäre Schutz um ein Haar zur Bevormundung geworden, und im Interesse abweichender Vorlieben bin ich doch ganz froh, dass das verhütet werden konnte.

Als kleinen Ausgleich für das Gefälle beim „Bachelor“ empfehle ich Ihnen im Übrigen die Komplementärshow „Take me out“ von RTL. In einer Episode können dort jeweils 30 Frauen bei 3 nacheinander vorgestellten Männern entscheiden, ob sie mit diesen auf ein Date gehen möchten. Bei immer mehr gezeigten Informationen bleiben so immer weniger, manchmal auch keine einzige Frau übrig. Hier ist es also der Mann, der isoliert wie ein Zuchtrind auf einer Schau von 30 potenziellen Interessentinnen begutachtet und beurteilt wird. Zwar moderiert ein Mann die Show, aber Ralf Schmitz dürfte der Frauendiskriminierung oder der Einschüchterung durch seine physische Präsenz unverdächtig sein. Ich wünsche mir ja auch, dass Frauen gut und integer und fair sind, und ich weiß natürlich ebenso gut, dass auch hier die Quote stimmen muss und man daher bei der Auswahl der Kandidatinnen schon entsprechend vorgehen dürfte, aber was man dort an Eindrücken von den Sichtweisen mancher Frauen erhält, taugt schon zur Desillusionierung. Ich will mich nicht in Analysen, Begründungen und Rechtfertigungen versteigen, aber auf den ersten Blick ist es durchaus die gleiche Reduzierung des Mannes auf seinen Körper, die gleiche Fixierung auf sexuelle Aspekte und die gleiche unumsetzbare Anforderung an die Persönlichkeit (betont maskulin, aber auch sensibel; viele Freunde und Hobbys, aber immer Zeit; sexy, aber nicht interessant für Konkurrentinnen), die umgekehrt bei Männern so oft kritisiert wird (exemplarisch hierfür vielleicht „Mutter, gut ausgebildet, schlank und sexuell attraktiv“ auf ZON vom 04.03.2019, wenn auch mit anderem und sehr viel ernsterem Schwerpunkt). Bislang habe ich nirgendwo Kritik an diesem Format gelesen. Ich befürchte, alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechts decken potenziell das ganze Spektrum denkbarer Eigenschaften ab, ob nun gut oder schlecht.

In aufrichtigem Respekt für Ihre Arbeit verbleibe Ich

Hochachtungsvoll
Eva Sprengel


5. Leserbrief

Guten Tag Frau Sorg,

und nochmals schreibe ich zu Ihren Einlassungen. :-) (Ich beobachte mich dabei selbst ein wenig amüsiert.)

Die Einführung des gesetzlichen Frauentags ist (leider, denn all Ihre Ausführungen unterschreibe ich sofort und aus tiefstem Herzen) nichts weiter als ein weiterer arbeitsfreier Tag, so denn im Anstellungsvertrag eine Arbeitszeit fixiert wurde. Deswegen bin ich für den neuen Feiertag.

Es ist die ‘Maloche’, die uns niederdrückt, der Hassel mit dem Überleben in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Es betrübt mich das Sie zwar die ungleiche Entlohnung erwähnen, aber den materiellen Vorteil für alle Beschäftigten (mit im Anstellungsvertag festgelegten Arbeitszeiten) ausklammern. Dies gehört dazu.

Die Berliner Regierung ist schon genügend Angriffen ob dieser Aktion ausgesetzt, so dass voriges Positivum zu erzählen für mich eine Pflicht ist.

Es würde mich sehr freuen, wenn dies auch mal zu lesen wäre, aber das hat, soweit mir bekannt ist, nur im negativen Sinne die Abeitgeberseite gemacht.

Aber dazu hat Herr Schramm im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Europaparlaments kürzlich einen tröstenden Satz gesagt:

“Nüchtern betrachtet ist diese Situation nur betrunken zu ertragen.” :-D
(Quelle)

Nix für ungut

Liebe Grüße, Prost und WEITERMACHEN!
Joachim Schäfer

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