Wenn es darum geht, Politiker der Linken zu diskreditieren, scheint der BILD jedes Mittel Recht zu sein

Wenn es darum geht, Politiker der Linken zu diskreditieren, scheint der BILD jedes Mittel Recht zu sein

Wenn es darum geht, Politiker der Linken zu diskreditieren, scheint der BILD jedes Mittel Recht zu sein

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Fabio De Masi dürfte den meisten NachDenkSeiten-Lesern bekannt sein. Der Finanzexperte der Linken, der sich vor allem bei dem Thema Steuergerechtigkeit einen Namen gemacht hat, gehört zu den ganz wenigen Politikern, die es mit der Transparenz auch selbst ernst nehmen und sogar den eigenen Steuerbescheid auf ihre Internetseite stellen. Darüber berichtete am Mittwoch die BILD – nicht ohne die Steuerlast und die Abgaben des Abgeordneten vorsätzlich falsch anzugeben und damit den Eindruck zu erwecken, De Masi zahle weniger als 10% Steuern. So wird der Ehrliche auch noch bestraft. Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Fabio De Masi wurde bei der Bundestagswahl 2017 für die Linkspartei in den Bundestag gewählt. Zuvor saß er im Europaparlament. Der jüngste von De Masi veröffentlichte Steuerbescheid bezieht sich auf das Jahr 2017 und damit vor allem auf seine Tätigkeit als Europaabgeordneter. Noch nicht einmal das wird von der BILD korrekt wiedergegeben. Der kurze Text erweckt vielmehr den Eindruck, es ginge um die Einkünfte eines Bundestagsabgeordneten.

Korrekt dargestellt ist indes das Bruttoeinkommen De Masis, das sich auf 104.380 Euro beläuft. Es gibt jedoch – wie jeder Steuerzahler weiß – einen Unterschied zwischen dem Bruttoeinkommen und dem zu versteuernden Einkommen. De Masi ist beispielsweise freiwillig in der GKV krankenversichert. Abzüglich dieser Vorsorgeaufwendungen, Spenden und dem Kinderfreibetrag kommt der Abgeordnete auf ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 86.649 Euro, das jedoch für Europaabgeordnete zunächst einer an die EU fließenden Einkommensteuer, der sogenannten „Unionssteuer“, unterliegt. Fabio De Masi wurden dafür 18.751 Euro abgezogen. Und da dieser Steuersatz niedriger als der in Deutschland geltende Einkommensteuersatz ist, greift hier das Doppelbesteuerungsabkommen und der deutsche Fiskus ermittelt die fällige Einkommensteuer für das gesamte zu versteuernde Einkommen, wobei jedoch die im Ausland bereits gezahlte Steuer abgezogen und nur die Differenz neu in Rechnung gestellt wird. 2017 musste Fabio De Masi zusätzlich 9.391 Euro Einkommensteuer an den deutschen Fiskus abtreten.

Diese 9.391 Euro werden von der BILD auch genannt. Jedoch unterschlägt die BILD, dass es sich hierbei nur um die Differenz handelt und De Masi bereits zusätzlich 18.751 Euro Unionssteuer als Einkommensteuer entrichtet hatte. Seine gesamte Einkommensteuer beträgt somit 28.142 Euro. Bezogen auf das zu versteuernde Jahreseinkommen sind dies nicht weniger als zehn Prozent, sondern „immerhin“ 32,5%. An dieser Stelle darf man auch nicht vergessen, dass gerade Fabio De Masi zu den Politikern gehört, die Einkünfte dieser Größenordnung deutlich stärker besteuern wollen.

Die Angaben der BILD sind also falsch und sollen Fabio De Masi vorsätzlich in ein falsches Licht rücken. Einen „Rechenfehler“ oder einen unbeabsichtigten Verständnisfehler kann man übrigens getrost ausschließen, hat De Masi den Umstand der Doppelbesteuerung für Europaabgeordnete doch in einer Pressemitteilung zur Veröffentlichung seines Steuerbescheids klar benannt und auch aus den veröffentlichten Dokumenten geht glasklar hervor, dass die deutsche Einkommensteuer nur ein kleiner Teil der gesamten Einkommensteuer ist, die er abgeführt hat.

Wenn man alles zusammenrechnet und noch die Mandatsträgerabgabe der Linkspartei (1330 Euro pro Monat) und die Kosten für die doppelte Haushaltsführung abzieht, kommt man auf ein immer noch gutes aber überschaubares Nettoeinkommen. BILD-Chef Julian Reichelt würde für dieses Einkommen wahrscheinlich noch nicht einmal aufstehen. Nach Schätzung des Branchendienstes Kress beträgt sein Einkommen zwischen einer halben und einer Million Euro. Ob er darauf ordentlich Steuern bezahlt oder sich seine Steuererklärung „optimieren“ lässt, ist freilich nicht bekannt. Reichelt bat Kress jedoch, dieses „HAMMERGEHALT“, wie BILD es wohl nennen würde, nicht publik zu machen, da er „um das Wohl seiner Familie“ fürchte. Wenn es um die eigenen Finanzen geht, ist man bei der BILD offenbar doch eher zurückhaltend.

Sämtliche Zurückhaltung lässt man im Springer-Verlag aber dann fahren, wenn es um die Finanzen von Politikern der Linkspartei geht. Unvergessen die alberne Neiddebatte über die angebliche „Villa“ von Oskar Lafontaine, das „Hummeressen“ von Sahra Wagenknecht oder den Porsche des damaligen Parteichefs Klaus Ernst. Dabei ist es doch vollkommen zweitrangig, wie Politiker wohnen, was sie essen und welches Auto sie fahren. Ein Linken-Chef im Porsche, der 75% Spitzensteuersatz fordert, ist zumindest mir lieber als ein Politiker in einem rostigen Dacia, der den Spitzensteuersatz senken will. Entscheidend ist doch vielmehr, woher ihre Einkünfte stammen und welche politischen Positionen ein Politiker vertritt. Und da haben sich weder De Masi, Lafontaine, Wagenknecht noch Ernst etwas vorzuwerfen.

Solange ein Politiker sich nicht von Unternehmen und Lobbyisten bezahlen lässt und keine Politik für das oberste Prozent, sondern für die Mehrheit macht, sind seine finanziellen Verhältnisse doch eigentlich unwichtig – zumal dann, wenn sie wie im Fall De Masi ziemlich unspektakulär sind. Die BILD sieht dies naturgemäß genau andersherum, vertritt sie doch seit jeher die Interessen des obersten Prozents.

Titelbild: Fabio De Masi