Die autoritären Versuchungen des VW-Konzerns

Die autoritären Versuchungen des VW-Konzerns

Die autoritären Versuchungen des VW-Konzerns

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

Trotz Zahlung von 5,5 Millionen Euro Reparationen an politisch verfolgte und gefolterte Angestellte in Brasilien liebäugelt der Autobauer mit dem Bolsonaro-Regime. Unser Südamerika-Korrespondent Frederico Füllgraf hat für die NachDenkSeiten einen kritischen Blick auf die geschichtliche und aktuelle Aktivität des VW-Konzerns in Brasilien geworfen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Eines Tages, während der Schicht, kamen zwei Männer mit Maschinengewehren auf mich zu, drückten die Mündung einer der Waffen gegen meinen Rücken und legten mir Handschellen an. Ich wurde in das Büro des VW-Werkschutzes abgeführt und dort gefoltert. Ich wurde zusammengeschlagen – unaufhörlich geschlagen“.

Urheber dieses Selbstzeugnisses ist Lúcio Bellentani, ein pensionierter, ehemaliger Angestellter von Volkswagen do Brasil, mit Sitz in São Bernardo do Campo bei São Paulo. Ähnlich erging es allerdings mindestens einem Dutzend von gewerkschaftlich und politisch aktiven VW-Arbeitern, hunderte wurden bespitzelt, beschattet und bei der Militärdiktatur denunziert. Bellentanis Fall ereignete sich im Juli 1972 während der Militärdiktatur, die Brasilien von 1964 bis 1985 beherrschte, geriet jedoch erst mehr als vierzig Jahre später mit dem Abschlussbericht der von Präsidentin Dilma Rousseff (2011-2016) einberufenen Nationalen Kommission zur Wahrheitsfindung von Menschenrechtsverletzungen (CNV) in das öffentliche Bewusstsein.

Es brauchte sechs Jahre nach Veröffentlichung des Berichts und mehr als vierzig Jahre nach dem brutalen Vorgehen des Werkschutzes von VW do Brasil und seiner erwiesenen Zusammenarbeit mit der brasilianischen Militärdiktatur, bis der Wolfsburger Autokonzern – an dem unter anderem das Land Niedersachsen, ergo der deutsche Steuerzahler, mit 20 Prozent Aktienanteil beteiligt ist – bereit war, den Opfern der Repression, seinen eigenen, ehemaligen Angestellten, eine Reparation anzubieten. Zur Verhinderung eines geräuschvollen Prozesses sei der Konzern bereit, Entschädigungen in Höhe von rund 5,5 Millionen Euro zu zahlen. „Die damaligen Geschehnisse tun uns leid”, waren die Worte des VW-Vorstandsmitglieds Hiltrud Werner in einer Pressemitteilung von VW do Brasil im Anschluss an die Unterzeichnung. Von der Summe erhalten die persönlich verfolgten VW-do-Brasil-Mitarbeiter oder ihre Hinterbliebenen – zu deren Vereinigung der Geschädigten 62 Opfer zählen, von denen einige bereits verstorben sind – rund 2,5 Millionen Euro; 3 Millionen Euro werden in Projekte zum Schutz von Menschenrechten sowie zur Finanzierung historischer Dokumentationen und zur Aufarbeitung der Geschichte investiert.

Gegen den Strom der Demokratisierung setzte VW auf politische Verfolgung und Konfrontation – auch gegen Lula

Der VW-do-Brasil-Vorstand war nicht nur informiert, sondern handelte „proaktiv“ und lieferte seine Mitarbeiter an die politische Polizei aus. Zum Beispiel den deutschstämmigen Heinrich Plagge. Er wurde am 8. August 1972 verhaftet und in das Büro des Betriebsleiters Ruy Luiz Giometti gerufen, wo bereits zwei Fremde auf seine Verhaftung warteten. Sie führten ihn zum Sitz der Behörde „für politische und soziale Ordnung“ (gemeint ist die politische Polizei – DOPS) ab, wo er dreißig Tage lang gefoltert und von dort in das Tiradentes-Gefängnis gebracht wurde. Der Ehefrau Plagges ließ VW durch einen Mittelsmann ausrichten, Heinrich sei „mehrere Wochen für VW auf unvorhergesehener Geschäftsreise unterwegs“. Am 6. Dezember 1972 wurde Plagge freigelassen und zwei Wochen später erhielt er von VW do Brasil sein Entlassungsschreiben. Plagge fand nie wieder einen festen Arbeitsplatz, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, bis er im September 1974 erneut verhaftet wurde und bis Juni 1975 ein Dreivierteljahr hinter Gittern schmachtete. Krank und verarmt wegen der politischen Verfolgung und dem jahrelangen Berufsverbot verstarb Plagge im März 2018.

Bellentani und Plagge waren zur Zeit ihrer Verhaftung zwar Mitglieder der vom Militärregime verbotenen und in die Illegalität getriebenen Brasilianischen Kommunistischen Partei (PCB), betätigten sich jedoch auf dem VW-Werksgelände nicht als Parteivertreter, sondern als gewerkschaftliche Aktivisten, die verbotene Flugblätter im Kampf für betriebsinterne Fortschritte verteilten. Beide wurden von der DOPS aufs Brutalste mit Faustschlägen, Fußtritten, Niederknüppeln und Elektroschocks an Ohren, Zunge und Genitalien gefoltert.

Der Fall des Werkzeugmachers Claudecir Mulinari zeigt jedoch auf eklatante Weise, dass VW die Bespitzelung, Verfolgung und Auslieferung seiner politisch aktiven Mitarbeiter an die Polizei und Geheimdienste der Diktatur bis Anfang der 1980er Jahre fortsetzte, als das Regime mit massiven Wahlerfolgen der demokratischen Opposition und außerparlamentarischen Kundgebungen („Diretas Já!“) für das Ende der Militärherrschaft und die Rückkehr des Rechtsstaats konfrontiert wurde, die 1985 im Kollaps des Regimes und in der Ausrufung einer verfassunggebenden Versammlung gipfelten.

Mulinari wurde zunächst vom VW-Werkschutz verhört, weil dieser Bücher von Karl Marx, darunter das „Kommunistische Manifest“, in seinem Umkleidefach gefunden und beschlagnahmt hatte. Und wie zuvor Bellentani und Plagge wurde auch der Werkzeugmacher vom Werkschutz bei der politischen Polizei denunziert. Zehn Tage lang wurde er in einem Werkschutz-Sonderraum verhört, durfte seinen Arbeitsplatz nicht wieder betreten und wurde entlassen. Zwei Jahre lang war Mulinari arbeitslos. Nachdem er 1982 schließlich einen Posten bei einer Bank erhielt, wurde er auf Druck des Filialleiters erneut entlassen, weil die DOPS angeblich Beweismittel gegen ihn besitze. Mulinari begriff, dass VW do Brasil insgeheim dem unwissenden Filialleiter „Informationen“ zugesteckt hatte, um seine Berufslaufbahn zu ruinieren.

VW beteiligte sich an einem geheimen Netzwerk von Konzernen und einheimischen Firmen, die unter sich Spionage-Erkenntnisse über ihre Angestellten austauschten und sie an die Diktatur weitergaben. Die VW-Bespitzelung und Denunziation gewerkschaftlicher und politischer Aktivitäten blieb nicht etwa auf das eigene Betriebsgelände begrenzt, sondern weitete sich auf den gesamten Industriegürtel São Paulos – bekannt als ABC – aus. Nach Einsicht hunderter Unterlagen, vor allem Werkschutz-Protokollen und Benachrichtigungen der Polizei, betätigte sich der VW-Konzern einwandfrei als freiwilliger Agent des Polizeistaates.

So auch gegen den damaligen Metallarbeiter-Gewerkschaftsführer und künftigen brasilianischen Präsidenten Luis Inácio Lula da Silva, wie die Nachrichtenagentur Reuters bereits 2014 berichtete. Volkswagen sammelte Publikationen, Aufrufe zu Gehaltserhöhungs-Kampagnen, Streiks, Dutzenden von Gewerkschaftsversammlungen im Großraum São Paulo und gab die „Erkenntnisse“ an das Militär weiter. Die Nationale Kommission zur Wahrheitsfindung (CNV) hatte erst knappe dreißig Jahre später Einblick in die Geheimdokumente. Darunter befand sich ein sogenanntes VW-„Dossier“ über eine Kundgebung vom 19. Juni 1983, auf der Lula die Gewerkschaftsbewegung mit einer Rede ermutigte. VW erkannte darin eine politische Gefahr und leitete die Hinweise an die DOPS weiter. Ein weiteres „vertrauliches” Dokument aus den DOPS-Akten zitiert eine Warnung Lulas an die VW-Mitarbeiter vor dem Werkschutz: „Seid vorsichtig, die haben einen Videoüberwachungsfernseher, auf dem sie euch in jeder Abteilung beobachten können“.

Kriegsverbrecher Franz Stangl als Werkschutz-Kommandant

Franz Paul Stangl, ehemaliger Kommandeur der NS-Vernichtungslager Treblinka und Sobibór in Polen, war zwischen 1959 und 1967 bei Volkswagen do Brasil beschäftigt. Stangls Mission war der Aufbau des Werkschutzes und seines Überwachungssystems im VW-Werk São Bernardo do Campo; über Jahrzehnte hinweg der größte und umsatzstärkste Autohersteller Lateinamerikas. Im Auftrag des VW-Vorstands spionierte Stangl drei Jahre lang VW-Mitarbeiter während der Militärdiktatur aus. Stangl war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Aktion T4, ein Euthanasie-Programm der Nazis zur Ausrottung körperlich Behinderter, und wurde zum Kommandeur der beiden Todeslager in Polen befördert. Der Lagerkommandant reiste 1951 mit seiner Familie nach Brasilien ein, nachdem er aus einem Gefängnis geflohen war und eine Weile in Syrien gelebt hatte. Obwohl ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorlag, provozierte er Interpol und behielt seinen Namen bei. Acht Jahre lang stand er unter dem Schutz von VW, wurde jedoch am 28. Februar 1967 in São Paulo dank Simon Wiesenthal, bekannt als „Nazi-Jäger“, verhaftet.

Aufarbeitung der Eigengeschichte: Arroganz und Widerstände der VW-Konzernleitung bis zur Reparations-Zusage

Aufgerüttelt durch diesen Bericht erklärte Manfred Grieger, Historiker und damaliger Leiter der VW-Abteilung Unternehmensgeschichte, bereits im Jahr 2014, Volkswagen habe „vorbildliche Arbeit geleistet, um die Unternehmensgeschichte im Dritten Reich zu erkennen“, und unternehme weiterhin „die notwendigen Untersuchungen, um Vorfälle bedingungslos und vollständig zu klären“. Nina Schneider, ehemalige Stipendiatin der VW-Stiftung und Historikerin an der Universität Konstanz, widersprach Grieger. Sie erklärte, das sei im Fall Brasilien längst nicht genug. Vielmehr müsse der Konzern die Opfer oder ihre Angehörigen entschädigen; eine Forderung, die ursprünglich von der CNV-Sektion São Paulo erhoben worden war.

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Ironie der Naivität, wurde Grieger doch Opfer seines eigenen Lobs für den VW-Konzern. Als Experte für Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland hatte er eine Studie über die NS-Verstrickungen der Konzern-Tochter Audi als handwerklich mangelhaft und verharmlosend kritisiert, überwarf sich mit der Konzernleitung und verließ VW schlagartig. Von mehreren brasilianischen wie deutschen Wissenschaftlern, Menschenrechtlern und Politikern unter Druck gesetzt, beauftragte die Wolfsburger Konzernleitung schließlich den Historiker Christopher Kopper von der Universität Bielefeld mit der Aufarbeitung der Vorwürfe gegen die Konzerntochter Volkswagen do Brasil. Ohne ein Wort Portugiesisch zu sprechen, reiste Kopper zum ersten Mal im März 2017 nach São Paulo, traf sich mit der von Bellentani geleiteten Gruppe der überlebenden Opfer, begann die Dokumenten-Recherche und legte im Dezember 2017 seine Untersuchung mit dem Titel „VW do Brasil in der brasilianischen Militärdiktatur 1964-1985“ vor, die der Konzern seitdem mit Stolz auf der eigenen Internetseite präsentiert.

Ein NDR-Team unter Leitung von Stefanie Dodt begleitete Koppers Mission in Brasilien, verbrachte mehrere Tage mit anteilnehmenden Aufnahmen Bellentanis, knüpfte sich jedoch auch den VW-Vorstand in Wolfsburg vor und strahlte Ende Juli 2017 die Dokumentation „Komplizen? – VW und die brasilianische Militärdiktatur“ aus. Jedem feinfühligen Zuschauer dürfte die damit dokumentierte Haltung des vielfach ausgezeichneten, ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden und amtierenden Aufsichtsrats-Mitglieds sowie Seniorberaters der Investmentgesellschaft General Capital Group, Carl Hahn Junior, schwer auf den Magen schlagen.

Angetrieben von ungeheuerlicher Arroganz und Zynismus, versucht Hahn der Reporterin Dodt ihren Investigativ-Anspruch abzusprechen, leugnet jedes Mitwissen der brutalen Menschenrechtsverletzungen durch den Werkschutz von VW do Brasil sowie die Konzern-Kollaboration mit der brasilianischen Militärdiktatur, nimmt diese nachträglich in Schutz, klopft anti-demokratische Sprüche zweifelhaften Geschmacks und empfiehlt, statt die Vergangenheit – zumal die „ferne, brasilianische“ – aufzuarbeiten, „in die Zukunft zu blicken”. Es ist bezeichnend, dass Carl Hahn – der zu dieser Zeit den Aufsichtsrat von VW do Brasil leitete – auch über Stangls Vergangenheit nichts gewusst haben will. „Wir kannten die Namen der KZ-Kommandeure nicht auswendig“, redete sich Hahn in der TV-Dokumentation des NDR heraus. Dass dort Leute aus Deutschland bei VW do Brasil eingestellt wurden, „war ganz normal“. Auch Hans-Gerd Bode, Sprecher der Wolfsburger Konzernetage, fordert „Fakten” zur Erhärtung der Wahrnehmung. Stottert jedoch dabei, so als behinderten die über Jahrzehnte hinweg verheimlichten Fakten seine Halsstränge und seinen Atemrhythmus.

Mit dieser Hinhaltetaktik war auf der Volkswagen-Jahreshauptversammlung vom 3. Mai 2018 in Berlin der Redakteur der Lateinamerika Nachrichten, Buchautor (Abstauben in Brasilien – VSA Verlag) und Mitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Christian Russau, scharf ins Gericht gegangen. „Wir vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre werfen dem VW-Konzern, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat schwere Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Kollaboration von VW do Brasil mit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) vor”.

Nach Erscheinen der Studie Koppers, so Russau, „hätte der Konzern auf die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter zugehen und öffentlich um Entschuldigung bitten müssen. VW hätte angemessene Entschädigungszahlungen anbieten müssen. Dies ist aber nicht erfolgt. Daher verweigern wir Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung und bitten alle hier im Saal, denen Respekt, Wahrung und Achtung der Menschenrechte vor Profit gehen, ebenfalls dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern”. Doch die Rüge der Kritischen VW-Aktionärinnen und Aktionäre richtete sich gegen einen weiteren, entscheidenden Punkt. Nämlich den Versuch des „Einzeltäter“-Narrativs, womit die Konzernspitze die Verantwortlichkeit der Gräueltaten auf den VW-do-Brasil-Werkschutz abzuwälzen und sich selbst als „nicht mitwissend” darzustellen versuchte; ein Narrativ, dem die Opfer, die CNV, die Staatsanwaltschaft und der Kopper-Bericht frontal widersprechen. Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der brasilianische Opfer vertrat, bezeichnete die VW-Kollaboration mit der Diktatur als „Vorsätzliche Beihilfe zur Folter“.

Trotz dieser Zwischenrufe, erhärtet durch unzählige Pressemeldungen, und so, als bedeute Hahns Flucht vor der Vergangenheit ein Paradigma der Konzern-Kohärenz, passierte knappe drei Jahre nach Koppers „vorbildlicher Arbeit“ (Grieger) wieder nichts. Bis die Staatsanwaltschaft São Paulos mit einer geduldig immer wieder aufgeschobenen Klage drohte. Erst dann, Ende September 2020, lenkte Wolfsburg ein.

„Schlag ins Gesicht“ und Lobeshymne auf Bolsonaro

Cláudio Couto, Professor an der staatlichen Getúlio Vargas Stiftung (FGV), will in der VW-Reparation auch eine Botschaft an Präsident Jair Bolsonaro erkennen. Er stuft den Entschluss des Wolfsburger Konzerns als „Schlag ins Gesicht” der Bolsonaro-Regierung ein. „In Wirklichkeit hat diese Positionierung bereits in anderen Bereichen stattgefunden, beispielsweise im Umweltbereich. Wir haben es mit der Positionierung eines Großkonzerns zu tun, der sich nicht direkt über die Bolsonaro-Regierung äußert, weil es nicht um ihn geht, sondern um die Militärdiktatur, jedoch aufgrund der Affinität zwischen beiden, dem wiederholten Lob, das Bolsonaro der Diktatur zollte, ist die Volkswagen-Selbstkritik wirklich ein Schlag ins Gesicht die Regierung”.

Das sah Andreas Renschler – VW-Manager und Vorstandsvorsitzender der früheren VW-Truck&Bus-Tochter, heute TRATON genannt – bereits im November 2018, nach dem Wahlsieg Bolosonaros, etwas anders. „Brasilien hat gewählt! Es ist kein Platz mehr für Experimente!“, schrieb der Deutsche in brasilianischen Medien des Kfz-Marktes.

„Diese „Wahl der Wahlen“ war mehr als nur die Wahl eines neuen Präsidenten. Es war der Höhepunkt einer Art politischer Selbstfindung für die fünftgrößte Nation der Welt. Politische Vorstellungen für das Land wurden stark in Frage gestellt. Die Analyse von Korruptionsfällen umfasste zentrale Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Konsolidierte Parteien wurden herausgefordert – klare Antworten, aber oft unzureichend… Für uns in Deutschland bleibt nun die Frage: Wie können wir den Neustart in Brasilien unterstützen? Mit mehr als 1.300 deutschen Unternehmen ist das Land der drittgrößte Empfänger deutscher Investitionen außerhalb Europas. Politisch feiert die strategische Partnerschaft mit Brasilien in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen – Deutschland hat eine solche Beziehung zu nur acht Ländern. Die große Bedeutung unserer bilateralen Zusammenarbeit steht daher nicht zur Debatte… Obwohl die Wahlen die Gesellschaft zunächst zersplitterten, haben die 210 Millionen Brasilianer bereits mehrfach gezeigt, dass sie schnell wieder zur Einheit zurückfinden können. Die Einhaltung von Gesetzen ist gegeben, die Institutionen sind solide. Daher sollten wir uns keine Sorgen um das Stressszenario machen. Und die Regierung weiß: Sie wird für ihre Handlungen beurteilt, nicht für ihre Reden. Es gibt viele Gründe, ihr zu glauben. Das Land ist stärker als seine Herausforderungen – und die deutsche Wirtschaft kann und wird zu seinem Erfolg beitragen!“.

Zwanzig Monate nach dem Machtantritt Bolsonaros liegt die brasilianische Wirtschaft am Boden, 40 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer sind arbeitslos, unterbeschäftigt und unterernährt, das Land weltweit wegen seiner US-Hörigkeit und seinem katastrophalen Vorgehen mit nahezu 150.000 Todesopfern in der Covid-19-Pandemie weltweit isoliert. Das faschistoide Bolsonaro-Regime hat Brasilien zum Paria der Weltpolitik gestempelt, doch VW wollte es noch einmal nicht geahnt haben.

Titelbild: © Fundación de Volkswagen do Brasil | Archivo de autos

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