Hemmungsloser Feindbild-Aufbau. Mit weitreichenden Folgen. Wahnsinn!

Hemmungsloser Feindbild-Aufbau. Mit weitreichenden Folgen. Wahnsinn!

Hemmungsloser Feindbild-Aufbau. Mit weitreichenden Folgen. Wahnsinn!

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Was zurzeit bei uns an Meinungsmache über Russland abläuft – die Abbildung zeigt einen für den Düsseldorfer Rosenmontagszug vorbereiteten Wagen – wird die Einstellung zum Verhältnis zu Russland für lange Zeit prägen, wahrscheinlich für eine ganze Generation. Das haben wir alles schon einmal durchgemacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hierzulande kräftig gegen die Sowjets aufgerüstet, faktisch mit der sogenannten Wiederbewaffnung Deutschlands und mit dem NATO-Beitritt, und geistig mit der Fortsetzung des Russen-Hasses, den unser Land schon vor der Nazizeit kannte. Das bekannte und schon mehrmals wiedergegebene Plakat stammt von 1953…

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In diesem Geist wurden wir in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Geschichts- und Sozialkundeunterricht trainiert. Eine ganze Generation.

Wir brauchten dann 10 Jahre mindestens, um von diesem Geist des Hasses und der Konfrontation wieder wegzukommen. 1969 gab es immerhin dann eine Mehrheit, die hinter dem Kernsatz der Regierungserklärung von Willy Brandt stand:

„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“.

Vergleichen Sie diese Weisheit der damaligen Mehrheit in Deutschland einmal mit dem, was heute abgeht. Der Wagen des Düsseldorfer Karnevals ist von einem sogenannten Künstler gestaltet worden, so heißt es im Text daneben. Dieser „Künstler“ mit dem Namen Jacques Tilly hat den Geist der Zeit gut eingefangen. Das muss man ihm lassen. Aber es ist ein grauenhafter Geist, der heute herrscht und nahezu alle Schlagzeilen und Berichte unserer tonangebenden Medien prägt.

Außer den mit der Gegenbewegung, der Entspannungspolitik eng verbundenen Politikern Willy Brandt und Egon Bahr war schon in den fünfziger Jahren ein anderer tätig: Gustav Heinemann. Er hatte, wie an anderer Stelle auf den NachDenkSeiten berichtet, schon 1950 versucht, unser Land aus der Konfrontation zwischen West und Ost herauszuhalten. Damit ist er zunächst gescheitert. Die von ihm zusammen mit anderen gegründete Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) scheiterte bei der Bundestagswahl 1953 – kein Wunder, der herrschende Geist war so, wie im Plakat der CDU sichtbar.

Gustav Heinemann, Dieter Posser, Erhard Eppler und andere Aktive der GVP schlossen sich dann Mitte der Fünfzigerjahre der SPD an. Für meinen Freundeskreis beim Studium Ende der Fünfzigerjahre und anfangs der Sechzigerjahre waren dann die Reden Gustav Heinemanns herausragende Zeugnisse einer vernünftigen friedfertigen Politik. Wir verfolgten seine Reden damals oft gemeinsam am Radio.

Auf eine der Reden aus dem Jahre 1958 und die gesamte Debatte im Deutschen Bundestag möchte ich Sie hinweisen. Die Auseinandersetzung von damals ist sehr ähnlich dem, was wir heute wieder bräuchten. Allerdings ist weit und breit kein Gustav Heinemann sichtbar. Insofern ist unsere Lage noch desolater, als sie damals in der Hoch-Zeit des Kalten Krieges war.

Hier ist der Link auf die Bundestagsdebatte vom 23. Januar 1958. Die Rede Heinemanns beginnt ab Seite 401. In der Debatte kommt auch der Aufbau der Konfrontation ab 1950 zur Sprache. Insofern ist die damalige Debatte wirklich aktuell.

Wenn Sie ein bisschen Zeit haben, schauen Sie rein. Übrigens ist die damalige Debatte auch für Leserinnen und Leser von Interesse, die in der DDR aufgewachsen sind. Sie zeigt, was von westlicher Seite zu Ihren Lasten versäumt worden ist. Im damaligen Rausch der Konfrontation.

Es gibt zur Debatte einen Artikel der Friedrich-Ebert-Stiftung, Sternstunde des Deutschen Bundestages wird die Debatte genannt, hier.

Zum Schluss: Der eigentliche Sinn und Zweck dieses kleinen Textes ist nicht die Rückerinnerung an frühere schlimme Zeiten. Ich will davor warnen, weiter in den Rausch der Konfrontation zu verfallen, die auch im für den Rosenmontagszug in Düsseldorf vorgesehenen Wagen sichtbar wird.

Titelbild: Die Rheinpfalz, Seite 1 vom 6.4.2022

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