Stecken die USA oder dortige Einrichtungen hinter dem Mord an Darja Dugina?

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

In der Redaktion der NachDenkSeiten hatten wir heute einen Disput, den ich um der Sache willen offen skizzieren will. Es ging darum, ob wir Meldungen bzw. Einschätzungen anderer Medien, die im Mord an der Tochter des russischen Nationalisten Dugin einen US-amerikanischen Auftragsmord sehen, veröffentlichen sollten. Zunächst erreichte uns am 24. August um 14:26 Uhr ein Leserbrief des NachDenkSeiten-Lesers Jochen Dietermann. Er beklagte, dass wir noch nichts zu Ermordung der russischen Journalistin Darja Dugina geschrieben hätten. Der vollständige Leserbrief findet sich am Ende dieses Textes. Dieser Leserbrief löste einen Disput unter uns aus. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ein Mitarbeiter der NachDenkSeiten schrieb heute früh unter Verwendung eines Zitats aus der Washington Post:

Washington Post enthüllt Ziele hinter der von den USA gebilligten Ermordung von Darja Dugina in der Ukraine

Die Washington Post, ein Hausorgan der CIA, prahlt geradezu mit der Ermordung von Darja Dugina und enthüllt dabei eines der politisch-psychologischen Ziele der von den USA genehmigten ukrainischen Operation.

Die Post schreibt:„Der Mord verstärkte sofort das Gefühl der Verwundbarkeit unter der russischen Elite und den sichtbaren Befürwortern des Ukrainekrieges. Sie erkennen nun, dass sie zu Zielen werden können und dass die Regierung möglicherweise nicht in der Lage ist, sie zu schützen.“

Die Post untermauert damit die Einschätzung der WSWS, dass die Tochter des Faschisten Alexander Dugin als Zielperson ausgewählt wurde, um den Druck der Rechten auf Putin zu erhöhen, den Krieg zu eskalieren und damit der Nato einen Vorwand für eine direkte militärische Intervention zu liefern.

Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.

Die Post schreibt, dass die Ermordung „auch die Aussicht auf eine ernsthafte Eskalation des Krieges erhöht hat, da Putin – unter anderem von Duginas trauerndem Vater – unter zunehmenden Druck gerät, die Ukraine hart zu treffen“.

Die USA versuchen in der Tat, den politischen Einfluss der rechtsextremen und faschistischen nationalistischen Elemente in Russland zu stärken. Darin bestand ein zentrales Ziel des Attentats, das den reaktionären Kräften um Dugin öffentliche Sympathie verschaffen soll.

Die USA und die Nato sind entschlossen, den Krieg zu eskalieren und so bald wie möglich eigene Kräfte in den Kampf zu schicken. Der Einfluss der russischen extremen Rechten wird gestärkt und Putins Bemühungen, den Krieg zu begrenzen, werden untergraben, um die Pläne für einen offenen Krieg gegen Russland voranzutreiben.

Quelle: wsws

Ein anderer NachDenkSeiten-Redakteur schrieb daraufhin:

Also ich persönlich finde den Twitter-Kommentar von David North, den WSWS.org da wiedergibt, nicht sonderlich passend zum zurückhaltenden Leserkommentar. Das sind genau die wilden Spekulationen, die man eigentlich von beiden Seiten vermeiden sollte. 

Daraufhin ein anderer:

Sind das, was die Washington Post schreibt, wilde Kommentare?

Ich zitiere mal:

Die Post schreibt:

„Der Mord verstärkte sofort das Gefühl der Verwundbarkeit unter der russischen Elite und den sichtbaren Befürwortern des Ukrainekrieges. Sie erkennen nun, dass sie zu Zielen werden können und dass die Regierung möglicherweise nicht in der Lage ist, sie zu schützen.“

Das ist doch hochinteressant.

Die Entgegnung:

Auf jeden Fall. Aber der WSWS schreibt, dass der Mord „von den USA gebilligt wurde“. Dafür sehe ich auch anhand der WaPo-Artikel keinen Beleg. 

Antwort:

Wurde der Mordanschlag denn explizit verurteilt? Der hämische bis zynische Tenor der deutschen Mainstreammedien lässt eben doch auf eine “Billigung” schließen.

Und weiter:

Ja, wartest du darauf, dass Biden sagt, das Ganze sei mit der CIA abgestimmt gewesen. Wenn Biden guten Abend sagt, dann solltest Du erst einmal zu Fenster rausschauen, ob es denn schon dunkel wird.

Daraufhin die Antwort zum Schluss:

Amen! Ihr habt Recht, ich hab meine Ruhe.

Nachträgliche Ergänzung:

Dass die USA ein Motiv haben und skrupellos sind, ist unbestritten. Zutrauen würde ich es Ihnen allemal. Aber gerade in diesem konkreten Fall gibt es wirklich zahlreiche mögliche Täter und wenn man sich tief in die innenrussischen Kabalen begibt, entdeckt man bestimmt noch mehr davon. Dugin ist ja auch innerhalb der russischen Nomenklatura höchst umstritten – da haben wir verschiedene Fraktionen unter den Nationalisten, die Geheimdienste, die auch in Fraktionen unterteilt sind, die Nationalliberalen, zahlreiche einflussreiche Oligarchen und vielen davon ist Dugin ein Dorn im Auge. Aber auch das sind Spekulationen. 

Das ist in Kürze die Wiedergabe unseres morgendlichen Dialogs.

Was finden Sie richtig? Vermutungen äußern oder schweigen, wenn es keine verlässlichen Belege gibt?

Eine schwierige Frage. Wenn man den USA oder einzelnen Personen, Gruppen oder Institutionen wie der CIA nahezu alles zutraut oder wenn man – so wie ich – schon einmal formuliert hat, „Der Tod kommt aus Amerika“ – siehe hier 13. März 2015 „Der Tod kommt aus Amerika“ und die Bestätigung durch den Chef von STRATFOR und hier „Der Tod kommt aus Amerika“ – Nachtrag Nr. 2 zum Einsatz von Uran-Munition und zu den Folgen im Irak. (nachdenkseiten.de) – , dann neigt man eher dazu, auch in diesem konkreten Fall den Verdacht zu äußern, Personen oder Stellen aus den USA steckten hinter dem Mord in Moskau. Man tut dann allerdings gut daran, auf die bestehende Unsicherheit hinzuweisen.

Wenn man ein Medium sein will, das nicht spekuliert und keine Behauptungen veröffentlicht, ohne sie belegen zu können, also auch keine Vermutungen zu äußern, dann muss man auch im konkreten Fall des Mords an Frau Dugina darauf verzichten, den Verdacht zu äußern. Das ist eine Position, die dem Eindruck der Seriosität des Mediums sicher guttut.

Wer welche Position in der Redaktion der NachDenkSeiten vertritt, ist im konkreten Fall unerheblich. Deshalb sind auch keine Namen genannt.

Hier noch zum Schluss der Leserbrief vom 24. August um 14:26 Uhr, der unsere Debatte auslöste:

Liebes Nachdenkseiten-Team,

mich verwundert es etwas, dass Sie noch nichts über die Ermordung der russischen Journalistin Darja (Dascha) Dugina geschrieben haben, oder warten Sie noch darauf, dass sich die “Nebel des Krieges” verziehen? Es gibt ja durchaus unterschiedliche Versionen davon, wer hinter dem Bombenattentat steckt.

Darja Dugina ist die Tochter von Alexander Dugin, der im Westen gerne als Einflüsterer von Präsident Putin bezeichnet wird, was jedoch nach Aussage vor allem russischer Quelle nicht stimmt. Darja Duschina wurde am Samstagabend durch eine Autobombe im Moskauer Umland getötet, nachdem sie mit ihrem Vater Alexander Dugin an einem Festival teilgenommen hatte. Ihr Vater ist nur durch einen Zufall nicht Opfer des Attentats geworden, da er sich spontan dazu entschlossen hatte, im Auto eines Freundes mitzufahren. Ob der Anschlag Alexander Dugin oder seiner Tochter Darja gegolten hat, ist noch unklar.

Klar für die russische Seite ist es, dass der ukrainische Geheimdienst SBU hinter dem Attentat steckt: Eine verdächtige Ukrainerin wurde identifiziert, die am Tag des Attentats nach Estland ausgereist ist. Von westlicher Seite wird jedoch die Echtheit des von den russischen Ermittlungsbehörden präsentierten Passes der Frau angezweifelt.

In der deutschen Presse war die Ermordung der jungen Frau vor allem von einem hämischen Unterton begleitet, nach dem Motto “geschieht ihr recht” bzw. “geschieht ihrem Vater recht”, da sie Nationalisten/Faschisten sind bzw. waren und den russischen Krieg in der Ukraine unterstützen. Siehe z.B. diese Links:

Neutraler berichtet die Süddeutsche Zeitung. Ebenso Telepolis, wobei hier allerdings das Forum zu dem Artikel beachtet werden sollte, wo eine ganze Anzahl nicht sonderlich passender Kommentare geschrieben sind.

Andere Sicht liefert Thomas Röper, der in Moskau lebt und Darja Dugina auch persönlich kannte, in den folgenden zwei Artikeln auf seinem Blog Anti-Spiegel. Man kann seinen Ausführungen folgen oder nicht, zur Kenntnis nehmen man sie denke ich schon, um einen anderen Zugang kennenzulernen:

Als Fazit bleibt zu ziehen, wie immer man auch zu Vater und Tochter Dugin steht und wer auch immer der Drahtzieher hinter dem Bombenattentat war: Die deutsche Presse macht mal wieder einen schlechten Eindruck. Statt einer zumindest neutralen Berichterstattung über den Mord an einer Journalistin werden sämtliche Signalwörter aus der “Verleumdungskiste” gezogen und der Eindruck erweckt, es handele sich bei Darja Dugina und ihrem Vater Alexander Dugin um schlechte Menschen mit menschenverachtenden Ansichten handelt, denen das Schicksal nur zu Recht wiederfahren ist. Dies ist allerdings ein schlechter Stil, denn Mord bleibt Mord – egal, welche politischen Ansichten ein Mensch vertritt.

Mit freundlichen Grüßen
Jochen Dietermann

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

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