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Heute unter anderem zu folgenden Themen: US-Senat gibt Deutscher Bank Mitschuld an Krise; Hausdurchsuchung im Attac-Bundesbüro; BRICS-Staaten für Reform des Weltfinanzsystems; Selbst schuld; Wofür das alles?; Irland beteiligt Investoren an Bankenrettung; Großbanken unter Verdacht; Gonzalo Boye: Portugal darf nicht fallen; Projekt Bürgerarbeit floppt in den Kommunen; Peinliche Rüge; Noch eine Ankündigung mit kurzer Halbwertszeit; Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist; Libyen; Japans Strahlenproletariat; Berlusconi erwägt Abschied aus der Politik; Ungarn kürzt Arbeitslosenhilfe von 270 auf 90 Tage; Stillstand 21; Linke: Hochschulzulassungsgesetz auf den Weg bringen; Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Bund, in den Ländern und in den Kreisen; Für die Rettung einer eigenständigen, überregionalen Frankfurter Rundschau (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. US-Senat gibt Deutscher Bank Mitschuld an Krise
  2. Hausdurchsuchung im Attac-Bundesbüro
  3. BRICS-Staaten für Reform des Weltfinanzsystems
  4. Selbst schuld
  5. Wofür das alles?
  6. Irland beteiligt Investoren an Bankenrettung
  7. Großbanken unter Verdacht
  8. Gonzalo Boye: Portugal darf nicht fallen
  9. Projekt Bürgerarbeit floppt in den Kommunen
  10. Peinliche Rüge
  11. Noch eine Ankündigung mit kurzer Halbwertszeit
  12. Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist
  13. Libyen
  14. Japans Strahlenproletariat
  15. Berlusconi erwägt Abschied aus der Politik
  16. Ungarn kürzt Arbeitslosenhilfe von 270 auf 90 Tage
  17. Stillstand 21
  18. Linke: Hochschulzulassungsgesetz auf den Weg bringen
  19. Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Bund, in den Ländern und in den Kreisen
  20. Für die Rettung einer eigenständigen, überregionalen Frankfurter Rundschau

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. US-Senat gibt Deutscher Bank Mitschuld an Krise
    Über zwei Jahre haben Vertreter des US-Senats nach den Ursachen des Finanzsystems geforscht. Ihr Report greift die Deutsche Bank an. Gemeinsam mit Goldman Sachs sei sie “besorgniserregend” mit riskanten Finanzprodukten umgegangen.
    Die Deutsche Bank zählt zu den Finanzinstitutionen, deren „schäbige, riskante und betrügerischen Praktiken“ ein Untersuchungsbericht des US-Senats zum Zusammenbruch des Finanzmarktes anprangert.
    „Der Bericht zeigt, dass die Institutionen Kunden und Öffentlichkeit bewusst getäuscht haben und dabei von ehrerbietigen Regulierern und Ratingagenturen unterstützt wurden“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, der demokratische Senator Carl Levin, am Mittwoch im Washington.
    Über zwei Jahre haben Vertreter beider Parteien 6000 Dokumente und vertrauliche Mails aus der Finanzindustrie gesichtet. Laut dem 650 Seiten starken Report waren die Deutsche Bank und Goldman Sachs führend im Erstellen, Vermarkten und Verkaufen von Finanzprodukten gewesen, die zum Zusammenbruch des Finanzsystems geführt hätten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Jens Berger: Die Deutsche Bank auf einer Stufe mit Goldman Sachs? Das dürfte Herrn Ackermann gefallen, auch wenn es diesmal nur die „Betrügerskala“ ist, auf der die Deutsche Bank ein echter Global Player ist.

  2. Hausdurchsuchung im Attac-Bundesbüro
    Das Bundesbüro von Attac in Frankfurt am Main ist am heutigen Donnerstagvormittag von der Staatsanwaltschaft München durchsucht worden. Laut Durchsuchungsbefehl des Münchner Amtsgerichts wird dem Vorstand des Attac-Trägervereins vorgeworfen, mit der Veröffentlichung eines Gutachtens zur BayernLB auf der Attac-Homepage das Urheberrecht verletzt zu haben.
    Es liegt nahe, in dieser Razzia eine Drohgebärde der Finanzindustrie und von Politikern, die sich ihrer Verantwortung nicht stellen wollen, zu sehen. Der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung ist vorgeschoben, tatsächlich soll verhindert werden, dass bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.
    Quelle 1: Attac
    Quelle 2: Das BayernLB-Gutachten Band 1 [PDF – 21.9 MB] / Band 2 [PDF – 19.6 MB] / Band 3 [PDF – 24.9 MB]
    Quell 3: Zusammenfassung durch die Kanzlei Flick/Gocke/Schaumburg [PDF – 208 KB]
  3. BRICS-Staaten für Reform des Weltfinanzsystems
    Unmittelbar vor Beginn hochrangiger Treffen der internationalen Finanzpolitik in Washington haben die fünf wichtigsten Schwellenländer einen neuen Angriff auf die Dollar-Dominanz gestartet. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) vereinbarten am Donnerstag die gegenseitige Vergabe von Krediten in ihren eigenen Währungen – unter Umgehung des “Greenback”. Mit der Forderung nach einer umfassenden Reform des internationalen Devisensystems unterstrich die Gruppe bei ihrem eigenen Treffen in China zudem die Kritik an der Vorherrschaft des Dollar: Die Staaten verlangten ein breiter aufgestelltes und damit stabileres System der Reservewährungen. Der Vorstoß demonstriert den Anspruch der immer selbstbewusster werdenden BRICS auf ein größeres Mitspracherecht in der internationalen Finanzpolitik. Die fünf führenden Schwellenländer sehen zugleich neue Risiken für die Weltwirtschaft.
    Quelle: Der Standard
  4. Selbst schuld
    Übersteigt die Staatsverschuldung unsere Vorstellungskraft? Nicht, wenn man sie auf den Bürger umwälzt. Der Mannheimer Germanist Jochen Hörisch ist mit gutem Beispiel vorangegangen.
    Zwei Billionen Euro Staatsverschuldung. […] Oder: Jeder Bürger – allerdings auch der zahnlose und der Insasse – überweist 25.000 Euro, und alles ist sofort getilgt. […] Das durchschnittliche Vermögen der Deutschen liegt bei 150.000 Euro, das gesamte Geldvermögen soll sich auf etwa 4,9 Billionen Euro belaufen. Schon die Spar-, Sicht- und Termineinlagen machten zuletzt knapp zwei Billionen aus. […]
    Der Mannheimer Germanist Jochen Hörisch sah das genau so und hat unter der Überschrift “Hurra, wir tilgen” kürzlich ein Fünftel seiner überschaubaren liquiden Mittel dem Staat als Bürgeropfer überwiesen, um allen anderen durch das gute Beispiel voranzugehen (www.hurrawirtilgen.de). Hat dafür auch ein freundliches Schreiben aus dem Finanzministerium bekommen, das allerdings Wert auf die Feststellung legte, eine Vermögensteuer sei nicht geplant. Und musste sich auch sofort von Volkswirten seiner Universität anhören, dass so ein Verhalten die Staatsschulden nicht senke, sondern erhöhe, weil es den Staat nur dazu anreize, noch mehr Schulden zu machen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Nun sind wir anscheinend schon so weit, dass Germanisten mehr von Volkswirtschaft verstehen als Volkswirte. Auf den ersten Blick ist es jedoch erstaunlich, dass die FAZ darauf hinweist, dass die Staatsschulden nur einen Bruchteil des inländischen Vermögens ausmachen. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, dass der Artikel unter der Rubrik „Glosse Feuilleton“ läuft … nun ja.

  5. Wofür das alles?
    Der Staat, die Banken und das Geld – ein Drama. Gut 31 Milliarden Euro Kapital hat der Bund für Banken in der Krise bereitgestellt, mit weiteren 18 Milliarden Euro haben einige Bundesländer ihre Landesbanken gestützt. Zudem hat der Staat Garantien für die Refinanzierung oder künftige Verluste von Banken übernommen – im Gegenzug für die Garantien zahlen die Banken hohe Gebühren an den Staat. Die Gesamtrechnung ist komplex. Jede Zwischenbilanz bleibt vorläufig.
    Quelle: ZEIT
  6. Irland beteiligt Investoren an Bankenrettung
    Gläubiger der verstaatlichten Allied Irish Banks muss bluten. Eine Gerichtsentscheidung hat den Weg für die Gläubiger-Beteiligung frei gemacht.
    Irlands Regierung will die nachrangigen Gläubiger der faktisch verstaatlichten Allied Irish Banks zur Kasse bitten und gebeutelten Steuerzahler eine kleine Verschnaufpause gönnen.
    Durch eine Entscheidung des höchsten Gerichts des Landes sei der Weg freigemacht, weniger Steuergelder für die Rettung der Bank aufzuwenden, teilte das Finanzministerium mit. Die Regierung hielt sich vor, jeden notwendigen Schritt zu unternehmen, um eine „angebrachte Lastenverteilung“ durch die nachrangigen Gläubiger zu gewährleisten.
    Durch den Gerichtsentscheid könnten die 2,6 Milliarden Euro an nachrangigen Schulden bis zu 80 Prozent ihres Wertes verlieren, sagte Finanzminister Michael Noonan. Irische Banken haben der Zentralbank zufolge sieben Milliarden Euro an ausstehenden nachrangigen Schulden.
    Quelle: WELT
  7. Großbanken unter Verdacht
    Haben US-amerikanische und europäische Großbanken gemeinsame Sache gemacht, um Kreditzinsen zu manipulieren? Nach Informationen des “Wall Street Journal” gehen US-Ermittler dem Verdacht nach, dass die Banken einen viel beachteten Zinssatz künstlich niedrig gehalten haben. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen demnach die Bank of America, die Citigroup und die Schweizer UBS.
    Es geht um den Libor. Dieser wird in London ermittelt und dient als Referenzzins im sogenannten Interbankenhandel. An ihm orientieren sich etwa Zinssätze für Autokredite oder Firmenanleihen. Wird der Libor manipuliert, hat das weltweite Auswirkungen.
    Quelle: Der Standard
  8. Gonzalo Boye: Portugal darf nicht fallen
    Je stärker sich die Finanzkrise zuspitzt und Länder wie Spanien, Griechenland oder Portugal in Bedrängnis kommen, umso deutlicher wird, dass die Verantwortlichen ebendieser Krise an ihr verdienen wie sonst niemand. Keiner traut sich, dem Einhalt zu gebieten. Es gibt keinerlei Kontrollen oder gar Sanktionen gegen die Urheber der Krise. Gleichzeitig leiden die einfachen Leute sowie kleine und mittelständische Unternehmen unter immer härteren Sparprogrammen. Deshalb haben wir – verschiedene spanische Juristen, Verbraucherschutzorganisationen mit Unterstützung einiger Parteien – beschlossen, die Ratingagenturen vor Gericht zu bringen. Das Drama dieser Tage ist, dass die Regierungen, die den Angriffen der Spekulanten am meisten ausgesetzt sind, keinerlei Autorität besitzen, um diese Attacken zu bekämpfen. Zu lange haben sie mit den Verantwortlichen dieser Politik harmonisch zusammengelebt. Aus diesem Grund haben wir uns als Bürgerinitiative zusammengetan, um die Ratingagenturen vor Gericht zu bringen. Wir wollen verhindern, dass eine Oligarchie, die bereit ist, für ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteile die Rechte eines Großteils der Bevölkerung zu opfern, straffrei ausgeht.
    “Das hier ist Klassenkampf, und meine Klasse, die der Reichen, gewinnt”, gibt der Multimillionär Warren Buffet, ein Hauptanteilseigner von Moody’s, ohne Umschweife zu. Vermutlich hat er recht. Doch wir werden alles tun, um es ihm so schwer wie möglich zu machen, indem wir dafür sorgen, dass er zumindest dieses Mal für seine kriminellen Machenschaften öffentlich Rede und Antwort stehen muss.
    Quelle: taz
  9. Projekt Bürgerarbeit floppt in den Kommunen
    Langzeitarbeitslose sollten als Gärtner, Vorleser oder Straßenfeger den Weg in den Job finden – doch das Projekt Bürgerarbeit ist bisher gefloppt: Laut einem Zeitungsbericht verzichten Kommunen wegen finanzieller Bedenken auf die 900-Euro-Jobber. Nun soll es einen Ausweg über Leiharbeit geben.
    Seit Anfang des Jahres läuft das auf drei Jahre ausgelegte Programm. 34.000 Hartz-IV-Empfänger sollten vermittelt werden. Bis Ende März waren aber erst 1386 Bürgerarbeiter im Einsatz, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit.
    Hauptgrund für das bislang flaue Interesse ist nach Zeitungsangaben ein Streit über die Bezahlung der Bürgerarbeiter. Im Herbst 2010 erklärte die Bundesregierung auf Druck der kommunalen Arbeitgeberverbände, dass Bürgerarbeiter nicht nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes zu bezahlen sind. Dies sieht die Gewerkschaft Ver.di aber ganz anders…
    Bei den kommunalen Spitzenverbänden heißt es, die Kommunen müssten pro Bürgerarbeiter 200 bis 300 Euro monatlich aus den eigenen Kassen nehmen, wenn die Tarifbindung doch gelten sollte. Dieses finanzielle Risiko sei ihnen zu hoch.
    Inzwischen hat das Bundesarbeitsministerium einen Ausweg gefunden. Die Kommunen dürfen Bürgerarbeiter nun von Beschäftigungsgesellschaften ausleihen. Für Leiharbeiter gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes nicht.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung WL: Entgegen den Behauptungen von Ministerin von der Leyen fördert also die Bundesregierung die Leiharbeit und das bewusst, um Tarifverträge zu umgehen.

    dazu: Lohnfindung nach Gutsherrenart
    Wenn die Politik bei Arbeitslosen nicht mehr weiter weiß, gründet sie in der Regel einen öffentlichen Beschäftigungssektor. Das Motiv ist meist löblich: Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr mitmachen können oder wollen im normalen Arbeitsmarkt, sollen eine Chance bekommen, über öffentlich finanzierte Jobs an Beschäftigung, Anerkennung, Tagesstruktur teilzunehmen. Was allerdings aus solchen Ideen herauskommt, ist häufig hochproblematisch. […]
    Solche Konzepte dürfen nur eins nicht: die Kommune etwas kosten. Spätestens dann geht das Interesse der Gemeinden, die Jobs zu kreieren, gegen Null – bei der Bürgerarbeit sind deswegen statt 34.000 Jobs nur rund 1400 entstanden. Um die schöne Zusammenarbeit aber nicht zu stören, und eines der Lieblingsprogramme von Ursula von der Leyen (CDU) am Leben zu erhalten, hat der Bund deswegen beschlossen, bei der Bürgerarbeit einen Trick anzuwenden: Statt die Bürgerarbeiter nach einem Tariflohn des öffentlichen Dienstes zu bezahlen, nehmen sie den Zeitarbeitslohn – dann müssen die Kommunen nichts dazu zahlen. Die Kommunen entschuldigen diesen Trick damit, dass ein subventionierter, nicht voll leistungsfähiger Arbeitsloser nicht gleich viel verdienen darf, wie sein normal beschäftigter Kollege.
    Das ist auf jeden Fall eine seltsame und gutsherrenartige Form der Lohnfindung – Arbeitslose einfach mal eben unter Umgehung der Arbeitnehmerorganisationen zu einer Art Zeitarbeiter zu erklären. Und ziemt sich einer Bundesregierung nicht, die seit der Krise Tarifsysteme und Tarifpartner über den grünen Klee lobt.
    Quelle: FTD

  10. Peinliche Rüge
    Vier lästige Staatsbeamte wurden mit nachweislich falschen psychiatrischen Gutachten aus dem Dienst gedrängt. Sie gehören rehabilitiert und nicht ein zweites Mal zum Spielball politischer Interessen gemacht.
    Tricksen gehört zum politischen Handwerk. Warum also sollten CDU und FDP im Hessischen Landtag nicht versuchen, den Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnder-Affäre durch einen Wust vermeintlich listiger Zusatzfragen lahmzulegen? Darauf gibt es eine moralische und eine demokratie-theoretische Antwort. Letztere hat der Wiesbadener Staatsgerichtshof erfreulich klar formuliert: Das Pensum des Ausschusses ins Absurde aufzublähen, behindert die Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Weil aber genau das Sinn der Übung war, müsste das Urteil der Landtagsmehrheit hochnotpeinlich sein. Dies umso mehr, als das Votum des üblicherweise regierungsgeneigten Gerichts einmütig gegen sie gefallen ist.
    Das Peinlichkeitsempfinden von CDU und FDP ist freilich seit langem betäubt. Beim Finkerhakeln mit dem politischen Gegner und vor lauter Verachtung für unabhängiges Bemühen um Aufklärung ist ihnen das zentrale Ärgernis der Steuerfahnder-Affäre gleichgültig geworden: Vier lästige Staatsbeamte wurden mit nachweislich falschen psychiatrischen Gutachten aus dem Dienst gedrängt.
    Sie gehören rehabilitiert und nicht ein zweites Mal zum Spielball politischer Interessen gemacht. Das allerdings fällt in den Bereich von Anstand und politischer Moral, über die das Gericht nicht zu befinden hat, wohl aber die Bürger.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  11. Noch eine Ankündigung mit kurzer Halbwertszeit
    Die Frage irritierte Utz Claassen nur kurz. Bei der ZDF-Talkshow “Markus Lanz” ging es, noch vor der Wahl, schon eine Weile um den EnBW-Deal von Ministerpräsident Stefan Mappus. Da wollte der Moderator von dem früheren Konzernchef wissen, ob er sich Mappus als seinen Nachnachfolger in Karlsruhe vorstellen könne. Claassen antwortete diplomatisch-abstrakt: Wer ein Bundesland wie Baden-Württemberg regiere, der müsse theoretisch auch in der Lage sein, ein großes Unternehmen zu führen. […]
    Immer deutlicher wird – was auch Claassen in der Runde durchblicken ließ -, dass der Regierungschef das Milliardengeschäft in seiner Komplexität nicht voll durchdrungen hatte. Weder zog er die Möglichkeit der eigenen Abwahl in Betracht, noch hatte er die – schon vor Fukushima bestehenden – politischen Risiken für die Kernkraft auf der Rechnung. Wie unausgegoren Mappus’ Coup war, zeigt ein weiterer, bis jetzt wenig beachteter Aspekt.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung
  12. Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist
    Philipp Möller im Gespräch mit Alan Posener: “Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist, weil er glaubt: so wie in der Kirche eine Meinung herrschen muss – offenbarte Wahrheit – sollte auch in der Gesellschaft ‚die Wahrheit‘ herrschen.”
    Quelle 1: Humanistischer Pressedienst
    Quelle 2: Podcast 34 Min [mp3]
  13. Libyen
    1. “Böser Fehler, der dem NATO-Generalsekretär unterlaufen ist”
      Militärfachmann Walther Stützle zur Lage des Verteidigungsbündnisses
      Militärisch eingreifen, ohne den politischen Ansatz wenigstens zu versuchen – und dann auch noch kein Konsens innerhalb des Bündnisses: Walther Stützle stellt dem Westen und Anders Fogh Rasmussen in der causa Libyen ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
      Quelle: DLF
    2. Aus Gaddafis Lager: Bruder Führer hat noch Freunde
      Im Lager der Regierungstreuen ist der Kampfeswille weiterhin gross. Gaddafi gibt sich siegessicher, während die Delegation der Afrikanischen Union den libyschen Herrscher eher hofierte, denn Verhandlungen führte. Ob Muhammad Ould Abdel Asis aus Mauretanien, Jacob Zuma aus Südafrika, Denis Sassou Nguessou aus der Demokratischen Republik Kongo, General Yoweri Museveni aus Uganda oder Amadou Toumani Toure aus Mali – sie alle sind langjährige Freunde und Unterstützer Gaddafis, der in ihren Ländern Milliarden investierte. «Halb Uganda gehört uns», sagte ein libyscher Vertreter stolz und mit einem breiten Lachen. «Die AU ist auf unserer Seite, da müssen wir uns keine Sorgen machen.» Libyen ist der grösste finanzielle Sponsor der 53 Nationen umfassenden AU und Mitglied im Rat für Sicherheit und Frieden der Organisation. In Uganda besitzt Libyen eine ganze Reihe milliardenschwerer Firmen, darunter die National Housing Construction Company, Tropical Bank, Laico Lake Victoria Hotel, Tamoil East Africa and OiLibya. Von der ugandischen Telefongesellschaft Telecom, die ein dreizehn Milliarden Franken schweres Defizit hat, gehören dem libyschen Staat zwei Drittel.
      Quelle: WOZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Wie wichtig der Delegation der Afrikanischen Union die Position der Aufständischen war, zeigte sich darin, dass südafrikanische Präsident Jacob Zuma nach dem Treffen mit Gaddafi in Tripolis abreiste, mit der Begründung, er habe anderswo wichtige Dinge zu erledigen.

  14. Japans Strahlenproletariat
    Die “Helden von Fukushima” sind keineswegs alle gleich, sondern haben ihre festen Plätze in einer Art Klassenpyramide der japanischen Atomindustrie. : an der Spitze hochbezahlte Manager, gut geschützt vor jeder Radioaktivität; in der Mitte die Angestellten von technischen Partnerfirmen der Strom- und Atomkonzerne, die dadurch ihre Arbeitskosten senken; an der breiten Basis ein Atomproletariat, das das Verstrahlungsrisiko fast alleine trägt. Diese Arbeiter, darunter viele Tagelöhner, säubern die Wände der Reaktorbehälter, füllen strahlenden Abfall um oder wischen radioaktive Pfützen auf. Meist bleiben sie unter sich: Wer in Japan einmal in einem AKW gearbeitet hat, erhält nirgendwo sonst mehr einen Job. Genau wie die Hibakusha, die Strahlenopfer von Hiroshima und Nagasaki, sind Atomarbeiter stigmatisiert. Wie Nomaden ziehen manche von einem AKW zum anderen.
    Quelle: taz
  15. Berlusconi erwägt Abschied aus der Politik
    Wird der 74-Jährige langsam amtsmüde? Er wolle bei den nächsten Wahlen in zwei Jahren nicht mehr antreten, auch das Amt des Staatspräsidenten interessiere ihn nicht, verriet Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi Journalisten in einem – eigentlich vertraulichen – Hintergrundgespräch. Bereits vor einigen Wochen hatte Berlusconi im kleinen Kreis gegenüber europäischen Amtskollegen verlauten lassen, er werde bald aufhören. Er wolle noch die Justiz seines Landes reformieren, danach seien Neuwahlen vermutlich unausweichlich. Und bei denen, verkündete er, “trete ich nicht mehr an”.
    Justizminister Alfano verteidigt derzeit vor dem italienischen Parlament einen Gesetzentwurf zu verkürzten Verjährungsfristen, der am Mittwoch in der Abgeordnetenkammer verabschiedet worden war.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein cleverer Schachzug von Berlusconi, der noch einmal alle Kräfte moblisiert, die vom Regime Berlusconi profitieren.

  16. Ungarn kürzt Arbeitslosenhilfe von 270 auf 90 Tage
    Die ungarische Regierung will die Arbeitslosenhilfe drastisch kürzen und nur noch 90 statt 270 Tage zahlen. Viktor Orban erhofft sich davon 300.000 neue Arbeitsplätze. […]
    Sozialleistungen „ermuntern die Leute nicht, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren“, begründete er die Maßnahme, die am dem 1. Januar 2012 in Kraft treten soll. Danach werden im ersten Monat 90 Prozent des früheren Gehalts, im zweiten Monat 80 und im dritten Monat nur noch 70 Prozent gezahlt. Bis Ende 2014 will die konservative Regierung von Viktor Orban 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: So entstehen also ganz einfach neue Arbeitsplätze: indem man die Arbeitslosen wegdefiniert. Wie die Agenda 2010 für Deutschland: asozial und wirtschaftlich verheerend.

  17. Stillstand 21
    Bei dem umstrittenen Projekt Stuttgart 21 kommen Grüne und SPD einander nicht näher. Die Ergebnisse passen auf eine Briefmarke, sagt selbst Winfried Kretschmann. […]
    Doch gerade dieser Stillstand zeigt, wie brisant das Thema hinter den Kulissen debattiert wird. Das Bild zweier ICE-Züge, die aufeinander zurasen, dient in diesen Tagen immer wieder als Metapher für den Machtkampf.
    Letztlich bietet die Geschichte zwei Lesarten. Nach der Wahl sah mit dem von der Deutschen Bahn verhängten Baustopp und neuen Gutachten über hohe Risiken alles danach aus, als bringe allein der Regierungswechsel das Milliardenprojekt ins Wanken. Viele Beobachter denken, dass alles weitere nur ein Mikadospielchen ist: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Denn derjenige, der den Ausstieg erklärt, muss auch die damit verbundenen Kosten übernehmen. […]
    Nach der zweiten Lesart jedoch stehen die Grünen gewaltig unter Druck und drohen geradewegs auf eine bittere Niederlage zuzurasen. Denn noch sieht alles danach aus, dass eine Volksabstimmung im Koalitionsvertrag festgeschrieben wird. “Der Begriff wird selbstverständlich auftauchen”, sagte Kretschmann am Donnerstag.
    Quelle: taz
  18. Linke: Hochschulzulassungsgesetz auf den Weg bringen
    Die Fraktion Die Linke spricht sich dafür aus, die Hochschulzulassung bundesgesetzlich zu regeln. In einem entsprechenden Antrag (17/5475), der am Donnerstag Abend erstmals im Plenum behandelt wird, fordert sie ein Bundeshochschulzulassungsgesetz, in dem festlegt sein soll, dass der Abschluss einer beruflichen Ausbildung zur Aufnahme eines Hochschulstudiums berechtigt. Zudem soll nach Willen der Fraktion jeder, der eine Studienberechtigung hat, das Recht haben, ein Studium im Fach und an der Hochschule seiner Wahl aufzunehmen. Auch das Recht auf einen Masterstudienplatz soll so sichergestellt werden.
    Des Weiteren fordern die Abgeordneten die Regierung auf, gemeinsam mit den Ländern den bestehenden Hochschulpakt aufzustocken, so dass er „verlässlich ein bedarfsdeckendes Angebot an qualitativ hochwertigen Studienplätzen sichert und dazu beiträgt, die strukturelle Unterfinanzierung des Hochschulsystems zu beenden“.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  19. Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Bund, in den Ländern und in den Kreisen
    Im Dezember 2010 waren in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 4,7 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen. (erwerbsfähige Hilfebedürftige/Leistungsberechtigte). Dies waren 4,2 Prozent (207.000) weniger als ein Jahr zuvor (Dezember 2009) bzw. 11,5 Prozent (611.000) weniger als im Dezember 2006.
    In der Bundesrepublik Deutschland waren im Dezember 2010 8,7 Prozent der Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen. (Dezember 2009: 9,1 Prozent; Dezember 2006: 9,7 Prozent) In den Ländern reichte diese Arbeitslosengeld II-Quote von 18,2 Prozent (182 von 1.000) in Berlin und 15,5 Prozent in den Ländern Bremen und Sachsen-Anhalt bis 4,7 Prozent in Baden-Württemberg und 4,0 Prozent (40 von 1.000) in Bayern, in den 412 Kreisen von 20,2 Prozent in der Stadt Bremerhaven (HB) und 19,2 Prozent in der Stadt Brandenburg an der Havel (BB) bis 1,4 Prozent im Landkreis Freising (BY) und 1,2 Prozent im Landkreis Eichstätt (BY).
    In den 15 Großstädten (mit mehr als 400.000 Einwohner/innen; einschließlich Region Hannover) lebten im Dezember 2010 insgesamt 1,274 Millionen erwerbsfähige Hilfebedürftige. Die Arbeitslosengeld II-Quote der Großstadtbevölkerung betrug im Dezember 2010 13,2 Prozent. Sie lag damit 70 Prozent (nicht Prozentpunkte) über der Arbeitslosengeld II-Quote im Rest der Bundesrepublik Deutschland (Bund ohne Großstädte: 7,7 Prozent). In den 15 Großstädten reichte diese Arbeitslosengeld II-Quote von 18,2 Prozent in Berlin, 17,2 Prozent in Leipzig (SN) und 15,7 Prozent in Duisburg (NW) bis 7,1 Prozent in Stuttgart (BW) und 5,8 Prozent in München (BY).
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 188 KB]
  20. Für die Rettung einer eigenständigen, überregionalen Frankfurter Rundschau
    27 prominente Frankfurter aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Wissenschaft appellieren an die Verleger, die FR als zentrale Institution der Stadtgesellschaft zu erhalten.
    Uns allen liegt die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklung der Rhein-Main-Region sehr am Herzen. Daher ist für uns die Nachricht von den bevorstehenden Veränderungen in der Redaktion der Frankfurter Rundschau ein schwerer Schlag. Die Rundschau war und ist eine zentrale Institution der Stadtgesellschaft und ein markanter Teil der Repräsentation Frankfurts nach außen. Im Gefüge des Medienstandorts spielt sie eine herausragende Rolle. Eine weltoffene, diskussionsfreudige und dynamische Region wie Rhein-Main braucht die lebendige Debatte mehrerer überregionaler Medien.
    Quelle: Der Freitag

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