Kein Problembewusstsein bei Phoenix u.a. bezüglich PR-Journalismus

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Ein interessanter, nochmaliger Hinweis und Briefwechsel eines Freundes der NDS. Die Briefe von Phoenix sind ein „dolles“ Stück:
Donnerstag, 31.8. um 19:15 Uhr wiederholt Phoenix den Beitrag »Die ewige Rentenlüge«, zwei weitere Termine zur Wiederholung sind im September vorgesehen (5. September 8:15 Uhr und 6. September 18:30 Uhr). In diesem Zusammenhang habe ich erneut an Phoenix geschrieben und darum gebeten, dass man doch darauf hinweisen möge, dass der in dem Beitrag immer wieder auftretende Prof. Dr. Meinhard Miegel Lobbyist der privaten Versicherungswirtschaft sei. Den Mailwechsel möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, zumal er einmal mehr zeigt, wie gering das Problembewusstsein bezüglich PR-Journalismus und unterschwelliger Beeinflussung der Zuschauer bei den Fernsehanstalten ist:

Mein Anschreiben:

U.E. 30.8.2006

Sehr geehrte Damen und Herren,

am morgigen Donnerstag wiederholen Sie um 19:15 Uhr den Beitrag »Die ewige Rentenlüge« von Joachim Schröder, in dessen Rahmen Prof. Meinhard Miegel als Rentenexperte vorgestellt wird, ohne seinen lobbyistischen Hintergrund bei dem Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) zu erwähnen oder seine Tätigkeit als Sprecher des BürgerKonvents, der sich für neoliberale Reformen im Sinne der Arbeitgeberverbände einsetzt.

Der Autor Joachim Schröder diskreditiert mit ständiger Unterstützung Prof. Miegels die gesetzliche Rente. Zudem empfiehlt Miegel, wie gesagt Lobbyist der privaten Versicherungswirtschaft, eindringlich die Privatvorsorge und nennt sogar Prozentsätze an Einkommen, die man vorsorgen soll.

Wie ich Ihnen schon bei der letzten Ausstrahlung dieses Beitrags schrieb, halte ich es für hochproblematisch, dass hier im Gewande der Dokumentation ein Lobbyist eine Dreiviertelstunde lang eine Plattform erhält, Werbung für die private Rentenvorsorge zu betreiben, dies mit einem scheinbar wissenschaftlichen Anstrich.

Neben dem Sendetermin am morgigen Donnerstag um 19:15 Uhr planen Sie zwei weitere Ausstrahlungen dieses Beitrags am 5. September 2006 um 8:15 Uhr und am 6.
September 2006 um 18:30 Uhr. Auch für diese Termine wäre es angebracht, auf den Hintergrund Prof. Miegels als Lobbyist der privaten Versicherungswirtschaft hinzuweisen.

Ich kann Ihnen diesen lobbyistischen Hintergrund Miegels belegen: http://www.dia-vorsorge.de/institut.htm

Sie finden dort neben dem Hinweis, dass Prof. Dr. Meinhard Miegel wissenschaftlicher Berater ist, die Information, dass die Gesellschafter des Instituts für Altersvorsorge unter anderem die Deutsche Bank und der Deutsche Herold sind. Als Auftrag sieht sich das Institut in der Pflicht, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Privatvorsorge für die Alterssicherung zu stärken – angesichts des Umstandes, dass dort Anbieter von Altersvorsorgeprodukten Gesellschafter sind, eine eindeutige Lobbytätigkeit.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Mail darlegen, in welcher Weise dieser Beitrag »Die ewige Rentenlüge« problematisch ist, und hoffe, dass Sie die dreifache Ausstrahlung dieses Beitrags kritisch überdenken, zumindest aber die Zuschauer darauf hinweisen, aus welcher Ecke Prof. Dr. Miegel stammt.

Mit freundlichen Grüßen,

Udo Ehrich

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr Ehrich,

vielen Dank für Ihr Interesse am Sender PHOENIX und Ihre e-mail. Es ist kein Geheimnis, dass Herr Miegel in Berlin als Lobbyist tätig ist. Dies ist, glaube ich, in Deutschland nicht verboten.

Die Dokumentation “Die ewige Rentenlüge” haben wir von Joachim Schröder vom Bayerischen Rundfunk übernommen.

Anfragen dazu, sowie Kritik und Anregungen wollen Sie deshalb bitte direkt an den Bayerischen Rundfunk senden unter: [email protected] oder Tel. 089/3806-02 oder Bayerischer Rundfunk, Rundfunkplatz 1, 80335 München.
Leider liegen uns von Beiträgen, die wir von anderen Sendern übernehmen, keine Detailinformationen vor.

Die geplanten Sendetermine für diesen Beitrag werden wir einhalten.

Mit freundlichem Gruß
Marlene Künster
PHOENIX
Zuschauerservice

Daraufhin habe ich noch einmal versucht, mein Problem mit dem Beitrag deutlich zu machen:

Sehr geehrte Frau Künster,

zum einen teile ich Ihre Auffassung nicht, dass es in Deutschland allgemein bekannt ist, dass Prof. Miegel als Lobbyist der Versicherungswirtschaft tätig ist, zum anderen, selbst wenn es so wäre, ist dies kein Grund, dies im Beitrag zu verschweigen.

Problematisch ist diese Lobbytätigkeit, wenn sie verdeckt stattfindet, so wie im Beitrag. Ich hatte auch schon mit dem Bayerischen Rundfunk diesbezüglich Kontakt und auch dort herrscht offensichtlich überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass es problematisch ist, wenn ein Lobbyist in einem Fernsehbeitrag, der als Dokumentation ausgewiesen ist, seine Lobbyarbeit betreibt. Ich finde es da wenig hilfreich zu sagen, dass er doch in Berlin als Lobbyist bekannt, denn ich bin sicher, dass dies nur Leuten bekannt sich, die sich intensiver mit dieser Thematik befassen.

Es ist ja auch gerade die Strategie des Lobbyismus im Rahmen von PR-Journalismus die Interessen, die hinter einem Beitrag stehen, zu verschleiern, und die vermeintliche Wissenschaftlichkeit herauszustreichen. Dies spielt sich auch in diesem Beitrag ab, und ich kann nur noch einmal meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass dies weder bei Ihnen noch beim Bayerischen Rundfunk als Problem betrachtet wird.

Sicher, Lobbyismus ist nicht verboten in Deutschland, aber es ist auch nicht verboten, darauf hinzuweisen, und ich halte es schon für eine Sorgfaltspflicht von Journalismus, auch die möglichen Interessen, die hinter einem Beitrag stehen, hervorzuheben, so dass der Zuschauer weiß, woher einem der politische Wind aus dem entsprechenden Beitrag um die Ohren weht.

Mit freundlichen Grüßen,

Udo Ehrich

Erneut jedoch bestand die Frau vom Zuschauerservice von Phoenix darauf, daß Prof. Miegels Rolle bekannt sei:

Sehr geehrter Herr Ehrich,

danke für Ihre Antwort.
Herr Miegel äußert sich zu einem Thema, dass er als Lobbyist betreut.
Dies ist allgemein bekannt, zumal er ja auch in diversen Talkshows als solcher auftritt. Dass in diesem Beitrag eine verdeckte Lobbytätigkeit stattfindet, unterstellen Sie dem Autor.

Mit besten Grüßen
Marlene Künster
PHOENIX
Zuschauerservice

Dass Prof. Miegel in zahlreichen Talkshows auftritt, ist nicht zu leugnen, nur wird er dort eben auch nicht als Lobbyist eingeführt, sondern in der Regel als Rentenexperte. Dies schrieb ich auch noch mal an den Zuschauerservice:

Sehr geehrte Frau Künster,

vielen Dank für Ihre Antwort!

Auch wenn Herr Miegel in Talk-Shows auftritt, wird er in der Regel als Rentenexperte und nicht als Vertreter der privaten Versicherungswirtschaft vorgestellt. Das sind zwei verschiedene Dinge!

In dem Beitrag »Die ewige Rentenlüge« wird, wie schon in meiner ersten Mail erwähnt, die gesetzliche Rente als gescheitert dargestellt, Norbert Blüm bezüglich der Sicherheit der Rente Lüge vorgeworfen, und als Gipfel empfiehlt Prof. Miegel den um die 40jährigen, mit etwa 8% ihres Einkommens privat vorzusorgen. Da Prof. Miegel zu keinem Zeitpunkt als Lobbyist der Versicherungswirtschaft vorgestellt wird, kann man dies doch eigentlich nur als verdeckte Lobbyarbeit bezeichnen, denn es wird ja in dem Beitrag nicht auf seine Verbindung zur privaten Versicherungswirtschaft hingewiesen.

Man könnte ja darüber reden, wenn in diesem Beitrag auch andere Auffassungen zu Worte kämen, was jedoch nicht der Fall ist. Insofern ist es eben ein problematischer Beitrag, der da im Gewande der Dokumentation einherkommt.

Im übrigen verstehe ich auch nicht, was daran ein Problem sein soll, auf Miegels Verbindung mit der privaten Versicherungswirtschaft hinzuweisen, außer eben, dass er dann nicht mehr als der neutrale, wissenschaftliche Rentenexperte auftreten kann, als der er im Beitrag dargestellt wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Udo Ehrich

Jedoch war der Zuschauerservice von Phoenix hier inzwischen am Ende der Argumente angekommen. Die Antwort:

Sehr geehrter Herr Ehrich,

ich bitte Sie um Verständnis, dass PHOENIX den Beitrag nicht produziert hat. Alle Rechte liegen beim Bayerischen Rundfunk. Ich bitte Sie deshalb noch einmal, sich direkt mit dem Bayerischen Rundfunk oder dem Autor, Herrn Schröder, in Verbindung zu setzen. Er kann Ihnen sicher am besten sagen, warum er diesen oder jenen in seinem Beitrag zu Wort kommen lässt oder nicht.

Mit freundlichem Gruß
Marlene Künster
PHOENIX
Zuschauerservice

Daraufhin antwortete ich, dass doch nun der Sender Phoenix diesen Beitrag »Die ewige Rentenlüge« bringe, und ob sich der Sender da nicht in der Pflicht sehe, noch einmal redaktionell über den Beitrag zu schauen, zumal doch Phoenix eine eigene Programmgestaltung habe, bekam jedoch hierauf keine Antwort mehr. Es kann jedoch auch sein, dass die Mail die Zuschauerredaktion erst nach Dienstschluss von Frau Künster erreicht hat und die Antwort erst morgen kommt.

Mit freundlichen Grüßen,

Udo Ehrich