Das neue BKA-Gesetz und die Gefahren für die Demokratie

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Auch mit diesem neuen Gesetz zur inneren Sicherheit werden die verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsgewalt und „Geist der Verfassung“ unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung aufgeweicht. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wird seit Jahren zugunsten der Sicherheit gefährdet. Das Grundgesetz wird mit immer neuen Sicherheitsgesetzen bis an die Grenzen strapaziert und zu oft sind die Grenzen schon überschritten worden, wie etwa beim großen Lauschangriff, beim Luftsicherheitsgesetz oder beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz. Die dort beschlossenen freiheitsbeschränkenenden Regelungen wurden vom Bundesverfassungsgericht kassiert.

Wenn man eine Lehre aus der Geschichte ziehen kann, dann die, dass Macht und Gesetze missbraucht werden können. Es lohnt sich deshalb, immer wieder an die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zu erinnern und vor allem daran, dass unsere Verfassung unser Land aus den Erfahrungen des Niedergangs der Weimarer Republik und der Schreckensherrschaft des NS-Regimes freiheitlich gestalten wollte. Von Christine Wicht

Am 6. November 2008 einigte sich die Regierungskoalition auf ein neues BKA-Gesetz, nach welchem ein Richter zwar eine Online-Durchsuchung anordnen muss, die ermittelten Daten aber erst anschließend vom Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes und von zwei weiteren Bediensteten des Bundeskriminalamts auf eine “Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung” hin geprüft werden.

Der SPD-Fraktionsvize Fritz-Rudolf Körper meinte dazu: “Wenn dem Datenschützer Zweifel an der Verwertbarkeit der Daten kommen, müssen diese dem Richter vorgelegt werden, damit werde den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts voll Rechnung getragen.” Außer Onlinedurchsuchungen sieht das neue BKA-Gesetz das Abhören von Telefonaten inklusive VoIP (Telefonieren über Computernetzwerke mittels des Internet Protokolls), die Erfassung von Verbindungs- und Standortdaten, Rasterfahndung und die optische und akustische Überwachung von Wohnungen vor. Die Onlinedurchsuchung wurde bis zum Jahr 2020 befristet.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (Eco) sagte, dass die gehörten Experten zur Anhörung im Bundestag zu wenig Internet-Sachkunde mitbringen. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Form der Umsetzung der Online-Durchsuchung setze weiter auf Spähangriffe eines “Bundestrojaners”, also im Prinzip auf Verfahren, mit denen auch Kriminelle Angriffe auf Computer durchführen, um zum Beispiel Daten auszuspähen oder die Kontrolle über fremde Rechner zu erlangen. Jedes der möglichen technischen Verfahren zur Online-Durchsuchung sei deshalb mit enormen Risiken behaftet. Der Vorstandsvorsitzende von Eco, Prof. Michael Rotert: “Technisch gesehen ist eine Online-Durchsuchung nichts anderes als erfolgreiches Hacking. Wenn der Staat vorhandene Sicherheitslücken nutzt, um die Überwachungssoftware einzuschleusen, dann setzt er sich dem Verdacht aus, sein Wissen um diese Sicherheitslücken geheim zu halten und damit normale Internetnutzer zu gefährden. Es werde auch das Vertrauen der Anwender in Online-Anwendungen von Behörden wie zum Beispiel die elektronische Steuererklärung ELSTER wird sehr stark leiden, wenn solche Anwendungen für die Online-Durchsuchung eingesetzt werden. Letztendlich könnte sogar die Akzeptanz von eGovernment generell sinken.”
(Quelle: teltarif.de).

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) warnte vor einem deutschen FBI und äußerte sich zum neuen BKA-Gesetz folgendermaßen. “Dem BKA wird eine Reihe neuartiger Befugnisse gegeben. Reichweite und Unbestimmtheit sind rechtsstaatlich bedenklich. Vor allem die Befristung der Regelung zur Onlinedurchsuchung auf 12 Jahre ist ein Treppenwitz”.

Mit dem neuen BKA-Gesetz bestimmt in Sachen Terrorismus nun das Bundeskriminalamt, also die Polizei und als oberste Behörde das Bundesministerium des Innern. Damit ist nicht mehr der Generalbundesanwalt sondern der Innenminister, Wolfgang Schäuble, entscheidungsbefugt. In Artikel 19 (4) Grundgesetz steht geschrieben: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.“ Dieser Grundsatz wurde mit dem neuen BKA-Gesetz umgangen. Da Bürger ohne ihr Wissen ausgespäht werden, merken sie nicht, wenn die öffentliche Gewalt sie in ihren Rechten verletzt und sie können sich logischer Weise auch nicht dagegen wehren.

Eine Demokratie lebt vom Engagement der Bürger, sagte einer der Väter des Grundgesetzes, der Staatsrechtler und SPD-Abgeordnete Carlo Schmid: „Freiheit ist nicht ohne Verantwortung und Demokratie nicht ohne Gerechtigkeit und Bürgersinn möglich.“ 1948 hat der parlamentarische Rat eine Verfassung ausgearbeitet, die vor allem die Freiheits- und Bürgerrechte dauerhaft sichern sollte. Es sollte eine Verfassung für ein Land sein, das sich nach dem NS-Regime neu gestalten wollte. Carlo Schmid, hat am 1. September 1978, 30 Jahre nach bestehen des Grundgesetzes, einen Aufsatz über die Entstehung des Grundgesetzes verfasst. Seiner Auffassung nach gibt das Grundgesetz einer bestimmten Staatsmoral Ausdruck. Diese beruhe auf dem Postulat, dass die staatliche Ordnung nicht als Selbstzweck, sondern auf den Menschen hin erdacht sei. Ihr vornehmster Zweck sei, diesem die Freiheiten zu verbürgen, kraft derer er innerhalb der ihn umgebenden Lebenswirklichkeit seine Gaben zu seinem und dem allgemeinen Nutzen entfalten und so Wesensbejahung als Mensch und Bürger finden könne. Dieser Satz sei nicht das Produkt dogmatischer Spekulationen, sondern Ergebnis einer freien Entscheidung für ein bestimmtes Menschenbild, das dem Selbstbewusstsein der Deutschen dieser Zeit entspreche und angesichts dessen der Staat nichts anderes sein könne als eine dienende Kraft. Daraus ergeben sich die Grenzen der Staatsgewalt. Sie habe überall dort Halt zu machen, wo sie die unveränderlichen Ideen der Menschenwürde, der Freiheit und der Gerechtigkeit verletzen müsse. Für Carlo Schmid finden diese Rechte ihre Ergänzung in der Bereitschaft der Bürger, gegenüber der im Staate zusammengefassten Lebensgemeinschaft Pflichten, zu übernehmen und den vom Gesetz geforderten Beitrag für die Erhaltung ihres Staates zu leisten. Doch dürfe der Pflichtenkreis nie so weit gezogen werden, dass das Individuum zum bloßen Gegenstand der Staatsräson werde. Das Grundgesetz will nicht, dass der Mensch verstaatlicht oder vergesellschaftet wird; es will Staat und Gesellschaft vermenschlichen.

Diese verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsgewalt und der „Staatsmoral“ werden unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung immer mehr aufgeweicht. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wird seit Jahren zugunsten der Sicherheit gefährdet. Das Grundgesetz wird mit immer neuen Sicherheitsgesetzen bis an die Grenzen strapaziert und zu oft sind die Grenzen schon überschritten worden, wie etwa beim großen Lauschangriff, beim Luftsicherheitsgesetz oder beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz. Die dort beschlossenen freiheitsbeschränkenenden Regelungen wurden vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Weitere Verfahren, etwa über die Vorratsdatenspeicherung stehen in Karlsruhe an. Immer ging es um die Wahrung der Menschenwürde und um den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Der ehemalige BND-Chef, Prof. Dr. Hansjörg Geiger, ist als ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes, früherer Chef des Bundesnachrichtendienstes und Staatssekretär a.D. im Bundesinnenministerium mit seiner beruflichen Biografie gewiss unverdächtig, die Erfordernisse der inneren Sicherheit zu vernachlässigen. Deshalb sollen gerade Geigers Bedenken, die er in seiner Stellungnahme [PDF – 116 KB] zum BKA-Gesetz vor dem Innenausschuss des Bundestags vorgetragen hat, zitiert werden:

Europa und damit auch Deutschland sind von terroristischen Anschlägen bedroht. Deshalb hat der Staat die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um akuten Gefährdungen durch den internationalen Terrorismus zu begegnen und die Sicherheit der Bevölkerung best möglich zu gewährleisten. Bei aller berechtigten Sorge um die Sicherheit, muss aber klar bleiben, wofür das Grundgesetz steht, wo die Grenzen staatlicher Eingriffe liegen und welche Werte im Rechtsstaat verteidigungswert sind. Deshalb kann Sicherheit und können Maßnahmen, diese zu gewährleisten, nie alleiniger Maßstab sein. Es ging und geht immer um die Garantie der Menschenwürde und um die vom Grundgesetz gebotene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, die hierzu erforderlichen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen normenklar zu treffen.

Über den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sagt Geiger:

Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig klargestellt, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung, also der absolut geschützte Achtungsanspruch des Einzelnen auf Wahrung seiner Würde, ungeachtet des Gewichts der betroffenen Verfassungsgüter jedem Eingriff des Staates entzogen bleiben muss (BVerfGE 115, 320/358 f.). Dieser Kernbereich ist keiner Abwägung mit noch so bedrohlichen Gefahren und noch so wichtigen staatlichen Aufgaben zugänglich. Hier hat der Staat außen vor zu bleiben. Auf Maßnahmen, die den Kernbereich verletzen, müssen staatliche Stellen verzichten, und stattdessen die Gefahren des internationalen Terrorismus mit anderen Mitteln abwehren. Von dieser Linie ist das Bundesverfassungsgericht auch nicht in seiner jüngsten Entscheidung zur „Online-Durchsuchung“ abgerückt (BVerfG, 1 BvR 370/07 vom 27. 2. 2008). Mit dem ausschließlich hierfür entwickelten „Zweistufenkonzept“ wird der Schutz des Kernbereichs nicht aufgeweicht, sondern im Grenzbereich durch zusätzliche verfahrensrechtliche Sicherungen gestärkt.

Der Kernbereich privater Lebensgestaltung kann insbesondere berührt werden durch die Anwendung der Befugnisse zur akustischen und optischen Wohnraumüberwachung, der Online-Durchsuchung sowie der Telekommunikationsüberwachung einschließlich der „Quellen -Telekommunikationsüberwachung“. Aber auch mit der längerfristigen Observation und der akustischen wie optischen Überwachung außerhalb von Wohnungen können kernbereichsrelevante Sachverhalte erfasst werden. Wegen der Bandbreite der dem Bundeskriminalamt eröffneten Befugnisse ist auch zu beachten, dass nicht durch den Einsatz mehrerer Maßnahmen, ggf. noch über einen längeren Zeitraum hinweg, nahezu lückenlos in einer Art „Rundumüberwachung“ alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert und zur Grundlage für ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des Betroffenen werden, das die Menschenwürde verletzen würde und deshalb unzulässig wäre (BverfGE 109, 279/323).

Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist unabhängig von der Art der einzelnen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu beachten. Wegen des hohen Schutzgutes sind an die Normenklarheit von Schutzvorschriften besonders hohe Anforderungen zu stellen. Unterschiedlich hohe Zulässigkeitsvoraussetzungen für vergleichbare Eingriffe können Anlass für hier nicht hinzunehmende Missverständnisse liefern.

Daraus folgt:

Gerade wegen der Absolutheit des Kernbereichsschutzes läge es nahe, eine „vor die Klammer“ gezogene für alle potentiellen Eingriffe geltende Regelung zu schaffen. Dann wären jeweils einzelne Regelungen für die verschiedenen Maßnahmen überflüssig. Zudem würde eine „vor die Klammer“ gezogene Regelung zum Kernbereichsschutz auch für solche Maßnahmen gelten, für die derzeit Kernbereichsregelungen nicht vorgesehen sind.

Außerdem sollte geprüft werden, inwieweit nicht die kürzlich mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überarbeiteten Regelungen in der StPO – insbesondere zur akustischen Wohnraumüberwachung (§§ 100c f. StPO) – als Muster herangezogen werden könnten.

Geiger führt aus, dass durch von der Gesetzesänderung folgende Grundrechte in hohem Maße betroffen sind: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität Informationstechnischer Systeme, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Fernmeldegeheimnis:

Der Gesetzentwurf beachtet nicht die vom Bundesverfassungsgericht insoweit wiederholt geforderte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit [vgl. BVerfGE 115, 320/358], die es auch bei der Bekämpfung schwerster Angriffe auf den freiheitlichen, demokratischen, Rechtsstaat und auf Menschenleben einzuhalten gilt. Dabei gibt es selbstverständlich keinerlei Zweifel, dass Sicherheit und Bestand des Staates sowie die von ihm – unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen – zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte von hohem Rang sind und mit anderen hochwertigen Gütern im gleichen Rang stehen [BVerfGE 49, 24/56 f.; 115, 320/346; BVerfG, 1 BvR 370/07 vom 27. 2. 2008 Absatz-Nr. 220]. Zwar ist dem Entwurf das Bemühen anzusehen, die vielfachen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Das geht so weit, dass ein Satz aus der Urteilsbegründung unmittelbar wörtlich in den Gesetzestext einfließt [vgl. a.a.O. Absatz-Nr.251]. Doch geschieht dies erkennbar in einer formalen Weise, die auf die einzelnen Maßnahmen und die einzelnen Befugnisse bezogen bleibt, jedoch die Gesamtheit der Befugnisse aus den Augen verliert und somit auch nicht geeignet ist, die besondere Eingriffsintensität der möglicherweise kumulativ anzuwendenden Maßnahmen zu berücksichtigen. So stehen Regelungen wie Bausteine eingefügt teils beziehungslos nebeneinander. Sie lassen teilweise einen einheitlichen Duktus vermissen und zeigen, dass die hier maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht in ihrer Gesamtheit bedacht und gewürdigt worden sind. Auch wenn sich manche Gesetzesformulierungen eng an den Wortlaut von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anlehnen, berücksichtigen sie dadurch nicht zwingend den aus den verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts herauszulesenden „Geist der Verfassung“. Dies wird besonders deutlich, wenn einzelne Befugnisse bis zum verfassungsrechtlich noch zulässigen ausgeweitet werden. Denn der Wesensgehalt des Grundgesetzes ergibt sich nicht nur aus einzelnen Formulierungen, sondern auch aus dem Kontext der jeweiligen verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Im Übrigen treffen den Gesetzgeber andere Verpflichtungen als ein den Einzelfall behandelndes Gericht. Der Gesetzgeber muss die maßgeblichen Weichenstellungen und Konkretisierungen abschließend selbst vornehmen.

In seinen Ausführungen zu Generalbundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt sieht Geiger ein enormes Konfliktpotential:

Mit den neuen Aufgaben und Befugnissen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus entsteht ein im Gesetzentwurf auch nicht im Ansatz gelöstes neues Konfliktfeld zwischen der Generalbundesanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ und dem Bundeskriminalamt. Dies war schon bisher nicht völlig spannungsfrei – zu erinnern ist beispielsweise an die vom Bundeskriminalamt geführten „Strukturverfahren“ zur Vorbereitung von eventuell notwendiger Strafverfolgung. Nun werden die Kompetenzen auf diesem wichtigen Kriminalgebiet unübersichtlich. Zwar scheint diese Frage auf den ersten Blick einfach zu sein. Für die Prävention ist im Verhältnis zur Generalbundesanwaltschaft ausschließlich das Bundeskriminalamt zuständig und für die Repression bleibt es bei der Sachherrschaft der Generalbundesanwalt. Tatsächlich entsteht gerade bei der Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus eine doppelte Konfliktsituation: Betrifft derselbe Lebenssachverhalt sowohl wegen einer fortdauernden Gefahrenlage die Zuständigkeit der für die Gefahrenabwehr verantwortlichen Polizei und wegen bereits strafbarer Vorbereitungshandlungen die Strafverfolgungskompetenz der Staatsanwaltschaft, ist die Präferenz der Zuständigkeit alles andere als unumstritten (auf die umfangreiche diesbezügliche Literatur sei verwiesen). Von durchaus namhaften Stimmen wird von einem prinzipiellen Vorrang der Prävention gegenüber der Strafverfolgung ausgegangen. Jedenfalls im Einzelfall kann durchaus der gewichtige Belang einer wirksamen Strafrechtspflege gegenüber der Gefahrenabwehr zurückstehen müssen (vgl. BVerfGE 29, 183/194). Dieser Rechtsstreit mag im Alltag zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in der Praxis keine größere Rolle spielen, im Verhältnis zwischen Generalbundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt kann er eine gewichtige Bedeutung erlangen, weil die Generalbundesanwaltschaft wegen der herausgehobenen Bedeutung der von ihr zu verfolgenden Straftaten wesentlich stärker von der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis Gebrauch machen muss. Die Unklarheit im Vorrang präventiver oder repressiver Zuständigkeit im Einzelfall hätte ausgerechnet bei der auch juristisch häufig diffizilen Bekämpfung des internationalen Terrorismus zur Folge, dass Streit über die Zuständigkeit entstehen könnte. Möglicherweise hätte nicht die Generalbundesanwaltschaft das entscheidende Wort, sondern das Bundeskriminalamt und dessen vorgesetztes Bundesministerium des Innern. Hinzu kommt, dass mit den Organisationsdelikten §§ 129a und 129b StGB der Rechtsgüterschutz durch Strafrecht wegen der besonderen Gefährlichkeit terroristischer Vereinigungen vorverlagert worden ist. Diese Vorverlagerung soll letztlich die Begehung der in § 129a StGB genannten Straftaten verhindern. Damit haben die §§ 129a und 129b StGB eine eindeutig präventive Funktion (vgl. BGH NStZ 1995, 601). Geht man aber von diesem spezifisch Gefahren abwehrenden Charakter dieser Straftatbestände aus, beginnt Strafverfolgung nicht erst mit dem Anfangsverdacht, sondern bereits mit der Prüfung und Klärung, ob die Voraussetzungen des Anfangsverdachts für eine verfolgbare Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO) vorliegen. Dann bliebe aber wenig Raum für präventive Maßnahmen des Bundeskriminalamts: Das potentielle Konfliktfeld zwischen Bundeskriminalamt / Bundesministerium des Innern und Generalbundesanwaltschaft wird damit jedenfalls noch deutlicher (…)

Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist aber zu wichtig und damit verbunden auch die Verantwortlichkeit für die Maßnahmen, die zur Erhebung von personenbezogenen Daten eingesetzt werden dürfen, als dass es einer zu einem noch nicht absehbaren späteren Zeitpunkt hierzu ergehenden Rechtsprechung überlassen werden dürfte, wie diese Kompetenzen klar abgegrenzt werden müssen. Vielmehr ist hier der Gesetzgeber gefordert, bereits mit der Übertragung der neuen Aufgaben und Befugnisse an das Bundeskriminalamt diese Frage klar zu beantworten. Wie die Verfasser des Gesetzentwurfs die Antwort sehen, lässt sich aus Seite 54 der Begründung entnehmen: „Ist eine Straftat im Sinne von § 4a Abs.1 Satz 2 beendet und erwächst aus ihr auch sonst keine weitere Gefahr oder kein fortdauernder Schaden für die öffentliche Sicherheit, kommt nur eine Tätigkeit des Bundeskriminalamts im Rahmen der Strafverfolgung in Betracht.“ Damit wäre nach dieser Auffassung wohl auch erst dann der für die Strafverfolgung verantwortliche Generalbundesanwalt zuständig. Dies kann der Gesetzgeber nicht wollen. Zugespitzt bedeutete dies im Ergebnis, dass die Generalbundesanwaltschaft keine Ermittlungen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung führen dürfte, wenn diese noch keinen Anschlag verübt oder versucht hätte. Hier besteht die Gefahr einer weitgehenden Verschiebung der Zuständigkeit zur Terrorismusbekämpfung von der Generalbundesanwaltschaft zum Bundeskriminalamt.

Daraus folgt:

Das Bundeskriminalamt muss verpflichtet werden, die Generalbundesanwaltschaft umgehend zu unterrichten, sobald es auf Grund der neuen Kompetenzen bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus tätig wird. Die Generalbundesanwaltschaft erhält damit zumindest Gelegenheit selbst umgehend zu prüfen, ob sie ebenfalls zuständig ist, und kann dann ggf. ihren Aufgaben sofort nachkommen.

Künftig kann das Bundesinnenministerium allein schalten und walten, die Bedenken des Generalbundesanwalts haben keine Relevanz mehr. Des Weiteren kann das BKA nun zu geheimen Ermittlungsmethoden greifen, welche bislang Geheimdienste für ihre Ermittlungstätigkeit benutzten.

Geiger spricht von einer veränderten Sicherheitsarchitektur

Wie eingangs angesprochen, verschiebt sich mit dem Bedeutungszuwachs des Bundeskriminalamts durch neue Aufgaben und Befugnisse das Gefüge zwischen den Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene. Die nun entstehenden Doppelzuständigkeiten der Polizeien der Länder und des Bundeskriminalamts werden in § 4a nicht normenklar geregelt: Das Bundeskriminalamt „kann“ Aufgaben der Gefahrenabwehr übernehmen. Die Befugnisse der Länder und anderer Polizeibehörden des Bundes „bleiben unberührt“. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt in gegenseitigem „Benehmen“, also ohne notwendige Einigung. Die somit eröffneten Doppelzuständigkeiten gefährden die Effektivität der Maßnahmen, ganz abgesehen davon, dass Betroffene möglicherweise doppelt und damit ggf. unverhältnismäßig von gegen sie gerichteten Maßnahmen erfasst werden können. Außerdem ist die politische Verantwortlichkeit ausgerechnet in den brisanten Fällen des internationalen Terrorismus schwieriger festzustellen.

Daraus folgt:

Gesetzestext und Begründung zu § 4a müssen präzisiert werden. Wegen der Überlagerung der Aufgaben der Nachrichtendienste mit denen des Bundeskriminalamts und anderen Polizeibehörden, die sich schon seit längerem abzeichnet (vgl. etwa das Gemeinsame Dateiengesetz), sollte die jetzt anstehende Gesetzgebung zum Anlass genommen werden, auch insoweit Klarheit zu schaffen. Eine Diskussion um das Trennungsgebot wird zunehmend theoretisch, wenn die Aufgabenfelder sich teilweise überlagern und ursprünglich nachrichtendienstliche, „heimliche “ Ermittlungsmethoden weitgehend auch den Polizeibehörden zur Verfügung stehen.

In § 4a Abs. 1 Satz 1werden dem Bundeskriminalamt die Aufgabe der Abwehr des internationalen
Terrorismus zugewiesen.

§ 4a
Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus
(1) Das Bundeskriminalamt kann die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus in Fällen wahrnehmen, in denen

  1. eine länderübergreifende Gefahr vorliegt,
  2. die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist
  3. oder

  4. die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht.

(Siehe den Gesetzentwurf und seine Begründung zum Download)

Geiger moniert das Fehlen einer Definition des Begriffs „Terrorismus“ oder gar des „Internationalen Terrorismus“. Da diese Begriffe aber konstitutiv für die erstmalige Zuweisung von Aufgaben im Bereich der Prävention an das Bundeskriminalamt sind und sich daraus auch die Abgrenzung zu den entsprechenden Aufgaben der Polizeien der Länder ergibt, sollten diese Begriffe nach Meinung Geigers ausdrücklich im Gesetz und nicht nur in der Begründung
definiert werden. Allerdings bliebe die Begründung viel zu vage und müsse dringend einschränkend formuliert werden, wenn die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Bundeskriminalamts bei lediglich in Deutschland tätigen Gruppen bereits erfüllt sein können „durch Einbindung in international propagierte ideologische Strömungen“ (Begründung, Seite 50).

„Anders als in § 20a Abs. 2, der eine im Einzelfall bestehende Gefahr, also eine konkrete Gefahr für die Anwendung der Befugnisse nach §§ 20b ff. voraussetze, belasse es § 4a Abs. 1 Satz 1 bei der „Abwehr von Gefahren“, womit eine abstrakte Gefährdung ausreichen würde. Wenn wie in der Begründung ausgeführt aber auch insoweit nur das Vorliegen einer konkreten Gefahr erfasst sein soll, wäre dies, um Missverständnisse mit Blick auf die präzisere Formulierung in § 20a Abs. 2 zu vermeiden, klarzustellen.“

Auch der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP), der schon mehrfach mit seinen Verfassungsbeschwerden gegen Überwachungsgesetze und zuletzt noch gegen die Online-Untersuchung durch das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich geklagt hat, sieht das BKA-Gesetz als verfassungswidrig an:
Quelle: taz

„Die Bundesregierung hat es wieder nicht geschafft, den Kernbereich privater Lebensführung ausreichend zu schützen. Das ist nicht nur eine rechtspolitische Kritik, dadurch wird die BKA-Novelle vielmehr verfassungswidrig. Teilweise fehlt der Schutz des Kernbereichs ganz, teilweise genügt er nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts.“

Bei der Online-Durchsuchung

wird der Gesetzentwurf den Karlsruher Anforderungen nicht gerecht. Eine Ausspähung des Computers muss laut Entwurf nur unterbleiben, wenn “allein” Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Das wird natürlich nie der Fall sein. Auf einem Computer finden sich ja immer auch weniger private Inhalte (…)

Wenn man Online-Durchsuchungen überhaupt für nötig und sinnvoll hält – ich tue das nicht! – dann müsste der Zugriff auf den Computer immer dann ausgeschlossen sein, wenn es Indizien gibt, dass der private Kernbereich betroffen sein könnte.

Die im Gesetz vorgesehene Löschung von privaten Inhalten aus der kopierten Festplatte eines überwachten Computers durch BKA-Bedienstete und den BKA-Datenschutzbeauftragten sieht Baum als ungenügend an:

Sie können von BKA-Beamten doch keine wirklich unabhängige Prüfung erwarten. Selbst wenn private Dateien wieder gelöscht werden, besteht die Gefahr, dass die Ermittler aus diesen persönlichen Informationen neue Ermittlungsansätze gewinnen…Auch der BKA-Datenschutzbeauftragte ist nicht so neutral und unabhängig wie ein Richter. Ich frage mich, warum die Koalition hier unbedingt die Einschaltung eines Richters verhindern will.

(Siehe auch die Zusammenstellung kritischer Einwände gegen das BKA-Gesetz auch unter netzpolitik.org)

Wenn Befürworter des BKA-Gesetzes auf die Gefahren einer veränderten „Sicherheitsarchitektur“, auf die Verschiebung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, zugunsten der Sicherheit und zu Lasten der Bürgerfreiheit oder auf den ausufernden Präventionsstaat, auf die Vermengung geheimdienstlicher und polizeilicher Aufgaben auf die auswuchernde Überwachung angesprochen werden, dann wird regelmäßig eingewandt, dass wir doch in einer funktionierenden Demokratie lebten und ein Missbrauch durch staatliche Organe nicht möglich wäre.

Wer auf diese Hoffnung setzt, muss daran erinnert werden, dass keine gesetzliche Ermächtigung dauerhaft vor Missbrauch geschützt ist. Wie sagte doch Angela Merkel anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der CDU:

Wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.

Man muss immer wieder an historische Parallelen erinnern, um aus der Geschichte zu lernen.
Ist es nicht so gewesen, dass Hitler legal an die Macht gekommen ist und jedenfalls zu Beginn seiner Machtergreifung auf die vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungen zurückgreifen konnte, um den demokratischen Widerstand gegen seine Tyrannei auszuschalten?

Es gibt ernst zu nehmende Stimmen, die die aktuelle Finanzkrise mit dem Börsen-Crash am Ende der Weimarer Republik vergleichen. Es gibt darüber hinaus durchaus Parallelen zur damaligen Situation: Auch damals hatte Deutschland eine Situation in der die Industrien Exportsteigerungen verzeichnen konnten und wo sich die Reallöhne nicht erhöhten. Die wirtschaftliche Macht konzentrierte sich zunehmend auf einige wenige Unternehmen. Dazu gehörte IG-Farben und die Vereinigten Stahlwerke. Es gab zahlreiche Firmenzusammenbrüche z.B. des Stinneskonzerns, der 2888 Firmen umfasste. Im Winter 1928/29 stieg die Arbeitslosigkeit auf über 2 Millionen. In den 1920er Jahren wurde der Ausbau des Sozialstaates der Weimarer Republik vorangetrieben, 1927 stärkte die Arbeitslosenversicherung die Position der Gewerkschaften. Unter den Arbeitgebern entwickelte sich zusehends Unmut für die sozialen Kosten aufkommen zu müssen. 1930 wurde die 40-Stunden-Woche mit dem Ziel die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, eingeführt. Arbeitgeber im Bergbausektor verlangten 1930 von den Arbeitnehmern 12,5 Prozent Lohnverzicht. Die Reichsregierung unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) trat im März 1930 zurück, da es seiner Koalition, die aus fünf Parteien bestand, nicht gelungen war, bezüglich der Reform der Arbeitslosenversicherung eine Einigung zu erzielen. Reichspräsident Hindenburg beauftragte Heinrich Brüning mit der Bildung einer neuen Regierung.

Ende des Jahres 1930 ist die Arbeitslosigkeit auf 4,4 Millionen angestiegen. Während des Jahres 1931 radikalisiert sich der innenpolitische Kampf. Die Regierung von Heinrich Brüning stellte sich auf die Seite der Arbeitgeber, als der Zechenverband im Januar 1931, 295 000 Arbeitern kündigte, die zum Teil zu schlechteren Arbeitsbedingungen wieder eingestellt werden sollten. Die Massenkündigung wurde zwar wieder zurückgenommen, die Löhne jedoch um sechs Prozent gekürzt worauf die Familien der Arbeiter in Not und Armut lebten. Die Binnennachfrage war am Boden und das Vertrauen in Politik und Demokratie ebenfalls. Die SPD, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), die Arbeitersportverbände und der sozialdemokratische Kampfbund Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gründen am 16. Dezember 1931 die Eiserne Front, mit dem Ziel die Weimarer Republik gegen die Nationalsozialisten zu verteidigen. Im Dezember 1931 stieg die Arbeitslosigkeit auf 5,66 Millionen an. Aus der Stimmung im Volk, die durch Hoffnungslosigkeit, Ratlosigkeit und Arbeitslosigkeit geprägt war, entwickelte sich eine politische Radikalisierung. Die extrem rechte antisemitische Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) konnte enorme Zuwächse verzeichnen. Die paramilitärischen Verbände der politisch konträren Parteien (SA, Sturmabteilung und Roter Frontkämpferbund), lieferten sich Straßenkämpfe, die Situation nahm bürgerkriegsähnliche Ausmaße an.

Ende 1930/Anfang 1931 wurde von Reichspräsident Paul von Hindenburg die “erste Notverordnung zur Ausschreitungen”, womit die Versammlungsfreiheiten eingeschränkt und das Verbot politischer Druckerzeugnisse wie Plakate oder Flugblätter eingeführt wurde. Darüber hinaus ermöglichte die Verordnung, politischen Vereinigungen das Tragen bestimmter Kleidung oder Abzeichen zu untersagen. Zur Reichspräsidentenwahl am 13.März 1932 erhielt der Amtsinhaber Paul von Hindenburg mit 49,6 Prozent nicht die absolute Mehrheit. Sein stärkster Konkurrent um das Amt des deutschen Staatsoberhauptes war Adolf Hitler (NSDAP), der 30,1 Prozent der Stimmen erhielt. Am 13. April 1932 hatte Reichswehrminister Wilhelm Groener auf der Grundlage der „Notverordnung zur Sicherung der Staatsautorität“ sowohl Hitlers „Sturmabteilung“ (SA) als auch die „Schutzstaffel“ (SS) verboten. Die Landtagswahlen in Bayern, Württemberg, Preußen, Anhalt und Sachsen brachten der NSDAP starke Zuwächse. Die Regierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning befürchtete einen Putschversuch der rechtsradikalen Organisationen. Zudem sollte dem wachsenden politischen Straßenterror Einhalt geboten werden. Schon zwei Monate später wurde das Verbot jedoch wieder aufgehoben. Im Mai 1932 trat Brüning zurück, Hindenburg beauftragte Franz von Papen mit der Bildung einer Regierung. Das Kabinett Franz von Papens wurde von nahezu allen Reichstagsparteien – mit Ausnahme der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) – abgelehnt. Als erste Amtshandlung löste der Reichskanzler das Parlament auf. Adolf Hitler stellt Papen seine politische Unterstützung in Aussicht, sofern das im April verhängte Verbot von „Sturmabteilung“ (SA) und „Schutzstaffel“ (SS) wieder aufgehoben werde. Dieser Forderung kam von Papen am 12. Juni nach. Am 20. Juli 1932 setzt Paul von Hindenburg mittels einer Notverordnung die legitime preußische Regierung unter Ministerpräsident Otto Braun (SPD) ab. An dessen Stelle Franz von Papen als Reichskommissar tritt. Damit verliert die SPD ihre letzte wichtige Regierungsposition im Reich. Bei den Reichstagwahlen im Juli 1932 erhält die NSDAP 37,3 Prozent der Stimmen und ist somit stärkste Partei im Reichstag. Die Regierung von Papen stellt im August 1932 ein neues Wirtschaftsprogramm vor, das einen freiwilligen Arbeitsdienst und Steuergutscheine für Unternehmen beinhaltete, die neue Arbeitskräfte einstellten. Diese sollten jedoch durch niedrige Löhne und die Senkung der Arbeitslosenunterstützung finanziert werden, was zu zahlreichen Streiks führte. Bei den Reichstagswahlen im November 1932 erhält die NDSAP 33,1 Prozent der Stimmen, alle Parteien im Reichstag mit Ausnahme der Deutschnationalen Volkspartei verweigern der Regierung Papen die Unterstützung, worauf der Kanzler am 17. November 1932 seinen Rücktritt einreicht. Während eines Gesprächs, das Hindenburg mit Hitler führte, verlangte dieser für den Fall der Berufung zum Reichskanzler weitreichende Kompetenzen (Ermächtigungsgesetz). Hindenburg lehnt zu diesem Zeitpunkt diese Forderung ab und ernennt General Kurt von Schleicher zum neuen Reichskanzler. Schleicher hat den Plan durch den Reichsorganisationsleiter Georg Strasser, die NSDAP zu spalten und mit Hilfe von Neuwahlen eine Regierung mit Strasser auf die Beine zu stellen. Er schlägt die Gründung einer parteiübergreifenden Gewerkschaftsfront vor. Zunächst findet der Vorschlag die Zustimmung des linken Flügels der NSDAP, da die Arbeitslosigkeit katastrophale Ausmaße angenommen hatte, jedoch nicht die Zustimmung Hitlers, der daraufhin mit Unterstützung Goebbels, Strasser isolierte, was letztendlich zu seiner Entlassung führte. Am 28. Januar tritt Schleicher zurück, da Hindenburg seinen Vorschlag einer befristeten Diktatur, zur letzten Möglichkeit, die Ernennung Hitlers als Reichskanzler zu vermeiden, ablehnt. Am 30. Januar ernennt Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler.

(Quelle: bwbs.de und der große Ploetz, 2008).
Die am 28. Februar 1933 erlassene „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ und setzte die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft, dieser Wendepunkt war entscheidend für Hitler, da er mit dieser Verordnung den demokratischen Rechtsstaat beseitigte. Die Verordnung erklärte Hausdurchsuchungen, Eingriffe in das Post-, Brief, Telegrafen- und Fernsprechgeheimnis, Versammlungsrecht, Beschränkungen zur freien Meinungsäußerung und Beschlagnahmungen für legal. Die von Reichspräsident von Hindenburg, Reichskanzler Adolf Hitler, Reichsminister des Innern Frick und Reichsminister der Justiz Dr. Gürtner unterzeichnete Verordnung ebnete den Weg von der Weimarer Republik zur totalitären Diktatur mit den bekannten Auswirkungen für alle, die sich bis dahin noch dem Nationalsozialismus entgegenstellten.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber wenn man aus der Geschichte etwas lernen kann, dann das, dass Macht und Gesetze missbraucht werden können.

Wir leben in krisenhaften Zeiten. Was wäre, wenn sich die Krise weiter verschärfte? Was wäre, wenn sich in Deutschland ein „Haider“ oder „Le Pen“ fände? Was wäre, wenn rechtsextreme, demokratiefeindliche Kräfte an Macht und Einfluss gewönnen? Was wäre, wenn sie zur Erhaltung ihrer Macht und zur Bekämpfung ihrer Gegner den „Terrorismusverdacht“ missbrauchten?

Was wäre, wenn solche Machthaber mit Hilfe der Fülle der bereits eingeführten Überwachungsmaßnahmen, der Auflösung der Trennung zwischen Militär und Polizei und einem BKA, das keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, in Deutschland ausgestattet wären?

Ist es wirklich die Sorge vor dem „Terrorismus“ oder steht vielleicht dahinter auch die Angst vor den Auswirkungen der derzeitigen Politik und vor krisenhaften Zuspitzungen? Sollen Bürger im Vorfeld überwacht und ausgespäht werden, als Präventivmaßnahme, um Aufstände, Demonstrationen und Streiks bereits im Keim ersticken zu können?

Es wäre nicht das erste Mal, dass Widerstand gegen eine herrschende Macht zum „Terrorismus“ erklärt würde.

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