„Wir haben nicht viel Zeit, um verteidigungsbereit zu werden“ – Feindbildaufbau mit Kramp-Karrenbauer

„Wir haben nicht viel Zeit, um verteidigungsbereit zu werden“ – Feindbildaufbau mit Kramp-Karrenbauer

„Wir haben nicht viel Zeit, um verteidigungsbereit zu werden“ – Feindbildaufbau mit Kramp-Karrenbauer

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Die Bedrohungslage durch Russland ist real“ – das sagte laut Saarbrücker Zeitung Annegret Kramp-Karrenbauer auf einer Veranstaltung im Saarland. Das Blatt wertet die Aussage der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin auch noch durch eine entsprechende Sprache und fehlende Kritik auf. Der Feindbildaufbau in Politik und Medien schreitet voran. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, lautet ein geflügeltes Wort. Beim Feindbildaufbau ist es nicht anders. Worte fügen sich an Worte, Zeitungsartikel an Zeitungsartikel. Hier ein Politiker, der vor der angeblichen Gefahr aus Russland warnt, da ein Politiker, der Deutschland „kriegstüchtig“ sehen will. Hier ein Zeitungsartikel, der von einem möglichen Angriff Russlands auf die NATO redet, da ein Artikel, der die Aufrüstung unterstützt. Hier ein Experte, der vom vielleicht letzten Sommer im Frieden spricht, da einer, der meint, Russland müsse mit Härte entgegengetreten werden.

Und dann ist da noch Annegret Kramp-Karrenbauer. Vor rund 90 Zuhörern trug die ehemalige Bundesverteidigungsministerin im Restaurant des Saar-Landtages vor. Das berichtet die Saarbrücker Zeitung. Bei der Veranstaltung mit weiteren CDU-Politikern ging es um die europäische Verteidigungspolitik „vor dem Hintergrund der Aggression Russlands“, heißt es in der Zeitung. „Die Bedrohungslage durch Russland ist real“, sagte die Politikerin. Und: „Wir haben nicht viel Zeit, um verteidigungsbereit zu werden“.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet ohne eine dringend angebrachte kritische Einordnung dieser Aussagen, die einem eklatanten Bruch mit der Realität gleichkommen. Im Gegenteil. In der Dachzeile des Artikels heißt es: „Ex-Verteidigungsministerin mit klarer Ansage“.

„Mit klarer Ansage“? Mit dieser Formulierung wertet die Redaktion Kramp-Karrenbauers Aussagen auf. Den Aussagen wird eine Art Realitätsstatus zugeschrieben. Die Annahme, dass von Medien als „klar“ benannte Aussagen auch die Realität oder gar die Wahrheit widerspiegeln, liegt – naiv betrachtet – nahe. Und so setzen Kramp-Karrenbauer und die Zeitung einen weiteren Stein in jenes Gebilde, das den Feindbildaufbau zeigt.

Wie oft soll man es noch sagen? Die Annahme, dass Russland die NATO angreifen wird, geht an der Realität vorbei (siehe: Kriegstüchtigkeit: Die große Lüge). Sie baut auf falschen Annahmen und verqueren Realitätsvorstellungen. Längst scheint jedoch das eingetreten zu sein, was seit längerem zu befürchten war: Eine Verselbstständigung der Propaganda.

Sinngemäß heißt es in einem Spruch, dass Politiker Lügen verbreiten, Medien diese Lügen drucken und am nächsten Tag Politiker, die die Lügen lesen, selbst glauben. Selbstredend nehmen dann auch noch Medienvertreter die Lügen für bare Münze, schließlich unterliegen nicht wenige Journalisten der Annahme, dass in ihrem Medium nur „die Wahrheit“ steht und gewiss schon gar keine Lügen gedruckt werden.

Der Feindbildaufbau lebt von der permanenten Wiederholung von Halbwahrheiten, Lügen, Realitätsbrüchen und Propaganda. Wer der Propaganda auf den Leim geht, wird sie meist aus voller Überzeugung als Wahrheit betrachten und sich ganz in ihrem Sinne äußern.

Während diese Zeilen entstehen, veröffentlicht die NZZ ein Porträt über den zukünftigen deutschen Außenminister Johann Wadephul. Schon die Überschrift lässt erahnen, was auf den Leser wartet: „Norddeutsch, bodenständig, Reservist: Johann Wadephul ist das neue Gesicht der deutschen Außenpolitik“. Es folgt ein Artikel, der sich mit laut-leiser Lobhudelei kaum zurückhält. Und: Wir erfahren, dass der CDU-Politiker „im Flecktarn“ 20 Kilometer vor der Grenze zu Weißrussland gestanden habe – es klingt so, als sei allein das schon eine Heldentat. Dann schildert die NZZ folgende Geschichte.

„In Litauen kam es damals zu einer rückblickend denkwürdigen Begegnung. Während der Übung besuchte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius die Truppe. Dort wurde ein Angriff Russlands simuliert. Wadephul spähte den imaginierten Feind als Aufklärer aus. Anschließend wurde er von Pistorius zum Oberstleutnant der Reserve befördert. Auf Bildern der Begegnung sieht man, wie Wadephul breit grinsend seine Urkunde entgegennimmt.“

Der neue Außenminister der Bundesrepublik „spähte den imaginierten Feind“ aus? Damit, um es ironisch zu formulieren, dürfte er das Aufnahmeritual in die vorherrschende Politik mit Bravour absolviert haben.

Der „imaginierte Feind“: Er zeigt sich in den Aussagen von Kramp-Karrenbauer und in der Art und Weise, wie die Saarbrücker Zeitung mit dem Auftritt der Politikerin umgeht. Von den Worten des neuen deutschen Top-Diplomaten ganz zu schweigen: „Russland wird für immer ein Feind für uns bleiben“. So hört es sich an, wenn der Feindbildaufbau abgeschlossen ist.

Titelbild: Shutterstock / Foto-berlin.net

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!