Realitätsverlust zum Regierungsstart: Deutscher Außenminister fordert „Straftribunal“

Realitätsverlust zum Regierungsstart: Deutscher Außenminister fordert „Straftribunal“

Realitätsverlust zum Regierungsstart: Deutscher Außenminister fordert „Straftribunal“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Ein „Tribunal“ muss her – das hat gerade der neue deutsche Außenminister gefordert. Putin und die anderen Verantwortlichen des „russischen Angriffskriegs“ müssten „zur Rechenschaft gezogen werden“, so Johann Wadephul auf der Plattform X. Der Ton der neuen Bundesregierung gegenüber Russland ist von Aggression, Unvernunft und Realitätsverlust geprägt. Genau das ist der falsche Weg – wenn Frieden gewünscht ist. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wäre die Außenpolitik ein Ponyhof, hätten Außenpolitiker die Gelegenheit, jeden Tag auf einem Pony zu reiten. Die Politik ist jedoch kein Ponyhof und die Außenpolitik schon gar nicht. In der Außenpolitik Treffen Interessen verschiedener Staaten aufeinander – und bisweilen kollidieren diese Interessen. So weit, so normal. Eine Politik mit Verantwortungsbewusstsein greift dann zu jenem Mittel, das wie Schmieröl in einer Maschine wirkt und die Räder, die sich drehen müssen, geschmeidig am Laufen hält. Dieses Mittel nennt sich: Diplomatie.

Der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul äußerte sich hingegen gerade auf der Plattform X mit den folgenden Worten:

„Die Verbrechen des russischen Angriffskriegs dürfen nicht straflos bleiben. Die Verantwortlichen müssen zur #Rechenschaft gezogen werden. Dass heute gemeinsam mit zahlreichen Staaten der Welt der politische Startschuss für das #Straftribunal fällt, ist extrem wichtig.“

Tribunal? Zur Rechenschaft ziehen? Straftribunal?

In das Räderwerk der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland schüttet Wadephul kein Schmieröl, sondern Sand. Die Worte des deutschen Top-Diplomaten sind das Gegenteil von Diplomatie. Sie belasten die ohnehin in Trümmer liegenden Beziehungen zwischen Deutschland und Russland auf politischer Ebene noch weiter – und das nach über drei Jahren Krieg und menschlichen Verlusten, die seit Langem nicht zu ertragen sind. Zudem sind die Worte von einer Schlichtheit geprägt, die eher an einen Stammtisch denn auf das diplomatische Parket gehören.

Schlicht sind die Äußerungen – um nicht zu sagen: ausgesprochen dumm! – deshalb, weil sie nichts weiter sind als ein Knalleffekt ähnlich dem eines Knallfroschs, mit dem Kinder um die Neujahrszeit um sich werfen. Glaubt Wadephul, die Atommacht Russland würde, wenn ein deutscher Politiker ein „Straftribunal“ fordert, den Schwanz einziehen, bei Fuß laufen und bereitwillig auf der Anklagebank Platz nehmen? Selbstverständlich darf der CDU-Politiker das glauben – dann ist er aber für die Position des deutschen Außenministers ungeeignet. Machen wir uns nichts vor: Wadephuls Tweet dient in erster Linie dazu, jenem Milieu, für das der Feind stramm im Osten sitzt, etwas mitzuteilen. Die Botschaft lautet: Deutschland wird weiterhin gegenüber Russland eine Politik der harten Hand veranschlagen. Diese Kunde mag ja bei jenen, die gegen den imaginierten russischen Feind mobil machen wollen, Begeisterung auslösen. Nur: Wie kann die Anerkennung von Vertretern einer Gemeinschaft, die Kriegstüchtigkeit fordert, zum Maßstab deutscher Politik werden? Was Wadephul und andere Regierungsvertreter in Sachen Russlandpolitik anbieten, ist das Prinzip „Hornochse“. Mit dem Kopf mit voller Kraft an die Mauer. Irgendwann, so die Annahme, muss sie ja einstürzen. Das Problem ist: Der „Kopf“, der hier an die Mauer geschlagen wird, heißt Deutschland – und die Mauer ist aus Stahlbeton. Anders gesagt: Diese Politik der Aggression, der Unvernunft und des Realitätsverlustes beschädigt Deutschland immer weiter.

Doch Vorsicht an dieser Stelle vor Täuschung. Anzunehmen, dass die Bundesregierung tatsächlich so dumm ist, nicht zu erkennen, wie wenig zielführend ihre Politik ist, würde der Realität kaum gerecht. Es sei denn, die Annahme lautete, dass im Auswärtigen Amt und weiteren Ministerien verlernt wurde, dass eins plus eins zwei ergibt. Schließlich: Um zu erkennen, dass die Politik der Konfrontation im Hinblick auf den Ukraine-Krieg gescheitert ist, braucht es lediglich Intelligenz und Wissen auf Ebene einfacher Grundschulmathematik. Deshalb entsteht der Eindruck: Die deutsche Politik folgt einem Kalkül, wonach die Beziehung mit Russland dauerhaft beschädigt bleiben soll – aus welchen Gründen auch immer.

Titelbild: Proxima Studio / shutterstock.com

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!