Die freundliche Erscheinung der Zerstörungsmaschine

Die freundliche Erscheinung der Zerstörungsmaschine

Die freundliche Erscheinung der Zerstörungsmaschine

Ein Artikel von Bernhard Trautvetter

Die Propaganda für Aufrüstung und Eskalation ist allumfassend, setzt schon früh ein und will sich ein freundliches Gesicht geben. Dazu kommt: Da die Katastrophe des letzten großen Krieges in Europa über 80 Jahre zurückliegt, verblasst die Erinnerung an den Horror. Umso befreiter können die Militaristen wieder von „Kriegstüchtigkeit“ sprechen. Von Bernhard Trautvetter.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Politik der Militarisierung gewinnt den Charakter einer allumfassenden Gehirnwäsche, die bereits im jüngsten Alter von früher Kindheit beginnt. Sie erreicht die Menschen über die unterschiedlichsten Medien, darunter auch große Bereiche der Unterhaltungsindustrie, der Werbung im öffentlichen Raum und auch in der Bildung, seien es Schulen, Bewerbungsmessen und Karriereberatungen. Die umfassende Vorbereitung auf Krieg im Sinne einer Kriegstüchtigkeit in unserem Land folgt vor allem seit der von Olaf Scholz ausgerufenen ,Zeitenwende‘ der Grundorientierung „Wenn Du den Krieg anstrebst, dann bereite den Krieg vor!“ Die Bundeszentrale für politische Bildung‹ definierte 2020 Militarismus als ein Konzept, „sich auf Krieg vorzubereiten und Kriegführung als Mittel der Politik zu normalisieren“.

Der Horror des Krieges verblasst

In Deutschland ist das jahrzehntelang auf die Hürden der Geschichte gestoßen, hat unser Land doch zwei fatale Weltkriege ausgelöst und erlitten. Die Erinnerungen der Nachkriegszeit waren noch geprägt von den Traumata nach den Bombennächten, Frontkämpfen, Angst, Verlust, Trauer sowie auch von Hunger und Verzweiflung. Circa 14 Millionen Menschen in Deutschland hatten direkt Fluchterfahrungen gesammelt, sie verließen ihr bisheriges Leben, um sich vor der näher rückenden Kampfzone – der Front – in Sicherheit zu bringen.

Kriegsmüdigkeit und Friedensverstiegenheit waren Ergebnisse der Erfahrung der Jahre. Das alles verblasst inzwischen, da die Katastrophe des letzten großen Krieges in Europa über 80 Jahre zurückliegt. Die junge Generation hat Eltern, die erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geboren wurden. Nun können die Militaristen wieder von Kriegstüchtigkeit sprechen.

Dies nützt Deutschlands beliebtester Politiker aus – Boris Pistorius erklärte am 5. Juni 2024: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“ Er nutzt die Tatsache, dass von der Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, nur noch wenige Menschen leben. Er machte Russland als Bedrohung aus – „nicht nur für Georgien und Moldawien, sondern ‚letztlich auch für die Nato‘“. Die wenigsten Menschen haben noch eine Erinnerung daran, dass das Gebiet Russlands im letzten Jahrhundert zwei Mal von Deutschland aus mit Krieg überzogen wurde.

Die gesamte Propaganda für Kriegstüchtigkeit blendet die Tatsache aus, dass die NATO die Spannungen in Osteuropa wissentlich bis zur Kriegsgefahr gesteigert hat, indem sie den Zwei-plus-Vier-Vertrag zur Vereinigung der zwei deutschen Staaten, die OSZE-Charta von Paris (von 1990) zur gemeinsamen Friedensordnung in gegenseitiger Sicherheit mit ihrer Ost-Expansion gebrochen hat, obwohl kompetente und anerkannte Diplomaten und Strategen aus NATO-Staaten davor gewarnt hatten, dass dieser Bruch internationalen Rechts die Gefahr von Kriegen unverantwortlich steigert. So sprach George F. Kennan bereits 1997 in der New York Times von einem schicksalhaften Fehler.

Die Kommunikationsexperten des militärisch-industriellen Komplexes

Im Bundestag betonte Boris Pistorius am 5. Juni 2024 im Hinblick auf den aktuell die Medienberichterstattung dominierenden Krieg in der Ukraine, dass dieser Staat unterstützt werden müsse, um einen russischen Sieg zu verhindern. „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein … Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt.“

Hier vermied Pistorius das Wort Krieg noch, er gab an, junge Frauen und Männer, die dieses Land verteidigen können, würden gebraucht. O-Ton: „Wir müssen durchhaltefähig und aufwuchsfähig sein.“ Er erwarte eine Novellierung der Gesetze zum ,Wehrdienst‘ und die bestmögliche Ausrüstung, „vom Kampfpanzer bis zur mobilen Feldküche“.

Die NATO hat nicht nur mit den Traumata der Weltkriege zu kämpfen, sondern auch mit denen des Vietnamkrieges, den auch viele heute junge Menschen nicht mehr auf dem Schirm haben, wenn sie die NATO und die USA als Schutzmacht wahrnehmen: Die USA haben den Vietnamkrieg nicht im Kampfgeschehen, sondern in den Medien verloren, die immer mehr Unrecht und Grausamkeit des Krieges, von Bildern unterstützt, verbreiteten.

Die Kommunikationsexperten des militärisch-industriellen Komplexes haben ihre Lektion mit viel Unterstützung und Medienmacht, mit viel Geld und Personal gelernt. So etwas wie damals soll ihnen nicht noch einmal passieren, denn die Militärs bereiten die NATO-Staaten auf Großes vor, wie es der Operationsplan Deutschland offenbart:

Der OPLAN DEU umfasst den Einsatz der Bundeswehr in Deutschland in Frieden, Krise und Krieg und damit die Bandbreite von Heimatschutz bis zur nationalen territorialen Verteidigung. Die Fähigkeit, im Falle einer Zuspitzung der sicherheitspolitischen Lage sehr schnell große Truppenkontingente der NATO an die Ostfanke des Bündnisses zu verlegen, ist der zentrale Pfeiler der konventionellen Abschreckung. Deutschlands wesentliche Aufgabe besteht darin, als Drehscheibe Deutschland den Aufmarsch und die Versorgung verbündeter und eigener Streitkräfte gesamtstaatlich sicherzustellen. In den Planungen der NATO müssen mehrere Hunderttausend Soldatinnen und Soldaten durchgängig logistisch und medizinisch versorgt werden. Zu diesem Zweck werden im OPLAN DEU Anforderungen an die Bundeswehr und an andere staatliche und zivile Akteure in der gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Verteidigung festgehalten.

Vom Volksfest bis zur Militär-Bibel

Um diesen allumfassenden Plan umsetzbar zu machen, setzen die Militaristen eine umfassende und schleichende sowie offene Infiltration der Gehirne und Gefühlswelten der Menschen in Gang:

Die Bundeswehr ‚bereichert‘ Volksfeste; sie benutzt wohltuende Worte wie „Family &Friends“, „Malbüchlein“ für die Kleinsten, Modellbauausstellungen für die etwas Größeren; die ,Reserve‘ wirbt mit dem Spruch „Die Zeiten ändern dich – Bereit sein ist alles“; der Arbeitskreis Soldaten rundet das Bild ab mit einer Bibel in Tarnfarben für alle, wirklich alle Lebensphasen, bis zum Ende. O-Ton der Werbung für das Werk: Es „enthält … einen Hinweis über den Plan Gottes für dein Leben. Die Bibel gibt dir in jeder Situation des Lebens hilfreiche Denkanstöße und entscheidende Wegweisung.“

Bis zum Moment des Tötens oder auch dem des eigenen Todes im Gefecht.

Titelbild: Olena Yakobchuk / Shutterstock