Willi van Ooyen: „Ein deutliches Zeichen gegen die Kriegstüchtigkeit setzen“ – Friedensdemonstration am 3. Oktober

Willi van Ooyen: „Ein deutliches Zeichen gegen die Kriegstüchtigkeit setzen“ – Friedensdemonstration am 3. Oktober

Willi van Ooyen: „Ein deutliches Zeichen gegen die Kriegstüchtigkeit setzen“ – Friedensdemonstration am 3. Oktober

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Am 3. Oktober finden in Berlin und Stuttgart große Friedensdemonstrationen statt. Im NachDenkSeiten-Interview spricht Willi van Ooyen, einer der Veranstalter, über die Kundgebungen und darüber, was es in einer Zeit wie dieser heißt, auf die Straße zu gehen. Auf der Straße ließe sich nämlich eine Gegenmeinung zur in Politik und Medien vorherrschenden Position abbilden. Wichtig sei „eine breite Mobilisierung besonders der Jugend“, „um ein deutliches Zeichen gegen die Kriegstüchtigkeit zu setzen“. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Marcus Klöckner: Putin hat vor Kurzem davor gewarnt: Bei einer Freigabe von weitreichenden Raketen betrachtet Russland die NATO als Kriegspartei. Für den 3. Oktober organisieren Sie gerade eine Großdemonstration für den Frieden in Berlin und Stuttgart. Wie ernst ist die Lage?

Willi van Ooyen: Die täglichen Nachrichten zeigen, dass die Kriegsbereitschaft in Europa wächst. Wenn jetzt nicht nur Hunderte Milliarden in die Rüstung gesteckt werden – wie die Haushaltsplanungen belegen –, sondern auch mit Kriegseinsätzen (Flugzeugabschüsse) gedroht wird, zeigt dies die wachsende Kriegsgefahr, die scheinbar zwangsläufig in einen großen Krieg mündet.

Kann es sein, dass weite Teile der Gesellschaft überhaupt gar nicht begreifen, was passiert?

Die Menschen sind erschrocken und fühlen sich ohnmächtig angesichts der täglichen Bilder von Zerstörung und Tod in Gaza, der Ukraine und in anderen Ländern, die die Brutalität von Kriegen zeigen. Sie sehen hier im Land eine hilflose politische Regierung, die nur die Militarisierung als Ausweg sieht und den Widerstand gegen diese Politik mit repressiven Mitteln bekämpft.

Was würden Sie jemandem sagen, der Sie fragt: Warum soll ich an dieser Demonstration teilnehmen?

Gegen dieses Gefühl der Ohnmacht und der Verzweiflung muss Widerstand organisiert werden. Wir müssen für unsere Alternativen, für eine friedliche und gerechte Welt der gegenseitigen Sicherheit und der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit wieder sichtbar auf der Straße demonstrieren.

Naiv gefragt: Was heißt denn „zu demonstrieren“? Was heißt es, in einer Situation wie dieser als Bürger auf die Straße zu gehen? Was kann so ein Zeichen in Richtung Politik bedeuten und bewirken?

In diesen Zeiten geht es darum, eine „Gegenmeinung“ auf die Straße zu bringen und damit den Widerspruch zum medialen Mainstream der politisch Regierenden öffentlich zu machen. Angesichts der repressiven Bedrohung, die die Friedensbewegung – wie auch die fortschrittlichen Kräfte insgesamt – in diesem Land erfahren, gilt es, durch kollektives Handeln wieder Mut zu machen.

Sagen Sie uns bitte etwas mehr zu dieser Demonstration. Was ist das Motto der Veranstaltung? Wie ist sie aufgezogen?

Während die israelische Regierung ihre brutale Militäroffensive und Hungerblockade in Gaza vorantreibt und der Ukrainekrieg mit unverminderter Härte fortgeführt wird – ohne Aussicht auf Gespräche zwischen Russland und der Ukraine –, wächst in Deutschland der Widerstand gegen Kriege und Hochrüstung: Über 400 Friedensinitiativen und -organisationen unterstützen die Demonstrationen „Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden!“ am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart. Wir werden bei den Kundgebungen die gesamte Breite der Bewegung sichtbar machen.

Ist die Demo auch der Versuch, eine neue Friedensbewegung aufzubauen? Die alte Friedensbewegung erscheint ja geradezu wie aufgelöst.

Die bundesdeutsche Friedensbewegung lebt von den örtlichen und regionalen Friedensinitiativen, die jährlich zum Ostermarsch, beim Hiroshima-Gedenken oder am Antikriegstag bis zu 200 Veranstaltungen organisieren. Auch die politische Aufklärungsarbeit mit vielfältigen Informationsveranstaltungen ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Friedensbewegung im Lande. Dies auch dann, wenn es nicht immer – wie jetzt am 27. September in Berlin – wieder hunderttausend sind, die sich zu einer Aktion zusammenfinden.

Die alte Friedensbewegung ist in Erinnerung als eine Gruppe von friedensbewegten Bürgern, die sehr klug, analytisch, aber auch bisweilen scharf im Ton Missstände aufgezeigt haben. Heute scheint geradezu Angst davor zu herrschen, Kriegstreiber als Kriegstreiber zu bezeichnen. Wo ist der Mut geblieben, im besten demokratischen Sinne klar und deutlich den Mund für den Frieden aufzumachen?

Die Aktiven in der Friedensbewegung wissen, dass uns der tägliche Protest und ein Aktionismus keine schnellen Lösungen bringen werden. Vielmehr muss neben der Bekämpfung der Angst und dem notwendigen Zorn über die Militarisierung aller Politikbereiche auch die Chance für die Durchsetzung unserer friedenspolitischen Positionen mitgedacht werden. Dazu gehören eine gute Analyse und entschiedenes Handeln durch Einbeziehung neuer gesellschaftlicher Kräfte als Daueraufgabe.

Noch mal zu Deutschland. Es heißt mittlerweile, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, es geht um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Stationierung von Langstreckenraketen. Sollte es zu einem Krieg mit Russland kommen: Was würde das für Deutschland bedeuten?

Falls die Einführung der Wehrpflicht und die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen nicht zu verhindern ist, werden wir historisch wieder zurückgeworfen wie bei den großen Niederlagen, die die Friedensbewegung mit der Remilitarisierung in den 50er-Jahren und der Raketenstationierung von 1984 hinnehmen musste. Deshalb müssen wir eine breite Mobilisierung besonders der Jugend erreichen, um ein deutliches Zeichen gegen die „Kriegstüchtigkeit“ zu setzen. Gleichzeitig muss es gelingen, den politischen Block der Herrschenden aufzubrechen, um diese geplante Politik zu verhindern.

Titelbild: Thomas Margraf/shutterstock.com