Gerade hat die CDU/CSU über ihren Kanal auf der Plattform X einen Tweet veröffentlicht, der in die Abgründe der Feindbildproduktion führt. Ein kritisches Außen soll es nicht mehr geben. Stimmen, die perspektivieren und hinterfragen, führten „nichts Gutes im Schilde“ und zwar „für unser Land“, wie es heißt und: Ein solches Verhalten sei „nicht patriotisch.“ Was kommt als Nächstes? Werden bald Mitbürger, die die deutsche Russlandpolitik für falsch halten, zu Landesfeinden erklärt? Danach riecht es förmlich. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Wie es aussieht, wenn eine Partei den Bezug zur Realität verliert, hat gerade die CDU/CSU auf ihrem X-Kanal dokumentiert. Und was sich daraus ergibt, hat sie ebenso deutlich gemacht.
Mit rund 500.000 Mitgliedern befindet sich die mitgliederstärkste Partei in Deutschland einen Millimeter davon entfernt, Kritiker ihrer desaströsen Russlandpolitik zu „Landesfeinden“ zu erklären. Das Wort „Vaterlandsverräter“ liegt in der Luft. Folgenden Zeilen hat die CDU/CSU auf ihrem rund 184.000 Follower umfassenden Social-Media-Kanal veröffentlicht:
Die Verharmlosung der russischen Aggression, das Ignorieren all der Probleme, die damit zusammenhängen: #Russland bedroht mittlerweile auch uns, Stichwort Drohnenüberflüge. Wer dann die russische Position in 🇩🇪 vertritt oder den Kreml hofiert mit Besuchen, der führt nichts Gutes im Schilde für unser Land. Das ist nicht patriotisch.
„Nicht patriotisch“? Wie ist das zu verstehen? Ist ein solches Verhalten dann etwa, äh: „undeutsch“?
Reden wir nicht um den heißen Brei: Was die CDU/CSU sich mit diesen Zeilen erlaubt, ist politisch unverantwortlich und intellektuell untragbar. Wobei man das längst nicht nur – traurigerweise – von der CDU/CSU gewöhnt ist. Es ist noch schlimmer. Hier greift die Regierungspartei eine ganze Gruppe von Bürgern auf eine Weise an, die an die McCarthy-Zeit und die damit verbundene Jagd auf Kommunisten erinnert. Die ganz große Kanone packt die Partei aus. Und feuert damit auf jene, die nun mal – ob das der CDU/CSU passt oder nicht – mit der vollen Rückendeckung des Grundgesetzes das Recht haben, die deutsche Russlandpolitik anders einzuordnen als die feindbildbesoffenen Kalten Krieger unserer Zeit.
Die, bei Lichte betrachtet, inhaltlich durch nichts gerechtfertigte Aussage, Russland bedrohe „uns“, zu hinterfragen, erlaubt das Grundgesetz. Wer das als Politiker nicht verstanden hat, hat das Grundgesetz nicht verstanden. Und wer als Politiker davon spricht, dass ein Bürger, der „russische Positionen“ vertrete, „nichts Gutes“ für das Land „im Schilde“ führe, der hat den Sinn für die Realität verloren. Oder aber, er setzt bewusst auf eine fürchterliche, das politische Klima vergiftende stimmungsschürende Propaganda. In beiden Fällen hat zu gelten: Raus aus der Politik!
Das laute, in dem Tweet zu hörende propagandistische Geklapper geht einher mit einer zum Himmel schreienden geistigen Inhaltsleere.
Da wird, um es deutlich zu sagen, das „Stichwort“ „Drohnenüberflüge“ hingerotzt, als benötigten die schweren Anschuldigungen gegenüber Russland keinerlei gerichtsfeste (!) Beweise.
Und überhaupt: Was um Himmelswillen sollen denn „russische Positionen“ sein? Dass der Westen seit vielen Jahren tiefenpolitisch in der Ukraine aktiv ist? Dass die CIA seit Jahren in dem Land agiert? Dass es sich auch um einen Stellvertreterkrieg handelt? Dass der – laut New York Times – „verheerendste Landkrieg seit Generationen“ auch dadurch befriedet werden muss, indem der Westen russische Sicherheitsbedürfnisse achtet?
Wenn es unstatthaft sein sollte, diese „russischen Positionen“ zu vertreten, dann muss die Frage erlaubt sein: Was soll denn stattdessen statthaft sein? Der größten Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik den Wind unter die Flügel zu blasen? Dem politischen Großvorhaben Kriegstüchtigkeit frenetisch zu applaudieren? Das Stahlhelmchen eifrig glattzupolieren und zusammen mit den Soldaten „Hurra!“ zu rufen? Sicher: Ein solches Verhalten passt ausgezeichnet zur Kriegstreiberei. Nur: Wozu passt es nicht? Zum Friedensauftrag des Grundgesetzes!
Das „Gezwitscher“ der CSU/CSU bietet noch weiteren Anlass zur Kritik. „Russische Positionen“ zu vertreten soll also „unpatriotisch“ sein? Wie ist dann das Verhalten der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu bewerten, die ihrem Parteikollegen auf der Bühne die Deutschlandfahne aus der Hand nimmt und mit einem leichten Kopfschütteln zur Seite legt?*
Deutlich wird: Die Politik macht, was sie seit langem macht. Sie spielt mit Begriffen und Inhalten so, wie sie diese gerade für ihre Propaganda braucht. Mal ist patriotisch zu sein „Pfui!“ und mal führt derjenige, der „unpatriotisch“ ist, „nichts Gutes im Schilde“.
Ein solches Verhalten in seiner Gesamtheit ließe sich auf der Individualbeziehungsebene als tragisch-komisch einordnen – aber auf der politischen Ebene, wo Politiker das Wohl eines ganzen Landes in ihren Händen halten, ist das nicht mehr tragisch-komisch, sondern: gefährlich.
* 31.10.2025 11:30 Uhr: In einer früheren Version stand an dieser Stelle, dass Angela Merkel die Fahne zu Boden geworfen hätte. Wir haben dies präzisiert.
Titelbild: Cineberg/shutterstock.com





 
				 
				 
				 
				 
 
