Die AfD-Debatte hilft den etablierten Parteien. Hier funktioniert der Wippschaukeleffekt

Die AfD-Debatte hilft den etablierten Parteien. Hier funktioniert der Wippschaukeleffekt

Die AfD-Debatte hilft den etablierten Parteien. Hier funktioniert der Wippschaukeleffekt

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Zu der auch auf den NachDenkSeiten geführten Debatte um die AfD sind ein paar Anmerkungen fällig. Mit der durchaus gerechtfertigten kritischen Debatte um die rechte Partei ist der Nebeneffekt verbunden, dass die etablierten Parteien in freundlichem Licht erscheinen, ohne dass über sie und ihren Zustand gebührend kritisch geredet wird. Das geht nach der in meinem Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“ beschriebenen Manipulationsmethode Nr. 9, dem Wippschaukeleffekt. Man kann das am Beispiel der FDP, der Grünen, der CDU und auch der SPD demonstrieren. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zur FDP

Was von ihr im Vergleich zur AfD zu halten ist, will ich an einer zentralen Frage sichtbar machen, an den Vorstellungen zur Organisation der Altersvorsorge. Wenn man im Netz nach den Vorstellungen der FDP zur Altersvorsorge sucht, dann findet man eine Reihe von Bekenntnissen zur sogenannten Aktienrente. Typisch für das erkennbar abstruse Denken des obersten Repräsentanten der FDP ist:

„Ich möchte, dass wir die Kapitalmärkte für uns arbeiten lassen. Deswegen werden wir 2023 die Aktienrente einführen“, kündigte Lindner an.

Das war im November 2022. (Quelle: Aktienrente: Die Aktienrente stabilisiert die Altersvorsorge | FDP) Schlimmeren Kokolores können auch Politiker der AfD nicht von sich geben.

Im Einzelnen hier:

Die Aktienrente stabilisiert die Altersvorsorge

Die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland können in den kommenden Jahren auf eine positive Finanzlage der Rentenkasse hoffen. Mit der Aktienrente will Christian Lindner die gesetzliche Rentenversicherung auch langfristig auf stabile Beine stellen. …

Die Aktienrente etabliert für die gesetzliche Rentenversicherung neben der Finanzierung aus Pflichtbeiträgen und Bundeszuschüssen eine kapitalgedeckte Säule. Für die Umsetzung des Vorhabens will Lindner im Bundeshaushalt für das Jahr 2023 zunächst 10 Milliarden Euro einplanen. Ab dem Jahr 2030 werden dann die erzielten Erträge in die Kassen der Rentenversicherung fließen und das Rentensystem stützen.

Das Ziel ist es, mit dem Kapitalstock die Renditechancen des globalen Kapitalmarkts zu nutzen. Einige europäische Länder praktizieren dies bereits seit Jahrzehnten erfolgreich. So zeigt Schweden, dass die Aktienrente ein Erfolgsmodell ist: Der schwedische Fonds erzielte in den vergangenen 20 Jahren durchschnittlich 11 Prozent Rendite. Mit der Rendite aus der Aktienrente kann auch Deutschland die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung auf sichere Füße stellen.

Auch in diesem Beitrag des Deutschlandfunks wird die verwegene Vorstellung des amtierenden Finanzministers und FDP-Vorsitzenden Lindner gut sichtbar. Ein Zitat daraus:

Wie will Lindner die Rente künftig absichern?

Bundesfinanzminister Lindner will die Altersvorsorge über den Kapitalmarkt absichern. Dazu soll ein Fonds eingerichtet werden, den der Bund mit Grundkapital füllt. Eine öffentlich-rechtliche Stiftung soll das Geld verwalten und vor allem gewinnbringend anlegen – unter anderem in Aktien. Die Renditen würden der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen; mögliche Verluste würde der Bund ausgleichen.

Verluste würde der Bund ausgleichen! Donnerwetter, so kann man Renten finanzieren. Es ist unseriös von vorn bis hinten. Schlimmer kann die AfD auch nicht sein.

Zur CDU

Die CDU leistet sich einen Vorsitzenden, dessen Verbundenheit mit den großen US-amerikanischen Kapitalsammelstellen nicht zu leugnen ist und auch nicht zu leugnen versucht wird. Hier ist ein Bericht über die Rolle von Friedrich Merz als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers von BlackRock: „Was hinter dem Unternehmen steckt, in dem Friedrich Merz Aufsichtsrat ist“. Dieser Artikel ist vom November 2018.

Als dieser Artikel geschrieben wurde, war schon bekannt, dass Merz CDU-Vorsitzender werden könnte. Der letzte Satz des Artikels enthält, wenn auch treuherzig formuliert, eine richtige Vermutung:

„Selbst wenn Merz Vorsitzender der CDU werden sollte und damit bei Blackrock ausscheidet, dürften beide Seiten in Verbindung bleiben.“

Wir haben also einen CDU-Vorsitzenden, der für eine der größten US-Kapitalsammelstellen mit Beteiligung und Einfluss weltweit und in nahezu allen deutschen DAX-Unternehmen tätig war und von dem man annehmen kann und muss, dass er auch als CDU-Vorsitzender die Interessen dieser Kreise im Blick hat. Bei einer solchen CDU ist es nicht sehr verwunderlich, dass Wähler und Mitglieder mit dem Wechsel zur AfD keine Probleme haben.

Die Grünen

Die Grünen waren einmal eine Partei, mit der viele, auch ich, eine große Hoffnung verbunden haben. Heute stehen sie offensichtlich unter Einfluss der USA und ihrer Dienste. Das fing vermutlich mit der engen Freundschaft zwischen Joschka Fischer und der damaligen US-Außenministerin Albright an. Der Einfluss wird weiter beispielsweise sichtbar bei Cem Özdemir, immerhin nach Verschwinden in der Versenkung jetzt wieder Minister im Kabinett Scholz. Er war in Schwierigkeiten, ging in die USA und kam „gesund“ wieder. – Der US-Einfluss ist weiter spürbar bei einer der beiden wichtigsten Repräsentanten der Grünen, der Außenministerin Annalena Baerbock. Wenn man der Rolle als Außenministerin gerecht werden will und deutsche Interessen vertreten will, dann darf man von einem großen Nachbarn wie den Russen nicht öffentlich sagen, man wolle sie ruinieren. Das hat Baerbock getan, als sie Sanktionen gegen Russland ankündigte. Siehe hier. –

Auch das Pärchen Marieluise Beck und Ralf Fücks ist ein Symbol und Beleg für die Rolle, die die Grünen bei uns spielen. Sie waren schon im Kontext des Maidan im Sinne der US-amerikanischen Politik tätig, sie sind es heute als Repräsentanten des Zentrums Liberale Moderne.

Diese Konstellation ist übrigens auch im weiteren Sinne interessant: Sie zeigt, dass andere Länder, im konkreten Fall die USA, mit allen möglichen Mitteln spielen, um ihren Einfluss auf die Politik anderer auszuüben: Sie nutzen Parteien, sie nutzen Stiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung, für die Ralf Fücks in herausragender Funktion tätig war, und sie fördern die Etablierung von besonderen Einrichtungen, von NGOs wie dem Zentrum Liberale Moderne.

Hier muss man allerdings noch ergänzen, dass sie sich im konkreten Fall ihren Einfluss auch noch von den deutschen Steuerzahlern bezahlen lassen. Das Zentrum Liberale Moderne ist über weite Strecken Kostgänger von uns Steuerzahlern. Den Einfluss in der Ukraine haben sich die USA gerade auch über den Aufbau von einschlägigen NGOs übrigens selbst etwas kosten lassen: 5 Milliarden $. Diese Zahl sagt eigentlich schon alles. Sie bestätigt in einem Fall, wie richtig die Annahme ist, dass der Große Bruder über dem Atlantik massiven Einfluss auf andere Länder nimmt, im konkreten Fall bei uns mithilfe der Grünen.

Zur SPD

“Lawrow ist einer der größten Zyniker, die ich in meinem politischen Leben kennenlernen musste”

Das sagte Michael Roth, der wichtigste Repräsentant der SPD in der Außenpolitik – seit 15. Dezember 2021 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Selbst wenn der Abgeordnete Roth mit seiner Aussage recht hätte, sagen darf er das nicht, wenn er noch dazu in seiner Funktion die Möglichkeit zum Gespräch mit dem Repräsentanten eines anderen wichtigen Landes offenhalten will. Seine Äußerung passt übrigens gut zu den schon zitierten Äußerungen „Russland ruinieren“ unserer Außenministerin von den Grünen.

Das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie ähnlich gefährlich die etablierten Parteien für uns und unser Land sind.

Wir sollten uns nicht täuschen lassen vom Wippschaukeleffekt. Die AfD ist schlimm. Die anderen sind ebenfalls so schlimm, dass man einen fundamentalen Unterschied zwischen den anerkannten Parteien CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP einerseits und der AfD andererseits nicht erkennen kann.

Die Kenntnis der Manipulationsmethoden hilft dabei, nicht zu Fehleinschätzungen zu kommen. Auch deshalb kommt im Anhang der Text zur Methode Nummer 9, dem Wippschaukeleffekt.

Auszug aus Albrecht Müller: Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. –
Methode Nummer 9 der dort beschriebenen 19 Methoden der Manipulation, Seite 45-48, siehe insbesondere die gefettete Passage:

9. Der Wippschaukeleffekt

Der Begriff Wippschaukeleffekt klingt vermutlich fremd. In den Lehrbüchern kommt er nicht vor. Es fiel mir jedoch kein passenderer Begriff für die Manipulationsmethode ein, die hier zu skizzieren sein wird:

US-Präsident Donald Trump ist schon eine besondere Figur, er bedient sich übler Methoden und schlägt mit maßlosen Sprüchen um sich. Aber er ist bei vielen politischen Absichten und Taten wie etwa bei der Neigung, Kriege zu führen, nicht schlimmer als seine Vorgänger Barack Obama und vor allem als George W. Bush oder auch Bill Clinton und auch nicht schlimmer als seine Gegenkandidatin von 2016, Hillary Clinton. Doch dank des permanent gegen Präsident Trump erhobenen Zeigefingers wird das ohnehin vorhandene negative Bild weiter verschlimmert. Im Gegenzug erscheinen seine Vorgänger und seine Konkurrentin beim 2016er Wahlkampf als vorteilhafte tugendhafte Figuren. Die Demokraten um Obama und Clinton wirkten geradezu als glanzvoll – das Ergebnis des Wippschaukeleffektes.

Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn immer wieder und mit Recht die AfD und einzelne Politiker dieser Partei kritisiert und als undemokratisch bezeichnet werden. In der Kontrastierung mit den Rechten erscheinen die Kritiker als links oder linksliberal, obwohl viele von ihnen das gar nicht sind. Einen erstaunlich schrägen Beleg für diesen Effekt konnte man am 1. August 2019 im Internetmedium Tichys Einblick finden. Da macht sich Gastautor Dr. Manfred Schwarz, früher einmal für die CDU und den Hamburger Senat tätig, Gedanken über Innenminister Horst Seehofers Reaktion auf den Tod eines sechsjährigen Jungen im Frankfurter Hauptbahnhof und Seehofers Zögern mit Kritik. Der Kommentator meint: »Zu groß ist seine Angst, vom linken medialen Mainstream unter Dauerbeschuss genommen zu werden.«19 Da führt offensichtlich der Ruck nach rechts eines Beobachters des Geschehens dazu, dass er den wahren Standort des medialen Mainstreams in Deutschland völlig verkennt. »Linker medialer Mainstream« in Deutschland – das ist zum Lachen.

Ein Beispiel aus früheren Zeiten: Zwischen den beiden Spitzenpolitikern Willy Brandt und Helmut Schmidt knirschte es oft. Schmidt hielt sich für fähiger, war konservativer als Brandt und schon deshalb bei der Mehrheit der Medien höher angesehen als Willy Brandt. Helmut Schmidt hat dieser besonderen Vorliebe nachgeholfen, indem er seinen Parteifreund Brandt häufig kritisierte und ihn von seiner Umgebung in Hintergrundgesprächen schlechtmachen ließ. Der Effekt war erstaunlich: Je schlechter das Ansehen Willy Brandts wurde, umso mehr stieg die Bewunderung für Helmut Schmidt.

Die Wirkung wurde dabei noch dadurch verstärkt, dass Menschen dazu neigen, sich nicht entscheiden zu wollen. Im konkreten Fall konnten sie den Sozialdemokraten Brandt und auch die SPD ablehnen und gleichzeitig den Sozialdemokraten Helmut Schmidt gut finden. Das führte am Ende zumindest im bürgerlichen Lager der Schmidt-Bewunderer zu der Aussage, Helmut Schmidt sei prima, aber er sei in der falschen Partei.

Sachliche Gründe für diesen Wippschaukeleffekt gab es nicht, eher umgekehrt. Aber die Methode funktionierte.

Noch ein Beispiel: In den letzten Jahren begannen die etablierten Medien und ihre Vertreter die heranwachsenden Medien im Internet kritisch bis herablassend zu beäugen. Diese Kritik und die damit eintretende negative Etikettierung wirkt ebenfalls nach dem Schaukelprinzip. Die etablierten Medien erscheinen als das Wahre; sie erscheinen zugleich immer mehr als eine Einheit. Das Boulevardblatt Bild-Zeitung auf der einen Seite und zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit auf der anderen Seite wirken als einvernehmliche Gruppierung der wahren Medien. Das ist schon seltsam, vor allem dann, wenn man sich an die früheren großen Unterschiede und an die gegenseitige Kritik erinnert.

Es gibt bei uns im Westen unter kritischen Mitbürgern seit langem schon eine skeptische Debatte und kritische Analyse dessen, was allgemein Demokratie genannt wird. Demokratie gab es fast nie, habe ich einmal mit Blick auf die massive finanzielle Unterstützung des CDU-Kanzlers Konrad Adenauer und seiner Nachfolger, vor allem Helmut Kohl und etwas stiller Angela Merkel, durch die Wirtschaft formuliert. Die konservativen Parteien CDU, CSU und FDP hatten die Unterstützung des reichen Teils unserer Gesellschaft. Sie hatten immer sehr viel mehr Mittel, um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Gleiche Wettbewerbsbedingungen und damit wirklich demokratische Verhältnisse gab es nie.

Auch in anderen Ländern ist das nicht anders, zum Teil schlimmer: In den USA müssen Präsidentschaftskandidatinnen und -kandidaten Hunderte von Millionen Dollar heranschaffen, um kandidieren zu können. Diese Art von Kandidatenauswahl kann man nicht demokratisch nennen.

In Frankreich taucht ein Präsidentschaftskandidat wie Emmanuel Macron aus dem Nichts auf. Offenbar ausgesucht und gesteuert.

Das Große Geld spielt in allen solchen sogenannten Demokratien eine große Rolle. Eigentlich müsste man zugestehen, dass die Verhältnisse nicht demokratisch sind. Da hilft der Wippschaukeleffekt aus der Patsche: Im Vergleich zu den sogenannten Autokraten, im Vergleich zum türkischen Präsidenten Erdoğan beispielsweise, erscheinen die bei uns handelnden Personen als Demokraten und unser System als demokratisch. Die Wippschaukel sorgt dafür, dass wir dann als Demokraten und ohnehin als die Guten gelten.

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Titelbild: Ljupco Smokovski / Shutterstock

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