Mensch wird Schaf. Die NATO plant den totalen Propagandakrieg

Mensch wird Schaf. Die NATO plant den totalen Propagandakrieg

Mensch wird Schaf. Die NATO plant den totalen Propagandakrieg

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Die Strategiepapiere der Transatlantiker zur sogenannten kognitiven Kriegsführung fördern Abgründiges zutage. Die NATO arbeitet an der Errichtung einer Meinungs- und Gedankendiktatur, die Aldous Huxleys „schöner neuer Welt“ in nichts nachstehen soll. Freie Meinungsbildung und ein freier Wille haben darin endgültig ausgedient, stattdessen gibt es Weltbild von der Stange und ideologischen Einheitsbrei fürs mähende Volk. Der Amerikanist und Propagandaforscher Jonas Tögel hat ein Buch darüber geschrieben. Ralf Wurzbacher hat es gelesen und stellt es vor.

Dieses Buch liest man besser von hinten. Auf den letzten Seiten hinterlässt der Autor wenigstens einen Funken Resthoffnung, dass sich der von ihm skizzierte Horrortrip vielleicht doch noch abwenden lässt. Unter den Bedingungen eines weitgehend gleichgeschalteten Medien- und Politikbetriebs haben Rede- und Willensfreiheit, Selbstbestimmung und Demokratie bereits heute einen schweren Stand. Aber gemessen an dem, wie sich die Herrschenden und Mächtigen die Zukunft vorstellen, wirkt die zeitgenössische Meinungsmache wie Kindergeburtstag. Jonas Tögel befasst sich mit der neuesten „Waffengattung“ der Propagandisten, der „kognitiven Kriegsführung“. Bei der geht es nicht mehr nur darum, irgendwie die Sicht der Dinge von Menschen zu formen. Es geht darum, die Menschen selbst zu formen, indem ihre Psyche gekapert, ihre Gefühlswelt erobert und ihre Gedankenwelt annektiert werden. Selbst das physisch Innere wird zum Angriffsziel – von Nanotechnologien, die das Nervensystem wunschgemäß konfigurieren.

Ganz so weit sind wir noch nicht, aber solche Szenarien werden längst durchdacht, geplant, erforscht. Und nicht erst seit gestern mischt bei all dem als exponierter Akteur die NATO mit, die North Atlantic Treaty Organization, die unter dem Label „Verteidigungsbündnis“ weltweit Kriege führt, anzettelt oder am Laufen hält. Nach diesem Muster holt der Militärpakt nun zum vielleicht finalen Schlag gegen die Köpfe und Herzen der westlichen sowie der gegnerischen Bevölkerungen aus. Wie der Amerikanist und Propagandaforscher Tögel schreibt, begreift die NATO die Cognitive Warfare als die „fortschrittlichste Form der Manipulation“ mit dem Zweck, „unseren Verstand wie einen Computer zu ‚hacken‘“. Aber obwohl die Militärs das Konzept seit 2020 als offizielles Programm vorantreiben würden, wisse die Öffentlichkeit bis dato so gut wie nichts von den Machenschaften.

Soft Power im Vormarsch

Das allerdings liegt in der Natur der Sache, und zwar aus zwei Gründen: Wer geht schon damit hausieren, sich zum Gedankenkontrolleur Nr. 1 aufzuschwingen? Und: Die Attacken aufs Hinterstübchen bleiben in der Regel unbemerkt, weil nicht, wie bei konventionellen Schlachten, laut geballert und gestorben, sondern mit sogenannter Soft Power agiert wird. Nach einer Definition des US-Politologen Joseph Nye ist dies die „Fähigkeit, andere zu überzeugen, das zu tun, was Du willst, ohne dass Du Gewalt oder Zwang anwendest“. Dagegen geht Hard Power, also der Einsatz von Kriegsgerät, nicht nur mit Tod, Zerstörung und anhaltendem Leid einher. Bei den Betroffenen löst sie außerdem Verbitterung, Aggression und Hass auf den Angreifer aus, was es schwer macht, die Besiegten dauerhaft zu unterwerfen. Der Vorzug „softer“ Übergriffe besteht umgekehrt darin, weniger oder gar keinen Widerstand zu provozieren, weil sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben. Laut Tögel zielen die Techniken auf psychische Prozesse, die wie bei einem Eisberg unterhalb der Wasseroberfläche liegen und gegenüber der deutlich beschränkteren bewussten Erfahrungswelt eine riesige Angriffsfläche bieten. Hier beschossen zu werden, nimmt Mensch gar nicht wahr, er weiß also gar nicht, dass er beeinflusst wird, was im „Optimalfall“ so weit führen kann, dass er sein Unterdrücktsein schätzen und lieben lernt.

Von da ist es zu Aldous Huxleys „schöner, neuer Welt“ nicht mehr weit. Der Brite hatte einst konstatiert, „die Gefahr unter dem neuen Regime ist also, dass die Menschen sogar glücklich sein werden in Situationen, wo sie ganz und gar nicht glücklich sein sollten“. In diesem Sinne sind die NATO-Strategen drauf und dran, mit der „kognitiven Sphäre“ oder der „menschlichen Sphäre“ einen sechsten Kriegsschauplatz zu etablieren – neben denen zu Lande, zu Wasser, in der Luft, im Internet und im Weltraum. Dabei stünden, so Tögel, „entweder der Verstand, die Gedanken und Informationsverarbeitungsprozesse der Menschen im Visier oder eben der Mensch in seiner Gesamtheit“. In diesem Zusammenhang zitiert er den ehemaligen französischen Oberstleutnant François du Cluzel, der heute für den Thinktank NATO Innovation Hub tätig ist. Demnach beziehe „die Human Domain of Operations sich (…) auf das ganze menschliche Umfeld, ob Freund oder Feind“.

Krieg immer und überall

Damit werden die Schlachten nicht nur territorial entgrenzt. Zunächst mag die NATO ihre Energien auf die aktuellsten Widersacher Russland oder China richten im Bemühen, deren Bevölkerungen gegen die eigene Regierung in Stellung zu bringen. Weil es aber auch im eigenen Lager Menschen gibt, die mit dem Feind sympathisieren oder die kapitalistische „Verwertungsgemeinschaft“ ablehnen, muss nicht minder an der Heimatfront operiert und in einem möglichen Endstadium die gesamte Weltbevölkerung manipulativ bekriegt werden. Entgrenzt wird der Krieg damit auch zeitlich, er findet immer statt, zwar mit weniger Krach, Bum, Bäng und weitgehend im Verborgenen. Dafür rücken laut Tögel „unsere Gedanken, Gefühle und unsere Handlungen ins Zentrum der Kriegshandlungen“, mit dem erklärten Ziel einer „möglichst vollständigen Kontrolle all dessen, was uns als Menschen ausmacht“. Letztlich soll der Mensch also zu einer Marionette degenerieren, bar jeder Denk- und Urteilsfähigkeit.

Vorgetragen wird die psycho-ideologische Großoffensive mit allen Mitteln und auf allen Kanälen: über die klassischen Massenmedien, mit Kampagnen nach innen und außen (Maidan-Putsch), natürlich über das Internet, im Speziellen in den sozialen Medien. Beispielsweise will man durch gezielte „Nudges“, also kleine psychologische „Schubser“, Debatten im Cyberspace den nötigen Dreh geben beziehungsweise Meinungstrends vorhersehen können und damit steuerbar machen. Die Technik hat die US-Firma Veriphix entwickelt, die seit Jahren mit Regierungen und Unternehmen kooperiert und schon einmal als Sieger des NATO-Innovationswettbewerbs „Countering Cognitive Warfare“ hervorging.

„Fenster ins Gehirn“

Besondere Inspiration schöpften die Psychokrieger nach Tögels Recherchen aus dem „Erfolg“ der britischen Softwareschmiede Cambridge Analytica. Deren Methode, mittels sogenannter Likes auf Facebook die Persönlichkeitsmerkmale von Usern zu entschlüsseln, bildete die Grundlage zweier Kampagnen (Mikro-Targeting) sowohl im US-Wahlkampf 2016 als auch im Vorfeld der Brexit-Abstimmung in Großbritannien. Donald Trump sowie die Brexit-Befürworter um Nigel Farage waren Auftraggeber der Firma, und ihren Triumph sollen sie ebendieser verdanken. Der Skandal flog später auf, gleichwohl tüftelt die NATO laut Tögel an einem eigenen Programm zur digitalen Manipulation. Passend dazu nannte besagter NATO-Vordenker du Cluzel die „Massenüberwachungsmaschinen“ von Cambridge Analytica ein wegweisendes Beispiel dafür, wie eine Technologie „ein Fenster in die Gehirne der Menschen“ öffnen könne.

Es gibt schönere Aussichten, wobei der Weg dahin durchaus vorgezeichnet war. Laut Tögel steuern wir lediglich auf den Höhepunkt einer Entwicklung zu, die vor über 100 Jahren mit der Geburtsstunde der Public Relation (PR) sowie der modernen Kriegspropaganda ihren Ausgang nahm. Der vielleicht wichtigste Wegbereiter war dabei Edward Bernays, der Begründer der PR, der früh erkannte, „dass Ideen Waffen sind und sogar effektiver als Gewehrkugeln“. Geschossen wurde wegen seiner geistigen Zuarbeit trotzdem, und zwar reichlich. Bernays war eine zentrale Figur in der sogenannten Creel-Kommission, eines durch den damaligen Präsidenten Woodrow Wilson bestellten Expertenzirkels, der die kriegsunlustigen Amerikaner für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg begeistern sollte. Das Projekt war ein „Erfolg“ auf ganzer Linie, bei dem erstmals die seinerzeit neuesten Erkenntnisse der Massenpsychologie, der Psychoanalyse und des Behaviorismus in einer konzertierten Kampagne zusammengeführt wurden, um so ein ganzes Volk mental und emotional auf Linie zu bringen. Über 100.000 US-Soldaten sollten dies mit ihrem Leben bezahlen, und mit den später perfektionierten Propagandakniffen wurden zig Millionen Menschen mehr in den Tod geschickt.

„Verwirrte Herde“ bändigen

Tögel beleuchtet den Triumphzug der Propaganda anhand einer Reihe historischer Ereignisse, beschreibt das Instrumentarium der Manipulatoren und liefert Erhellendes zu den schillerndsten Protagonisten. Zum Beispiel erklärte einst der Publizist Walter Lippmann, der schon 1922 mit seinem Werk „Die öffentliche Meinung“ so etwas wie den Leitfaden für die permanente Lenkung der Menschen mit Soft Power geliefert hatte: „Die Bevölkerung muss auf ihren Platz verwiesen werden (…), so dass jeder von uns frei von dem Getrampel und Gebrüll der verwirrten Herde leben kann.“ Ein Jahrhundert später erscheint der totale Totalitarismus im Zeichen eines plutokratischen Neoliberalismus und eines komplett vermachteten Mediensystems kaum mehr aufhaltbar. Du Cluzel drückt das so aus: „Die Kognitive Kriegsführung könnte das fehlende Element sein, das den Übergang vom militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld zum dauerhaften politischen Erfolg ermöglicht. (Nur) die menschliche Sphäre kann den endgültigen und vollständigen Sieg erringen.“

Ein zentraler Kampfplatz ist laut Tögel die „kulturelle Manipulation“: Diese dreht sich darum, einen Deutungsrahmen für die Wirklichkeit durchzusetzen, innerhalb dessen die Menschen ihre Welt, ihre Regierungen, Konflikte und Kriege wahrnehmen. Das beinhaltet zum Beispiel „Bildungsarbeit“ in Schulen, Diffamierungskampagnen gegen kritische Geister (Stichwort: „Verschwörungstheorie“) oder die gezielte Beeinflussung sozialer Netzwerke durch modernste Einflusstechniken. Dazu komme die „digitale Manipulation“, die sich den Umstand zunutze macht, dass wir uns durch die Nutzung von Smartphone und Internet gläsern und kontrollierbar machen. Diese Daten würden gesammelt, ausgewertet und zum Ausgangspunkt für individuell zugeschnittene Soft-Power-Techniken. Schließlich kämen noch Zukunftstechnologien ins Spiel, insbesondere Nano- und Biotechnologien, Informationswissenschaft sowie Kognitions- oder Neurowissenschaften (kurz NBIC). Hier geht es beispielsweise um die Schaffung von Supersoldaten oder eben darum, den menschlichen Verstand mit Neuro- oder Biowaffen zu entern.

Licht ins Dunkel

Das alles hört sich gruselig an, ist aber in Teilen bereits umgesetzt beziehungsweise auf dem „besten“ Weg dahin. Beängstigend ist überdies, dass es trotz der Monstrosität und Perfidie des Unterfangens offenbar reichlich Vordenker, Profiteure und Mitwisser gibt, die in den Planungs- und Forschungsabteilungen eifrig darauf hinarbeiten, dem Menschen seine Menschlichkeit auszutreiben und geistig-intellektuell ein zweites Mittelalter zu errichten.

Wie eingangs geschrieben: Für Tögel ist die Lage dennoch nicht ausweglos. So lieferten die zum Thema vorhandenen NATO-Dokumente selbst Anleitungen, wie sich Mensch zur Wehr setzen kann. Geschrieben steht da etwa, dass der größte Verbündete der kognitiven Krieger die Unwissenheit der Bevölkerung ist. Deshalb brauche es ein Bewusstsein darüber, dass der Krieg tagtäglich stattfindet und wir selbst in seinem Zentrum stehen. Nötig wären Aufklärung und eine genaue Kenntnis der Manipulationstechniken, so Tögel, und weiter: „Wenn es uns gelingt, uns mit anderen zu vernetzen und gemeinsam als Licht auch in dunklen Zeiten zu leuchten, dann können wir mit unserem Licht die Propaganda für viele andere Menschen sichtbar entkräften. Das gibt Kraft, macht Mut und hilft auch unseren Mitmenschen, sich der kognitiven Kriegsführung zu entziehen.“ Das klingt fast zu schön, um wahr zu werden.

Info zum Buch: Jonas Tögel, Amerikanist und Propagandaforscher am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. „Kognitive Kriegsführung. Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO“, Westend Verlag, Frankfurt (Main), 2023.

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