Der kafkaeske Weg zur „Durchführung der Zwangsvollstreckung“ des Urteils des Landgerichts Berlin gegen Bundespressekonferenz e.V.

Der kafkaeske Weg zur „Durchführung der Zwangsvollstreckung“ des Urteils des Landgerichts Berlin gegen Bundespressekonferenz e.V.

Der kafkaeske Weg zur „Durchführung der Zwangsvollstreckung“ des Urteils des Landgerichts Berlin gegen Bundespressekonferenz e.V.

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 27. Juli erging das Urteil des Landgerichts Berlin, in welchem der private Verein Bundespressekonferenz e.V. (BPK) dazu verurteilt wurde, dem NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg „zu seinen Veranstaltungen und Angeboten wie einem Mitglied Zugang zu gewähren“. Zudem führte das Gericht aus: „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 €“. Doch was recht einfach klingt, zog sich über Wochen hin, und die letztendliche Hinterlegung der genannten Summe (in bar!) beim Amtsgericht Berlin glich einer geradezu kafkaesken Erfahrung, die Erinnerungen an einen Asterix-und-Obelix-Klassiker wachrief („das Haus, das Verrückte macht“). Ein Erfahrungsbericht von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zwei Tage nach Urteilsverkündung begab ich mich in den Urlaub, und in der Redaktion hatten wir vereinbart, dass wir das Thema „vorläufige Vollstreckung“ nach meiner Rückkehr besprechen. Der juristische Fachbegriff „vorläufige Vollstreckung“ bedeutet, dass aus einem Gerichtsurteil bereits die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, obwohl dieses noch nicht rechtskräftig ist, also die Rechtsmittelfrist noch läuft oder das Verfahren sich in der Berufung befindet. Unterschieden wird dabei noch zwischen Urteilen, die ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, und solchen, die nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar sind. Letzteres ist im Fall des Urteils zugunsten der NachDenkSeiten der Fall.

Nach einer recht nassen Fahrradtour durch den Müritz-Nationalpark sowie einer von Sonne verwöhnten Wandertour durch den rätoromanischen Teil der Schweizer Alpen kehrte ich nach zwei Wochen gut erholt zurück. Bei der Redaktionskonferenz am 14. August entschieden wir dann einstimmig, dass wir den Weg der vorläufigen Vollstreckung gehen werden, um zeitnah in der BPK präsent sein zu können. Für diese Vollstreckbarkeit kann man entweder eine Bankbürgschaft vorweisen oder aber bei einer sogenannten „Hinterlegungsstelle“ vor Gericht die entsprechende Summe einzahlen. Unser Anwalt riet uns zur Bankbürgschaft, er meinte, das sei leichter umzusetzen. Also fragten wir zunächst bei der Hausbank der NachDenkSeiten an, die uns auch die Bürgschaft ausstellte, allerdings auf den Namen des Trägervereins. Dies akzeptierte jedoch die Gegenseite, also der Privatverein Bundespressekonferenz e.V., nicht. Sie verlangten, dass mein Name explizit in der Bürgschaft auftaucht – schwierig, da ich nicht Kunde der NDS-Hausbank bin.

Angesichts der Verweigerungs- und Verzögerungstaktik der BPK blieb als einzige sichere und nicht anzweifelbare Option die Hinterlegung der 5.000 Euro bei der Hinterlegungsstelle, angegliedert beim Amtsgericht in Berlin-Tiergarten, Kirchstraße 6. Ein Anruf bei besagter Stelle ergab, dass man die geforderte Summe von 5.000 Euro ausschließlich in bar bei der entsprechenden „Gerichtszahlstelle“ einzahlen kann. Also erst mal Abhebelimit bei meiner Bank erhöhen lassen, was im konkreten Fall mit einer längeren Warteschleife beim Kundentelefon verbunden war und in der Umsetzung einen weiteren Tag dauerte. Dann war es so weit. Am 5. September machte ich mich, nachdem ich meinen Sohn zur Schule gebracht hatte, auf den Weg zum Geldautomaten meiner Wahl, um mir fünfmal je 1.000 Euro aus dem Automaten zu ziehen. Dank einer vorherigen Finanzspritze der NachDenkSeiten lag diese Summe auch auf meinem Konto vor.

Mit diesem mittleren vierstelligen Betrag, in der Fahrradtasche verstaut, ging es dann weiter zum Amtsgericht Tiergarten. Der Sicherheitsbeamte am Eingang war zunächst ganz irritiert von meiner Frage nach dem Weg zur „Hinterlegungsstelle“, erklärte mir aber nach der Durchsicht einer Liste, „Raum 1689“, also erster Stock.

Odyssee durchs Amtsgericht

Gesagt, getan. Wobei ich zunächst noch die Sicherheitskontrolle durchlaufen musste, und das gestaltete sich problematischer als gedacht, weil die verantwortlichen Beamten Sorge hatten, was ich mit den 15er-Schraubenschlüsseln aus meinem Fahrradreparatur-Set und der 1.-FC-Union-Hartplastikflasche im Gericht so alles anstellen könnte. Doch nach Einbehalt von Reparaturset und Flasche – insbesondere Letztere zog einen missbilligenden Blick des wohl eher Hertha zugeneigten Beamten auf sich – durfte ich mich auf den Weg machen. Allerdings befand sich im ersten Stock weder ein Raum mit der Ziffernfolge 1689, noch wusste jemand etwas von einer Hinterlegungsstelle. Nur eine Sachbearbeiterin meinte, ich sollte es mal im dritten Stock versuchen, die konkrete Raumnummer wüsste sie aber nicht. Doch auch in diesem Stockwerk wusste zunächst niemand, wo sich die Hinterlegungsstelle befinden könnte, bis bezeichnender Weise ein anwesender Haustechniker meinte, er hätte im sechsten Stock mal was von „so ‘ner Stelle“ gelesen.

Im sechsten Stock brauchte ich aber auch drei Frageversuche, ehe ich dann tatsächlich die gut versteckte „Hinterlegungsstelle“ fand. Nach „keen Plan“ gab es eine nette Abteilungsleiterin von was auch immer, die anfänglich zwar meinte, dass sie nicht wüsste, wo sich diese Stelle befinden könnte, dann erhellte sich aber ihr Gesicht und sie meinte:

„Sehen Sie diese Tür links, da steht zwar ‚Durchgang verboten‘ drauf, aber da hält sich sowieso niemand dran. Also gehen Sie ruhig durch diese Tür und dann müsste die irgendwann kommen.“

Ich folgte der eigenwilligen Beschreibung und landete dann vor zwei Damen mit Kaffeetassen in der Hand, die sich zunächst nur ungern bei ihrem Plausch (es war ungefähr 8:35 Uhr) unterbrechen ließen. Diese gaben mir aber immerhin die erste richtig konkrete Antwort: „Gehen Sie durch bis ganz zum Schluss, dann auf der linken Seite finden Sie die Hinterlegungsstelle“.

Und tatsächlich, nach meiner kleinen Odyssee durch die sechs Stockwerke des Amtsgerichts Tiergarten war ich am Ziel, so dachte ich zumindest. Die Mitarbeiterinnen (ausschließlich weibliches Personal) der Hinterlegungsstelle straften alle Klischees über die Berliner Bürokratie erst mal Lügen. Nett und zuvorkommend erklärten sie mir, was sie bräuchten (Kopie des Urteils) und dass ich mich kurz gedulden sollte, sie würden alles für mich vorbereiten. Keine fünf Minuten später hatte ich einen komplett ausgefüllten „Antrag auf Hinterlegung“ in der Hand, und mir wurde noch ein schöner Tag gewünscht.

Im Bewusstsein der 5.000 Euro in bar, die darauf warteten, aus ihrer unbequemen Lage in meiner Fahrradtasche befreit zu werden, fragte ich leicht irritiert nach, wo ich das Geld denn jetzt einzahlen sollte.

„Na in der Gerichtszahlstelle“, hieß es dann ganz selbstverständlich. Auf meine Frage, wo die denn sei, erntete ich einen überraschten Augenaufschlag und die Antwort, dass sich diese Stelle nicht im Amtsgericht, sondern im Landgericht Berlin in der Turmstraße 91 befand – einige Straßen weiter.

„Na, dann rücken S‘e mal die 5.000 Euro rüber“

Mit dieser Information ausgerüstet, brachte ich erst mal Trinkflasche und Fahrradreparaturzeug zurück in meinen Besitz und machte mich dann auf den Weg zur Turmstraße 91. Dort angekommen, ging diesmal alles ganz schnell. Beim Eingang wies man mir sofort den Weg zur Gerichtszahlstelle („Raum A 131“), und weder Flasche noch Fahrradreparaturwerkzeug sorgten diesmal für Unruhe bei der Gepäckkontrolle. Und A131 entpuppte sich tatsächlich als der richtige Raum. Ich legte den „Antrag auf Hinterlegung“ vor, und der diensthabende Beamte meinte mit einem breiten Grinsen auf den Lippen: „Na, dann rücken S‘e mal die 5.000 Euro rüber.“

Ich tat wie geheißen und schaute noch einmal verwundert auf den recht kleinen Stapel. 5.000 Euro in bar hatte ich mir irgendwie imposanter vorgestellt. Aber 50 Scheine à 100 Euro sind dann doch nicht so voluminös. Die Zählmaschine hinter dem Annahmeschalter brauchte auch nur wenige Sekunden zum Durchzählen. Kurz darauf summte der Drucker, man hörte das typische Stempelgeräusch und das Kratzen der unterschreibenden Kugelschreiber. Ein kurzes Nicken hinter der Glasscheibe, und ich konnte meinen „Hinterlegungsschein“ entgegennehmen und in voller Schönheit bewundern:

Aus den geschilderten Erlebnissen ergeben sich einige Fragen: Welches Genie in der Berliner Verwaltung ist auf die Idee gekommen, dass man die Hinterlegungsstelle für Geldsummen dem Amtsgericht zuordnet, die Einzahlungsstelle für jene Hinterlegung aber wiederum dem Landgericht? Wieso zentralisiert man nicht beide Stellen an einem Ort und lässt stattdessen Menschen mit Barsummen im mindestens vierstelligen Bereich einen Kilometer durch Berlin laufen?

Des Weiteren wäre es interessant zu erfahren, aus welchen Gründen man in der Gerichtszahlstelle in Berlin, wohlgemerkt wir sprechen hier von Beträgen ab 5.000 Euro aufwärts, ausschließlich in bar hinterlegen/einzahlen kann. Auch eingedenk der Tatsache, dass das Geldwäschegesetz bei Bareinzahlung auf das eigene Konto ab einem Betrag von 10.000 Euro eine Nachweispflicht vorsieht.

Abschließende Bemerkung

Vor dem Hintergrund der Hinterlegung der 5.000 Euro zur vorläufigen Vollstreckung gemäß dem Urteilsspruch sollte bis zum nächsten Urteil in der zweiten Instanz des Berliner Kammergerichts meiner Teilnahme an den Regierungspressekonferenzen der BPK rechtlich eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Angesichts des bisherigen Verhaltens der BPK ist aber nicht auszuschließen, dass der BPK-Vorstand selbst jetzt noch versuchen wird, meine Teilnahme zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Wir werden unsere Leser auf jeden Fall auf dem Laufenden halten.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Scan des Hinterlegungsscheins

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