Leserbriefe zu „Wie demokratisch ist unsere „Demokratie“? Eine Demokratie ist das schon lange nicht mehr“

Ein Artikel von:

In diesem Beitrag wird hinterfragt, ob „wir wirklich in einer Demokratie leben und welche Qualität diese hat“. Albrecht Müller meint, wir seien „heute Zeuge einer tiefgreifenden und fortwirkenden Erosion dessen, was Grundbedingungen und Voraussetzungen demokratischer Verhältnisse wären“. Anhand einiger Grundbedingungen – z.B. Vielfalt der Meinungsbildung durch Vielfalt der Medien sowie Abwesenheit von Kampagnen der Meinungsbildung und Pluralität und Unabhängigkeit der Wirtschaft – werde das festgemacht. Wir haben hierzu interessante Leserbriefe erhalten. Danke dafür. Es folgt eine Auswahl, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat.


1. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten, lieber Albrecht Müller,

vielen Dank für den treffenden Artikel zum aktuellen beklagenswerten Zustand unserer Demokratie. Besonders bedrückend empfinde ich die umfassende Kampagne von Politik und Medien, den überwunden geglaubten Militarismus in Deutschland wieder gesellschaftsfähig zu machen. Es wird gelogen, manipuliert und agitiert, dass die Balken krachen.

Die Frankfurter Rundschau berichtet: „Während der Ukraine Krieg schon mehr als eineinhalb Jahre dauert, suchen die Behörden aktuell nach hunderttausenden Wehrpflichtigen, die den Dienst an der Waffe offenbar ablehnen.“ Das ist erstaunlich, vermitteln doch die Medien tagtäglich den Eindruck, als würden die ukrainischen Soldaten allesamt voller Begeisterung in den Kampf ziehen um die Freiheit Europas zu verteidigen. Dem ist wohl nicht so. Ukrainer wollen wohl lieber leben, als für Selenskis patriotische Parolen sterben. Während die Kriegsbegeisterung in der Ukraine offenbar schwindet, wächst sie in Deutschland. Olaf Scholz und Robert Habeck verkünden, sie würden heute den Kriegsdienst nicht mehr verweigern. Der Kieler Oberbürgermeister hat seine Kriegsdienstverweigerung offiziell widerrufen, ebenso ein SPIEGEL Journalist, der daraus gleich noch einen SPIEGEL Artikel gebastelt hat. Ich selbst habe den Kriegsdienst verweigert und bin heute noch stolz darauf. Ich musste sogar noch in einer peinlichen und unwürdigen Verhandlung mein Gewissen prüfen lassen. Ich erinnere mich mit Schaudern daran, wie demütigend und übergriffig ich diese Prozedur erlebte. Ich habe großen Respekt vor allen ukrainischen Wehrpflichtigen, die den Kriegsdienst verweigern. Für Politiker, die heute nicht mehr dazu stehen, in ihrer Jugend den Kriegsdienst verweigert zu haben, habe ich nur Verachtung übrig.

Mit freundlichem Gruß
Thomas Arnold


2. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

zum Artikel “Wie demokratisch ist unsere Demokratie? Eine Demokratie ist das schon lange nicht mehr” von Albrecht Müller möchte ich dem geneigten Leser ein Buch von Wolfgang Koschnick empfehlen, das 2016 auch bei den NachDenkseiten Erwähnung fand. Es trägt den ganz ähnlich klingenden Titel “Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr”. Der Inhalt hat es in sich, ich kenne bisher kein vergleichbares Buch, das die Fehlkonstruktionen unseres parlamentarischen Systems so konzentriert und verständlich darstellt. Es wird klar, dass Reformen aussichtslos sind, denn die bestehenden Strukturen sind auf Selbsterhalt gepolt, sie verfolgen ihre eigenen (undemokratischen) Ziele. Nach wie vor eine erschreckend empfehlenswerte Lektüre!

MfG,
Marcel Klinkhammer


3. Leserbrief

Herr Müller, Ihr Text ist ein Muss! Klimakleber singen wahrlich keine Lobeslieder auf “unsere” gesellschaftlichen Zustände, die sich bedrohlich verschärfen. Es sind hilflose Winseleien und keine Gesänge. Und des Volkes Willen drücken sie so nicht aus. Aber sie drücken einen Willen aus – mit Sekundenkleber. Dabei geht es “nur” um das Klima. Und das Volk wird langsam unduldsam! In diesem unseren Lande (Duktus Helmut Kohl) geht es nun  langsam an’s Eingemachte – nämlich um den Souverän: DAS VOLK. Ein sehr wesentliches Merkmal einer rechtsstaatlichen Demokratie ist die Meinungsfreiheit. A. Müller lässt uns in den NDS immer wieder wissen, wie gefährdet dieses Grundrecht zur Zeit ist. Kürzlich (15. September) war der internationale Tag der Demokratie. Dazu passt im Sinne dieses Textes , was ich jetzt gerade lese: “Familienministerin finanziert Plakatkampagne gegen Medium von Ex-Planungschef von Willy Brandt”. Das ist nicht der erste Fall von Versuchen, dieses “Medium” mundtot zu machen.

Am Ende seines Textes bittet Müller die Leser doch diese seine Analyse weiterzuleiten. Ich würde gerne wissen, wie viele Leser dies schon getan haben und welche Erfahrungen sie machen. Obwohl ich das in sehr dezenter Weise getan habe, musste ich erfahren, dass das zu einem Verlust von Bekannten (Freunden?) -bis in den Familienkreis- geführt hat. Ich bin im gleichen Alter wie der Autor und kann solche Erfahrungen daher leichter wegstecken – es werden ja ohnehin immer weniger Freunde! Das gehört zum lebenslangen Lernprozess. Junge Leute aber fühlen, dass der Meinungswind recht frostig ist – sie sind vorsichtig geworden. Eine Vorsicht, die der “liberalen” Demokratie nicht gut tut.

Roth (SPD!), Kiesewetter, Strack-Z, Baerbock (“…..dann möchte ich auch liefern, egal was MEINE deutschen Wähler denken ….”), Kämpfer (von dem höre ich das erste Mal – schicken wir ihn doch in den Kampf!) Habeck u.v.a.m – alle sind sie die menschgewordene Ausdrucksform sterbender demokratischer Kriterien. Müssen wir wirklich glauben, dass die Weltenuhr auf 1 Minute vor dem Armaggedon steht? Mit Sekundenkleber kann man die Zeit nicht anhalten.

Dieter Münch


4. Leserbrief

Liebe NDS-Redaktion,

bleibt noch zu ergänzen, dass die EU zwar keine Despotie ist, sich aber in den letzten Jahren zunehmend zu einem liberal-autoritären Regime entwickelt hat. Schließlich werden dort viele Gesetze erlassen, die jeweils in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Es fehlen ein gemeinsamer Diskursraum und gesamteuropäische Parteien. Europa ist nach etlichen Erweiterungsrunden schlichtweg zu heterogen, als dass es eine gemeinsame Identität geben könnte (siehe Flüchtlingspolitik). Es gibt keinen europäischen “demos”. Das Parlament hat kein Initiativrecht und auch kein Budgetrecht. Regierungen werden nicht aus dem Parlament heraus gewählt. Gemessen an nationalstaatlichen Standards kann man dem europäischen Mehrebenensystem keinen “demokratischen” Charakter attestieren.

Viele Grüße
Michael Wrazidlo


5. Leserbrief

Lieber Albrecht Müller,

ich wollte schon immer mal die Frage in den Raum werfen: Was verstehen wir überhaupt unter “Demokratie” ?

Genügt uns als Unterschied zu einer Diktatur, dass unsere Demokratie nur in Krisenzeiten (Corona) zur Diktatur wird, aber danach zur Demokratie zurückkehrt – während eine Diktatur ja IMMER Diktatur ist? Oder sollte sich eine Demokratie AUCH IN KRISENZEITEN von einer Diktatur unterscheiden? Wenn ja – wie?

Genügt uns eine Demokratie, wo die Macht der Regierung nur ZEITLICH begrenzt ist, oder sollte sie auch SEITLICH begrenzt sein?

Seitlich = Leitplanken, Verfassungsgrundsätze, dass eine Regierung nicht ALLES machen darf, was sie will. Oder genügt uns, dass ihre Macht zeitlich begrenzt ist, weil, sie werden schon aufpassen, was sie tun, wenn sie nach 4 Jahren wiedergewählt werden wollen!

Spannende Fragen – da können viele Deutsche mal in sich hineinhorchen, was sie dazu sagen.

Frau Merkel durfte ja schon 2009 in ihrer Rede in Allensbach ohne große Kritikwelle sagen – wohlgemerkt in einer bewussten Rede, kein unglücklicher Versprecher in einem Interview! – also hier Merkel in a nutshell:

“Aber genau deshalb bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass […] uns die repräsentative Demokratie für bestimmte Zeitabschnitte die Möglichkeit gibt, Entscheidungen zu fällen, dann innerhalb dieser Zeitabschnitte auch für diese Entscheidungen zu werben und damit Meinungen zu verändern. Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik sagen, dass all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden. Die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung, die Ostverträge, der Nato-Doppelbeschluss, das Festhalten an der Einheit, die Einführung des Euro und auch die zunehmende Übernahme von Verantwortung durch die Bundeswehr in der Welt – fast alle diese Entscheidungen sind gegen die Mehrheit der Deutschen erfolgt. Erst im Nachhinein hat sich in vielen Fällen die Haltung der Deutschen verändert. Ich finde es auch vernünftig, dass sich die Bevölkerung das Ergebnis einer Maßnahme erst einmal anschaut und dann ein Urteil darüber bildet.”

Das ist für mich aber 1:1 das Regierungsverständnis einer SED-Vorsitzenden !!!!!

ZUERST entscheiden wir, das ZK, in unserer Weisheit, was zu tun ist – UND HINTERHER sorgen die Medien für Zustimmung im Volk. Auch die SED wollte ja nicht frontal gegen das Volk regieren, sondern ND und Aktuelle Kamera bemühten sich, es fürs Volk schön zu verkaufen. Und für Merkel heißt Demokratie: Man kann für bestimmte Zeitabschnitte rigoros Fakten schaffen – sogar direkt gegen den Willen des Volkes, wie sie stolz hervorhebt – man muss dann nur Medien haben, die im Nachhinein das dumme Volk überzeugen, dass das gut war.

Ich fasse das so zusammen: Für Merkel ist – sogar ohne Krisenzeiten! – immer Diktatur, mit dem einzigen Unterschied, dass man alle 4 Jahre einen neuen Diktator wählen darf.

D.h., Habeck & Baerbock ziehen jetzt nur schärfer durch, was Merkel bereits 2009 vorgezeichnet hatte: Wir sind mit unserm grünen Eifer jetzt an der Macht – weil ja gewählt – und dürfen nun für 4 Jahre alles durchziehen, was wir wollen!

Sie denken damit aber nur konsequent zu Ende, was Merkel schon 2009 – und sogar stolz! – ankündigte.

Tja, oft wird ja gefragt, ob wir zu einem neuen Hitler hindriften mit unserer zerbröckelnden Demokratie. Und dann heißt es: Nein, mit den Gräueltaten der zwölf Hitlerjahre lässt sich NICHTS vergleichen! Aber wer neben Hitler gern vergessen wird – ist Honecker.

Und bei Honecker-Verhältnissen sind wir beinah schon wieder …

Warum gingen wir dann 1989 auf die Straße?, frag ich mich.

P.S. zu der Parole: Wir dürfen doch – aus Liebe – auf andern Ländern herumbomben, bis die auch Demokratie machen!

Dazu frag ich immer im Vergleich: Bombt denn China – auch aus reiner Liebe natürlich – auf uns herum, bis wir Feng Shui machen?

Martin


6. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

wie demokratisch ist unsere repräsentative “Demokratie”.

  1. Die Veränderung des Demokratiebegriffs bis zur Unkenntlichkeit erklärte Professor Mausfeld.

    Demokratie als Volksherrschaft steht vielleicht noch auf einer alten Briefmarke !

    “Repräsentative Demokratie als Herrschaftsinstrument: Prof.Mausfeld über eine Wahleliten-Oligarchie”

  2. Der große Staatsmann Perikles sagte, in einer Demokratie setzen sich die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung durch.

    mehr

    “Oskar Lafontaine: “Deutschland ist keine Demokratie, sondern eine Oligarchie””

    mehr

    “ZDF-Politbarometer : Unzufriedenheit mit Ampel-Arbeit
    Die Zufriedenheit mit der Ampel-Koalition ist auf ihren bisher niedrigsten Stand gesunken. Nach 46 Prozent vor zwei Wochen meinen jetzt noch 43 Prozent der Befragten, dass die Regierung ihre Arbeit eher gut macht.

    und

    ZDF-Politbarometer : Mehrheit nimmt Ampel als zerstritten wahr.

    Nur 40 Prozent sind der Meinung, dass die Regierung ihre Arbeit eher gut macht, 54 Prozent sagen “eher schlecht”.

  3. Die Meinungsfreiheit im Journalismus wird durch das Betriebsverfassungsgesetz verhindert !

    Gesinnung oder Haltung: Klärung in einer journalistischen Wertedebatte

    Verlegerschutz im Betriebsverfassungsgesetz

    So regelt noch heute der Paragraph 118 des Betriebsverfassungsgesetzes, dass genau dieses Betriebsverfassungsgesetz in sogenannten Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften in Teilen nicht gilt.

    „Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend 1. politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder 2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dienen, finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder Betriebs dem entgegensteht.“

    Das heißt also: Durch den Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz werden die Verleger nach wie vor geschützt. Die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter und die Mitwirkung von Gewerkschaften wird erheblich eingeschränkt.

    Journalistische Haltung und die Tendenz

Vor diesem Hintergrund müssen wir die gegenwärtige Situation sehen. Wir sind hier aktuell mit Forderungen konfrontiert, Journalisten müssten eine Haltung haben. Zugleich müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen diese Haltung dann häufig nicht von einer politischen Gesinnung unterschieden wird, mitunter werden die beiden Begriffe auch schlicht verwechselt.

Grüße
Dieter Gabriel


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