Wie demokratisch ist unsere „Demokratie“? Eine Demokratie ist das schon lange nicht mehr

Wie demokratisch ist unsere „Demokratie“? Eine Demokratie ist das schon lange nicht mehr

Wie demokratisch ist unsere „Demokratie“? Eine Demokratie ist das schon lange nicht mehr

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Ob wir wirklich in einer Demokratie leben und welche Qualität diese hat – diese Fragen werden in der öffentlichen Debatte nicht gestellt. Da heißt es – in der Regel in Abgrenzung zu anderen Ländern und Völkern, in Abgrenzung zu China und Russland zum Beispiel – wir im Westen lebten in einer Demokratie. Das wird so formuliert, als könnte man diese politische Lebensform bewahren, ohne dafür zu sorgen. Weit gefehlt, wir sind heute Zeuge einer tiefgreifenden und fortwirkenden Erosion dessen, was Grundbedingungen und Voraussetzungen demokratischer Verhältnisse wären. An einigen Grundbedingungen will ich das festmachen. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sich ein realistisches Bild darüber zu verschaffen, welche demokratische Substanz unser Land und andere westliche Länder noch haben, ist auch deshalb wichtig, weil herausgehobene Personen des öffentlichen Lebens die falsche Vorstellung von der demokratischen Qualität unseres Landes nutzen, um andere Völker und Länder wegen deren andersartiger politischer Struktur anzugreifen und abzuwerten. Typisch dafür ist die deutsche Außenministerin. Sie verteilt Etiketten an andere Länder, zuletzt nannte sie China eine Diktatur. Den Anspruch auf diese arrogante Etikettierung anderer Länder leitet sie von der Vorstellung ab, sie lebte in einer wirklichen Demokratie. Sie, Frau Baerbock, ist entgegen dieser ihrer Vorstellung ein lebendes Beispiel dafür, dass es um die demokratische Qualität unseres Landes schlecht bestellt ist.

Kriterien demokratischer Meinungsbildung. Wie ist es um sie bestellt?

Im Folgenden nenne ich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Kriterien demokratischer Meinungsbildung und prüfe daran, wie es in der Realität um die Qualität bestimmt ist.

  1. Vielfalt der Meinungsbildung durch Vielfalt der Medien, insbesondere der Printmedien, also der Zeitungen und Zeitschriften, und des privaten Radios
  2. Zusätzliche Garantie der Pluralität durch öffentlich-rechtliche Medien bei Hörfunk und Fernsehen, ihre Vielfalt und kritische Substanz
  3. Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Parteien und anderer politischer Organisationen. Stattdessen das erstaunliche Phänomen, von Einflussagenten durchsetzt zu sein.
  4. Abwesenheit von Kampagnen der Meinungsbildung
  5. Pluralität und Unabhängigkeit der Wirtschaft
  6. Unabhängigkeit – Gleichschaltung durch sogenannte Experten

Zu Ziffer 1.: Vielfalt der Meinungsbildung durch Vielfalt der Medien, insbesondere der Printmedien, also der Zeitungen und Zeitschriften, und des privaten Radios

Als ich in meiner Heimatstadt Heidelberg zur Schule ging, gab es dort zwei Zeitungen: die Rhein-Neckar Zeitung und das Heidelberger Tageblatt. Letzteres ist verschwunden. Jetzt gibt es ein Monopol, und dieses Monopol wird auch durch die Anzeigenblätter nicht gestört.

Als ich im Umkreis von Köln lebte, gab es in dort zwei unabhängige Blätter, den Kölner Stadtanzeiger und die Kölnische Rundschau. Heute gibt es dort keine unabhängige Kölnische Rundschau mehr. Zur jetzigen Situation findet man im Netz:

„Der Kölner Stadtanzeiger ist eine Regionalzeitung der DuMont-Mediengruppe und erscheint seit 1876. Seit den 80er Jahren kooperierte der KStA mit der Konkurrenzpublikation Kölnische Rundschau, 1999 wurden die Verlagsrechte der Kölnischen Rundschau von DuMont übernommen.”

In Dortmund gab es früher zwei wichtige unabhängige Blätter, vor allem die Westfälische Rundschau und dann noch die WAZ. Heute sind beide Blätter im Eigentum der Funke Mediengruppe.

In Karlsruhe gibt es die Badischen Neuesten Nachrichten, die BNN, seit Jahren ein De-facto-Monopol.

In meiner jetzigen Heimat, in der Südpfalz, existiert ein Zeitungsmonopol mit Ausstrahlung auf andere wichtige Teile unseres Landes. Die Rheinpfalz des Medienkonzerns der Familie Schaub beherrscht nicht nur weite Teile der Pfalz, zum gleichen Konzern gehören auch die Stuttgarter Nachrichten und die Stuttgarter Zeitung, die Süddeutsche Zeitung in München und die Freie Presse in Chemnitz.

So und ähnlich ist das Bild in weiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland. Von Pluralität kann keine Rede sein und damit auch nicht von demokratischer Meinungsbildung.

Es ist auch davon auszugehen, dass die einzelnen Verlage und Medienkonzerne keine Anstrengungen unternehmen, um in den Verbreitungsbereich von Konkurrenten/Kollegen einzubrechen. Ihre monopolartige Stellung garantiert jeweils den höchsten Profit aus der Anzeigenakquisition und dem Verkauf der Blätter. Der Markt ist aufgeteilt, die Meinungsbildung auch.

Zu 2.: Zusätzliche Garantie der Pluralität durch öffentlich-rechtliche Medien bei Hörfunk und Fernsehen, ihre Vielfalt und kritische Substanz

Die öffentlich-rechtlichen Medien sollten im Hörfunk und im Fernsehen eine Garantie für die Vielfalt der Meinungsbildung darstellen. Das geschieht de facto nicht – weder beim bundesweit ausgestrahlten Deutschlandradio noch bei den Fernsehsendern ZDF und ARD. Es gibt Ausnahmen, das sei freudig zugestanden. Aber die wesentlichen Nachrichtensendungen und Magazine sind geprägt vom großen Strom der Meinungen, wie wir ihn auch bei den meisten Printmedien erleben.

ARD und ZDF lassen sich auch bereitwillig in Kampagnen der Meinungsbildung einbauen. Das haben wir gerade in den letzten Tagen bei Anne Will und Illner beobachten können. Tobias Riegel hat auf den NachDenkSeiten die letzte Sendung von Anne Will analysiert: ARD: Anne Will voll auf Kriegskurs – Und alle gegen Wagenknecht.

Diese Medien, die eigentlich der demokratischen Balance und der Aufklärung dienen sollten, nutzen schamlos die primitiven Methoden der Manipulation aus. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die in meinem Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“ beschriebene Methode Nummer 8:

Alle in der Runde sind der gleichen Meinung. Dann muss es ja richtig sein.

In diesem Kapitel gibt es eine Passage, die ich zitiere, weil sie so einschlägig ist:

„Oft reicht schon eine weniger komplette Einseitigkeit für die gezielte Manipulation

Bei Talkshows kommt es immer wieder vor, dass die Besetzung nicht komplett einseitig ist, sondern um eine oder zwei kritische Stimmen ergänzt wird, vermutlich als Alibi und Glaubwürdigkeitskatalysator. Sahra Wagenknecht kann davon ein Lied singen. Drei zu eins oder vier zu eins sind beliebte Konstellationen und wirksame Manipulationsmethoden.“

Fazit: Wir müssen heute feststellen, dass die Herstellung der Pluralität und damit einer gewissen Basis von demokratischer Willensbildung durch Hörfunk und Fernsehen nicht (mehr) funktioniert.

Zu 3.: Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Parteien und anderer politischer Organisationen. Stattdessen das erstaunliche Phänomen, von Einflussagenten durchsetzt zu sein.

Im Gemeinschaftskundeunterricht lernen wir, wie Parteien arbeiten und wie sie zusammengesetzt sind. Wir lernen dort nichts davon, dass dritte Gruppen und Mächte in unseren Parteien – wie übrigens auch in den Medien – ihre Einflussagenten platzieren. Schon während meiner Zeit im Bundestag, also zwischen 1987 und 1994, konnte man in Ansätzen beobachten und studieren, wie die Einflüsse zum Beispiel der USA und der NATO auf eine Partei und ihre Willensbildung ablaufen. Das waren aber einzelne Kollegen und nicht die Gesamtgruppe bestimmende Phänomene.

Später dann konnten wir beobachten, dass der Einfluss von Personen, die im Interesse anderer Gruppen arbeiten, gewachsen ist. Ich erinnere daran, dass der frühere stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Walter Riester, sowie die Ökonomieprofessoren Rürup und Raffelhüschen im Interesse großer ökonomischer Interessen zum Ziele der Teilprivatisierung der Altersvorsorge tätig wurden. Das berührte ein wichtiges Element der gesellschaftlichen Regeln, eben die Altersvorsorge, aber noch nicht die Frage von Krieg und Frieden.

Heute wird mit Annalena Baerbock eine Einflussagentin Außenministerin unseres Landes. Damit ist eine Grenze überschritten. Vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, und den CDU-Vertretern Kiesewetter und Röttgen müssen wir leider Ähnliches annehmen. Auch der Posten der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses wird von einer Person besetzt, deren Fremdbestimmung deutlich erkennbar ist – von der FDP-Abgeordneten Strack-Zimmermann.

Von unabhängiger demokratischer Willensbildung können wir im Blick auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr sprechen. Das ist eine fatale und höchst gefährliche Entwicklung.

Zu Ziffer 4.: Abwesenheit von Kampagnen der Meinungsbildung

Kampagnen der Meinungsbildung sind ein altes Phänomen. Ein herausragendes negatives Beispiel in der deutschen Geschichte ist die Kampagne des Antisemitismus und die damit verbundene verzerrte und bösartige Darstellung von Juden. Verglichen damit harmlos war die Energiesparkampagne der Nationalsozialisten mithilfe der Figur „Kohlenklau“. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir in West-Deutschland einer Kampagne gegen Marxismus, Kommunismus und die Russen ausgesetzt. Gemessen daran harmlos war die Kampagne zum sogenannten Wirtschaftswunder.

In den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts erlebten wir dann eine Kampagne gegen beschäftigungsfördernde Konjunkturpolitik. Damals wurde die Parole „Keynes is out“ verbreitet. Die Kampagne galt dem Versuch, die Arbeitsmarktlage zugunsten der Wirtschaft und zulasten der Arbeitnehmerschaft zu verschieben.

Wenig später begann dann die Kampagne zum angeblich sterbenden Volk und die damit verbundene massive Thematisierung des demographischen Wandels. Sie zielte eindeutig darauf, die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme voranzutreiben – mit einem gewissen Erfolg -, die Durchsetzung der Riester-Rente, der Rürup-Rente und der staatlichen Förderung von privaten Systemen der betrieblichen Altersvorsorge.

Das waren durchaus problematische Kampagnen, weil sie die sachlichen Erwägungen zur Gestaltung der gesellschaftlichen Regelungen erschwerten. Bei den Kampagnen zu Krieg und Rüstung geht es aber dann um viel Gravierenderes: um die Erhaltung des Friedens.

Wie die Kampagnen dazu laufen, erleben wir täglich beim Blick in unsere Öffentlichkeit und auf unsere Medien. Auf ein besonderes drastisches Beispiel will ich zum Abschluss dieses Kapitels noch hinweisen:

Bundeskanzler:
Scholz würde Wehrdienst heute nicht mehr verweigern

rtf1.de/news.php?id=32631

Kiels OB Ulf Kämpfer, einst Wehrdienstverweigerer, hat sich jetzt sogar mustern lassen
Auch Kiels OB Ulf Kämpfer (51, SPD) hat seine Haltung zum Wehrdienst geändert. Der Sozialdemokrat hat jüngst sogar seine Verweigerung aus dem Jahr 1991 widerrufen. Aktuell nimmt der Politiker an einem militärischen Bootcamp für Führungskräfte teil.
bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/habeck-wuerde-wehrdienst-nicht-mehr-verweigern-85276032.bild.html

Das sind eindeutig Zeugnisse einer mit dem Ziel der massiven Umwälzung der öffentlichen Meinung betriebenen Kampagne. Wir sind auf Aufrüstungskurs. Das tut der Rüstungswirtschaft gut. Wir sind auf Kriegskurs. Das tut uns allen nicht gut.

Wenn die Bildung der Meinung von Menschen und damit auch der öffentlichen Meinung so sehr von Interessen und Kampagnen geprägt ist, wie es zuvor sichtbar wurde, dann können wir nicht mehr von demokratischer Meinungsbildung sprechen. Die Meinungsbildung selbst und das Ergebnis an öffentlicher Meinung und die daraus folgenden politischen Entscheidungen entsprechen nicht mehr den grundlegenden Interessen der Menschen. Das Ergebnis entspricht den finanziellen Interessen der Meinungsmacher und dem politischen Interesse von gewissenlosen Hasardeuren.

Wenn Ihnen dieser Text etwas an Erkenntnis gebracht hat oder Ihre eigenen Beobachtungen bestätigt hat, dann bitte leiten Sie diese Analyse weiter. Sprechen Sie mit Freunden, mit Ihrer Familie und Bekannten über das dramatische Phänomen der Beschädigung der demokratischen Willensbildung in unserem Land. Diese Selbsterkenntnis ist übrigens auch wichtig für den besseren, friedlicheren Umgang mit anderen Völkern und Ländern.

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