Die Sprengung von Nord Stream und die erbärmliche Reaktion der deutschen Politiker und Journalisten

Die Sprengung von Nord Stream und die erbärmliche Reaktion der deutschen Politiker und Journalisten

Die Sprengung von Nord Stream und die erbärmliche Reaktion der deutschen Politiker und Journalisten

Oskar Lafontaine
Ein Artikel von Oskar Lafontaine

Vor einem Jahr wurden die Gasleitungen Nord Stream gesprengt. Das war eine Kriegserklärung an Deutschland. Die Mehrheit der Politiker und Journalisten ducken sich weg und weigern sich, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Es ist ja auch mehr als peinlich: Wenn es die Ukrainer waren, wie deutsche Rechercheteams herausgefunden haben wollen, und wenn die ukrainische Armeeführung es wusste – nur der “Saubermann” Selenski war nicht informiert -, dann müssten wir sofort jegliche militärischen und finanziellen Hilfen an die Ukraine einstellen. Nur zur Aufnahme der Kriegsflüchtlinge müssten wir weiter bereit sein. Wenn es die Amerikaner waren, wie der Star-Reporter Seymour Hersh auch jetzt wieder geschrieben hat, dann können wir nicht in einer NATO bleiben, die von einem Staat geführt wird, der diesen Terrorakt durchgeführt und damit Deutschland den Krieg erklärt hat. Von Oskar Lafontaine.

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Den jämmerlichen Zustand der deutschen Politik und des deutschen Journalismus offenbart die Tatsache, dass viele Berichte auf den Kronzeugen Joe Biden verzichten, der am 7. Februar 2022 ankündigte, im Fall eines russischen Einmarschs in die Ukraine „wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben“. Und auf Nachfrage, wie er das bei dem unter Kontrolle Deutschlands stehenden Projekt genau machen wolle, dann sagte: „Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen.“ Während der CDU-„Experte“ Kiesewetter direkt nach der Sprengung wusste, dass die Russen ihre eigene Leitung zerstört hatten, entblödeten sich einige Journalisten nicht, trotz der unmissverständlichen Aussage des US-Präsidenten zu schreiben, es gäbe keine Hinweise darauf, dass die USA für diesen Terrorakt verantwortlich seien.

Seymour Hershs Darstellung, die auf den unverzichtbaren Nachdenkseiten auch in deutscher Übersetzung nachzulesen ist, ist für mich die überzeugendste, weil er das von den USA seit 100 Jahren verfolgte geostrategische Ziel zur Begründung dieses Terroraktes heranzieht: Ein Zusammengehen preiswerter russischer Rohstoffe und deutscher Technik wollen die USA verhindern, um ihre Vormachtstellung auf dem eurasischen Kontinent zu sichern.

Entgegen der täglichen Propaganda brauchen wir die USA nicht, um unsere Sicherheitsinteressen zu wahren. Die USA schützen uns nicht. Durch ihre unglaubliche Anmaßung – ein Land, das 4 Prozent der Weltbevölkerung umfasst, will die Welt beherrschen – drohen sie uns, durch ihre Absicht, die Ukraine zu einem militärischen Vorposten Washingtons auszubauen, in einen auf Europa begrenzten Nuklearkrieg zu verwickeln. Ein Zusammengehen Deutschlands mit Frankreich genügt. Man vergleiche nur die Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und Militärhaushalte Deutschlands, Frankreichs und Russlands.

Wenigstens einer wusste vor einem Jahr sofort Bescheid und war ehrlich: Der ehemalige polnische Außenminister und Ehemann von Anne Applebaum, einer bekannten Vertreterin der kriegslüsternen US-Neocons. Radoslaw „Radek“ Sikorsky twitterte am 27. September 2022 „Danke, USA“. Auch die unverhohlene Freude über den gelungenen Terrorakt von US-Unterstaatssekretärin Victoria Nuland („Senator Cruz, genau wie Sie bin ich, und ich denke, auch die Regierung, sehr erfreut zu wissen, dass Nord Stream 2 jetzt, wie Sie gerne sagen, ein Stück Metall auf dem Meeresgrund ist“) und von US-Außenminister Antony Blinken („enorme Chance“) spricht Bände.

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