Corona-Politik: Entschuldigt euch endlich!

Corona-Politik: Entschuldigt euch endlich!

Corona-Politik: Entschuldigt euch endlich!

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Weigerung, die Verantwortung für die Unterstützung der Corona-Politik zu übernehmen, ist ein gesellschaftlicher Bremsklotz und wird zunehmend zum Problem. Während sich Journalisten und Politiker in einigen anderen Ländern entschuldigt haben für die Lockdowns, das einsame Sterben der Alten, den Impfdruck, die Hetze gegen Andersdenkende und den Umgang mit Kindern, ist hierzulande eine zerstörerische Sturheit festzustellen: Der Weg der Versöhnung wird blockiert. Ein bemerkenswertes Beispiel liefert einmal mehr Alena Buyx vom deutschen „Ethikrat“. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Lähmung in Deutschland beim Thema Corona-Aufarbeitung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in anderen Ländern ein besserer Ansatz gewählt wurde. So zahlt Slowenien laut Frankfurter Rundschau seinen Bürgern alle Corona-Bußgelder zurück – und zwar ausnahmslos. Laut Medienberichten will die linksliberale Regierung damit das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat wieder stärken. Alle noch laufenden Verfahren in Zusammenhang mit Covid-Verstößen werden demnach eingestellt. Einträge in Strafregistern werden gelöscht, bereits bezahlte Strafen samt Verfahrenskosten rückerstattet.

Das ist nicht nur auf juristischer Ebene wichtig, sondern auch auf symbolischer: Justizministerin Dominika Švarc Pipan erklärte, dass der Staat mit diesem Gesetz eine moralische Verantwortung übernehme. Damit werde das Unrecht wiedergutgemacht, das den Bürgern „durch den Missbrauch des Strafrechts sowie durch verfassungswidrige und übermäßige Eingriffe in die Menschenrechte“ angetan worden sei, sagte sie laut Medien bei der Debatte im Parlament zum Gesetzesentwurf. Die sozialdemokratische Ministerin sagte außerdem:

„Möge dies eine Lehre für uns alle sein, damit so etwas nie wieder passiert.“

In Deutschland ist man weder bereit zum Straferlass noch zur Erkenntnis, dass eine Wiederholung der während der Corona-Zeit erlebten staatlichen und medialen Willkür unbedingt verhindert werden muss. Aktuelle Versuche, etwa des Robert Koch-Instituts, das eigene Vorgehen selber zu evaluieren, müssen als unseriös konsequent zurückgewiesen werden, wie etwa Infosperber schreibt.

Um eine Wiederholung von mit unseriösen Daten begründeter Willkürpolitik auszuschließen, müsste einmal ohne Wenn und Aber festgestellt werden, dass die Politik falsch war und auch dass sie nicht alternativlos war. Dieser Schritt wird verweigert, was ein Vergehen an der Gesellschaft ist: Der ungelöste Konflikt und die durch die Hetze aufgeworfenen Gräben, die nicht überwunden, sondern eher noch vertieft werden, binden massenhaft Energien, die anderswo gebraucht würden.

Gefahr der Wiederholung wird billigend in Kauf genommen

Außerdem: Wer die Corona-Maßnahmen verteidigt hat, sollte zu heutigen Spaltungen der Gesellschaft schweigen. Eine Verweigerung der Aufarbeitung ist eine verantwortungslose gesellschaftliche Bremse, außerdem ist das Verhalten egoistisch motiviert: Nur um nicht an ihre eigene Rolle bei der Corona-Politik erinnert zu werden, verhindern viele Akteure eine seriöse Analyse und nehmen dadurch verlängerte Schäden an der Gesellschaft und die Gefahr einer Wiederholung billigend in Kauf.

Ein Wort noch zur Diffamierung von Kritikern der Corona-Politik als Egomane: Bei vielen Bürgern fußt die Kritik an der Corona-Politik eben nicht auf einem liberalen und „verantwortungslosen“ Freiheitsverständnis, für das etwa die FDP steht, sondern sie ist im Gegenteil sozial motiviert: Sie fußt auf der Gewissheit, dass die Corona-Politik die Gesellschaft insgesamt gespalten hat wie wenige Ereignisse zuvor und dass ihre von Beginn an absehbaren Folgen auf sozialer, menschlicher und wirtschaftlicher Ebene der realen(!) Gefahr durch das Corona-Virus nicht angemessen waren.

„Wir haben manchmal die Gesundheit über die Menschlichkeit gestellt“

Weitere Länder machen jene Schritte vor, die uns noch bevorstehen. Manche Leser werden diese Schritte als nicht weitgehend genug betrachten, aber sie sind allemal besser als das Verhalten hierzulande. Die Welt hat kürzlich in einem guten Artikel geschrieben:

„In Großbritannien trat im Juni ein Ausschuss zur Pandemie-Aufarbeitung zusammen. In Frankreich durchleuchten der Chef des Covid-Rats, der oberste Gerichtshof sowie ein Untersuchungsausschuss die Coronajahre. In Österreich erklärte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Pandemie-Lehren zur Chefsache und kündigte eine „gründliche Analyse“ samt Bevölkerungs-Befragung bis Ende des Jahres an. Die Italiener bereiten einen Untersuchungsausschuss vor. Nur in Deutschland ist vom Willen zur Aufarbeitung nichts zu spüren. Stattdessen warnt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einem neuen Virus, einer Coronawelle im Herbst. Und wirbt für die fünfte Impfung.”

In dem Text wird auch daran erinnert, dass im Juni der damalige britische Gesundheitsminister Matt Hancock vor seine Landsleute trat und sich für die Pandemie-Politik entschuldigte. Zitiert wird auch der Chef des französischen Corona-Rats:

„Wir haben manchmal die Gesundheit über die Menschlichkeit gestellt“.

Aufarbeitung „am Rande der Politiksimulation“

Diesen Tendenzen der (relativ) verantwortungsvollen Reflexion steht die deutsche Realität gegenüber. Laut den Recherchen der Welt zeigen viele Politiker hierzulande wenig Bereitschaft zur Aufarbeitung oder zur Bitte um Verzeihung. So hatte der Bundestag mit 577 von 736 Stimmen eine Durchleuchtung des Pandemiegeschehens im April abgelehnt.

Seitdem gelte eine Enquete-Kommission des Parlaments als beste Option. Dagegen hätten aber etwa die Grünen klar Ablehnung signalisiert. Die SPD findet eine Enquete-Kommission (angeblich) prinzipiell gut, sieht aber den Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen. Im Kanzleramt betrachte man das Thema als abgeschlossen: „Die zur Bewältigung der Pandemie getroffenen staatlichen Maßnahmen von Bund und Ländern sind bereits in verschiedenen Formaten ausgewertet worden“, teilt eine Regierungssprecherin auf Anfrage der Welt mit. Das Gesundheitsministerium habe auf Anfrage mitgeteilt, die Lehren aus der Pandemie habe die Bundesregierung doch schon gezogen: Die Früherkennung sei verbessert, die Meldewege seien digitalisiert, die Produktionskapazitäten für Impfstoff gesteigert, eine Long-Covid-Kampagne gestartet. Und international trete die Bundesregierung für „angepasste Reaktionsmechanismen“ ein.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat auf eine Anfrage der Welt gar nicht geantwortet. Und sein Vorgänger, Joachim Gauck, lässt ausrichten, dass er zum Thema Pandemie nichts sagen möchte.

Es gibt einige Vorstöße auf Länderebene – aber: In Baden-Württemberg arbeite zwar eine Enquete-Kommission, allerdings mit überraschenden Methoden: Gegen den Willen von FDP und SPD seien die Verbände von Kliniken, Schulen und Einzelhandel von den Anhörungen ausgeschlossen worden. SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl: „Die Enquete tanzt am Rande der Politiksimulation“. In Brandenburg dagegen gehe es robuster zur Sache, so die Welt, hier hat die AfD einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt.

Alena Buyx und die „unerwiderte Solidarität“

Die (im besten Fall) Untätigkeit ist auch auf anderen Ebenen zu beobachten. Gerade fiel etwa Alena Buyx vom deutschen „Ethikrat“ mit einer Äußerung auf, mit der mittels Fatalismus und höherer Gewalt („es“) eine Aufarbeitung in die Ferne gerückt werden soll. Zusätzlich soll mutmaßlich suggeriert werden, dass die Chance dafür ohnehin bereits verstrichen sei. Außerdem wird ein gegenüber Kindern und Jugendlichen ausgeübter (evidenzloser) „Zwang“ indirekt mit „unerwiderter Solidarität“ übersetzt:

„Uns als Gesellschaft ist es genommen worden, die Zeit der Pandemie gemeinsam aufzuarbeiten und zu heilen“, sagt Alena Buyx im Heute-Journal. „Das wäre so wichtig gewesen, gerade mit Blick auf die Jungen, da gab es eine unerwiderte Solidarität.“

Immerhin: Buyx kommt nicht mehr einfach so davon mit solchen Aussagen – die Taktik, Probleme so zu beschreiben, als hätte man mit ihrer Entstehung selber gar nichts zu tun, ist durchschaubar, wie Aya Velázquez auf „X“ zeigt:

Ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts klagt an

Ein Kronzeuge für die Aufarbeitung des Verhaltens des Bundesverfassungsgerichts während der Corona-Politik könnte Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sein. Er hat kürzlich das höchste Gericht scharf dafür gerügt, dass es nach dem Prinzip „Not kennt kein Gebot“ eine Blankovollmacht für Grundrechtseinschränkungen jeder Intensität in der Corona-Zeit gegeben und vom Gesetzgeber dafür keine angemessene Sachverhaltsaufklärung gefordert habe, wie etwa Norbert Häring berichtet.

Laut Papier habe das Bundesverfassungsgericht insbesondere keine Abwägung der Verhältnismäßigkeit unterschiedlich drastischer Grundrechtseinschränkungen vorgenommen und keine Maßstäbe hierfür entwickelt. Es habe dem Gesetzgeber nicht aufgegeben, die nötigen Informationen zu sammeln, um Maßnahmen evaluieren zu können. Inzwischen werden schon solche abgewogenen Äußerungen eines ehemaligen Verfassungsrichters als „Falschinformation“ zensiert, diesmal durch den Onlinedienst LinkedIn, wie Ulrike Guerot in diesem Tweet zeigt:

„… damit so etwas nie wieder passiert …“

Eine Verhinderung der Wiederholung der während Corona erlebten Art der Politik, der Datenerhebung und der Berichterstattung ist der mit Abstand wichtigste Punkt in der Debatte (meiner Meinung nach ist er wichtiger als juristische Verfolgungen oder moralische Verurteilungen einzelner Täter). Darum soll zum Abschluss noch einmal die sozialdemokratische Justizministerin aus Slowenien zitiert werden:

„Möge dies eine Lehre für uns alle sein, damit so etwas nie wieder passiert.“