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  1. Eine Besatzungsmacht hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten
  2. Philosophin Judith Butler über Israel und Hamas: „Die Gräueltaten waren entsetzlich“
  3. Israels Armee in Gaza: Operieren ohne Narkose
  4. „Der Krieg in Gaza muss sofort aufhören, bevor Israel ein noch größeres Gemetzel anrichtet“
  5. Nahost-Staaten suchen Lösung in China – nicht in der EU
  6. Palästina abgecancelt
  7. Die vielen Kämpfe der Ukraine
  8. Rüstungsknotenpunkt Ukraine
  9. China-Experte Wolfram Elsner: „Der Westen ist überall erkennbar im Niedergang“
  10. Nord Stream und die Ukraine: Über geheimdienstliche Plaudertaschen, Washington Post und Spiegel+, und was das alles mit DDR-Elefanten-Witzen zu tun hat
  11. Grüner Wasserstoff: Raffinerie Heide bricht Vorreiter-Projekt ab
  12. Offener Wut-Brief an die Deutsche Bahn: „Wir Mitarbeiter an der Basis leiden täglich!“
  13. Träumen Sie schlecht, Frau Klatten?
  14. EU: Zulassung für Glyphosat verlängert
  15. Wie stark Ärzte an NS-Verbrechen beteiligt waren

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Eine Besatzungsmacht hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten
    Kann Israel einen Selbstverteidigungskrieg gegen ein von ihm besetztes Gebiet führen?
    Zunächst einmal muss daran erinnert werden, dass Israel offiziell eine Besatzungsmacht ist und seine Präsenz in den palästinensischen Gebieten gemäss der Resolution 242 (1967) des Uno-Sicherheitsrats illegal ist. Folglich ist der Widerstand gegen diese Besatzung legal. Die Resolution 45/130 (1990) der Generalversammlung gibt den Palästinensern das Recht auf Widerstand «mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, einschliesslich dem bewaffneten Kampf».
    Genau aus diesem Grund erkannte Russland vor seiner Intervention in der Ukraine am 21. Februar die Unabhängigkeit der Donbas-Republiken an. Dies ermöglichte es diesen beiden Republiken, Russland um Hilfe zu bitten, um einen Verteidigungskrieg gemäss Artikel 51 der Charta gegen die beginnende ukrainische Offensive zu führen. Ich hatte diesen Mechanismus in meinen Büchern über den Ukraine-Konflikt und in Ihrer Zeitung beschrieben.
    Würde – ironischerweise – Israel die Existenz eines palästinensischen Staates anerkennen, könnte es einen Verteidigungskrieg gegen ihn führen. Israels international anerkannter Status ist jedoch der einer Besatzungsmacht, und als solche ist es seine Verantwortung, die palästinensische Bevölkerung zu schützen, nicht sie zu zerstören.
    Ist das Timing des Überfalls auf eine gewollte Störung der vorsichtigen Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten zurückzuführen?
    Nein, das glaube ich nicht. Es ist vielmehr die Konsequenz einer Situation, die Israel auf seinem eigenen Territorium nicht mehr unter Kontrolle hat.
    Man spricht von 10 000 toten Zivilisten in Gaza, davon ungefähr die Hälfte Kinder. Ist die Zahl realistisch?
    Die Zahlen stammen vom Gesundheitsministerium in Gaza. Sie sind daher nicht mehr oder weniger zuverlässig als die von Israel angegebenen Zahlen. Im Gegensatz zu Israel, das noch nicht alle Namen seiner Opfer deklassifiziert hat, haben die palästinensischen Opfer jedoch einen Namen und eine feststehende Identität. Dies lässt vermuten, dass die palästinensischen Zahlen glaubwürdig sind.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus
  2. Philosophin Judith Butler über Israel und Hamas: „Die Gräueltaten waren entsetzlich“
    Judith Butler ist weltweit eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Feld der Philosophie. In Deutschland gibt es eine breite Anhängerschaft besonders unter Studierenden, das belegt der Zuspruch bei ihren Auftritten an deutschen Universitäten. Aufgrund ihrer Haltung zu Israel ist Judith Butler aber in den letzten Jahren in die Kritik geraten, besonders in Deutschland. Gestern erklärte sie daher in einigen kurzen Statements für die Wochenzeitung „Die Zeit“, dass sie Angst habe, sich in Deutschland öffentlich zu zeigen, da sie massiv bedroht werde.
    Sie ist Mitunterzeichnerin des Briefes „Philosophy for Palestine“, der aufgrund einer mangelnden Inblicknahme des Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober kritisiert worden ist. Unter anderem kritisierte die Politologin Sheyla Benhabib den offenen Brief in scharfer Form. Wir hatten die Gelegenheit, Judith Butler einige Fragen zu stellen, um ihre Position, die genau wie die der anderen Interviewpartner:innen nicht die Position der Frankfurter Rundschau wiedergibt, darzustellen, so dass die Leserschaft sich selbst ein Urteil über den komplexen Sachverhalt bilden kann. (…)
    Die an der israelischen Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten waren entsetzlich und können weder hingenommen noch rationalisiert werden. Aber wenn wir uns für die Gründe interessieren, warum es zu dieser Gewalt kam, sollten wir in der Lage sein, die Geschichte zu rekonstruieren, um sie besser zu verstehen. Historisch zu verstehen, warum es zu dieser Gewalt kam, ist nicht gleichbedeutend mit der Billigung von Gewalt. Eine Geschichte darzustellen und ein moralisches Urteil zu fällen, ist nicht dasselbe.
    neu darüber nachdenken, wie sich Staatsgebilde im Laufe der Zeit verändern können und sollten.
    Quelle: FR Online

    Anmerkung unseres Lesers R.J.: Das Interview mit der Philosophin Judith Butler über Israel und die Hamas ist eine wohltuend differenzierte Stellungnahme, die auch ein besonderes Licht auf die Diskussion in Deutschland wirft. Parallelen zum Krieg in der Ukraine lassen sich unschwer erkennen (kein Krieg ohne Vorgeschichte).

  3. Israels Armee in Gaza: Operieren ohne Narkose
    Wenn ich als Chirurg im fernen, sicheren Deutschland von der Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen im belagerten und bombardierten Gaza höre, lässt mich das nicht unberührt.
    Ohnedies ist es schon grauenhaft, wenn einem neunjährigen Jungen verletzungsbedingt ein Fuß amputiert werden muss, um sein Leben zu retten – wie von dem chirurgischen Kollegen Mohammed Obeid vor Kurzem aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt berichtet.
    Dass dafür dann keine ausreichende Anästhesie verfügbar ist, überschreitet die Grenzen des Vorstellbaren. Hierzulande gibt es Einzelfälle von Berichten, dass Patientinnen und Patienten während der Operation erwacht sind, Teile davon mitbekommen und trotz Narkose Schmerzen empfunden haben.
    Leider ist das oft damit verbunden, dass Patient*innen sich trotzdem nicht wehren oder anderweitig bemerkbar machen können.
    Je nach Ausmaß des Narkoseversagens und auch des Eingriffs (Kriegsverletzungen betreffen oft auch den Rumpf, etwa die Bauchhöhle) hinterlässt das bei den Betroffenen ein Psychotrauma.
    Wenn der Patient oder die Patientin den Krieg überlebt, kann das durchgemachte lebenslange Folgen haben, und unter Umständen immer wiederkehren.
    Die hiesigen Fallberichte und Publikationen betreffen unbeabsichtigte Fälle, die überdies selten sind.
    Was in Gaza geschieht, hat hingegen System.
    Und es betrifft auch die ausführenden Chirurginnen und Chirurgen.
    Wer wie ich seit Jahrzehnten in diesem Fach arbeitet, kann erahnen, was nicht nur die Patienten, sondern auch die Kollegen jetzt in der Hölle von Gaza durchmachen. Einer menschengemachten Hölle. Die auch durch menschlichen Willen beendet werden könnte.
    Quelle: Christoph Krämer in Telepolis

    Anmerkung unserer Leserin B.W.: Ein Blick auf die katastrophale medizinische und humanitäre Lage in Gaza aus Sicht eines erfahrenen Chirurgen, der in der IPPNW friedenspolitisch aktiv ist. Er bringt uns nicht nur die menschlichen Qualen der Palästinenser und die Ohnmacht der ärztlichen Kollegen in Anbetracht dieser „menschengemachten Hölle“ nahe, sondern appelliert auch an uns, dieses Grauen nicht weiter zuzulassen, indem er dazu aufruft, unsere Forderungen direkt an unsere politischen Entscheider zu richten. Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock müssen sich für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen einsetzen, damit ausreichende humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Gaza überhaupt möglich wird. Solange unsere Regierung das nicht tut, macht sie sich an dem unermesslichen aber vermeidbaren Leiden der Menschen in Gaza mitschuldig.

  4. „Der Krieg in Gaza muss sofort aufhören, bevor Israel ein noch größeres Gemetzel anrichtet“
    Eindrucksvolle Rede des US-Wissenschaftlers beim Pre-COP28-Gipfel vor religiösen Führern der Welt in Abu Dhabi. (…)
    die größte Herausforderung der Menschheit ist, wie sie friedlich und nachhaltig auf unserem überfüllten und vernetzten Planeten leben kann.
    An dieser Herausforderung scheitern wir derzeit. Kriege haben die Welt in Flammen gesetzt. Die vom Menschen verursachte Umweltzerstörung beschleunigt sich. Auf der Erde ist es heute so warm wie zuletzt vor 125.000 Jahren.
    Ich gebe den Politikern die Schuld an dieser Entwicklung, vor allem denjenigen aus den reichen und mächtigen Staaten.
    Gerade in diesen Tagen, in denen die Staats- und Regierungschefs der Welt im Vorfeld der COP28 der Klimakrise Aufmerksamkeit schenken müssen, sind wir stattdessen in einen verheerenden Krieg im Nahen Osten verstrickt.
    Die israelische Regierung hat bereits 10.000 unschuldige Zivilisten in Gaza getötet und lehnt dennoch weltweite Aufrufe zu einem Waffenstillstand ab. Israel begeht Kriegsverbrechen, belagert Gaza, bombardiert Krankenhäuser, Krankenwagen, Schulen und Wohnviertel und richtet ein Gemetzel an.
    Die Regierung der Vereinigten Staaten legte ihrerseits ihr Veto gegen die Forderungen des UN-Sicherheitsrats und der UN-Generalversammlung nach einem Waffenstillstand in Gaza ein und verlängert damit Israels zerstörerisches Wirken.
    Darüber hinaus setzen die USA, auch angesichts des derzeitigen Krieges in Gaza, ihren rücksichtslosen Versuch fort, die Nato-Osterweiterung um die Ukraine durchzusetzen, trotz der Proteste Russlands. Das Ergebnis ist ein andauernder Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland, der die Ukraine völlig zerstören wird
    Die Politiker mächtiger Nationen, insbesondere meiner eigenen, haben uns in Kriege hineingezogen, die die Menschen nicht wollen, und sie haben Maßnahmen gegen den Klimawandel so weit verzögert, dass dieser unser Überleben gefährdet. Durch ihre unablässige Korruption haben die Politiker die Mühen von Milliarden von Menschen vereitelt.
    Warum tun sie das? Die Antworten auf diese Frage sind ebenso alt wie sie für heute relevant sind.
    Quelle: Jeffrey Sachs in Overton Magazin
  5. Nahost-Staaten suchen Lösung in China – nicht in der EU
    Angesichts des Krieges in Gaza und Israel hat die EU gleich zwei Vertreter in den Nahen Osten geschickt. Doch die Außenminister der Region suchen eine Lösung nicht in EUropa – sondern in China.
    Erst kam EU-Chefdiplomat Borrell, dann machte sich auch noch Kommissionschefin von der Leyen auf den Weg in den Nahen Osten. Borrell fordert sofortige Waffenpausen in Gaza, von der Leyen will humanitäre Hilfe.
    Beides passt nicht recht zusammen, und beides greift zu kurz. Nötig ist ein dauernder Waffenstillstand, die Aufhebung der israelischen Blockade und ein Ende der Angriffe auf Flüchtlingslager und Krankenhäuser.
    Die WHO beschreibt das von Israel mit Waffengewalt eroberte Al-Schifa-Krankenhaus als „Todeszone“. Die EU schafft es nicht einmal, die unglaublichen, unmenschlichen Szenen in Gaza zu kritisieren.
    Kein Wunder also, dass die Außenminister der Region die Lösung nicht in EUropa suchen. Vielmehr wollen Spitzenvertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und vier muslimisch geprägter Länder nach China reisen.
    Quelle: Lost in Europe
  6. Palästina abgecancelt
    In Berlin werden vermehrt propalästinensische Künstler ausgeladen, Events abgesagt. Selbst muslimische und arabische Kultur steht im Fadenkreuz. (…)
    Um aber von einer Cancel Culture sprechen zu können, darf die Absage kein einzelnes Vorkommnis sein. Tatsächlich bilden hier Berlins Theater die Avantgarde: So lud die Volksbühne jüngst den früheren Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn von einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus. Er habe sich in der Vergangenheit nicht ausreichend von antisemitischen Positionen distanziert. Das Maxim Gorki Theater sagte das Stück „The Situation“ der israelisch-österreichischen Regisseurin Yael Ronen ab. In der Komödie geht es um einen Deutschkurs in Berlin, dessen Schüler teils antiisraelische Positionen vertreten. Die Liste ist weitaus länger. (…)
    Hinter der Welle von Absagen und Ausladungen steht eine Logik, die Palästinenser kollektiv mit Terrorismus in Verbindung bringt – eine langjährige Strategie rechter israelischer Regierungen, die der palästinensische Kritiker Edward Said schon 1979 benannte. Das ist paradox, waren es doch ebenjene Regierungen, die die Hamas einst mit Geldern als Gegengewicht zur säkularen PLO aufpeppten. Benjamin Netanjahu hieß die islamistische Schreckensherrschaft der Hamas in Gaza gar gut, da sie jede Chance auf einen palästinensischen Staat verunmögliche.
    Genau dieses Denken bringt israelische Amtsträger heute dazu, von “human animals“ in Gaza zu sprechen, maximale Zerstörung zur Maxime der Kriegsführung zu erklären und unter dem Schlagwort einer „Gaza-Nakba“ ethnischen Säuberungen das Wort zu reden. Äußerungen und Taten, die aus guten Gründen nicht zu einer Cancelwelle gegen Israelis und Juden führen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unserer Leserin A.F.: Mal ein guter Kommentar bei der taz.

    dazu auch: Mehr als ein bisschen Kritik
    Israels Vorgehen in Gaza missfällt vielen in Irland. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern war noch nie besonders innig.
    In keinem Land Westeuropas ist die Kritik an Israel lauter als in Irland. Zwar hat das Parlament in der Nacht zum Donnerstag die Ausweisung der israelischen Botschafterin abgelehnt, aber mit 85 zu 55 Stimmen war das Ergebnis nicht gerade überwältigend. Die Regierungskoalition hatte argumentiert, eine Ausweisung wäre kontraproduktiv.
    Man müsse die Gesprächskanäle offenhalten, um den irischen Landsleuten die Ausreise aus Gaza zu ermöglichen, sagte der stellvertretende Premierminister Micheál Martin, der sich zur Zeit auf einer Reise nach Ägypten, Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete befindet. Außerdem müsse man alles versuchen, damit die irisch-israelische Hamas-Geisel Emily Hand, die am heutigen Freitag neun Jahre alt wird, freigelassen wird, sagte er.
    Am Mittwochabend durften 23 Personen mit irischem Pass nach Ägypten ausreisen, weitere sollen Gaza spätestens am Sonntagabend verlassen. Der irisch-palästinensische Chirurg Ahmed El Mokhallalati und seine Familie haben hingegen entschieden, in Gaza-Stadt zu bleiben, um möglichst vielen Verletzten helfen zu können.
    Bei einer weiteren Abstimmung Mittwochnacht scheiterte der Antrag, Israel beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Vorgehens in Gaza anzuzeigen, mit 77 zu 58 Stimmen. Der Antrag wurde von Sinn Féin und der linken People Before Profit, aber auch von Labour und den Sozialdemokraten unterstützt.
    Quelle: taz

  7. Die vielen Kämpfe der Ukraine
    Die ukrainische Offensive hat ihre Ziele deutlich verfehlt. Die politische Führung in Kiew zeigt sich selbstkritisch und formuliert klare Erwartungen an das Militär. Was jetzt Erfolge bringen soll.
    Vor Erleichterung weinend fallen die Bewohner der Stadt Cherson ukrainischen Soldaten in die Arme – ein Jahr ist es her, dass das ukrainische Militär Cherson aus der russischen Besatzung befreien konnte. Es war die Hoffnung auf diese Emotionen, die Präsident Wolodymyr Selenskyj bei vielen schürte, als er 2023 zum “Jahr der Rückkehr” ausrief.
    Heute ist klar: Diese Erwartungen konnten nicht ansatzweise erfüllt werden.
    Die ukrainische Offensive blieb ohne durchschlagenden Erfolg. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Im Westen wurde viel und lange diskutiert. Ob, welche und wie viele Waffen geliefert werden können. Auf Zusagen folgten keine sofortigen Lieferungen.
    Fakt ist: Das gab Russland ausreichend Zeit, eigene Stellungen auszubauen, massive Minenfelder anzulegen. Die Erwartungen an die ukrainische Offensive waren nach Ansicht vieler Militärexperten überhöht.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: Auf diesen Beitrag der ARD weise ich nur hin, weil er zeigt, welche jämmerlichen Journalisten auf der Basis unserer Rundfunkbeiträge unterwegs sind.

  8. Rüstungsknotenpunkt Ukraine
    Die Ukraine treibt den Ausbau ihrer Rüstungsindustrie voran und wirbt nach Abschluss eines Kooperationsdeals mit der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall um US-Konzerne. Wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, wird Kiew in gut zwei Wochen auf einer Konferenz in Washington auf die Ansiedlung von US-Rüstungsfabriken in der Ukraine dringen. Rheinmetall ist dort bereits präsent, steigt nun mit der Instandsetzung an der russisch-ukrainischen Front beschädigter Panzer ein und will langfristig bis zu 400 Kampfpanzer vom Typ Panther in der Ukraine fertigen – auch für den Export, da die Löhne in der Ukraine extrem niedrig sind. Die ukrainische Regierung bemüht sich um Joint Ventures westlicher Rüstungskonzerne mit der einheimischen Industrie, um einerseits künftig wegfallende Waffenlieferungen aus dem Westen ersetzen zu können, andererseits die Ukraine als zentrale Rüstungsdrehscheibe zu positionieren. Die Herstellung von Kriegsgerät soll künftig zu einer Hauptbranche der ukrainischen Wirtschaft werden; Regierungsmitglieder sehen ihr Land auf dem Weg, bis zum Jahr 2040 „die führende Nation in der Rüstungsindustrie“ zu werden.
    Quelle: German Foreign Policy
  9. China-Experte Wolfram Elsner: „Der Westen ist überall erkennbar im Niedergang“
    Im Wettstreit der Supermächte USA und China geht es auch um eine Neujustierung der Weltordnung. Im Interview erläutert der Ökonom Wolfram Elsner den geopolitischen Konflikt.
    Herr Elsner, der Konflikt zwischen der Volksrepublik China und den USA ist international spürbar. Die Spannungen wurden auch beim Treffen von Joe Biden und Xi Jinping beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in San Francisco sichtbar. Welche globale Bedeutung hat die Apec eigentlich?
    Die Apec wurde bereits 1989, noch zur Hochzeit des monopolaren Weltsystems und dem Ende der Sowjetunion als hegemoniales Projekt der USA, gegründet, seit 1991 dann auch unter Mitgliedschaft Chinas. Washington hatte unter Präsident Barack Obama 2011 die Asien-Pazifik-Region zu seiner zentralen Interessen- und Einflusssphäre erklärt. Das Weiße Haus nannte die Strategie „Schwenk nach Asien“ („Pivot to Asia“), mit deutlichen Anti-China-Akzenten. Der Isolationist und Nato-Skeptiker Donald Trump hatte sich 2017 aber aus dem Transpazifischen Handelsabkommen TPP, das zahlreiche Pazifik-Anrainer gegen China verbünden sollte, Knall auf Fall zurückgezogen.
    Was waren die direkten Folgen für China?
    China strahlt wirtschaftlich und diplomatisch immer weiter in seine asiatisch-pazifische Nachbarschaft aus: Es ist integraler Bestandteil der Vereinigung südostasiatischer Länder (Asean), Indien und Russland sind mit China Gründungsmitglieder der Brics und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), mit jeweils mehr als 20 Kandidatenländern. Das von China angestoßene globale Infrastrukturprojekt der Neuen Seidenstraße vereint zahlreiche Partner und immer mehr integrierende Projekte auch in Südostasien. Und seit 2020 arbeitet die südostasiatische Freihandelszone RCEP mit China als wichtigstem Promotor und nicht nur mit verbaler Anerkennung der klassischen Freihandelsprinzipien der WTO ausgesprochen erfolgreich. Sie hat erkennbar Südostasien zum dynamischsten Zentrum und Wirtschaftsmotor der Welt gemacht. China trägt inzwischen 33 Prozent zum Wachstum des Weltsozialprodukts bei. Eine jahrtausendealte historische Normalität in den globalen Strukturen setzt sich wieder durch. 400 Jahre alter euro-angelsächsischer Kolonialismus, Imperialismus und autistische Selbstzentriertheit werden sich bald als Ausnahmefall der Geschichte erweisen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung unserer Leserin B.K.: Das geht in der deutschen Öffentlichkeit gänzlich unter, lediglich dass wir jetzt einige Marineschiffe dahin entsenden wollen, wird mit Erstaunen zur Kenntnis genommen.

  10. Nord Stream und die Ukraine: Über geheimdienstliche Plaudertaschen, Washington Post und Spiegel+, und was das alles mit DDR-Elefanten-Witzen zu tun hat
    Zu meinen Lieblingswitzen in der DDR gehörte der, wie verschiedene Länder über den Elefanten schreiben. Die USA gaben einen Band heraus: Alles über den Elefanten. Es folgte Frankreich mit zwei Bänden: Alles über den Elefanten und Das Liebesleben des Elefanten. Die Sowjetunion veröffentlichte drei Bände: Der Elefant vor der großen sozialistischen Oktoberrevolution, Der Elefant nach der großen sozialistischen Oktoberrevolution und Der Elefant im Kommunismus. Die DDR publizierte vier Bände: drei waren Übersetzungen aus dem Russischen. Der vierte titelte: Der DDR-Elefant – der kleine Bruder des sowjetischen Elefanten.
    Dieser alte Witz ging mir durch den Kopf, als ich die Veröffentlichungen des Rechercheteams von Washington Post und Spiegel bei Spiegel+ (Bezahlschranke), bzw. in der Washington Post las und beides verglich.
    Beide beglückten mit jeder Menge geheimdienstlich zugeraunter Beinahe-Gewissheiten, aber ganz unpatriotisch flog mein Herz dem Washington Post-Artikel zu.
    Diese imperiale „Erstausgabe“, flott geschrieben für ein heimisches Publikum, das nur um sich selber kreist, rückte schon mal eingangs alles in den richtigen Kontext. Also die Attacke auf Nord Stream war eine „umstrittene Sabotageaktion“, die die USA und auch Europa mit Besorgnis erfüllt hatte. Was daran genau „umstritten“ war, verraten die Verfasser nicht. Die öffentlich verlautbarte Besorgnis in Übersee, aber auch in Europa hielt sich bekanntlich in Grenzen. Die erste Erklärung des US-Außenministers Blinken war ungefähr so dramatisch wie eine Durchsage, dass der nächste Bus, der im Takt von 20 Minuten fährt, leider ausfällt.
    Später fiel ihm auf, welche „großartige strategische Möglichkeit“ alles bot. Frau Nuland fand es „erfreulich“, dass Nord Stream nur noch ein Stück Metall am Grund der Ostsee ist.
    Im Übrigen hieß es, dass alles genau untersucht werden muss. Und Nein, wir Amis waren das nicht. Der Kreml lügt wie gedruckt.
    Obschon, irgendwie traf die Einschätzung der Washington Post auch zu. Schließlich was der Anschlag auf Nord Stream so spektakulär (Spiegel+), man kann auch sagen, ein fürchterliches Jahrhundertereignis, staatswohlgefährdend, zumindest für Deutschland, das deshalb (?) alles geheim bleiben muss. Sonst erfahren wir nichts von anderen Geheimdiensten. Da ist schon zu begrüßen, dass eine ganze Geheimdienstwelt inzwischen schwatzt, dass es nur so kracht.
    Quelle: Petra Erler
  11. Grüner Wasserstoff: Raffinerie Heide bricht Vorreiter-Projekt ab
    Die drei Unternehmen Raffinerie Heide, Ørsted Deutschland und Hynamics Deutschland werden keinen sogenannten Elektrolyseur bauen. Das hat das Firmenbündnis am Donnerstag bekannt gegeben. Vor mehr als drei Jahren hatten sie sich zu “H2 Westküste GmbH” zusammengeschlossen, um im Rahmen des Projektes “Reallabor Westküste 100” eine Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff zu errichten. Diese sollte auf dem Gelände des Industriebetriebs in Hemmingstedt (Kreis Dithmarschen) entstehen. Hauptgrund für die nun bekanntgegebene Entscheidung gegen die 30-Megawatt-Anlage sind laut einer Pressemitteilung der drei Unternehmen die hohen Baukosten. (…)
    Das Projekt war seit 2020 vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Programms “Reallabore der Energiewende” mit einer Gesamtsumme von 36 Millionen Euro gefördert worden. Peter Altmeier (CDU), der zu jener Zeit Bundeswirtschaftsminister war, hatte damals in Berlin den Förderbescheid überreicht. Von der Gesamtsumme sind nach Angaben einer Firmensprecherin von H2 Westküste GmbH etwa eine Million Euro ausgegeben worden. Die Landesregierung hatte das Projekt unterstützt – im Rahmen der landesweiten Wasserstoff-Strategie galt es als eines der Vorzeigeprojekte. (…)
    Die Produktion von grünem Wasserstoff mache keinen Sinn, vor allem wegen der hohen Investitionskosten und wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken, heißt es in der Pressemitteilung. Trotz der Fördermittel lohne sich ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab wirtschaftlich nicht, so das Investoren-Konsortium.
    Quelle: NDR

    Anmerkung Christian Reimann: Nach drei Jahren haben die drei Unternehmen erkannt, dass „sich ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab wirtschaftlich nicht“ lohne. Bitte lesen Sie dazu u.a. auch bzw. erneut Viele offene Fragen zu einer globalen Energieversorgung auf der Grundlage von Wasserstoff sowie Verspielt Deutschland Vorsprung bei grünem Wasserstoff? und Wasserstoff: Wer liefert den Hoffnungsträger? jeweils mit einer Anmerkung.

  12. Offener Wut-Brief an die Deutsche Bahn: „Wir Mitarbeiter an der Basis leiden täglich!“
    In einem offenen Brief hat ein Lokführer und Mitglied bei der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) kurz vor dem ersten Bahn-Streik seinem Ärger über das Verhalten des Bahnvorstands Luft gemacht. „Ich bin mir genauso wie meine Kolleginnen und Kollegen sehr bewusst darüber, dass unsere Arbeitskampfmaßnahmen in der Öffentlichkeit mitunter auf Kritik stoßen. Sie können sich sicher sein, dass sich in unseren Reihen niemand befindet, der sich an diesen Maßnahmen erfreut oder einen Streik seiner regulären Tätigkeit vorzieht“, schreibt Sachar Schoner in seinem Brief, das auf der Webseite der GDL in Gänze zu lesen ist.
    Über mehrere Paragrafen erklärt der Eisenbahner, weshalb er und seine Kolleginnen und Kollegin so entschlossen sind, den Streik durchzuziehen. Es gehe um eine „Akkumulation an Ursachen“, die die Stimmung im Betrieb trüben. Punkt für Punkt geht Sachar Schoner die Gründe durch, warum dieser Warnstreik jetzt schon sein musste. (…)
    Zum Abschluss seines Wutbriefes richtet Sachar Schoner einen Appell an die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn: „Sie – der Bahnvorstand – legen seit Jahren die Grundlage dafür, dass der Kesseldruck der Belegschafts-Missstimmung immer mehr ansteigt. Wir haben schon lange den roten Bereich erreicht. Nun fordern wir das, was notwendig ist: Wertschätzung durch einen guten und richtigen Tarifabschluss. Bessere Arbeitsbedingungen durch weniger Wochenarbeitszeit, weniger Tage am Stück, mehr Ruhezeit und natürlich eine ausreichende finanzielle Entlastung! Nehmen Sie also Druck aus dem Kessel und gehen Sie auf unsere Forderungen ein!“
    Quelle: FR Online

    dazu: IG-Metall-Chefin wirft Lokführergewerkschaft GDL „unnötige Spaltung“ vor
    „Für uns gilt: ein Betrieb – eine Gewerkschaft.“, sagt die Chefin der IG Metall Christiane Benner. Sie kritisiert die Doppelstruktur aus EVG und GDL bei den Bahngewerkschaften. Der sehr lauten Lokführergesellschaft GDL wirft sie Provokation vor.
    Die Chefin der Gewerkschaft IG Metall, Christiane Benner, hat im Zusammenhang mit dem Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn die Lokführergewerkschaft GDL kritisiert. Mit Blick auf die bei der Bahn nebeneinander existierenden Gewerkschaften EVG und GDL sagte Benner der „Bild am Sonntag“: „Für uns gilt: ein Betrieb – eine Gewerkschaft. Ich bin kein Fan davon, dass unterschiedliche Gewerkschaften bei der Bahn Tarifpolitik machen.“
    Es gebe eine große Gewerkschaft, die sehr erfolgreich für die Belange der Bahnbelegschaft einstehe, und das sei die EVG. Dass es daneben mit der GDL eine „sehr laute Lokführergewerkschaft“ gebe, die aber „nur für eine kleine Gruppe“ einstehe und sich sonst nicht mit den Kolleginnen und Kollegen solidarisiere, führe zu einer „unnötigen Spaltung gegenüber dem Arbeitgeber“.
    Die GDL hatte am Freitag eine Urabstimmung ihrer Mitglieder angekündigt, um im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn nach einem Warnstreik in der vergangenen Woche über mögliche weitere und längere Streiks abstimmen zu lassen.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die WELT freut sich natürlich, dass der “GDL-Rambo” Claus Weselsky von Seinesgleichen als provokativer “Spalter” kritisiert wird. Nur ist Brenner nicht “Seinesgleichen”, sondern nur auf einer Linie mit den anderen arbeitgeberfreundlichen Gewerkschaften (wie Ver.di und der erwähnten EVG), die seit Jahren und Jahrzehnten gewollte Lohnsenkungen moderieren, weil angeblich nie mehr rauszuholen war, und doch bei den Stellenstreichungen, die die “Lohnmoderation” angeblich verhindern sollte, stillhalten. Der letzte Gewerkschafter Deutschlands ist dann natürlich, gemessen an dieser Kuscheltruppe, ein “Spalter”.

  13. Träumen Sie schlecht, Frau Klatten?
    Diese Woche hat mich das Interview mit Susanne Klatten in der Süddeutschen so richtig deprimiert. Sie wissen schon, Susanne Klatten ist die Enkelin des Kriegsverbrechers Günther Quandt. Er beutete im Zweiten Weltkrieg für seine Batteriefabrik, die die U-Boot-Flotte des Marine-Chefs und kurzzeitigen Führer-Nachfolgers Karl Dönitz belieferte, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus. Für diese ließ er ein eigenes KZ-Außenlager in Hannover errichten, das die SS für ihn betrieb. Hunderte starben.
    Die Fabrik hieß nach dem Krieg Varta, deren Batterien wohl in jedem bundesdeutschen Haushalt herumlagen. Klattens Vater Herbert nutzte später die Gewinne, an denen ziemlich viel Blut klebte, um BMW zu kaufen. Das hat Susanne Klatten und ihren Bruder wiederum zu Multimilliardären gemacht; in guten Jahren fließt ihnen jeweils pro Tag mehr als eine Million Euro Dividende zu. Susanne Klatten ist neben BMW noch Anteilseignerin von zahlreichen anderen Unternehmen.
    Und was sagt sie im ersten Satz? „Ich bin Unternehmerin.“ Nein, sie ist Investorin, weil es auf Dauer ein bisschen langweilig ist, herumzusitzen und das anstrengungslos verdiente Geld zu zählen. Es folgen Floskeln in der Art, wie sie auch von Friedrich Merz stammen könnten: „Deutschland muss sein Geschäftsmodell neu denken.“ Dem sehr kontrollierten Interview ist anzumerken, dass es vorab sorgfältig abgesteckt und gründlich autorisiert wurde.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: In der Tat. Und Klatten hat (zusammen mit ihrem Bruder) schon vor vier Jahren ein ähnlich weltfremdes (Gefälligkeits-)Interview gegeben mit der anscheinend ernst gemeinten Frage, wer den wohl mit ihr bzw. ihnen beiden tauschen wolle angesichts der hohen Verantwortung und dem vielen Stress, ein Zig-Milliarden-Euro-Vermögen zu managen und dafür jedes Jahr um (mindestens) eine satte Milliarde Euro reicher zu werden. Mir fielen spontan über 80 Millionen andere Menschen in Deutschland ein, die ihre eigene Unbesorgtheit sofort und gerne gegen das harte Schicksal von Quandt/Klatten eintauschen würden, aber so entfremdet sind wohl Multimilliardäre von praktisch allen anderen Menschen.

  14. EU: Zulassung für Glyphosat verlängert
    Die Zulassung des hochumstrittenen Pestizids Glyphosat wird in der EU um weitere zehn Jahre verlängert. In einem EU-Berufungsausschuss hatten sich weder genug Vertreter:innen der EU-Staaten für noch gegen einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen. Daraufhin konnte die EU-Kommission im Alleingang eine Entscheidung treffen. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, obwohl die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag versprochen hatte, Glyphosat vom Markt zu nehmen.
    foodwatch kritisiert den Wortbruch der Ampelregierung und das Einknicken der Grünen vor der blockierenden FDP. Auch die SPD hat dem Zwist nur tatenlos zugesehen, anstatt sich für das im Koaltionsvertrag versprochene Aus von Glyphosat stark zu machen. (…)
    Seit Jahren wird über die Risiken des Wirkstoff diskutiert. Angesichts von Datenlücken und der nach wie vor im Raum stehenden Bewertung der WHO-Krebsforschungsagentur (IARC) , wonach Glyphosat, “wahrscheinlich krebserregend beim Menschen” ist, hätte die Bundesregierung dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen müssen. Und eins steht fest: Für die biologische Vielfalt ist Glyphosat nachweislich Gift. Denn es vernichtet nahezu alle wild wachsenden Pflanzen, die auf den Feldern sprießen. Mit verheerenden Folgen für Insekten und Feldvögel: ihre Nahrungsgrundlage verschwindet, da alle Pflanzen, die auch als Nahrung dienen könnten, abgetötet werden.
    Die derzeitige Zulassung von Glyphosat wäre Mitte Dezember ausgelaufen.
    Quelle: foodwatch
  15. Wie stark Ärzte an NS-Verbrechen beteiligt waren
    Hunderttausende Menschen wurden im Zweiten Weltkrieg gegen ihren Willen sterilisiert oder als medizinische Versuchspersonen missbraucht. Täter waren Ärztinnen und Ärzte. Sie standen der NS-Ideologie näher, als bislang angenommen.
    Menschen in Gesundheitsberufen hatten in der NS-Zeit einen großen Anteil daran, die nationalsozialistische Rassenlehre, den Antisemitismus und die Diskriminierung von Menschen gesellschaftlich zu legitimieren. Das ist das Ergebnis eines jüngst erschienenen Berichts der Lancet-Kommission zu Medizin, Nationalsozialismus und Holocaust. Ärztinnen und Ärzte hatten demnach eine Schlüsselrolle bei der Planung und der Umsetzung unmenschlicher Praktiken. (…)
    Mediziner, das hat der Lancet-Bericht deutlich gezeigt, haben eine große Macht und tragen eine hohe Verantwortung. Ihr Tun hat Einfluss auf die Gesellschaft. Auch heute noch stehen sie vor ethischen Fragen, etwa wenn es um Operationen oder Sterbehilfe geht.
    Aus der Vergangenheit entstehe Verantwortung für unser jetziges Handeln, sagte Jürgen Dusel, Beauftragter der Bunderegierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, bei der Vorstellung des Lancet-Berichts. Sechs Millionen Juden wurden im Zweiten Weltkrieg ermordet. Hunderttausende wurden Opfer medizinischer Eingriffe und menschenverachtender Experimente. „Wir dürfen nicht vergessen, hinter jeder Zahl steht eine Person. Unsere Verantwortung endet niemals, das ist Teil unserer Geschichte. Wir dürfen nicht vergessen, alles zu tun, damit so etwas nie wieder passiert.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

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