Die hohe Inflation, das Chaos rund um den Ampel-Haushalt, die Diskussion um die Schuldenbremse wie auch die immer wieder aufflackernde Debatte zu Zinskritik und Geldsystem – all dies zeigt: Der Diskussions- und Informationsbedarf zu makroökonomischen Themen ist hoch. Passend dazu sind in jüngster Zeit zwei Bücher aus dem Bereich Postkeynesianismus / Modern Monetary Theory (MMT) erschienen, die genau diese Themen abdecken. Die Rede ist von Maurice Höfgens „Teuer!“ und von Monika Stemmers „Staat Macht Geld“. Eine Rezension von Thomas Trares.
In „Teuer – Die Wahrheit über Inflation, ihre Profiteure und das Versagen der Politik!“ beleuchtet der Autor Maurice Höfgen die Inflationsentwicklung der vergangenen zwei Jahre in all ihren Facetten – von den Ursachen über die Gewinner und Verlierer bis hin zur adäquaten Therapie. Demnach ist die aktuelle Inflation auf einen Energiepreisschock zurückzuführen und nicht etwa auf zu viel Gelddrucken, wie gern behauptet wird. Entsprechend finden sich die Profiteure vornehmlich im Ausland, etwa in Saudi-Arabien, Katar, Norwegen, den USA oder auch in Russland, also in Ländern, die über umfangreiche Energiereserven verfügen. Das Tückische an dieser Art von Inflation ist, dass sie für die Politik nur schwer zu bekämpfen ist. Deswegen sieht Höfgen die Europäische Zentralbank mit ihrer aktuellen Geldpolitik auf dem Holzweg. „Einen Energiepreisschock mit höheren Zinsen zu therapieren, ist, wie Viruserkrankungen mit Antibiotika zu begegnen. Es hilft nicht nur, es schadet sogar.“
Senkrechter unter den Ökonomen
Höfgen ist so etwas wie der Senkrechtstarter unter den progressiven Ökonomen. Noch keine 30 Jahre alt, ist er bereits wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag (u.a. war er bei dem früheren Linken-Finanzexperten Fabio de Masi), Kolumnist bei der Berliner Zeitung, YouTuber bei Jung & Naiv, und nicht zuletzt betreibt er mit Geld für die Welt auch einen eigenen YouTube-Kanal. Hinzu kommt eine umfangreiche Liste von Gastbeiträgen bei verschiedenen Print-, Online- und Fachmedien. Und als wäre dies nicht schon genug, hat Höfgen in den vergangenen drei Jahren auch noch drei Bücher geschrieben. 2020 erschien mit „Mythos Geldknappheit“ ein Buch über die MMT, 2022 folgte dann „Der neue Wirtschaftskrieg“, in dem er die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs analysierte, und 2023 schließlich „Teuer!“.
Ob gewollt oder nicht geriert sich Höfgen in seinem neuen Werk zum Apologeten des herrschenden Geldsystems. Deutlich wird dies vor allem in dem Kapitel „Angst als Geschäftsmodell“, in dem er kräftig gegen Crash-Propheten und Bitcoin-Vertreter austeilt, also gegen all jene, die im „Fiat-Geld“ die Wurzel allen Übels sehen. Über die Crash-Propheten – namentlich erwähnt er Marc Friedrich – schreibt Höfgen: „Die Methode ist stumpf, aber wirkungsvoll. Mit einer Mischung aus Halbwissen, Falschinformationen, rhetorischen Tricks, polemischer Empörung und Selbstinszenierung werden Zuschauer und Leser beschallt – hin und wieder auch mit einem Fuß über die Grenze zur Verschwörungstheorie.“
Hauptgegner Monetarismus
Sein ideologischer Hauptgegner sind jedoch die Monetaristen, die zumindest in Deutschland noch den geldpolitischen Mainstream stellen und überdies auch eine durchaus prominent und illuster besetzte Anhängerschar aufbieten können. Dazu zählen etwa der frühere Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, ZDF-Moderator Theo Koll, Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der AFD-Politiker Kay Gottschalk, aber auch Bitcoin-Influencer Roman Reher (Blocktrainer), Funk-Youtuber Mr-Wissen2Go und der bereits erwähnte Marc Friedrich.
Monetaristen gehen prinzipiell davon aus, dass Inflation vom übermäßigen Gelddrucken kommt und dass Schuldenmachen schlecht für die Wirtschaft ist. Diese Theorie werde „in Talkshows häufig unwidersprochen propagiert und verbreitet“, schreibt Höfgen. Mit zu viel Geld, das in Umlauf gebracht wird, hätten aber weder Preisschock noch Inflation etwas zu tun. „Ob Deutschland, Simbabwe oder anderen Hyperinflationsereignissen – immer wieder wird man feststellen: Am Anfang stand ein massiver Angebotsschock. Krieg, Embargos und Missernten sind der Stoff, aus dem Hyperinflationen gemacht sind.“ Für den Leser hat Höfgen am Ende dann noch eine gute und eine schlechte Nachricht parat. Die gute Nachricht: Die Inflationsrate wird wieder sinken. Die schlechte Nachricht: Das heißt nicht, dass alles wieder „gut“ wird, denn die Preise werden nicht wieder auf das Vorkrisenniveau zurückfallen.
Staat macht Geld
Das Buch von Monika Stemmer mit dem zweideutigen Titel „Staat Macht Geld“ (Geht es hier um Staat, um Macht und um Geld? Oder macht der Staat das Geld?) ist im Kern eine kompakte und ausführliche Darstellung der MMT. Dabei handelt es sich um eine moderne Variante des Postkeynesianismus, an dessen Anfang die korrekte Analyse und Beschreibung des Geldsystems steht. Woher kommt das Geld? Wieso ist es meist knapp, aber in Krisen unbegrenzt verfügbar? Wer schöpft dieses Geld? Unter welchen Umständen entsteht Inflation? Und müssen unsere Kinder die Staatsschulden später einmal zurückzahlen? Solche Fragen sind es, die Stemmer mit ihrem Buch beantworten will.
Interessant ist auch die Biografie der Autorin. Sie ist nämlich keine Ökonomin, sondern Juristin und Malerin. Seit der Finanzkrise jedoch hat sich Stemmer intensiv mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt und sich Ökonomie quasi im Selbststudium beigebracht. Entsprechend eignet sich das Buch auch sehr gut für Einsteiger und Nichtökonomen, da Stemmer die Zusammenhänge manchmal etwas unkonventionell, aber doch recht einfach und verständlich erklärt.
24 Mythen Mehrwert
Einen Mehrwert für den Leser stellen überdies die 24 Mythen dar, die Stemmer in ihrem Buch in separaten Kästchen und abgetrennt vom Fließtext in kurzer und prägnanter Weise diskutiert. Dabei handelt es sich um Trugschlüsse, Fehlannahmen und sonstige Irrungen und Wirrungen, die in der Bevölkerung zu ökonomischen Themen kursieren. Beispiele sind die Annahme, dass Geld ein knappes Gut ist (Mythos 1), dass Schulden schlecht sind, Staatsschulden sowieso (Mythos 7), dass der Zins das Problem ist (Mythos 9), dass wir stolz auf unsere Exportüberschüsse sein können (Mythos 15) oder dass die Inflation Hitler an die Macht gebracht hätte (Mythos 19).
Allerdings muss man sowohl bei Höfgen als auch bei Stemmer etwas Wasser in den Wein kippen: Denn beide äußern sich zwar kritisch zu Neoliberalismus, Marktradikalismus und Monetarismus, die aktuellen Tendenzen zur illiberalen und autoritären Demokratie sehen sie jedoch nicht. Höfgen etwa übernimmt sowohl bei Corona als auch beim Ukraine-Krieg weitgehend unkritisch das Regierungsnarrativ, und auch Stemmer findet zu Themen wie dem digitalen Zentralbankgeld keine kritischen Worte. Zudem ist ihr Buch komplett durchgegendert, was dem Lesefluss nicht gerade zuträglich ist.