Auf die Resterampe: Wie René Benko einen Warenhausriesen kaputtgerettet hat

Auf die Resterampe: Wie René Benko einen Warenhausriesen kaputtgerettet hat

Auf die Resterampe: Wie René Benko einen Warenhausriesen kaputtgerettet hat

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof geht in die dritte Insolvenz seit April 2020. Die Pleite hat sich abgezeichnet, seit der Mutterkonzern Signa vor vier Jahren als „Retter“ das Ruder übernahm und sich deren Frontmann René Benko ans Kaputtsanieren machte. Die Politik hat sich von dessen rüden Geschäftsmethoden so wenig schrecken lassen wie davon, dass der Mann vorbestraft ist. Ausbaden müssen das wie üblich die Beschäftigten, Kunden und Steuerzahler. Zum Vergessen das Ganze, denkt sich vielleicht auch der Bundeskanzler. Von Ralf Wurzbacher.

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Als die Signa Holding Ende 2019 als damaliger Karstadt-Eigner die Fusion mit der seinerzeit von der kanadischen Hudson’s Bay Company (HBC) gehaltenen Galeria-Kaufhof GmbH ins Werk setzte, zählte die Kette europaweit knapp 250 Standorte mit rund 32.000 Beschäftigten. Heute sind es 92 Filialen mit bestenfalls 15.000 Mitarbeitern. So hat René Benko Deutschlands letzten Warenhauskonzern „gerettet“. Und so wird es nach der seit Dienstag feststehenden dritten Insolvenz innerhalb von weniger als vier Jahren weitergehen: Noch mehr Geschäfte werden plattgemacht, noch mehr Werktätige auf die Straße gesetzt – und noch mehr Profite aus den verbleibenden Belegschaften herausgepresst. So funktioniert Kapitalismus.

Wie zügellos es dabei zugeht, hat der österreichische Immobilienspekulant Benko nicht erst während seiner bald zehnjährigen Karstadt-„Rettungsmission“ demonstriert. Schon davor haftete ihm der zweifelhafte Ruf an, ein beinharter Kaputtsanierer zu sein. Seine Masche: Aufkaufen, zerschlagen und die lukrativen Restbestände vergolden. Heute als Politiker so zu tun, als wäre der Zerfallsprozess von Karstadt und später Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) mit Benkos Einstieg nicht programmiert gewesen, ist nichts als Augenwischerei. Die Macher wussten, was kommt, haben die Gunst der Stunde aber lieber genutzt, sich im Licht des Tiroler „Feuerwehrmanns“ zu sonnen und beim Wähler Punkte zu sammeln. Heute, Jahre später und mit einem riesigen Scherbenhaufen auf dem Gewissen, ducken sich die Verantwortlichen weg und spielen das Unschuldslamm. Man hat es doch nur gut gemeint! Und wer hätte denn ahnen sollen, dass das Signa-Imperium einmal so ins Wanken geraten könnte.

Verurteilter Straftäter

Wem hat die Ampel und ihre Vorgängerregierung Hunderte Millionen Euro an sogenannten Hilfen zugute kommen lassen? Benko ist wegen „lupenreiner Korruption“ vorbestraft. 2014 hat ihn Österreichs Oberster Gerichtshof wegen „versuchter verbotener Intervention“ verurteilt. Es gilt damit als bewiesen, dass er über einen Mittelsmann den früheren kroatischen Premierminister Ivo Sanader bestechen wollte, damit der ein anhängiges Gerichtsverfahren zu seinen Gunsten beeinflusst. Der letztinstanzliche Richterspruch erfolgte drei Tage vor der Bekanntgabe, dass Signa Karstadt übernimmt. Die Vorwürfe standen davor aber schon bald zwei Jahre im Raum. Warum zieht man sich einen Straftäter als „Retter“ an Land? Und warum setzte Olaf Scholz (SPD) als Erster Bürgermeister von Hamburg kurz vor seinem Abschied in die Bundespolitik ausgerechnet auf Benko, als es darum ging, einen Investor für den Elbtower zu finden? Der soll sich dereinst 245 Meter in die Höhe recken, sein Rohbau misst aber bisher nur 100 Meter und noch ist offen, ob nach der Signa-Insolvenz weitergebaut wird.

Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass bei der Anbahnung des Deals manches nicht ganz sauber lief. So könnte Scholz im Jahr 2018 wenigstens einen persönlichen Kontakt zu Benko gehabt haben, der rückblickend Fragen aufwirft. Dieser soll nach Stern-Recherchen kurz vor der Auftragsvergabe stattgefunden haben und durch Österreichs früheren Regierungschef Alfred Gusenbauer (SPÖ) angebahnt worden sein. Der arbeitet schon sehr lange für die Signa-Gruppe, seit 2009 unter anderem als Aufsichtsrat und aktuell als Beiratsvorsitzender. Allerdings hat der Hamburger Senat wiederholt abgestritten, dass sich Scholz und Gusenbauer über den Elbtower ausgetauscht haben. Und besagte Unterredung mit Benko soll auch nicht stattgefunden haben, lediglich ein Treffen im Jahr 2013 wurde bestätigt. Dabei soll es um die Pläne des Unternehmers zum Kauf des Alsterhauses gegangen sein.

Schon wieder Erinnerungslücken

Der Fall weckt Erinnerungen an die „Erinnerungslücken“ des Bundeskanzlers in puncto Cum-Ex-Warburg-Affäre. Auch dabei hatte er diverse Treffen mit dem Banker Christian Olearius zunächst „vergessen“, um dann später zu behaupten, sich an die Gesprächsinhalte nicht entsinnen zu können. Die Warburg-Bank, Beteiligte am Cum-Ex-Diebstahl, blieb bekanntlich im Jahr 2006 von Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verschont, woraufhin der Elb-SPD üppige Spenden durch das Geldhaus zusprudelten. Olearius muss sich deshalb vor dem Landgericht Bonn wegen des Vorwurfs der besonders schweren Steuerhinterziehung in 14 Fällen verantworten.

Und nun schwächelt Scholz’ Gedächtnis offenbar erneut in Sachen Elbtower, wo es abermals um den Verdacht geht, Benkos Nähe zu den Entscheidern könnte den Geschäftsabschluss begünstigt haben. Scholz jedenfalls kennt Gusenbauer seit Jahren und womöglich ging die Vertrautheit ja so weit, dass der SPÖ-ler dem SPD-ler zu einem guten Abgang als Hamburgs Stadtoberhaupt verhelfen wollte. Denn nur Tage vor seinem Wechsel ins Bundesfinanzministerium wurden die Verträge besiegelt und der Scheidende stellte das Projekt höchstpersönlich im Hamburger Rathaus vor. Zitat: „Ich als Bürgermeister möchte, dass die Hamburger sagen, das hat der Scholz gut gemacht …, wenn das fertig ist.“

Plattmachen und absahnen

Von wegen: Nach dem Benko-Crash droht der Hansestadt eine Endlosbaustelle und jene Einwände, die es früher gegen den Signa-Zuschlag gab, kommen erneut zur Sprache. So sollen seinerzeit regionale Wettbewerber mit teils mutigeren Entwürfen abgeblitzt sein, schrieb etwa Welt Online. Einer soll laut Hamburger Abendblatt sogar lange Zeit vorn gelegen haben. Scholz aber habe „unbedingt Benko“ und den Entwurf von David Chipperfield gewollt. „Offenbar überstrahlte die Idee des Stararchitekten die latenten Vorbehalte gegenüber dem Investor“ aus der Alpenrepublik, schrieb die Zeitung.

Derlei Fehlgriffe passieren augenscheinlich immer dann, wenn das ganz große Geld und ganz große Versprechen im Spiel sind. Zum Beispiel war Benko angetreten, die österreichische Möbelkette Kika/Leiner vorm Ruin zu bewahren. Wie die NachDenkSeiten im Beitrag „Rette Dich vor Benko!“ berichteten, machte er nach der Übernahme lediglich mit den Immobilien Profite, während er das operative Geschäft vor die Wand fahren ließ, etliche Niederlassungen schloss und haufenweise Arbeitsplätze vernichtete. Ausgeweidet und ohne Zukunftsperspektive stieß er die Kette schließlich Anfang Juni 2023 ab, woraufhin der Käufer unmittelbar danach die Zahlungsunfähigkeit verkündete. Und wieder riecht es bei all dem nach krummen Machenschaften: Mit der Kika/Leiner-„Rettung“, mit der 2018 Regierungschef Sebastian Kurz (ÖVP) prahlen durfte, löste sich über Nacht der Ärger um eine millionenschwere Steuernachforderung an Benko im Zusammenhang mit einem früheren Geschäft in Luft auf.

„Befreiungsschlag“ – für wen?

Praktisch deckungsgleich, auch was den Zeitablauf angeht, verlief der Abriss von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), wo Signa ab Sommer 2019 das alleinige Sagen hatte. Für Benko zählten von Beginn an einzig die Immobilien und Grundstücke, die er gewinnbringend vermarkten konnte. Dafür trennte er die Gebäudebestände von den kraftlosen Betreibergesellschaften, die er mit horrenden Mietforderungen belegte. Für den Betrieb der Läden hatte er bloß Kleckerbeträge übrig, ergänzt um erpresstes Steuergeld – weil andernfalls der „Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen“ wäre –, was das Sterben auf Raten bestenfalls verlangsamte und Zeit verschaffte beim Leichenfleddern. Im Zuge der zweiten Insolvenz vom Herbst 2022 hatte Benko zugesagt, 200 Millionen Euro in die Sanierung zu stecken. Noch kein Cent davon ist geflossen. Dafür hat der Bund im Nachgang der ersten Insolvenz von April 2020 inzwischen über 680 Millionen Euro an Staatshilfen locker gemacht, von denen bereits 600 Millionen Euro abgeschrieben wurden. Was bedeutet: Das Geld ist futsch und Benko fein raus.

Jetzt also soll ein neuer Investor her, der es besser meint mit den Überbleibseln des einstigen Warenhausriesen. Auf alle Fälle müsse die Kette fortgeführt werden, ließ Unternehmenschef Olivier van den Bossche verlauten. Die neueste Entwicklung nennt er „Befreiungsschlag“. Das Wörtchen „Rettung“ hat sich wohl abgenutzt.

Titelbild: FooTToo / Shutterstock

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