Cum-Ex-Skandal: Finanzexperte de Masi stellt Strafanzeige gegen Bundeskanzler Scholz wegen „uneidlicher Falschaussage zur Warburg Affäre“

Cum-Ex-Skandal: Finanzexperte de Masi stellt Strafanzeige gegen Bundeskanzler Scholz wegen „uneidlicher Falschaussage zur Warburg Affäre“

Cum-Ex-Skandal: Finanzexperte de Masi stellt Strafanzeige gegen Bundeskanzler Scholz wegen „uneidlicher Falschaussage zur Warburg Affäre“

Ein Artikel von: Redaktion

Wie die NachDenkSeiten bereits letzte Woche berichteten, liegen neue Dokumente vor, die laut Einschätzung des Finanzexperten Fabio de Masi, der in seiner Zeit als Abgeordneter der Linksfraktion die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals maßgeblich mit ins Rollen gebracht hatte, „zweifelsfrei“, belegen, dass Kanzler Scholz vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zur Affäre um den massiven Steuerbetrug der Warburg-Bank im August 2022 unter Eid gelogen hat. In Konsequenz hat de Masi am 28. August Strafanzeige gegen den Bundeskanzler bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg erstattet. Die NachDenkSeiten dokumentieren die Anzeige im Wortlaut. Von Redaktion.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Auf dem Kurznachrichtendienst X-Twitter erläuterte am 28. August der Volkswirt und ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, der im September 2022 die Linkspartei verlassen hatte, seine Motivation, Strafanzeige gegen Bundeskanzler Olaf Scholz zu stellen:

„Wer A sagt muss auch B sagen! Ich habe eine Strafanzeige gegen den Bundeskanzler wegen uneidlicher Falschaussage zur Warburg Affäre verfasst, die dem Hamburger Generalstaatsanwalt sowie der Grünen Justizsenatorin Anna Gallina als Dienstherrin soeben vorab elektronisch übermittelt wurde! Es mag wichtigere Themen geben, Politik soll gestalten. Auch ich hätte Wichtigeres zu tun. Es ist jedoch inakzeptabel, wenn ein Kanzler einen U-Ausschuss täuscht. Der Kanzler behauptete sich am Treffen mit Cum-Ex Bankiers zu deren Steuerverfahren nicht zu erinnern, obwohl er eines der Treffen (unter fälschlicher Berufung auf einen Kalendereintrag) bestätigte, das nachweislich nicht im Kalender stand. Die behauptete Erinnerungslücke ist somit logisch nicht möglich!“

Die Hintergründe der mutmaßlichen Lügen von Olaf Scholz, nicht nur gegenüber dem Untersuchungsausschuss, sondern unter anderem auch zweimal gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestages haben die NachDenkSeiten im Artikel „Cum-Ex-Skandal: „Es kann zweifelsfrei bewiesen werden, dass Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss gelogen hat“ nachgezeichnet.

Dort findet sich auch eine Zusammenstellung aller aktuell vorliegenden Informationen, Belege und Indizien, die dafür sprechen, dass der amtierende Bundeskanzler tatsächlich unter Eid gelogen hat. Darunter Aussagen seiner langjährigen Büroleiterin, E-Mailverkehr, Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-Westfalen, Tagebuchaufzeichnungen des Miteigners der Warburg-Bank, Christian Olearius, Vermerke der Generalstaatsanwaltschaft Köln sowie Recherchen von SPIEGEL und STERN.

Zudem hat de Masi selbst, der vor seiner Abgeordnetentätigkeit auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Sahra Wagenknecht arbeitete, in diesem Video seine Argumente und Belege zusammengetragen und belegt dies anhand der Originalquellen:

Die NachDenkSeiten dokumentieren im Folgenden die gesamte, acht Seiten umfassende Strafanzeige gegen Bundeskanzler Olaf Scholz:

„Strafanzeige gegen Herrn Olaf Scholz, geb. am 14.06.1958 in Osnabrück, zur Zeit Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, wegen falscher uneidlicher Aussage, strafbar gemäß §§ 370 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO, 27 StGB sowie gemäß § 153, 162 Abs. 2 StGB.

„Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt Fröhlich! Sehr geehrte Frau Senatorin Gallina!

Die Geschehnisse, über die ich hier berichte, sind der Staatsanwaltschaft Hamburg bereits in anderen Zusammenhängen zur Kenntnis gegeben und einer Prüfung unterzogen worden. Ich möchte Ihnen jedoch neu hinzugetretene Erkenntnisse übermitteln, die eine erneute Bewertung des Sachverhalts erfordern.

Diese neuen Tatsachen widerlegen die Behauptungen des aktuellen Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, die er vor einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zur Cum-Ex Steuergeldaffäre getätigt hat, wonach er sich rundweg nicht an Treffen mit den Gesellschaftern der Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, in den Jahren 2016 und 2017 erinnere. Seine Erinnerungslücken bezogen sich laut dem Wortlaut der Aussagen von Scholz nicht nur auf den Ablauf der Treffen, sondern auf die Tatsache, dass die Treffen selbst stattgefunden haben.

1. Der Sachverhalt.

Olaf Scholz muss jedoch mindestens ein Treffen im Jahre 2017 erinnert haben, da er dieses Treffen über seinen Sprecher Steffen Hebestreit im Februar 2020 öffentlich unter (unwahrer) Berufung auf seinen Dienstkalender bestätigen ließ. Diese Angaben wiederholte Olaf Scholz auch vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss. Das Treffen befand sich aber laut Aussagen seiner Büroleiterin vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft und auch von Herrn Scholz selbst seit spätestens März 2018 nicht mehr (oder möglicherweise auch nie) in seinem Dienstkalender. Die Bestätigung des Treffens kann daher nur auf Grundlage einer Erinnerung durch Olaf Scholz erfolgt sein.

Andere Möglichkeiten, wie ein Zugriff des Hamburger Senats auf den Kalender oder eine Bestätigung über die weiteren Teilnehmer (die Warburg Gesellschafter Christian Olearius und Max Warburg) können mittels nachprüfbarer Belege wie Aussagen des Bundeskanzlers vor den Parlamenten und Antworten offizieller Stellen auf parlamentarische Anfragen sowie Behördenbescheide zu Informationsfreiheitsanfragen widerlegt werden. Sollte sich Olaf Scholz auf anderweitige Aufzeichnungen als einen Kalendereintrag berufen haben, oder den Termin nur auf Verdacht bestätigt haben, obwohl ihm darüber gar keine Aufzeichnungen mehr vorlagen, müsste er dies erklären. In diesem eher abwegigen Fall mit nicht nachvollziehbarer Motivlage hätte Herr Scholz die Öffentlichkeit über den Kalendereintrag getäuscht, nicht aber den Untersuchungsausschuss über seine Erinnerung. Da Herr Scholz sich jedoch nicht zu diesem eklatanten Widerspruch äußert, ist eine Befragung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich.

2. Würdigung entlastender Hypothesen

Dass Olaf Scholz einen Termin, über den ihm keine eigenen Aufzeichnungen (wie ein Kalendereintrag) vorlagen, ohne aktive Erinnerung bestätigt hat, wäre zunächst vollkommen widersinnig. Wieso sollte er dies tun? Wenn keine Erinnerung an einen solchen Termin und keine Aufzeichnung existiert, hätte Herr Scholz den Termin dementieren müssen oder ausführen, dass er aufgrund eines „black outs“ den Termin weder bestätigen noch dementieren kann, jedoch den Tagebüchern von Herrn Olearius Glauben schenkt. Dies hat er aber nicht getan. Eine solche Variante ist daher wenig überzeugend und wurde von Herrn Scholz bislang auch nie behauptet: Wozu hat er dann aber einen Kalendereintrag offensichtlich nur vorgetäuscht, wenn nicht um über diese Berufung auf eine (nicht vorhandene) Aufzeichnung von seiner Erinnerung abzulenken und sich konkreteren Ausführungen zum Ablauf des Treffens zu entziehen? Denn ab September 2020 berief sich Herr Scholz nach Aufdeckung weiterer Termine auf eben jene „Erinnerungslücke“, die er zuvor noch nicht behauptet hatte. Die Berufung auf einen Kalendereintrag im Februar 2020 könnte diesen später erforderlichen Strategiewechsel bereits antizipiert haben. Dies ist jedoch mithin unerheblich, da die Staatsanwaltschaft zunächst nur der Widerspruch zu interessieren hat.

Es gäbe daher tatsächlich nur eine denkbare Hypothese wie sich das vor dem Untersuchungsausschuss durch Herrn Scholz behauptete Nicht-Erinnern widerspruchsfrei begründen lässt. In diesem Fall hätte Olaf Scholz nicht seiner Erinnerung, sondern anderen Aufzeichnungen als einem Kalendereintrag eine Bestätigung des Treffens am 10. November 2017 im Hamburger Rathaus entnommen. Dies steht aber im Widerspruch zu den öffentlich getätigten Äußerungen und es gibt keinen erkennbaren Grund weshalb Herr Scholz dann zur Bestätigung des Termins nicht auf eine Nennung einer Quelle für den Termin (Kalendereintrag) entweder gänzlich verzichtet hätte oder die hier hypothetisch angenommene andere Quelle (Aufzeichnung) benannt hätte.

Diese Fragen und der damit einhergehende Vorwurf der Falschaussage lassen sich aber ohnehin nur durch eine Befragung des Bundeskanzlers durch die Staatsanwaltschaft klären.

Eine solche Ermittlungshandlung ist mindestens erforderlich, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass die Hamburger Justiz das Strafrecht auf Hamburger Politiker in hohen Staatsämtern und in der Causa Cum-Ex nicht anwendet.

3. Falsche uneidliche Aussage vor einem Untersuchungsausschuss

Somit sind die Voraussetzungen einer falschen uneidlichen Aussage, strafbar gemäß §§ 370 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO, 27 StGB StGB sowie gemäß § 153, 162 Abs. 2 StGB, gegeben. Meine Strafanzeige soll demnach die diesbzgl. Strafanzeige von Dr. Strate vom 15. Februar 2022 ergänzen, die auf der Homepage der Kanzlei Strate, Ventzke & Rauwald veröffentlicht wurde. Auf eine erneute Widergabe der dort mit hoher juristischer Kompetenz getätigten Ausführungen zur Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Hamburg sowie der strafrechtlichen Erwägungen verzichte ich und mache mir insofern die Ausführungen von Dr. Strate hierzu zu eigen.

Herr Strate hatte bei seiner Strafanzeige vor allem auf folgenden Widerspruch abgestellt: Herr Scholz hatte in einer zuvor geheim eingestuften Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 2020 gemäß Protokoll mir gegenüber seine Zurückhaltung gegenüber dem einstigen Warburg Gesellschafter Herrn Christian Olearius bei einem Zusammentreffen im Amtszimmer des Ersten Bürgermeisters am 10. November 2017 geschildert. Er sah seine Schilderungen auch durch Medienberichte bestätigt. Daraus leitete der verständige Zuhörer eine konkrete Erinnerung von Herrn Scholz an das Zusammentreffen ab. Diese Erinnerung wurde durch Herrn Scholz jedoch später vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages rundweg bestritten.

Dies stand auch im Widerspruch zu Ausführungen von Herr Scholz am 9. September 2020 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Dort bemerkte Herr Scholz gemäß Protokoll, dass er nicht mehr über viele Erinnerungen an Treffen mit Herrn Olearius und Herrn Max Warburg verfüge. Im Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft waren es sodann keinerlei Erinnerungen mehr (statt „nicht mehr viele Erinnerungen“).

Meine Strafanzeige ergänzt diese Ausführungen nunmehr um den Aspekt des fehlenden Kalendereintrags, der im eklatanten Widerspruch zu einer Erinnerungslücke steht.

4. Erinnerungslücken

Scholz behauptete erst nach einer parlamentarischen Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft, einer öffentlichen Kontroverse im Bürgerschaftswahlkampf 2020 sowie zwei Befragungen im Deutschen Bundestag sowie der Konfrontation mit weiteren Tagebuchaufzeichnungen von Herrn Olearius seinen Kalender überprüft zu haben, um zwei weitere Treffen mit den Herren Olearius und Warburg bestätigen zu können. Er diese weiteren Treffen im Jahre 2016 einräumen, die er zuvor auf Nachfrage von mir am 4. März 2020 sowie der früheren Bundestagsabgeordneten und aktuellen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, bestritten bzw. nicht eingeräumt hatte.

Diese Behauptung erst nach mehreren öffentlichen Befassungen einen Kalender überprüft zu haben ist nicht strafbar, aber eine Beleidigung des Verstands und lebensfremd. Wenn es so wäre, was abwegig ist, wäre der Bundeskanzler in seinem Urteilsvermögen und seiner politischen Amtsführung eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland.

Ich möchte zudem hier eine Aussage aus der zuvor eingeführten Strafanzeige von Dr. Strate wiedergeben: „Eine völlige Erinnerungslosigkeit – wie sie Olaf Scholz für sich in Anspruch nimmt – ist eine Erscheinung, die in der Aussage- und Gedächtnispsychologie nur im Rahmen einer sog. Post-traumatischen Belastungsstörung gelegentlich diagnostiziert wird. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.“ Vor der parlamentarischen Sommerpause 2023 wusste der Kanzler noch genau zu berichten, dass er vor etwa 40 Jahren das letzte Mal das Freibad Rahlstedt-Großlohe aufgesucht habe. Nur drei Treffen mit Bankiers sowie Telefonate und Gespräche hierzu in einer für die Stadt Hamburg bedeutenden Angelegenheit will der Kanzler jedoch partout nicht erinnern.

Selbst Abgeordnete seiner eigenen Fraktion haben sich in meiner Zeit im Deutschen Bundestag unter vier Augen über die vermeintliche Erinnerungslücke von Olaf Scholz lustig gemacht. DER SPIEGEL schreibt hierzu: „Es ist die Erzählung von Erinnerungslücken, die selbst in politischen Kreisen längst als Running Gag kursiert.“ Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil machte sich sogar höchstpersönlich über die „Erinnerungslücke“ von Olaf Scholz in einer Karnevalsrede bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst lustig. Humor kann nicht schaden, doch bei kriminellen Cum-Ex Geschäften und den Aussagen vor einem Untersuchungsausschuss geht es nicht um einen Witz, sondern das rechtsstaatliche Fundament.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat aber mit der interessanten und kuriosen Begründung entschieden, kein Ermittlungsverfahren gegen Olaf Scholz einzuleiten, da dieser eine konkrete Erinnerung im Deutschen Bundestag auch nur vorgetäuscht haben könnte. Es bestünde vor einem gewöhnlichen Ausschuss des Parlaments aber keine strafrechtlich sanktionierte Wahrheitspflicht. Mir sei der Hinweis gestattet, dass sich zuweilen der Eindruck aufdrängt, dass die der Justizsenatorin unterstellte Staatsanwaltschaft in Hamburg sei beim Thema illegaler Cum-Ex-Aktiengeschäfte und der Rolle der Hamburger Politik nur durch eingeschränkten Ermittlungseifer gesegnet ist. Meine Strafanzeige soll den Hamburger Behörden daher auch die Möglichkeit verschaffen diesen Vorwurf auszuräumen.

5. Die Beweisführung

Nun kann aber belegt werden, dass Olaf Scholz denk- und sachlogisch zumindest an ein Treffen mit Herrn Olearius und Herrn Warburg über eine konkrete Erinnerung verfügt haben muss. Dies kann, wie im Folgenden dargelegt bewiesen werden:

  1. Die Büroleiterin von Herrn Scholz, Jeanette Schwamberger, hat im April 2021 dem Hamburger Untersuchungsausschuss Termine zwischen Herrn Scholz und den Warburg Bankiers aus seinem Dienstkalender übermittelt. Der Termin am 10. November 2017 war jedoch nicht enthalten. Laut einer E-Mail von Frau Schwamberger an den Vorsitzenden des Hamburger Untersuchungsausschusses Mathias Petersen (SPD) sowie den Aussagen von Herrn Scholz im Untersuchungsausschuss (sowie dessen Aussagen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 9. September 2020) soll es beim Überspielen des Dienstkalenders von Herrn Scholz bei seinem Wechsel vom Amt des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg zum Bundesminister der Finanzen im März 2018 zu technischen Problemen gekommen sein. So schreibt das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: „Bereits im April 2021 schickte die Büroleiterin von Scholz ein Schreiben an den Untersuchungsausschuss in Hamburg. Darin berichtet sie über den Umgang mit dem Terminkalender. Als Scholz 2018 von Hamburg nach Berlin gewechselt sei, habe man die Daten aus den Jahren 2014 bis 2018 »in den Ministerkalender in Microsoft Outlook übertragen«. Die Überraschung aber steckte in zwei schlichten Sätzen: Es habe, so heißt es, »ausweislich der Presseberichterstattung« im November 2017 zwar ein Gespräch zwischen Scholz und Olearius gegeben. Aber: »Zu diesem Termin finden sich keine Einträge im Ministerkalender des Bundesministeriums der Finanzen.« In einer vom Bundeskanzleramt bisher nicht dementierten internen E-Mail aus dem April 2021, die jetzt der »Stern« enthüllte, soll die Büroleiterin noch deutlicher geworden sein. Demnach schreibt sie dort: »Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen.« Der Termin aus dem November 2017 lag also im Februar 2020 offenkundig weder in Hamburg noch in Berlin vor.

    Scholz führte vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss auch selbst aus, dass aufgrund eines IT-Problems im Bundesministerium der Finanzen im Kalender ab Mitte Oktober 2017 “ausschließlich Termine meines Amtsvorgängers, Bundesminister Altmaier” zu finden seien. “Insofern gehe ich davon aus, dass das Treffen stattgefunden haben wird, auch wenn ich daran keine eigene Erinnerung habe.”

    Das Treffen zwischen den Herren Scholz, Olearius und Warburg am 10. November 2017 befand sich somit auch nach Aussage des Bundeskanzlers im Februar 2020 nicht mehr in seinem Dienstkalender. Denn die IT-Probleme sollen laut der Darstellung von Herrn Scholz und Frau Schwamberger beim Überspielen des Kalenders von Hamburger Senat in das Bundesministerium der Finanzen aufgetreten sein. Diese Datenübertragung erfolgte aber im März 2018. Somit war auch der Termin spätestens seit März 2018 dort nicht mehr verzeichnet.

  2. Der Sprecher von Olaf Scholz, Steffen Hebestreit, bestätigte jedoch im Februar 2020 gegenüber dem Hamburger Abendblatt das Treffen zwischen Scholz, Olearius und Warburg am 10. November 2017 mit folgendem Zitat: „Zu den Aufgaben eines Ersten Bürgermeisters gehört es, mit den Wirtschaftsvertretern der Stadt im regelmäßigen Austausch zu stehen. So hat es auch ein Treffen von Olaf Scholz mit Herrn Olearius im November 2017 im Amtszimmer des Bürgermeisters gegeben, wie aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei vorliegen müsste. Wieso dies bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht berücksichtigt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Gemeint ist hier eine zuvor getätigte Kleine Anfrage der Hamburger Linksfraktion (Drucksache 21/1888), die mit Datum vom 12. November 2019 durch den Hamburger Senat beantwortet wurde. Der Hamburger Senat verneinte dort die Frage nach Treffen zwischen Mitgliedern des Senats und konkret auch von Olaf Scholz mit Vertretern der Warburg Bank im Zusammenhang mit Steuerverfahren.
  3. Aus den Angaben von Frau Schwamberger und Herrn Scholz gegenüber dem Untersuchungsausschuss ergibt sich aber zweifelsfrei, dass der Termin im Februar 2020 nicht mehr im Kalender von Herrn Scholz stand. Der Termin kann daher nur durch eine aktive Erinnerung von Herrn Scholz bestätigt worden sein. Denn ein Austausch mit Herrn Olearius und Herrn Warburg zur Bestätigung des Termins hat im Februar 2020 gemäß den Angaben des Bundesministeriums der Finanzen in Antworten auf von mir zu meiner Zeit als Bundestagsabgeordneten gestellten parlamentarische Anfragen im Deutschen Bundestag sowie auch laut den Angaben von Herrn Scholz in den zahlreichen Befragungen im Bundestag sowie der Hamburger Bürgerschaft nicht stattgefunden. Herr Scholz behauptet einen solchen Austausch zur Bestätigung des Termins auch nicht. Auch eine Bestätigung durch den Hamburger Senat kann ausgeschlossen werden, da dieser seit März 2018 laut den Angaben des Senats gegenüber dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft sowie in der Antwort auf eine Informationsfreiheitsanfrage des Journalisten Arne Semsrott nicht mehr über den Kalender verfügt. Herr Scholz muss den Untersuchungsausschuss daher über seine Erinnerungslücke belogen haben. Die Voraussetzungen von Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussage sind somit erfüllt.
  4. Das Nachrichtenmagazin DER STERN bezweifelt die Darstellung von Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss, wonach laut Scholz aufgrund eines IT-Problems im Bundesministerium der Finanzen im Kalender ab Mitte Oktober 2017 “ausschließlich Termine meines Amtsvorgängers, Bundesminister Altmaier” zu finden seien. Der Stern führt auf Grundlage von Kölner Ermittlungsakten hierzu aus: „Gegen diese Version sprechen Erkenntnisse des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen. Die Behörde, die im Rahmen ihrer Ermittlungen ein damaliges E-Mail-Postfach von Scholz beschlagnahmte, hat dieses inzwischen in einem Vermerk ausgewertet. Und siehe da: Für den 10. November 2017 sind acht Termine festgehalten, von neun Uhr morgens bis 23 Uhr abends. Scholz hat demnach etwa ein Forschungszentrum in Hamburg besucht und die Konferenz einer bekannten Stiftung der Stadt eröffnet. Ein Termin mit Olearius ist nicht verzeichnet“. Weiter berichteten Medien darüber, dass der frühere Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und aktuelle Kanzleramtsminister, Wolfgang Schmidt, in einer E-Mail-Kommunikation bemerkt hätte, dass er den Termin einst im Kalender gesehen hätte. Ermittler zogen daraus den Schluss, dass der Termin womöglich aktiv gelöscht wurde.

    Eine Löschung nach der öffentlichen Bestätigung im Februar 2020 wäre zwar reichlich widersinnig, würde Olaf Scholz in der Frage des Widerspruchs zur behaupteten Erinnerungslücke aber entlasten. Denn dann hätte ja im Februar 2020 eine Aufzeichnung über den Termin bestanden. Dies steht aber im Widerspruch zu den Aussagen von Herrn Scholz und Frau Schwamberger wonach der Termin erst gar nicht übertragen wurde. Ob der Termin nun aktiv gelöscht, nie eingetragen wurde oder nicht übertragen wurde, ist somit unerheblich. Denn sowohl Frau Schwamberger wie auch Herr Scholz bestätigen gegenüber dem Hamburger Untersuchungsausschuss, dass ein solcher Termin zumindest nach Amtswechsel von Herrn Scholz im März 2018 nicht (mehr) im Kalender stand. Zumindest widerlegen die Erkenntnisse der Kölner Ermittler aber auch die Aussage von Scholz, dass ab Mitte Oktober ausschließlich Termine seines Amtsvorgängers im Kalender enthalten seien. Somit wäre eine weitere Falschaussage von Scholz getätigt worden. Ob in Absicht oder aufgrund von Unkenntnis wäre zu prüfen.

  5. Der Hamburger Senat hat Herrn Scholz bzw. das Bundesministerium der Finanzen sogar im Wege der (unwahren) Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Hamburger Linksfraktion im Jahr 2019 zu Treffen von Vertretern des Hamburger Senats mit den Warburg Bankiers zum Steuerverfahren kontaktiert und in der erforderlichen Frist keine Antwort erhalten. Somit muss auch die Aussage von Herrn Hebestreit in zwei weiteren Punkten angezweifelt werden: Der Termin wurde nicht nur keinesfalls aus dem Dienstkalender heraus bestätigt, auch die Formulierung „wie aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei vorliegen müsste. Wieso dies bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht berücksichtigt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis“ muss als Täuschung der Öffentlichkeit aufgefasst werden. Denn dem Umfeld von Herrn Scholz muss bekannt gewesen sein, dass der Kalender in Hamburg nicht mehr vorlag, da der Hamburger Senat deswegen ja 2019 zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage Kontakt aufgenommen hatte. Somit entzog es sich auch nicht der Kenntnis des Bundesministeriums der Finanzen, warum die einschlägige Anfrage unzutreffend beantwortet wurde. Denn Herr Scholz bzw. das Ministerium hatten die begehrten Informationen nicht übermittelt. Es wäre zu prüfen, ob hierzu auch Aussagen vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss getroffen wurden. Wenn nicht, wäre diese Täuschung der Öffentlichkeit zwar verwerflich, jedoch strafrechtlich nicht unmittelbar relevant.

6. Schlussbemerkung

Eindeutig belegt ist, dass das Treffen zwischen den Herren Scholz, Olearius und Warburg am 10. November 2017 nicht auf Grundlage eines Kalendereintrages bestätigt wurde. Somit kann es denk- und sachlogisch nur auf Grundlage einer aktiven Erinnerung bestätigt worden sein. Andere hypothetische Optionen wie die Bestätigung aufgrund anderweitiger Aufzeichnungen, die Herr Scholz verheimlicht hätte, hat Herr Scholz bislang nicht angeführt. In einem solchen, eher abwegigen Fall wäre die Öffentlichkeit zwar hinsichtlich des Kalendereintrages belogen worden, was nichts strafbar ist, aber eine Lüge vor dem Untersuchungsausschuss wäre zumindest nicht nachweisbar. Der Kanzler wäre hierzu von der Staatsanwaltschaft jedoch zunächst zu befragen, da er bisher eine solche anderweitige Aufzeichnung nicht behauptet oder vorgelegt hat.

Ich bitte Sie daher, die Hamburger Staatsanwaltschaft anzuweisen, den Vorwurf der uneidlichen Falschaussage von Herrn Scholz erneut zu prüfen. Darüber hinaus bitte ich um Mitteilung eines Aktenzeichens.

Mit freundlichen Grüßen
Fabio De Masi“