Angriff auf ZDF-Team: Wie die „Tagesschau“ die Hintergründe vernebelt

Angriff auf ZDF-Team: Wie die „Tagesschau“ die Hintergründe vernebelt

Angriff auf ZDF-Team: Wie die „Tagesschau“ die Hintergründe vernebelt

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der brutalste Angriff gegen Medienvertreter ging 2020 nicht von „Querdenkern“ aus – sollten vielmehr Kritiker der skandalösen Corona-Politik mutmaßlich die Opfer der Tat werden? Vermutlich wegen einer „Verwechslung“ hatten die Angreifer dann aber ein ZDF-Team attackiert. Aktuelle Berichte zum kürzlichen Prozess gegen die Täter lassen diese Hintergründe teils im Unklaren und deuten stattdessen eine Tat „aus dem Umfeld“ einer Corona-Demo an. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In dem Prozess wegen eines Angriffs auf ein ZDF-Kamerateam im Jahr 2020 sind vier Angeklagte vergangene Woche wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Die begleitende Berichterstattung erweckt dabei teilweise den Eindruck, der Angriff auf die Journalisten sei durch „Querdenker“ verübt worden – vermutlich hatten aber bei der brutalen Attacke eigentlich Kritiker der skandalösen Corona-Politik die Opfer werden sollen. Der Angriff war laut Deutschem Journalisten-Verband der schwerwiegendste Überfall auf Journalisten im Jahr 2020 – und der ist eben nicht von den Kritikern der Corona-Politik ausgegangen, sondern von aufgehetzten Aktivisten aus dem mutmaßlich „gegnerischen“ Lager. Der Angriff hatte wohl nur wegen einer „Verwechslung“ das ZDF-Team getroffen.

Auf den NachDenkSeiten ist kürzlich Thomas Moser im Artikel Angriff auf ZDF-Team: Unter falscher Flagge? ausführlich auf den Angriff eingegangen und darauf, wie die Hintergründe des Vorfalls schon damals vernebelt und verzerrt wurden. Einige aktuelle Berichte großer Medien zum jetzigen Urteil führen diese Vernebelung fort – bis heute.

Haben „Querdenker“ das ZDF-Team angegriffen?

Hervorzuheben ist dabei ein aktueller Bericht der Tagesschau – zum einen wegen der Relevanz dieser Sendung und zum anderen wegen des besonders unseriösen Charakters des Artikels. In dem Text „Bewährungsstrafen nach Angriff auf ZDF-Team“ könnte der Eindruck entstehen, dass die Täter aus dem „Querdenker“-Milieu kommen würden. Dieser Eindruck kann dadurch entstehen, dass der (mutmaßlich pseudolinke) politische Hintergrund der Täter nicht thematisiert wird. Stattdessen wird davon geraunt, dass sich die Tat „am Rande einer Demonstration der Querdenkerbewegung“ zugetragen habe. Abgerundet wird dieses schiefe Bild dadurch, dass die Redaktion ans Ende des Artikels einen Link zu den eigenen Artikeln zum Thema „Querdenker“ platziert hat.

Durch diese Kombination könnten weniger informierte Bürger den (falschen) Schluss ziehen, dass „Querdenker“ (am Rande ihrer „eigenen“ Demo) brutal die Medien angegriffen hätten – schließlich passt diese Version ja auch sehr gut in das verzerrte und viel zu pauschale Bild, das von vielen Medien und Politikern von der sehr heterogenen Gruppe der Kritiker der skandalösen Corona-Politik gezeichnet wurde.

Es gibt weitere Berichte zu dem Prozess mit einer ähnlich verzerrenden Tendenz wie in der Tagesschau, etwa hier in der FAZ. Unter anderem die taz und das ZDF erwähnen aber immerhin den mutmaßlichen politischen Hintergrund der Täter.

„ … am Rande einer Demonstration von selbsternannten Querdenkern und Corona-Leugnern…“

Im oben erwähnten Artikel von Thomas Moser wird auch deutlich, dass diese Tendenz in der Berichterstattung schon seit dem Vorfall 2020 von vielen Medien praktiziert wurde. Der Übergriff sei „am Rande einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen” geschehen, hieß es etwa laut Moser 2023 in Berichten. Oder: Das ZDF-Team habe zuvor „bei einer Demo gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen gefilmt“ und „Stimmen corona-kritischer Verschwörungsideologen gesammelt“. Oder: Die Attacke auf das Team der ZDF-Satiresendung heute show geschah „am Rande einer Demonstration von selbsternannten Querdenkern und Corona-Leugnern“. Auch in früheren Artikeln zum Vorfall habe sich die ARD demnach bereits hervorgetan:

Viel ist noch nicht bekannt über die Hintergründe des Angriffs auf das Team der heute-show. Doch fest steht: Ein beispielloser Fall von Gewalt gegen Medienvertreter. Das Team hatte zuvor bei einer Demonstration von Verschwörungsideologen am Rosa-Luxemburg-Platz gedreht, ein Zusammenhang gilt als wahrscheinlich.“

Moser schreibt weiter:

Das war im Jahr 2020. Doch drei Jahre und eine polizeiliche Ermittlung später wird diese mutwillige Tendenz weiterhin gepflegt: ‚ZDF-Team bei Corona-Demo brutal attackiert: Anklage gegen vier Verdächtige‘, so die Überschrift eines Blattes, gestützt auf dpa. Selbst die Generalstaatsanwaltschaft Berlin spricht in ihrer Pressemitteilung zur Anklageerhebung vom Januar 2023 davon, dass die ZDF-Mitarbeiter ‚zuvor bei einer Demonstration der sogenannten ‚Querdenkerbewegung‘ gefilmt‘ haben. Tatsächlich lässt sich das Gegenteil sagen: Ein Zusammenhang ist unwahrscheinlich. Die Täter kamen nach allem, was wir wissen, nicht aus den Reihen der Corona-Kritiker, sondern erstaunlicherweise von deren Gegnern. Die Ermittlungen, die aus Staatsschutzgründen vom LKA Berlin geführt wurden, ergaben, dass die Angreifer dem sogenannten ‚linken Milieu‘ zuzurechnen seien.

Der Begriff „Querdenker“ ist eine Mehrzweckwaffe

Zwei kurze allgemeine Exkurse: Der Ausdruck „Querdenker“ ist wegen seiner fehlenden Genauigkeit als unseriös zu bezeichnen: Denn einerseits werden damit jene Bürger beschrieben, die sich in den explizit „Querdenken“ genannten Initiativen zusammengeschlossen haben. Andererseits werden mit dem Begriff aber auch oft sämtliche Kritiker der Corona-Politik bezeichnet – also auch solche Kritiker, die sich von den Initiativen mit dem Namen „Querdenken“ nicht politisch vertreten fühlen, wie das zum Beispiel bei mir der Fall ist: Ich finde, die Corona-Politik muss scharf kritisiert werden, eine Wiederholung muss ausgeschlossen werden, aber dabei berufe ich mich nicht auf die Strukturen oder das Personal der Initiativen unter dem Namen „Querdenken“. Dass der Begriff „Querdenker“ inzwischen teils als eine Mehrzweckwaffe gegen Regierungskritiker genutzt werden kann, habe ich in diesem Text beschrieben.

Dass die Angreifer gegen das ZDF-Team nicht als „links“ im klassischen Sinne zu bezeichnen sind, sollte inzwischen klar sein – auch wenn sich die Täter selber mutmaßlich als Linke sehen. Auf die Verwirrung um die Begriffe „links“, „linksliberal“, „woke“ und „pseudolinks“ wird etwa hier und hier eingegangen. Es ist wichtig, dass der pseudolinke (nicht linke!) Charakter der Täter festgestellt wird, damit nicht gute und wichtige Ideen der tatsächlichen Linken durch solche Handlungen und Haltungen in Verruf geraten.

Wann äußert sich Pia Lamberty?

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Berichterstattung ausgesehen hätte, wenn die Täter tatsächlich aus dem Spektrum der Kritiker der skandalösen Corona-Politik gekommen wären. Der Vorgang wäre mutmaßlich schon vor dem Prozess wochenlang ausgeschlachtet worden, um die Medienfeindlichkeit und die Gewaltbereitschaft der pauschal „Querdenker“ genannten Kritiker zu belegen. Pia Lamberty hätte uns vermutlich erklärt, dass die Täter abgehängte und frustrierte Verlierer sind, die „einfache Antworten in einer komplizierten Welt“ suchen würden und darum in den Sog der Gewalt gegen „die Demokratie“ geraten sind.

Aber: Die Täter kommen nun mal aus der „falschen“ Ecke, darum wird die Attacke vergleichsweise niedrig gehängt. Der nun fast schon verschämte und betont unauffällige Umgang mit dem Fall ist meiner Meinung nach ein ziemlich extremes Beispiel für das Messen mit zweierlei Maß.

Der Angriff auf das ZDF-Team selber illustriert auch die indirekten „Früchte“, die die sprachlich und inhaltlich verrohte Kampagne gegen Kritiker der skandalösen Corona-Politik getragen hat und bis heute trägt: Auch durch die Hetze aus den großen Redaktionen und von den Politikerkanzeln wurden unter anderem beim Thema Corona Andersdenkende pauschal als Gruppe so gründlich diffamiert, dass sich verwirrte Aktivisten daraus eine Rechtfertigung für Gewalt abgeleitet haben.

Titelbild: Sharaf Maksumov / Shutterstock