Die genialen Spalter von der Ampel: Mit der „Tierwohl-Abgabe“ gegen den Bauernprotest

Die genialen Spalter von der Ampel: Mit der „Tierwohl-Abgabe“ gegen den Bauernprotest

Die genialen Spalter von der Ampel: Mit der „Tierwohl-Abgabe“ gegen den Bauernprotest

Ein Artikel von: Tobias Riegel

In den Bauernprotesten hatte sich zunehmend mehr artikuliert als nur die Forderung nach Subventionen: Hier wurde kurz eine breite Ablehnung der Politik der Bundesregierung aus den verschiedensten Gründen deutlich gemacht, mit Sympathien von vielen Seiten. Zur Abkühlung der Proteste und gegen eine mögliche „Verbrüderung“ zwischen Bauern und anderen Bürgern wird jetzt unter anderem die „Tierwohlabgabe“ ins Spiel gebracht – das ist so dreist wie geschickt. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Den Protesten der Bauern habe ich mit Sympathien, aber auch mit anfänglicher Distanz gegenübergestanden – doch man muss ihren Erfolg anerkennen: Die entschlossenen, gut organisierten und friedlichen Demos, Blockaden und Versammlungen waren eine gelungene Machtdemonstration. Wie sehr die Bauernproteste Politik real beeinflussen werden, kommt auch darauf an, wie sie nun fortfahren und wie viele Menschen sich (weiterhin) mit ihnen solidarisieren. Mit dieser Solidarität hatte ich zu Beginn meine Schwierigkeiten, weil der aus Sicht der Bauern legitime Kampf für Dieselsubventionen für sich genommen noch keine allgemeine politische Stoßrichtung hat.

Es ist aber festzustellen, dass sich in der Dynamik der Proteste zunehmend mehr artikuliert hat als nur die Forderung nach Subventionen für die eigene Klientel: Hier wurde kurz eine breite Ablehnung der Politik der Bundesregierung aus den verschiedensten Gründen deutlich gemacht, mit Sympathien von vielen Seiten. Dass sich nach der gemeinsamen Forderung „Die Ampel muss weg“ viele weitere Fragen und Konflikte auftun werden, macht die Forderung nicht weniger dringend: Vor allem Gelb und Grün müssen von der Regierungsverantwortung abgelöst werden. Und dass auch etwa die CSU versucht hat, die Proteste zu vereinnahmen, entwertet nicht die Proteste selber. Dass sich die Forderungen der Proteste bisher eher dem Verteilungskampf als den Ursachen der Situation widmen, kann sich noch ändern.

Einer möglichen Tendenz der „Verbrüderung“ zwischen Bauern und anderen Bürgern wird nun entgegengetreten: Laut Tagesschau wird aktuell „zunehmend“ über die Einführung einer „Tierwohlabgabe“ gesprochen. Damit sei ein Aufpreis auf tierische Produkte gemeint, aus dessen Einnahmen „Landwirte beim Umbau ihrer Ställe zum Wohl der Tiere unterstützt werden könnten“. Das hieße: Verbraucher würden zum Beispiel mehr für Fleisch bezahlen, „um die Landwirtschaft zu stärken“. „Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen“, wirbt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) für die Abgabe und fährt fort:

„Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen.“

Dreist und geschickt

„Springen“ müssten aber einmal mehr die Bürger, die die Aufpreise wohl (zumindest indirekt) zu bezahlen hätten. In dem alten Vorschlag der nun zum „Tierwohl-Cent“ verniedlichten Abgabe heißt es wie so oft bei solchen Vorhaben, die Maßnahme solle „sozialpolitisch flankiert“ werden. Das hieß es vor der „Energiewende“ auch – aber neben der vorzeitigen Beendigung der Energiepreisbremse wird gerade eine Säule des versprochenen sozialen Ausgleichs (vorerst) begraben: Das angekündigte „Klimageld“ wird laut Medien möglicherweise erst 2027 fließen – wenn überhaupt. So viel zur Glaubwürdigkeit solcher Versprechen. Auch Teile der Landwirtschaft melden aus anderen Gründen Bedenken gegen die Abgabe an – in diesem Beitrag etwa die Milchwirtschaft.

Die „Tierwohlabgabe“ zum jetzigen Zeitpunkt ins Spiel zu bringen, ist so dreist wie geschickt. Dreist ist es, weil schon wieder die breite Bevölkerung zur Kasse gebeten werden soll, um einen von der Ampel angerichteten gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden. Direkte oder indirekte Folgen dieser Abgabe würden ja noch zur Inflation, zu den hohen Lebensmittel- und Energiepreisen, zu den noch kommenden Folgen der gerade erhöhten Co2-Abgabe und anderen Belastungen dazukommen. Mithilfe vieler Journalisten wird den Bürgern diese Zusatzbelastung vermutlich dennoch als notwendig und zumutbar verkauft werden. Dass statt einer weiteren Belastung der Normalbürger etwa eine Reichensteuer herangezogen werden sollte, wird dabei vermutlich nicht debattiert werden. Ebensowenig, dass ohne eine Beendigung des wirkungslosen Wirtschaftskriegs gegen Russland und der hemmungslosen Steigerung von Rüstungsausgaben nur ein Doktern am Symptom, eine zunehmende Verarmung der Mitte und Verteilungskämpfe um den „Rest“ zu erwarten sind.

Aber es ist eben auch geschickt, die mit den Bauern solidarischen Bürger aufzufordern, ihre Solidarität doch bitte mit ihrem eigenen Geldbeutel zu beweisen. Nach dem Motto: Jetzt zeigt doch mal, wie ernst sie gemeint ist, eure Anteilnahme mit den Bauern. Damit hat Özdemir einen potenziellen Zankapfel zwischen Bauern und den anderen Bürgern platziert. Aufreizend kommt hinzu, dass die Ampel nun ausgerechnet Proteste gegen die eigene Politik nutzt, um ein altes und unbeliebtes Projekt („Tierwohlabgabe“) als Lösung zu tarnen und es wieder in die Debatte zu schleusen.

Das alles ist anmaßend und ungerecht – aber es könnte der Ampel mit entsprechender Unterstützung vieler Journalisten mal wieder Zeit verschaffen und die aktuellen Proteste abkühlen oder gar spalten. Außerdem bietet der Vorstoß die Möglichkeit einer emotionalen Meinungsmache: Wer wollte sich denn dem „Wohl“ der lieben Tiere verschließen? Und was sind bei so einem tollen Ziel schon ein paar Cent?

Titelbild: Juergen Nowak / shutterstock.com