Vorzeitige Beendigung der Energiepreisbremse – Willkommen in der neuen Hochpreis-Realität

Vorzeitige Beendigung der Energiepreisbremse – Willkommen in der neuen Hochpreis-Realität

Vorzeitige Beendigung der Energiepreisbremse – Willkommen in der neuen Hochpreis-Realität

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Schattenhaushalten hat nun auch dazu geführt, dass die Bundesregierung die Energiepreisbremse, die aus einem dieser Schattenhaushalte finanziert wird, bereits zum Jahresende auslaufen lässt. Die Folgen des frühzeitigen Endes werden derzeit in den Medien kleingeredet – die derzeitigen Energiepreise seien ja erfreulich niedrig und die Energiepreisbremse greife ohnehin bei den wenigsten Haushalten. Das ist nur zum Teil richtig. Unterschlagen wird dabei, dass erst die Verlängerung der Energiepreisbremse von Finanzminister Lindner als „Kompensation“ für zahlreiche zum Jahreswechsel anstehende und teils vorgezogene Steuer- und Abgabenerhöhungen für Strom und Gas dienen sollte. Kompensiert wird jetzt nichts mehr, die Erhöhungen bleiben und mit ihnen dauerhaft hohe Energiekosten, die jetzt von Politik und Medien als Normalität gesehen werden. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Für sich betrachtet, ist das Auslaufen der Energiepreisbremse eher undramatisch. Die Strom- und die Gaspreisbremse begrenzen die Energiepreise für Haushalte bei 40 Cent bzw. 12 Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Nahezu alle zurzeit angebotenen Tarife liegen sowohl beim Strom als auch beim Gas unter diesen Grenzwerten, die Energiepreisbremse kommt hier also gar nicht zum Einsatz. Haushalte, die in der oft teureren Grundversorgung sind, können in der Regel binnen zwei Wochen ihren Versorger wechseln und könnten so zum Jahreswechsel in einen Vertrag mit Preisen unterhalb des Grenzwertes wechseln. Es gibt jedoch Ausnahmen. Gerade im letzten Jahr mit seinen turbulenten Preissprüngen für Endverbraucher dürften viele Kunden von einem zuvor teureren Versorger oder eben aus der Grundversorgung zu einem Anbieter gewechselt sein, dessen damaliger Angebotspreis oberhalb des jetzigen Grenzwertes lag. Diese Verträge haben in der Regel eine Laufzeit von 12 Monaten. Den Kunden war dies bislang relativ egal, da ja der Staat die Differenz zwischen dem Grenzwert und ihrem Verbrauchspreis zahlte. Diese Kunden schauen nun gleich doppelt in die Röhre, da sie nicht nur den (zu hohen) Vertragspreis, sondern auch die für alle Haushalte geltenden Erhöhungen der indirekten Preisfaktoren bezahlen müssen.

Ab dem 1. Januar fallen beispielsweise beim Strom höhere Netzentgelte an. Diese sollten eigentlich auf 11 Prozent gedrückt werden. Den Rest hätte der Staat kompensiert. Doch auch diese Kompensation sollte über einen Schattenhaushalt finanziert werden und wird nun wegfallen. Für einen Haushalt mit einem Stromverbrauch von 5.000 kWh fallen so mindestens 100 Euro Mehrkosten an. Bei Haushalten, die in einem Vertrag stecken, dessen Arbeitspreis oberhalb des Grenzwertes für die Strompreisbremse liegt, kommt dies on top zu den ab Januar anfallenden Mehrkosten.

Ähnlich sieht es beim Gas aus. Hier ist es die Rücknahme der Senkung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 7 Prozent. Dieser Punkt ist besonders heikel, da die Mehrwertsteuer eigentlich erst im April wieder erhöht werden sollte und Finanzminister Lindner die Verlängerung der Energiepreisbremse ganz ausdrücklich als Kompensation für die erst vor wenigen Wochen auf den Jahreswechsel vorgezogene Mehrwertsteuererhöhung verkauft hat. Nun kommt die verfrühte Mehrwertsteuererhöhung, aber die Kompensation wird gestrichen. Gerade beim Gas, wo der Großteil des Jahresverbrauchs in den Wintermonaten anfällt, ist dies eine gewaltige Mehrbelastung für die Haushalte.

Die Preise werden sich also so oder so erhöhen – für alle Haushalte und nicht nur für die Haushalte, die einen teuren Vertrag haben. Dies geht leider in den meisten Berichten, die auf niedrige Energiepreise verweisen, unter. Was auch untergeht, ist die generelle Einordnung der derzeitigen Preise. Es ist an sich ja eine gute Sache, dass die irre Preisrallye – die vor allem eine Folge der „Gaspolitik“ der Bundesregierung war – des letzten Jahres vorbei ist und die Preise sich auf einem Niveau stabilisiert haben. Dieses Niveau ist beim Großhandelspreis jedoch mehr als achtmal so hoch wie der durchschnittliche Gaspreis in den beiden Jahren vor Beginn der Sanktionspolitik gegen russische Gasimporte.

Großhandelspreis für Erdgas TTF

Beim Endkundenpreis schlägt diese Preissteigerung aufgrund der Preisfaktoren, die vom Einkaufspreis weitestgehend unabhängig sind, nicht so dramatisch durch. Aber schauen Sie doch einmal auf ihre Gasverbrauchsabrechnung aus dem Jahr 2020 und vergleichen Sie sie mit der Rechnung für dieses Jahr. Bei mir hat sich der Preis pro Verbrauchseinheit verdreifacht. Das heißt, dass ich für Gas dreimal so viel zahle wie vor dem Beginn der Sanktionspolitik. Nicht ganz so dramatisch ist der Preisanstieg beim Strom, da hier die indirekten Kostenanteile höher sind als beim Gas. Aber auch beim Strom liegt mein heutiger Verbrauchspreis pro Einheit um mehr als 50 Prozent über dem Wert von 2020. Das sind die Preise, die uns heute als „preiswert“ verkauft werden.

Dabei ist es ja vollkommen klar – LNG, das aufwändig verflüssigt und dann mit dem Tanker aus den USA nach Europa verschifft und hier wieder regasifiziert werden muss, ist natürlich viel teurer als sibirisches Erdgas, das in sehr großen Mengen in Pipelines importiert wird. Wenn Deutschland also keine 180-Grad-Wende hinlegt und wieder russisches Gas über die Pipelines importiert, wird auch der Gaspreis für Verbraucher auf einem hohen Niveau bleiben. Ob dieses Niveau nun stabil oder volatil ist und durch eine Gaspreisbremse stabilisiert werden muss, ist da zweitrangig und lenkt nur von der grundsätzlichen Frage ab, warum wir teures und kein preiswertes Gas importieren.

Durch die De-facto-Kopplung des Strompreises an den Gaspreis über das Merit-Order-Prinzip schlagen die unnötig teuren Gaspreise auch auf die Strompreise durch. Auch hier ist mit dauerhaft hohen Verbrauchspreisen zu rechnen und es ist Augenwischerei, darauf zu verweisen, dass die heutigen Großhandelspreise niedriger als während der Turbulenzen im letzten Sommer sind. Natürlich sind sie das. Aber mit durchschnittlich rund 100 Euro pro Megawattstunde liegen sie am Spotmarkt immer noch durchschnittlich mehr als doppelt so hoch wie vor den Sanktionen. Auch hier scheint zu gelten, dass dieses hohe Niveau als neue Normalität verstanden wird – zumindest ist dies das Narrativ, das von Politik und Medien verwendet wird.

Diese dauerhaft hohen Preise werden als alternativlos gesehen. Doch das ist falsch. Selbstverständlich könnte Gas wieder so preiswert wie 2020 sein, wenn man es auf den gleichen Wegen importieren würde wie damals. Auch der Strom könnte dann wieder preiswerter werden und würde man den Merit Order endlich abschaffen, wäre Strom aufgrund des höheren Anteils regenerativer Stromerzeugung sogar deutlich preiswerter als 2020. Die Leute würden dann wahrscheinlich freiwillig, ganz ohne Zwang zu Elektroautos und Wärmepumpen greifen. Es könnte alles so einfach sein. Aber die Politik hat sich für einen anderen Weg entschieden. Die jetzige Debatte um das vorgezogene Auslaufen der Energiepreisbremse ist da „nur“ die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Titelbild: Viktollio/shutterstock.com

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