Russisches Gas – jetzt: Alles andere ist doch nur Theater

Russisches Gas – jetzt: Alles andere ist doch nur Theater

Russisches Gas – jetzt: Alles andere ist doch nur Theater

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Das Wochenende war voll mit ablenkenden Debatten über die selbst angerichteten „Notlagen“ im deutschen Haushalt. Die Belastungen für Bürger und Wirtschaft durch Inflation und Energiepreise haben aber bekanntlich vor allem eine Ursache: den sachlich nicht zu begründenden Wirtschaftskrieg gegen Russland. Um die Situation hierzulande zu entspannen, müssten sofort Verhandlungen über russische Energielieferungen und ein Ende der Sanktionspolitik beschlossen werden. Der aktuelle Eiertanz um Schattenhaushalte ist ein Doktern am Symptom und wird zu infamen Kürzungsforderungen genutzt. Hier folgt auch eine Anmerkung zum kürzlichen Vorwurf der „Häme“ gegen Wladimir Putin. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zunächst vorweg eine Anmerkung zu meinem letzten Artikel – dort waren einige Stellen missverständlich formuliert, darum gehe ich hier noch einmal darauf ein. Es ging dabei unter anderem um diese Zitate des russischen Präsidenten Wladimir Putin:

„Und die Deutschen schlucken das alles, weil sie keine Souveränität haben und einige Regierungsmitglieder offensichtlich nicht über eine ausreichende berufliche Ausbildung verfügen, um qualitativ hochwertige professionelle Entscheidungen zu treffen. Das ist bekannt, die ganze Welt lacht über sie, ich will jetzt keine Namen nennen, aber die ganze Welt lacht wirklich über sie. Aber damit müssen sie leben.“

Wegen dieser öffentlichen Worte zur schlechten Ausbildung und der weltweiten Lächerlichkeit einer anderen Regierung hatte ich Putin die (vorher von der westlichen Propaganda eingeführte) Nutzung von Spott und Häme auf Regierungsebene attestiert und das kritisiert.

In dem Artikel ging aber Folgendes unter: Zum einen, dass die Worte bei keinem offiziellen Termin gefallen sind und es selbstverständlich gravierendere Äußerungen von Staatschefs über ausländische Kollegen gibt. Zum anderen, dass Putins Worte in dem Zitat und an einigen anderen Stellen der Veranstaltung inhaltlich zutreffend sind. Ich würde eine angeblich mangelhafte Ausbildung bei keinem Politiker öffentlich als „Argument“ ins Feld führen, aber das anti-diplomatische und nicht souveräne Agieren der Bundesregierung ist ein ernstes Problem. Und dass sich eine Regierung international unter vielem Anderen dadurch zum Gespött macht, dass sie einen Terroranschlag gegen die eigene Energieversorgung einfach so hinnimmt, kann nicht bezweifelt werden.

Ich denke auch, dass Russlands Regierung guten Grund hätte (und jede Menge Steilvorlagen durch die Bundesregierung), um ähnlich wie Teile der westlichen Meinungsmache mit diplomatischen Gepflogenheiten zu brechen und sogar auf offizieller Regierungsebene mit Hohn, Spott und unseriösen Emotionen zu antworten.

Aber: Ich würde das bedauern und auch kritisieren. Wie kann man die Verrohung auf internationaler Bühne noch kritisieren, wenn man sich auf das Niveau des Gegners begibt? Ich möchte nicht, dass sich Staatschefs öffentlich darin übertrumpfen, sich gegenseitig schlechte Ausbildung und Lächerlichkeit zu attestieren. Wer dabei mitmacht: Beteiligt er sich nicht an dem fortgesetzten Bruch wichtiger Tabus, auch wenn er wie gesagt gute Gründe für solche Retourkutschen hätte?

Es kann nicht bestritten werden, dass die russische Diplomatie, zumindest im Kontrast zum teils völlig unseriösen Auftreten mancher Staatschefs aus dem Westen, in den letzten Jahren oft durch relativ rationales Herangehen und eine gewisse Zurückhaltung in den Formulierungen auffallen konnte. Das macht eine Stärke aus, die im eigenen Interesse nicht verspielt werden sollte. Und in unser aller Interesse: Die bisherige relative verbale Zurückhaltung der russischen Regierungsebene ist angesichts der jahrelangen feindlichen westlichen Rhetorik erstaunlich – auch dieser relativen Zurückhaltung ist es zu danken, dass Europa nicht noch mehr aus den Fugen ist.

Verhandlungen über russisches Gas – jetzt

Nun zum eigentlichen Thema, das aber mit den Zitaten Putins und seiner (treffenden) Diagnose zu einer gegen die Interessen der eigenen Bürger und zugunsten von US-Interessen handelnden Bundesregierung zusammenhängt: Das Wochenende war wieder gefüllt mit Debatten um den Haushalt, die von den Ursachen der Misere ablenken – besonders bedrückend sind die furchtbaren Steilvorlagen, die nun für Meinungsmache für soziale Kürzungen genutzt werden. Dazu muss betont werden: Ein Scheitern ausgerechnet der sozialen Vorhaben der Ampelkoalition ist in meinen Augen kein Triumph über die problematische Bundesregierung.

Es ist nicht „Putins Krieg“, der die Haushalte und die Gesellschaft hierzulande erschüttert – es ist die Politik der Bundesregierung: Es gibt keine Naturgewalt und auch keine politisch-militärisch-moralisch einleuchtende Begründung, die uns zwingt, einen wirkungslosen Wirtschaftskrieg gegen Russland zu führen und damit essenzielle Rohstoffe und das Alltagsleben der Bürger zu verteuern. Und übrigens auch keinen klimapolitischen Grund, schließlich war das russische Erdgas als eine wichtige Basis der Energiewende geplant. Dass Entspannung und Handel keine naive militärische oder politische Unterwerfung gegenüber Russland bedeuten sollten, ist selbstverständlich.

Wenn man etwa noch einmal die kürzlichen Artikel von Jens Berger „Vorzeitige Beendigung der Energiepreisbremse – Willkommen in der neuen Hochpreis-Realität“ und „Die Haushaltskrise und die drei Elefanten im Raum“ liest, müsste eine logische Forderung jetzt lauten, die von Medien und der Bundesregierung aufgebauten ideologisch-moralischen Blockaden aufzulösen und sofort mit Russland über Energielieferungen und andere für beide Seiten wichtige Handelsbeziehungen zu verhandeln. Dort heißt es:

„Wenn Deutschland also keine 180-Grad-Wende hinlegt und wieder russisches Gas über die Pipelines importiert, wird auch der Gaspreis für Verbraucher auf einem hohen Niveau bleiben. Ob dieses Niveau nun stabil oder volatil ist und durch eine Gaspreisbremse stabilisiert werden muss, ist da zweitrangig und lenkt nur von der grundsätzlichen Frage ab, warum wir teures und kein preiswertes Gas importieren.“

Wäre Russland denn momentan zu Verhandlungen mit Deutschland über Energielieferungen bereit? Die Signale sind ein bisschen widersprüchlich: Präsident Putin hatte kürzlich öffentlich Gaslieferungen nach Deutschland als unproblematisch dargestellt: „Man muss nur den Knopf drücken. Dafür ist aber ein Beschluss der deutschen Bundesregierung erforderlich.“ Dagegen sagte Außenminister Sergej Lawrow betreffs Handel mit der EU: „Falls sie uns etwas anbieten, werden wir zehnmal nachdenken, abwägen, ob alle Vorschläge unseren Interessen entsprechen und wie verlässlich unsere europäischen Kollegen sind.“ Wie ernst solche öffentlichen Äußerungen der Russen momentan zu nehmen sind (in beide Richtungen), kann ich nicht abschätzen – das müsste durch Gespräche geklärt werden.

Kriegstreiber in Aktion

Handel kann unter Umständen ein gutes Vehikel für Verständigung und Annäherung sein – Handel zwischen Russland und Deutschland wäre darum aus gleich zwei essenziellen Gründen im höchsten Interesse der Bürger: zur Abmilderung der Verteuerungen und zur Prävention gegen die kriegerische „Bedrohung“ aus dem Osten, den die Bundesregierung an die Wand malt. Dass innerhalb der kritikwürdigen Bundesregierung die Grünen die stärkste kriegstreibende Kraft gegen solche annähernden Entwicklungen sind (auch, um US-Interessen zu bedienen), haben zwei Stimmen aus der Partei gerade wieder belegt.

So fordert der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer die EU auf, Russland perspektivisch mit eigenen Atomwaffen „abzuschrecken“. Und Anton Hofreiter will, dass „wir“ noch mehr für die Ukraine tun. Und er spinnt schon mal an einer Legende, die weniger gut informierten Bürgern militärische Verluste der Ukraine erklären sollen – einen der Dolche hat demnach indirekt gar der Kanzler geführt. In einem Interview mit der Welt sagt Hofreiter dazu unter anderem:

„Dass die ukrainische Offensive nicht so funktioniert hat, wie man sich das vorgestellt hat, lag schlichtweg daran, dass insbesondere das schwere Gerät, also Kampfpanzer, erst geliefert worden sind, als es der russischen Armee gelungen ist, die Front zu verminen. Und zwar auf ungefähr 200.000 Quadratkilometern, einer Fläche, die mehr als doppelt so groß ist wie Österreich. Die Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen hat sich bitter gerächt. Auch der Bundeskanzler trägt hier Verantwortung.“

Titelbild: Victoria Bee / Shutterstock

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