Putin über die Bundesregierung: „Die ganze Welt lacht über sie“

Putin über die Bundesregierung: „Die ganze Welt lacht über sie“

Putin über die Bundesregierung: „Die ganze Welt lacht über sie“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die öffentliche Häme eines ausländischen Staatschefs gegen deutsche Politiker möchte ich mir nicht zu eigen machen – aber die aktuellen deutlichen Zitate des russischen Präsidenten und auch von Außenminister Sergej Lawrow sollen hier doch wiedergegeben werden. Sie demonstrieren die verrohende Wirkung einer verweigerten Diplomatie: Denn selbst wenn man Putin nicht zustimmen sollte, zeigt die Art der Formulierungen eine deutliche Erosion des gegenseitigen Respekts auf internationaler Bühne, die durch westliche Kampagnen ausgelöst wurde. Und was bedeutet die sehr befremdliche Entscheidung, LGBTQ-Aktivitäten in Russland als „extremistisch“ zu verbieten? Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Einen Teil einer Diskussion des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit jungen russischen Wissenschaftlern hat Thomas Röper übersetzt. In den Zitaten findet sich diese Aussage Putins über die deutsche Regierung:

„Das ist bekannt, die ganze Welt lacht über sie, ich will jetzt keine Namen nennen, aber die ganze Welt lacht wirklich über sie. Aber damit müssen sie leben.“

Zum Hintergrund solcher für die internationale Bühne (und gerade für öffentlich sonst eher zurückhaltend formulierende Russen) drastischen öffentlichen Worte führt der russische Präsident vorher aus:

„Wir haben billige Energieträger, die Primärquelle ist billig, was alles billiger macht. Dazu gehören Metalle, Düngemittel – alles, was einen wesentlichen Teil unserer Exporte ausmacht, alles ist billiger als bei denen. Und sie wollen dieses Problem der Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe von administrativen Manipulationen für sich lösen.
Aber hier tauchen die heutigen Probleme auf. Erstens schränken sie ihre eigenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit uns ein. Europa schneidet sich selbst von der Quelle billiger Energie ab, oder das machen ihre Verbündeten aus den USA und schneiden sie aus politischen Gründen von unseren billigen Primärenergiequellen ab, oder sie sprengen einfach Gaspipelines oder schließen sie.

Polen hat einfach die Jamal-Europa-Pipeline, die nach Deutschland führt, stillgelegt. Die Ukraine hat einfach eines der Systeme, eines ist noch in Betrieb, geschlossen. Die Ukraine bekommt Geld aus Europa, aus Deutschland, unter anderem für Waffen, Renten, Sozialleistungen und Gehälter, aber vom russische (sic) Gas, das die Deutschen brauchen, werden sie abgeschnitten. Und die Deutschen schlucken das alles, weil sie keine Souveränität haben und einige Regierungsmitglieder offensichtlich nicht über eine ausreichende berufliche Ausbildung verfügen, um qualitativ hochwertige professionelle Entscheidungen zu treffen.“

Ich möchte mir die teils persönliche Häme eines ausländischen Staatschefs gegen die EU und deutsche Politiker wie gesagt nicht zu eigen machen und möchte diese Art des öffentlichen politischen Umgangs keinesfalls unterstützen – auch wenn dieser Umgang meiner Meinung nach eindeutig von der „anderen Seite“ provoziert worden ist. Die Äußerungen aus Russland sollen hier aber wiedergegeben werden, auch um die Respektlosigkeit zu verdeutlichen, die die Bundesregierung momentan beileibe nicht nur in Russland auslöst – unter anderem durch eine zwischen der Erfüllung von US-Interessen und der Kitsch-PR in eigener Sache wechselnden Außenministerin und einen von Finanzaffären in der Vergangenheit mutmaßlich belasteten Kanzler, die beide den ungeheuerlichen Terroranschlag gegen die deutsche Energieversorgung einfach unter den Tisch fallen lassen.

An der zunehmenden Verrohung des gegenseitigen Umgangs auf internationaler Bühne hat die westliche Seite meiner Meinung nach einen erheblich größeren Anteil, angesichts der Sanktionspolitik und der Medienkampagnen gegen Russland. Die deutsche Außenministerin hat ein moralisches Auftrumpfen auf diplomatischer Bühne gar als neue Maxime ihrer Behörde ausgegeben.

LGBTQ+-Bewegung in Russland verboten

Ein kurzer Exkurs zur russischen Innenpolitik: Die Tagesschau berichtet aktuell über einen sehr befremdlichen innenpolitischen Vorgang in Russland. Demnach hat der Oberste Gerichtshof in Russland ein Verbot gegen die internationale LGBTQ+-Bewegung wegen „Extremismus“ verhängt. Unklar sei dabei, wie das Urteil in der Praxis ausgelegt werde, weil es sich nicht gegen bestimmte Organisationen richten würde. Laut Medien stimmten die Richter einem entsprechenden Antrag des russischen Justizministeriums zu, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Gericht gemeldet habe.

Die Anwendung des Gesetzes bleibt abzuwarten – ich kenne als Hintergrund bisher nur den Bericht der Tagesschau. Wenn der aber so zutrifft, finde ich, dass bereits der Erlass des Gesetzes und zusätzlich dessen schwammig definierter Charakter scharf abzulehnen sind.

Das führt zu folgenden Fragen: Bedeuten Forderungen nach außenpolitischer Verständigung eine Akzeptanz innenpolitischer Vorgänge? Nein. Und wenn der Umgang mit Homosexuellen der Maßstab wäre, würde es sich dann moralisch verbieten, Gas aus Katar zu beziehen? Ja. Und wenn die Außenpolitik der Maßstab dafür wäre, ob der Handel mit bestimmten Ländern „erlaubt“ ist: Hätten sich die USA als Handelspartner dann nicht viel mehr diskreditiert als Russland? Zweifellos. Soll man also nun mit all diesen Ländern keinen Handel mehr treiben? Um Gottes Willen!

Verhinderung von Krieg und die Ermöglichung von Handel zum beiderseitigen Nutzen bedeuten keine Unterwerfung, weder innen- noch außenpolitisch. Es geht beim Verhältnis zwischen Deutschland und Russland schließlich nicht um romantische Russenliebe, sondern um eine kühle Analyse der wirtschafts- und geopolitischen Situation. Zusätzlich sei an die gewaltige Verantwortung und die eindeutige Pflicht zur Verständigung mit Russland erinnert, die aus den Verbrechen Deutschlands gegen die Sowjetunion und gegen ihre Bürger im Zweiten Weltkrieg erwachsen. Dass mit dieser Haltung mögliche innenpolitische Defizite nicht gerechtfertigt werden, ist selbstverständlich.

Muss der Friede bewaffnet sein?

Es stimmt nicht, dass Russland und „der Westen“ zwangsläufig auf einen Showdown oder auf eine waffenstarrende und dauerhaft getrennte Existenz zusteuern müssen. Und wenn Russland nach jahrelanger westlicher Sanktionspolitik und feindlicher Propaganda vonseiten der EU und den USA diese Gruppen künftig als Feinde sehen sollte, dann wäre das auch keine Bestätigung der „Warnungen“ vonseiten westlicher Kriegstreiber vor dem angeblichen russischen Expansionsdrang: Es wäre – im Gegenteil – die tragische Bestätigung der Warnungen von Kritikern des Regierungskurses, dass die (unnötige) Konfrontation mit Russland den Frieden in Europa in große Gefahr bringen kann. Dass Russland spätestens ab 2001 für lange Zeit die Hand ausgestreckt hatte und zu einer echten und friedlichen Partnerschaft mit Resteuropa bereit war, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Ein Gelingen dieser Entwicklung hätte aber wichtigen US-Interessen widersprochen. Spätestens mit dem Maidan-Umsturz wurde dann ein Weg eingeschlagen, der absolut voraussehbar zum Krieg in Europa geführt hat.

Wenn die russische Stimmung endgültig kippt, muss man sich dann nicht doch vor Russland schützen? Ja, möglicherweise – aber genau diesen Zustand gilt es unbedingt zu verhindern: durch Verhandlungen, durch Handel zum beiderseitigen Nutzen und durch die gegenseitige Akzeptanz nachvollziehbarer Sicherheitsinteressen, wozu auch ein neutraler Status der Ukraine zu rechnen ist. Dazu hatte ich kürzlich geschrieben:

„Eine friedliche Koexistenz mit Russland bedeutet selbstverständlich nicht, dass man einer eventuellen russischen Übermacht naiv gegenübertreten sollte – weder militärisch noch wirtschaftlich. Es bedeutet, die gegenseitigen Interessen rational zu analysieren und zu respektieren. Man muss sich nicht lieben, aber man darf sich nicht von den USA und hierzulande (vor allem, aber beileibe nicht nur) von den Grünen und vielen Journalisten gegeneinander aufhetzen lassen. Die militärischen Kräfteverhältnisse zwischen Russland auf der einen Seite und der NATO auf der anderen Seite hat etwa „Statista“ unter diesem Link verglichen – angesichts des massiven Übergewichts auf NATO-Seite erscheint die „russische Gefahr“ für das westliche Bündnis momentan alles andere als akut, was aber wiederum keine Aussage für die Ewigkeit ist.
Eine friedliche Koexistenz mit Russland bedeutet auch keineswegs, dass die wirtschaftlichen oder kulturellen Brücken zu den USA abgebrochen werden müssen. Das sollte auch nicht passieren! So sollte auch gegen die USA meiner Meinung nach kein Wirtschaftskrieg vom Zaun gebrochen werden. Deutschland könnte und müsste eine Brückenfunktion in einer möglicherweise entstehenden multipolaren Welt übernehmen.“

Außenminister Lawrow: „Wir werden künftig zehnmal abwägen, wie verlässlich unsere europäischen Kollegen sind“

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow hat kürzlich in einem Video des Außenministeriums deutliche und desillusionierte Worte gefunden. Sie wurden hier nach dem englischen Transkript von Andrei Martyanov übersetzt. Demnach sagte Lawrow auf eine Frage nach den Aussichten für die russisch-europäischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen (Hervorhebungen von mir):

„Ich werde nicht einmal versuchen zu erraten, was Europa tun wird. (…) Nach einer Reihe von Gesetzen, die von den Amerikanern verabschiedet wurden, um die Inflation und andere Themen zu bekämpfen, sind die Energiepreise in den Vereinigten Staaten 4-5 Mal niedriger als in Europa, wo eine Deindustrialisierung stattfindet. Unternehmen, die über ihre Zukunft nachdenken, ziehen in die Vereinigten Staaten. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur ein Zufall ist, sondern eine bewusste Politik Washingtons. (…) Aber in diesem Stadium brauchen wir nicht darüber nachzudenken, wie wir die Beziehungen zu Europa wiederherstellen können. Jetzt müssen wir darüber nachdenken, wie wir uns von den “Wendungen” in der europäischen Politik (vor allem in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitionen), die sie unter dem Einfluss Washingtons vornehmen, unabhängig machen können. (…) Die Beschränkungen sind nirgendwo verschwunden. Der Westen will alles “heimlich” und auf listige Art und Weise zu Ende bringen. Einfrieren, Zeit gewinnen (wie es bei den Minsker Vereinbarungen der Fall war), das Nazi-Regime in Kiew wieder aufrüsten und seine hybride (oder nicht hybride) Aggression gegen die Russische Föderation fortsetzen.

Aber selbst wenn alles vorbei ist, werden die meisten Sanktionen bestehen bleiben. Wir müssen nach unserer eigenen Art leben. Wenn und falls sie ‚nüchtern‘ werden und uns etwas anbieten, werden wir zehnmal nachdenken, abwägen, ob alle Vorschläge unseren Interessen entsprechen und wie verlässlich unsere europäischen Kollegen sind. Sie haben ihre Verhandlungsfähigkeit und ihren Ruf stark unterminiert.“

Angesichts der sehr deutlichen Töne aus Russland könnte man befürchten, dass sich momentan Türen endgültig schließen. Haben die US-Lobbyisten in der Bundesregierung Erfolg damit, vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor sie hoffentlich bei der nächsten Wahl an der Vernunft der Bürger scheitern werden? Ist meine kürzliche Bestandsaufnahme, nach der die Russen Deutschland (trotz Waffenlieferungen und Medienkampagnen) immer noch die Hand reichen würden, also obsolet? Solche Befürchtungen, also dass die russische Geduld irgendwann in Wut umschlagen könnte, sind überhaupt nicht unbegründet. Lawrow lässt aber auch noch ein Fenster der Hoffnung geöffnet:

„Es mag noch nicht endgültig sein.“

Titelbild: FreshStock / Shutterstock