Zeitungen berichten in diesen Wochen landauf, landab wieder mal von hohen, teils überhöhten Nebenkostenabrechnungen, die in die Mietshäuser der Republik flattern. Da muss eine Rentnerin 1.200 Euro nachzahlen, dort eine alte Dame 1.500 Euro. Ihren Lebensabend hatten sich die Frauen anders vorgestellt. Andere Mieter trifft es mit 4.800 Euro beziehungsweise mit 6.400 Euro noch heftiger, ist zu lesen. Die Aufzählungen enden nicht, die Betroffenheit ist groß, die Sorgen werden immer größer. Spott macht sich breit, die Mieter verbrauchen zwar nicht mehr, dennoch müsste viel nachgezahlt werden – die Bürger sind, ach Gottchen, in die Falle von Angebot und Nachfrage getappt. Dem nicht genug, die Mietpreiskurve zeigt weiter in eine Richtung – nach oben. Wer macht Kasse? Wer stützt das? Wer unterbindet das nicht? Was unter anderem zu unternehmen wäre, zeigt eine Forderung aus dem Vogtland. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
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Der freie Markt regelt (nicht), doch es darf sich ausgetobt werden
Zählen Sie einmal zusammen, was in den vergangenen zwei, drei, vier Jahren alles für Sie teurer geworden ist. Stellen Sie dieser Liste ihr Einnahmen-Budget gegenüber. Prüfen Sie, ob das Budget diesen Ausgaben Paroli bieten kann, auf dass ihr Lebensniveau, materiell, finanziell, ideell einigermaßen in der Waage bleibt. Wenn Ihnen dann sorgenvolle Stirnfalten ins Gesicht geraten und sie ein leises „Nein“ murmeln, gehören sie zu den vielen, die in Zeiten gemachter Krisen und ihrer Nutznießer den Schaden dieser Politik tragen und die Suppe auslöffeln.
Der Wahnsinn: Bei einer Verdopplung von Stromrechnungen (Abschlägen), bei Mieterhöhungen, bei Preisen für Gas, für Benzin, für Lebensmittel – alles Posten, um die der einfache Bürger bei allem Sparen und aller Vernunft und dem berühmten Gürtel, den man enger schnallt, schlicht nicht herumkommt – wird einem angst und bange. Friss oder stirb. Kalte, brutale Alternativlosigkeit.
Und was tun die Macher unseres Landes, in der Politik, in der Wirtschaft, in den Institutionen, die Eigentümer? Antwort: Entweder nichts oder eben viel, und zwar, um sich die Taschen voll und voller zu hauen, nebenher mit Phrasen und Beschwichtigungen von ihrem Treiben abzulenken und die Lage als Ergebnis einer höheren, natürlichen Gewalt oder als Teil der Kräfte des freien Marktes (hatten wir nicht schon mal einen sozialen?) zu verkaufen.
Kosten? Nein, Gier
Demnach liest sich ein Wort der nachfolgenden Meldung einer Analyse sachlich und unauffällig, wie es in Wahrheit doch verräterisch ist: Heizkosten. Dabei ist der Preis das Übel, nicht die Kosten. Bürgern werden tatsächlich Preise offeriert, vielmehr als „unausweichlich“ zugemutet, welche zunehmend existenzbedrohend, weil kaum und/oder nicht (mehr) zu bezahlen sind. Der Eindruck macht sich breit, dass die Rechnungssteller ausreizen, was auszureizen geht – kräftig wird Kasse gemacht – zu Lasten vieler Mieter, gerade derer, die nicht über komfortable Einnahmen verfügen, die sich nicht über reale Lohnerhöhungen freuen können. Kalt wird derweil wie hier von einer Beratungsfirma analysiert. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen:
Laut einer Analyse der Beratungsfirma „Co2online“ sind die Heizkosten für das Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 81 Prozent gestiegen. Nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist der Gaspreis für Haushalte in Mehrfamilienhäusern im April 2022 sogar um 105 Prozent gestiegen.
(Quelle: Focus)
Dazu passt ein Fundstück aus dem Netz, das einen Hintergrund des gemachten Dramas für die Bürger und den Nutzen für die Verursacher benennt:
Als die Preisbremse kam, hat unser Gasversorger … den Gaspreis von 8 ct/kWh auf 42 ct/kWh erhöht. Jetzt ist der Preis auf 11,42 ct/kWh gefallen. So, jetzt kann sich jeder das denken, was er möchte.
Man könnte denken, da wird um die Ecke noch mehr Plus gemacht, in dem genannten Fall um die 50 Prozent …
Die Presseschau ist eine des Grauens – Forderungen gegen Skandale – Fehlanzeige
Seit Jahr und Tag beobachte ich Menschen, meist ältere, die zu ihrem Einkauf im Supermarkt wie bei einem Ritual gern ihre Zeitung legen – eine mit dicken Buchstaben auf der Titelseite. Ich ahne, dass denen nicht aufgefallen ist, dass die Zeitung voller Schlagzeilen der Sensation und Aufreger und „Das darf doch nicht wahr sein“ trieft und einiges dabei unterlassen wird. Ursachen und Wirkungen von Ungemach werden von den Redaktionen nicht in einen erklärenden Zusammenhang gesetzt. Vorschläge und/oder gar Forderungen für eine Verbesserung der Lage zu unterbreiten, gehört nicht zu den Kernkompetenzen der Macher reißerischer Neuigkeiten. Alles bleibt, wie es ist. Folglich heißt es in Sachen Mieten und Nebenkostenabrechnung dann bei Gazetten der Boulevardpresse auch:
Das Teuer-Jahr fängt ja gut an!
Gleich wird dem „Teuer-Jahr“ das Wort „Heizkosten-Schock“ hinterhergeschickt. Aha. Wir leben in einem Teuer-Jahr, das aber doch durchaus ein normales, ein solidarisches, ein vernünftiges, ein friedliches Jahr sein könnte. Der Spruch lautet immer noch, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Komisch, wenn der Wille jedoch genau in die Richtung geht, dass es ein Teuer-Jahr und dann noch eins und noch eins, sein soll, dann (wie zu beobachten und schicksalhaft von vielen Bürgern zu erleben) findet sich ein Weg, oder?
Die Bundesregierung baut zu wenig (sozialer Wohnungsbau)
Die in Medien und bei Interessenvertretern wie dem Deutschen Mieterbund zu findende Aussage, dass die Regierung zu wenig unternimmt, um die Lage zu verbessern, ist zutreffend. Die Bilanz allein beim sozialen Wohnungsbau ist ernüchternd, skandalös, ohne dass Vertreter der Koalition vor die Kameras treten und dem Volk Rede und Antwort stehen, vielleicht deshalb, weil die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit erschreckend ist:
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen angepeilt, davon sollte ein Viertel aus Sozialwohnungen bestehen. 2023 wurden dem Bündnis “Soziales Wohnen” zufolge aber nur rund 30.000 Sozialwohnungen fertiggestellt, in den Vorjahren waren es rund 25.000 gewesen.
(Quelle: Tagesschau)
Die Regierung scheint in anderen Bereichen bei Bau, Wohnen, Kosten und Preisen ebenfalls wenig für die Mieterseite zu unternehmen. Die Nutznießer der Nichtpolitik und der ganz und gar nicht als Win-win-Situation zu bezeichnenden Lage zwischen Vermieter und Mieter sind die Vermieter, die sich über die Untätigkeit auch ihrer Regierung natürlicherweise freuen. Die Vertragssituation ist vielfach verzerrt, ihr wird durch faire Regeln, Gebote und Verbote kaum Einhalt geboten.
Ein bisschen Protest flackert auf. Die Bundesregierung müsse endlich handeln und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen, forderte unlängst wieder einmal der Mieterbund-Präsident.
Wie wäre es damit, sehr geehrte Koalition?
Die Spirale der Mietpreiserhöhungen muss gestoppt und faire, bezahlbare Mieten müssen festgelegt werden. Das Wort „Bremse“ gehört zum Sprachschatz der Regierung, sie muss es bei Mietpreisen mutig einsetzen. Das Wort „Wucher“ ist ebenfalls kein Fremdwort. Gerade die Interessenvertreter der Mieter in diesem Land fordern schon lange die Anzeige von Wuchermieten, von Wucherpreisen und die konsequente Ahndung derlei Handelns.
Die Realität sieht anders aus. Das Monopolyspiel, der Goldrausch, der neoliberale Irrsinn sind in vollem Gang, geduldet von der Regierung und ihrer Gefolgschaft. Auf, auf …
Zur Geldvermehrung in den ländlichen Raum
Was eigentlich in deutschen Metropolen vermutet wird, findet ebenso auf ungenierte Weise mitten in der beschaulich wirkenden Provinz, hier im Vogtland (Freistaat Sachsen), statt. In diesem Artikel hatte ich das Treiben der „Heuschrecken“ genannten Immobilieneinkäufer und Renditejäger beschrieben. Die Lage hat sich inzwischen noch verschlechtert. Fondsgesellschaften aus aller Welt haben die Region der Wälder und klingenden Täler für sich entdeckt. Kommunale Wohnungen in Größenordnungen wurden gekauft und tragischerweise eben damit von den Kommunen wie Schöneck, Klingenthal oder Plauen abgegeben – mit Folgen. Die vogtländische Mietervereinsvorsitzende Marlies Hager entlarvt das Interesse der neuen Eigentümer: Die Einkaufstour diene ausschließlich der üppigen Geldvermehrung.
Besonders problematisch sei der Verkauf ganzer Wohnblöcke und -gebiete an Kapitalgesellschaften. Vogtlandweit gebe es keine gebundenen Sozialwohnungen. „Wir brauchen dringend einen Stop des Verkaufs von öffentlichem Wohneigentum und Grund und Boden“, lautet eine Hauptforderung. Die Bildung von mehr Genossenschaften sei eine gute Alternative.
Aktuell nehme die Anzahl harter Konflikte zu. Nicht bei Genossenschaften oder städtischen Wohnungsfirmen, sondern bei jenen, die Marlies Hager als „Heuschrecken“ bezeichnet. Im Gespräch mit der „Freien Presse“ legt sie anonymisierte Fälle von Mietanstiegen vor, meist in der maximal möglichen Höhe von 20 Prozent.
(Quelle: Freie Presse)
„Die Wohnung ist ein Sozialgut“
Unser Grundgesetz gilt als eine der umfänglichsten und sorgsamsten Schriften unserer Republik. Der Artikel 14 besagt, dass Eigentum verpflichte, Artikel 1 sagt, dass die Würde des Menschen unantastbar sei.
In diesem Zwischenruf taucht auch das Wort „Wucher“ auf. Im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik ist im § 291 eine unmissverständliche Beschreibung festgeschrieben. Unter anderem heißt es betreffs Vermietung:
(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen, … Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(Quelle: De Jure)
Die Interessenvertreter der Mieter im Vogtland bezeichnen die Wohnung in diesem Zusammenhang richtigerweise als Sozialgut, also eine Institution, die im Rahmen von Grundgesetz und weiterer Schriften einen besonderen Schutz verdiene.
Der Vogtländische Mieterverein (VMV) ruft mit ungewöhnlich deutlichen Worten dazu auf, den Verkauf kommunaler Wohnungen an international agierende Fonds- und Kapitalgesellschaften umgehend zu beenden. Mehr noch: Bürgermeister, Landrat, Stadt- und Gemeinderäte sowie die Wohnungsgesellschaften der Region und auch private Eigentümer sollten alles daran setzen, den bereits veräußerten Wohnraum zurückzukaufen. „Holt das Verscherbelte zurück“, heißt es in einem VMV-Aufruf …
Sozialgut kontra Profitgier – wer handelt seriös und wer nicht? Der vom Vorstand des Mietervereins getragene Aufruf führt zur Begründung an, dass durch Verkäufe, die es beispielsweise in Plauen, Schöneck und Klingenthal gab, der soziale Frieden gefährdet sei. Jenen Firmen gehe es allein um Profit, die Wohnung sei jedoch ein Sozialgut und müsse als solches behandelt werden.
(Quelle: Freie Presse)
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