Bundesjustizminister Buschmann tritt gemeinsam mit Gaza-Vertreibungsbefürworter Chikli in Berlin auf

Bundesjustizminister Buschmann tritt gemeinsam mit Gaza-Vertreibungsbefürworter Chikli in Berlin auf

Bundesjustizminister Buschmann tritt gemeinsam mit Gaza-Vertreibungsbefürworter Chikli in Berlin auf

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Das Auswärtige Amt hatte am 29. Januar in außergewöhnlich scharfen Worten die Teilnahme und Äußerungen von israelischen Regierungsmitgliedern bei der Konferenz zur Wiederbesiedelung des Gazastreifens mit jüdischen Siedlern und der Vertreibung der dort lebenden Palästinenser verurteilt. Nur wenige Tage später wurde bekannt, dass FDP-Justizminister Marco Buschmann mit einem der Protagonisten, dem Diaspora-Minister Amichai Chikli, gemeinsam in Berlin bei einer Lobby-Veranstaltung, organisiert vom Axel Springer-Verlag, auftreten wird. Die NachDenkSeiten wollten wissen, ob dies mit dem AA abgesprochen wurde und ob damit Buschmann nicht diese völkerrechtswidrigen Pläne und Äußerungen legitimiert. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

„Wir verurteilen die Teilnahme und Äußerungen von Teilen der israelischen Regierung bei dieser Konferenz zur Besiedlung von Gaza auf das Schärfste und weisen die Äußerungen in aller Deutlichkeit zurück. Solche Überlegungen zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus Gaza wie zu einer israelischen Wiederbesiedlung von Gaza sind völlig inakzeptabel. Sie tragen im aktuellen Konflikt zu einer Verschlimmerung der Lage bei und verstoßen ganz klar gegen internationales Recht.“

So der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, am 27. Januar, nur einen Tag nach der Besiedlungs- und Vertreibungskonferenz, an welcher 11 Minister der aktuellen Regierung unter Benjamin Netanjahu teilgenommen hatten, darunter auch der schon erwähnte Diaspora-Minister Amichai Chikli.

Kurz nach der Verurteilung dieser Konferenz durch das AA im Namen der Bundesregierung wurde bekannt, dass FDP-Justizminister Marco Buschmann als „Keynote-Sprecher“ bei einer Lobbyveranstaltung mit dem Namen „Join Perspektive – A German – Israeli Summit“ auftreten wird, zusammen mit Amichai Chikli.

Ausgerichtet wird das Ganze von der zum Axel-Springer-Verlag gehörenden WELT sowie der Jerusalem Post. Hauptfinanzier der Lobbyveranstaltung ist die „World Zionist Organisation“.

Der FDP-Minister plante also, gemeinsam mit einem Vertreter der israelischen Regierung, der sich explizit für die Neubesiedlung des Gazastreifens mit jüdischen Siedlern und für die Vertreibung der Palästinenser aus diesem ausspricht, aufzutreten. Die Palästinensische Autonomiebehörde in der Westbank bezeichnete Chikli mehrmals öffentlich als Neonazis:

„Ich betrachte die Palästinensische Autonomiebehörde in ihrem Wesen und ihrer Einstellung als eine neonazistische Organisation.“

Dem jüdischen US-Milliardär George Soros warf er vor, „die feindlichsten Organisationen gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel“ zu finanzieren. Damit bezog er sich auf israelische und jüdisch-amerikanische zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für ein friedliches Miteinander zwischen Palästinensern und Juden sowie für ein Ende der israelischen Besatzung und die Zweistaatenlösung aussprechen, wie zum Beispiel die von der Open Society Foundation unterstützte US-amerikanische-jüdische Organisation „J Street“.

Anmerkung der Redaktion:

Nach der Frage der NachDenkSeiten am 31. Januar auf der Bundespressekonferenz wurde kurz nach Mitternacht am 2. Februar, wie die wayback-Machine belegt, Name und Bild des Diaspora-Ministers ohne jeden Kommentar entfernt. Stattdessen sieht man jetzt Buschmann neben Gideon Sa’ar als „Keynote“-Speaker. Als zusätzlicher deutscher Keynote-Speaker taucht jetzt auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Tobias Lindner, auf.

Sa’ar ist Mitglied des israelischen Kriegskabinetts. Dieser nahm zwar nicht an der Resettlement-Konferenz zur Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen teil, unterstützt aber öffentlich die rechtsextreme Organisation „Im Tirtzu“ und war in seiner Jugend Mitglied der ebenfalls rechtsextremen Partei „Techija“. Einen palästinensischen Staat lehnt er vehement ab. Israel müsse laut ihm „vom Fluss bis zum Meer“ in jüdischer Hand bleiben. In diesem Sinne fordert er eine Annexion von großen Teilen der Westbank und des Gazastreifens.

Wir dürfen gespannt sein, ob die zwei deutschen Regierungsvertreter auf der Konferenz auf diese ebenfalls völkerrechtswidrigen Positionen kritisch Bezug nehmen werden.

Protokollauszug von der Regierungspressekonferenz vom 31. Januar 2024

Frage Warweg
Herr Fischer, Sie hatten am Montag die Teilnahme und Äußerungen von Teilen der israelischen Regierung in Bezug auf die Resettlement-Konferenz kritisiert. Einer der Teilnehmer, der Diaspora-Minister Amichai Chikli, wird am 14. Februar gemeinsam mit Justizminister Buschmann bei einer Lobby-Veranstaltung hier in Berlin auftreten. Da würde mich auch angesichts der außenpolitischen Außenwirkung dieser Veranstaltung interessieren: Hat Herr Buschmann dieses Auftreten gemeinsam mit dem Diaspora-Minister mit dem Auswärtigen Amt abgesprochen?

Fischer (AA)
Wir nehmen zur Kenntnis, dass es diese Veranstaltung gibt. Sie ist unabhängig organisiert. Ich nehme an, dass die Einladungen auch unabhängig erfolgen, und ich glaube, es ist nicht an mir, die Einladungen an andere Ministerien hier zu kommentieren.

Zusatzfrage Warweg
An Herrn Hoh: Herr Chikli spricht sich explizit für die Neubesiedlung des Gazastreifens mit jüdischen Siedlern und für die Vertreibung der Palästinenser aus selbigem aus. Die Palästinensische Autonomiebehörde bezeichnete er als Neonazis. George Soros bezeichnet er als jemanden ‑ wenn ich kurz zitieren darf ‑, der die feindlichsten Organisationen gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel ‑ damit meint er israelische zivilgesellschaftliche Vereinigungen, die sich für ein friedliches Miteinander aussprechen ‑ finanziere. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren: Wie will Herr Buschmann verhindern, dass sein Auftreten gemeinsam mit Chikli und anderen Vertretern nicht als Legitimation dieser völkerrechtswidrigen Äußerungen bzw. teilweise auch Handlungen interpretiert wird?

Hoh (BMJ)
Der Bundesjustizminister ist der Einladung der „Jerusalem Post“ und der „WELT“ zu dem von Ihnen genannten Kongress gefolgt. Er wird dort als Keynote-Sprecher sprechen. Es sind auch weitere namhafte Persönlichkeiten eingeladen, die sprechen werden, unter anderem der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Josef Schuster. Der Bundesjustizminister hat auf die Einladungsliste und auch auf das Programm des Veranstalters keinerlei Einfluss.

Darüber hinaus möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Bundesjustizminister Teil dieser Bundesregierung ist, und die Position der Bundesregierung in der von Ihnen genannten Frage ist ja bekannt. Dazu hat auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag Stellung genommen.

Frage Jung
Herr Hoh, der Minister hat zwar keinen Einfluss auf dieses Programm, aber er hat Einfluss darauf, ob er dort auftreten wird. Wenn Minister Chikli, der zuvor an der Wiederbesiedlungskonferenz für Gaza teilgenommen hat ‑ Herr Fischer hat die hier am Montag auf das Schärfste verurteilt und das alles zurückgewiesen ‑, der andere hochrangige Gast dieser Veranstaltung ist, warum bleibt der Bundesjustizminister dann bei seiner Teilnahme?

Hoh (BMJ)
Wie gesagt, auf die Einladungsliste und das Programm hat er keinen Einfluss. Wie Sie vielleicht auch wissen, sind dem Bundesjustizminister der Staat Israel und seine Bevölkerung ein sehr wichtiges Anliegen und sie liegen ihm sehr am Herzen. Er hat sich entschieden, an der Konferenz teilzunehmen. Ich weise außerdem noch einmal darauf hin, dass auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Schuster, an dieser Veranstaltung teilnimmt.

Zusatzfrage Jung
Aber der Minister könnte ja sagen: Ich trete da nicht auf, weil ein rechtsextremer Minister Israels dabei ist, der für die Wiederbesiedlung Gazas eintritt, die die Bundesregierung entschieden bekämpft.

Hoh (BMJ)
Da muss ich sagen: Da würden wir uns jetzt im Kreis drehen, weil ich immer wieder die gleiche Antwort geben würde. Von daher verweise ich auf das zuvor von mir Gesagte und würde es dabei auch belassen.

Titelbild: Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz, 31.01.2024

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