Thomas Berthold: „In diesem Krieg sind auf beiden Seiten so viele Menschen gestorben, das sollte allen eine Warnung sein“

Thomas Berthold: „In diesem Krieg sind auf beiden Seiten so viele Menschen gestorben, das sollte allen eine Warnung sein“

Thomas Berthold: „In diesem Krieg sind auf beiden Seiten so viele Menschen gestorben, das sollte allen eine Warnung sein“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Es gibt keine geopolitischen Zufälle. Deutschland ereifert sich als Erfüllungsgehilfe der USA, die ziehen sich aus dem Krieg in der Ukraine zurück und Deutschland wird finanziell dafür geradestehen“ – das sagt Thomas Berthold, ehemaliger Weltmeister mit der deutschen Fußballnationalmannschaft im Interview mit den NachDenkSeiten. Im Interview spricht Berthold über seine Erlebnisse in Russland und seinen Großvater, der in Stalingrad kämpfen musste. Berthold kritisiert die deutsche Politik gegenüber Russland, aber auch den Umgang mit Meinungsabweichlern im Sport. Generell empfiehlt Berthold „digitalen Detox“, also einen Abstand zu Smartphone und Co, sowie „das eigene Gehirn einzuschalten.“ Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Berthold, die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind an einem Tiefpunkt. Können Sie nachvollziehen, was hier gerade passiert?

Nachvollziehen kann ich das Ganze. Es gibt keine geopolitischen Zufälle, Deutschland ereifert sich als Erfüllungsgehilfe der USA, die ziehen sich aus dem Krieg in der Ukraine zurück und Deutschland wird finanziell dafür geradestehen. Herr Lindner hat doch schon zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in Aussicht gestellt. Lindner sagte: „Und wenn wir in der Lage sein werden, dieses Niveau zu halten, werde ich als Finanzminister sehr zufrieden und dankbar sein, dass die deutsche Öffentlichkeit dies unterstützt.” Diese Summe muss man sich mal vor Augen halten. Das wären über 70 Milliarden Euro. Der Staat Deutschland nimmt jährlich etwa 900 Milliarden Steuern ein.

Sie waren schon in Russland. Als Sportler. Bitte erzählen Sie uns etwas von Ihren Erlebnissen. Wann waren Sie zum ersten Mal in Russland? Und: Warum?

Ich war 1985 zum ersten Mal in Moskau, Anlass war ein Freundschaftsspiel. Das Spiel haben wir mit 1:0 verloren, vor 100.000 begeisterten Fußballfans.

Sie besuchten Russland zur Zeit des Kalten Krieges. Sie sind hinter den „Eisernen Vorhang“ gereist. Was waren Ihre Erlebnisse?

Eine Länderspielreise ist ziemlich durchorganisiert, da gibt es kaum Zeit für touristische Aktivitäten. Soweit ich mich erinnern kann, sind wir in Begleitung des Gastgebers zum Roten Platz gelaufen, mehr gab es nicht. Der Rest war Training, Spielvorbereitung, Essen & Schlafen. Mir ist noch in guter Erinnerung, dass unsere Adidas-Ausrüstung sehr begehrt war. Es kam zu einem Tausch. Ausrüstung gegen Belugakaviar. Alle waren glücklich.

Was war Ihr persönliches Fazit der Russlandreise?

Die Menschen haben sich gefreut, eine deutsche Nationalmannschaft zu sehen, nicht ohne Grund wurde Deutschland vom russischen Fußballverband ausgewählt. Fast 40 Jahre nach dem Krieg war das sicher ein völkerverbindender Akt.

Gab es weitere Besuche in Russland oder auch Kontakte zu Russen?

Ja, ich war 30 Jahre später wieder in Moskau, da alte Freunde von mir in Russland gearbeitet haben. Moskau im Sommer ist eine tolle Stadt, die herrlichen Cafés und Restaurants, mein Favorit ist die georgische Küche, fantastisch. Die alten Banyas und die russische Saunakultur sind immer ein tolles Erlebnis gewesen. Sowas kann man auch nur beschreiben, wenn man es selbst erlebt hat. Ich habe auch selten so eine große saubere Stadt gesehen, die öffentlichen Parks sahen so einladend aus, kein Dreck, kein Abfall, alles tiptop. Die U-Bahn ist auch ein Erlebnis für das Auge. Danach war ich 2017 in Sotschi zum Confed-Cup und 2018 zur WM vom Anfang bis zum Ende. Ich war in Moskau, St. Petersburg und Kasan. Ich habe drei Weltmeisterschaften als Spieler erlebt und fünf als TV-Experte oder Fifa Legend. Russland war die beste WM, super organisiert, tolle Begegnungen und Erlebnisse.

In Deutschland und Europa warnen Politiker und Experten immer wieder vor einem Krieg mit Russland. Wie hört sich das für Sie an? Was sind Ihre Gedanken?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland ein europäisches Land angreift. Warum auch? Allenfalls, wenn es sich verteidigen müsste. Der Militäretat von Russland liegt bei etwa 60 bis 70 Milliarden Dollar, die USA hat 900 Milliarden zur Verfügung. Mein Großvater lag vor Stalingrad und war 2 Jahre in russischer Gefangenschaft, er ist nicht sehr alt geworden, hatte schwere Kriegsverletzungen, Granatsplitter im Körper. In diesem Krieg sind auf beiden Seiten so viele Menschen gestorben, das sollte allen eine Warnung sein.

Gerade sagte der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter das Folgende: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden!“ Wie nehmen Sie diese Aussage wahr? Was sind Ihre Gedanken dazu?

Wenn ich solche Aussagen höre, ist das zum Fremdschämen. Liegt Herr Kiesewetter denn dann auch im Schützengraben? Solche Typen sollten sofort zurücktreten. Ich will gar nicht wissen, wie die Leistungsfähigkeit, die so mancher „Krieger“ in der Politik mit seinem Mund an den Tag legt, in der freien Marktwirtschaft aussehen würde. Lassen wir das. Die Alimentierung von Politikern durch die Steuerzahler läuft ja hervorragend. Wenn ich nur an die Wirtschaftspolitik denke! Kiesewetter sollte bitte mal erklären, wie das Geschäftsmodell einer Industrienation wie Deutschland in Zukunft aussehen soll. Wieso jetzt schon viele Betriebe ihren Sitz ins Ausland verlagern oder gleich ganz schließen.

Der Sport steht – so wird es immer in den Medien gesagt – für Völkerverständigung. Der Sport kann Brücken bauen. Wo sind die Brückenbauer zwischen Deutschland und Russland in dieser Zeit im Sport?

Leider sind die meisten Verbands- und Vereinsvertreter linientreu zur Politik. Ich erinnere mich daran, dass Vereinsvertreter wie Peter Fischer von Eintracht Frankfurt öffentlich dazu aufriefen, Ungeimpften den Zugang zum Stadion zu verweigern. Man sollte ihn an das Grundgesetz erinnern. Die Würde des Menschen ist unantastbar, oder die Unversehrtheit des eigenen Körpers. Aktuell wird aus dem Fußball aktiv gegen rechts skandiert. Was bedeutet eigentlich „rechts“ bzw. „links“? In einer toleranten, liberalen und demokratischen Gesellschaft, wo immer über Vielfalt und Diversität gesprochen wird, darf doch die politische Gesinnung nicht geächtet werden.

Übrigens: Ein wunderbares Beispiel zeigte sich während des Rebellenkriegs an der Elfenbeinküste, dem aktuellen Afrikameister. Es wurde ein Länderspiel in die Rebellenregion verlegt und nach einem halben Jahr wurde der Friedensvertrag unterschrieben. Der Fußball hat so eine Power, so eine Kraft, da ist alles möglich.

Wie denken Sie über das Verhalten der Fußballprofis? Fußballprofis, aber auch die meisten anderen Spitzensportler positionieren sich allenfalls dann politisch, wenn es opportun ist. Der vorherrschenden Politik traut sich kaum einer mal fundamental öffentlich zu widersprechen. Stimmen Sie diesen beiden Aussagen zu?

Ja, das kann ich aber auch nachvollziehen, die Sportler haben heute Medienberater, da geht es um das Image, den Marktwert etc. Als ich in dem Alter war, hat mich Politik auch nicht interessiert, das hat sich erst mit 9/11 verändert. Daher mache ich den jungen Sportlern keinen Vorwurf.

Woran liegt das? Warum trauen sich so wenige Sportler, Vereinspräsidenten usw. die in Politik und Medien vorherrschenden „Wahrheiten“ öffentlich zu kritisieren? Wo ist das Rückgrat der Spitzensportler?

Es gab auch in Deutschland Sportler, die Haltung gezeigt haben, die mussten dann aber die Konsequenzen aushalten, wie es der Basketballspieler Joshiko Saibou, der für die Telekom Baskets Bonn gespielt hat, erleben musste. Unabhängige Einzelsportler wie Novak Djokovic können sich da schon viel weiter aus dem Fenster lehnen, besonders wenn es um die eigene Gesundheit geht.

Wie kommt es, dass Sie sich trauen, zu sagen, was Sie denken? Sie haben sich während der Coronazeit auch bei Grundrechtedemos auf die Bühne gestellt und die Politik kritisiert.

Ja, ich habe wohl – wie man es heute so gerne in den Medien sagt – „Haltung“ gezeigt und früh erkannt, dass hier ein perfides Spiel auf Kosten der Bürger gespielt wird. Wie sich jetzt herausstellt, kann die Impfung langwierige negative Konsequenzen haben oder gar tödlich sein. Vergeht denn überhaupt mal ein Tag, an dem kein junger Sportler stirbt? Was in den Medien zu hören ist, dürfte nur ein kleiner Teil der Fälle sein. Oder wie sieht es mit der Übersterblichkeit aus? Doch es scheint gar keine Zeit zu sein, dass Politik, Medien und Gesellschaft sich mit der Impfung, ihrer Auswirkungen und überhaupt der Aufarbeitung der Coronamaßnahmen beschäftigen.

Jetzt geht es um Kriege. Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland, der zwischen Palästina und Israel. Und obendrauf werden die Menschen mit Gendern, „Kämpfen“ gegen rechts, das Klima und weiteren Themen abgelenkt. Daher empfehle ich digitalen Detox und das eigene Gehirn wieder einschalten. Und was ich noch sagen möchte: Der Untergang der DDR und der UdSSR haben gezeigt, dass, egal ob Ost oder West, es immer um Frieden, finanzielle Ausgeglichenheit für die Bürger und um eine funktionierende Marktwirtschaft geht. Dafür (!) haben sich die Politiker einzusetzen, und wenn sie das nicht hinkriegen, dann sollen sie bitte den Weg freimachen für andere, die es dann hoffentlich besser machen.

Titelbild: ©DFB

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