Kiesewetter: „Den Krieg nach Russland tragen“

Kiesewetter: „Den Krieg nach Russland tragen“

Kiesewetter: „Den Krieg nach Russland tragen“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Das Wochenende war geprägt von unverantwortlichem Trommeln für weitere Eskalationen gegen Russland – neben Roderich Kiesewetter (CDU) zitieren wir hier weitere Beispiele aus einer großen Koalition, die sich gegen die Vernunft richtet. Bei dieser Meinungsmache gibt es zwei Stränge: Der eine verschärft den Militarismus, der andere soll den EU-Bürgern die Kosten für diesen gefährlichen Kurs aufbürden. Und die Medien? Bestenfalls schweigen sie. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Flankierend zum Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in den USA haben sich am Wochenende zahlreiche eskalierende Stimmen aus der deutschen Politik zu Wort gemeldet. Zitate folgen weiter unten.

Bei den Äußerungen geht es nicht nur um eine Zuspitzung der militärischen Eskalation, sondern auch darum, wem man die Kosten für den Ukrainekrieg aufbürden kann, wenn die USA aussteigen.

Spirale der verbalen Enthemmung

Die Spirale der verbalen Enthemmung dreht sich immer schneller, es schreitet auch keine Stimme von Gewicht ein, im Gegenteil: Wir erleben einen Überbietungswettbewerb darin, wer mehr außenpolitische Tabus bricht. Es ist überhaupt kein Verantwortungsgefühl festzustellen – nirgends.

Von vielen Journalisten großer Medien werden die brandgefährlichen Äußerungen hingenommen, als seien diese jetzt als normal zu beschreiben, nach dem Motto: „Was haben Sie denn? Schließlich hatten wir doch die Zeitenwende.“ Kritiklosigkeit großer Medien bezüglich einer brandgefährlichen Zuspitzung gegenüber Russland ist oft noch der bessere Fall: Manche Journalisten fordern gar noch mehr Härte, viele stimmen ein in einen Tenor, nach dem „wir“ für die Ukraine angeblich „noch mehr tun müssen“.

Neben der militärischen Gefahr, die durch unverantwortliche Äußerungen gesteigert wird, geht es auch ums Geld – um sehr viel Geld: um das Geld der Steuerzahler nämlich und wie man es künftig noch umfangreicher in destruktive militärische Eskalationen lenken könnte. Während sich mit den USA eine hauptverantwortliche Partei für den Ausbruch des Ukrainekriegs nun aus den Kosten zurückziehen könnte, dreht hierzulande eine große Kriegs-Koalition aus Grünen-FDP-CDU-SPD erst richtig auf. Hier folgen einige Beispiele aus den vergangenen Tagen.

Die Welt des Roderich Kiesewetter

Roderich Kiesewetter von der CDU hat der „Deutschen Welle“ unter anderem gesagt:

Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.“

Kiesewetter tätigt in dem Interview weitere unhaltbare Aussagen: Unter vielem anderem stellt er den Sinn bei der Frage, ob und wann Deutschland Kriegspartei ist, ebenso auf den Kopf wie bei der Frage nach den Gründen für Flüchtlingsbewegungen.

Es geht bei der aktuellen Meinungsmache nicht nur um militärische Eskalation. Es geht auch darum, wer dafür bezahlen soll. Auch diesbezüglich stärkt Kiesewetter die aktuell verbreitete Forderung, nach der „wir“ unbedingt „mehr tun“ müssen für die Ukraine. Auch für diese Forderungen gibt es eine große Koalition aus Grünen, FDP, CDU und SPD. Für die Sozialdemokraten sagte etwa Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, laut Medien, Europa sei bezüglich der Kriegsfinanzierung „in Zugzwang“, es solle einen „gemeinsamen, schuldenfinanzierten Fonds auflegen, um der Ukraine zu helfen“.

Es geht auch ums Geld: „Wir“ müssen unbedingt „noch mehr tun“

Der grüne Europapolitiker Reinhard Bütikofer hat im „Deutschlandfunk” kritisiert, Bundeskanzler Olaf Scholz habe bei seinem USA-Besuch von der eigentlichen Frage abgelenkt, ob Europa dazu bereit sei, die Ukraine stärker zu unterstützen. Da müsse „viel mehr geschehen“.

Ebenfalls in den vergangenen Tagen hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der „Welt am Sonntag“ gesagt, das Bündnis müsse sich auf eine „jahrzehntelange Konfrontation mit Russland“ vorbereiten. Die beste Verteidigung sei jetzt, die Ukraine zu unterstützen und in die militärischen Fähigkeiten der NATO zu investieren.

Dieser Aufruf, mehr Waffen zu produzieren, wurde wiederum von Grünen und FDP begrüßt, wie Medien berichten: „Es ist dringend nötig, in Europa auf die Tube zu drücken. Egal, wie die Wahlen in den USA ausgehen. Wir müssen für unsere Sicherheit sorgen können. Das fängt bei der industriellen Basis an. Stoltenberg hat recht“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni.

Auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger stimmte Stoltenberg zu. „Die Erkenntnis ist bitter, aber angesichts der brutalen Realität und der steigenden Bedrohung leider notwendig“, sagte sie. Es gehe um „eine bessere Ausstattung der eigenen Kräfte zum Schutz und auch darum, die Durchhaltefähigkeit und Verteidigung der Ukraine zu sichern“.

Der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber sagte, die Abschreckung gegen die Aggression des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei „nur glaubwürdig, wenn wir Waffen und Munition schnell produzieren können“. Er fügte hinzu: „Das Hochfahren der Rüstungsindustrie ist für unsere Sicherheit damit die erste Priorität dieses Jahres.“

Grünen-Politiker Anton Hofreiter fordert angesichts des Widerstands der US-Republikaner gegen weitere Ukraine-Hilfen ein Aussetzen der Schuldenbremse, wie Medien berichten. Die Regierung müsse jetzt schnell deutlich mehr investieren, um die Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition auszustatten. Gleichzeitig müsse die Bundeswehr abwehrbereit gemacht werden; das gehe kaum ohne neue Schulden.

Kriegstüchtig!

Diese Steilvorlagen der Politik aus den letzten Tagen wollte auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, nicht verstreichen lassen – er erneuerte die Losung von der „Kriegstüchtigkeit“, wie Medien berichten:

Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärisches Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit.“ Das heiße nicht, dass es dann Krieg geben werde – aber er sei möglich. „Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.“

Die in diesem Artikel präsentierten Zitate sind nicht nur unter friedenspolitischen Aspekten brandgefährlich, sie sind auch wirtschafts- und sozialpolitisch sehr bedenklich – diese kombinierte Verantwortungslosigkeit verschlägt einem die Sprache: Die Kriegskosten werden indirekt zu sozialen Kürzungen führen. Und auch durch hemmungslose verbale Zuspitzungen könnte ein Krieg einst „nach Deutschland getragen“ werden.

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Titelbild: Kastoluza / Shutterstock

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