Dilettanten oder Lügner? Die fragwürdige Antwort des Auswärtigen Amts auf eine BSW-Anfrage

Dilettanten oder Lügner? Die fragwürdige Antwort des Auswärtigen Amts auf eine BSW-Anfrage

Dilettanten oder Lügner? Die fragwürdige Antwort des Auswärtigen Amts auf eine BSW-Anfrage

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Der BSW-Abgeordnete Andrej Hunko hatte am 10. April im Rahmen einer Fragestunde im Deutschen Bundestag das Auswärtige Amt (AA) gefragt, auf welche konkrete Quelle sich der Sprecher des Auswärtigen Amts bei der Bundespressekonferenz am 3. April bezogen hatte, als dieser behauptet hatte, es gäbe seriöse Quellen, die bestreiten, dass es sich bei dem Ziel des israelischen Luftangriffs auf Damaskus um das iranische Konsulatsgebäude gehandelt habe. Als Antwort verwies das Außenministerium unter Leitung von Annalena Baerbock auf einen Artikel der britischen Nachrichtenagentur Reuters. Das Problem? In dem Artikel steht genau das Gegenteil von dem, was das AA in seiner Antwort an den Bundestag behauptet. Von Florian Warweg.

„Auf welche konkrete Quelle hat sich der Sprecher des Auswärtigen Amts bezogen, die bestreiten soll, dass es sich bei dem mutmaßlich israelischen Luftangriff in Damaskus um das iranische Konsulatsgebäude handelt (siehe dazu dpa-Meldung „Bundesregierung zurückhaltend bei Bewertung von Angriff in Damaskus“ am 3. April 2024), und betrachtet die Bundesregierung grundsätzlich Anschläge gegen diplomatische und konsularische Einrichtungen als Verstoß gegen das Völkerrecht?“

So lautete die vollständige Frage des BSW-Abgeordneten Hunko bei der Fragestunde im Bundestag am 10. April. Darauf antwortete das AA in Person der Grünen-Politikerin und seit Dezember 2021 Staatsministerin bei der Bundesministerin des Auswärtigen, Katja Keul, wie folgt:

„Der Sprecher des Auswärtigen Amts bezog sich auf öffentlich zugängliche Quellen, zum Beispiel auf die Nachrichtenagentur Reuters.

Mit Blick auf die Anwendung militärischer Gewalt gilt das grundsätzliche Gewaltverbot der VN-Charta. Diplomatische und konsularische Einrichtungen stehen daneben unter dem Schutz des Humanitären Völkerrechts, sie sind damit aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich keine militärischen Ziele (…).“

Frage wie Antwort nehmen Bezug auf die Ausführungen des Sprechers des Auswärtigen Amts, Sebastian Fischer, auf der Regierungspressekonferenz am 3. April. Dort hatte er auf Nachfrage erklärt (die NachDenkSeiten berichteten):

„Wir (kennen) in der Tat den genauen Status des Gebäudes, das angegriffen worden sein soll, nicht. Wir kennen die Berichte, dass das ein Gebäude der iranischen Botschaft ist, dass es ein iranisches Konsulatsgebäude gewesen sein soll. Wir kennen auch Äußerungen aus anderer Quelle, die das bestreiten.“

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt erklärte folglich gegenüber dem Bundestag, dass es sich bei der in der BPK angesprochenen „anderen Quelle“ um eine englischsprachige Meldung der Nachrichtenagentur Reuters mit dem Titel „UN Security Council fails to condemn strike on Iran in Syria“ (Keine Verurteilung des Angriffs auf den Iran in Syrien durch den UN-Sicherheitsrat) handelte.

Doch klickt man auf diese Meldung, fallen zwei Aspekte sofort ins Auge:

Zum einen der Zeitstempel. Der Artikel wurde um „11.50 Uhr PM“ veröffentlicht, also um 23.50 Uhr deutscher Zeit.

Zu diesem Zeitpunkt war die Bundespressekonferenz allerdings bereits seit über 11 Stunden vorbei, denn diese endete, wie auch das BPK-Protokoll belegt, um 12:42 Uhr.

Laut Darstellung des Auswärtigen Amtes hat dessen Sprecher also um die Mittagszeit (das Thema wurde gegen 12 Uhr auf der BPK besprochen) auf eine angebliche Quelle verwiesen, die in Wirklichkeit aber erst über 11 Stunden später überhaupt veröffentlicht worden ist.

Der zweite Aspekt, der zum anderen ins Auge fällt, ist sogar noch gravierender. Denn im Gegensatz zur Darstellung der Staatsministerin Keul, die genau diese Reuters-Meldung im Rahmen der Fragestunde des Deutschen Bundestages als einzigen Beleg dafür angeführt hat, dass es als umstritten gelte, ob es sich wirklich um ein Konsulargebäude handelt, steht im dritten Absatz dieses Artikels Folgendes (Hervorhebung durch Autor):

„Israel hat sich nicht zu dem Anschlag bekannt, bei dem ein an den Hauptkomplex der Botschaft angrenzendes Konsulargebäude zerstört wurde und sieben Angehörige der iranischen Revolutionsgarden ums Leben kamen.“

Dieses Agieren führt unweigerlich zu der Frage, was für Zustände derzeit im Auswärtigen Amt herrschen müssen, wenn selbst bei Antworten an Bundestagsabgeordnete solche Art von offensichtlichen Fehlinformationen verbreitet werden. Das ist mitnichten eine Kleinigkeit. So erklärte beispielsweise das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2014 in einem wegweisenden Urteil zu den Fragerechten von Bundestagsabgeordneten:

Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments.“

Von „auf zuverlässige Weise“ kann im konkreten Fall nun wahrlich nicht die Rede sein. Es ist in gewisser Weise ein bitterer Treppenwitz, dass just die Minister und Staatssekretäre der Grünen, jener Partei, die noch zu Oppositionszeiten das erwähnte Urteil beim BVerfG 2014 erstritten hatte, mittlerweile nach allem, was man aus dem parlamentarischen Raum hört, am stärksten versuchen, das verfassungsrechtlich verankerte Fragerecht der Abgeordneten auszuhebeln. Über einen besonders krassen Fall hatten die NachDenkSeiten im Januar 2023 berichtet. Damals hatte der Habeck-Vertraute und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold, in einem wohl einmaligen Akt der Demokratieverachtung das verfassungsrechtlich verankerte parlamentarische Informations- und Fragerecht der Bundestagsabgeordneten zu Rüstungsexporten verweigert.

Doch zurück zur Thematik des israelischen Angriffs auf das iranische Konsulat in Damaskus. Dieser eklatante Bruch des Völkerrechts und insbesondere des Wiener Übereinkommens zum Schutz von Diplomaten durch Israel wurde bisher von der Bundesregierung mit keinem Wort verurteilt. Im Gegenteil. In den weiteren Ausführungen der Staatsministerin wird dieser Akt in gewisser Weise sogar gerechtfertigt, indem, ohne jeden Beleg, darauf angespielt wird, dass der Iran das im Wiener Übereinkommen geregelte Verbot der aufgabenfremden Nutzung diplomatischer oder konsularischer Räumlichkeiten verletzt hätte:

Was bisher in der gesamten Diskussion in Deutschland erstaunlicher (?) Weise überhaupt nicht thematisiert wurde, ist die Tatsache, dass die kanadische Regierung mittlerweile eingeräumt hat, dass bei dem Angriff der israelischen Luftwaffe auf den iranischen Botschaftskomplex in Damaskus auch die kanadische Botschaft beschädigt wurde.

Das heißt, die israelische Luftwaffe hat bei ihrem völkerrechtswidrigen Luftschlag ganz bewusst das Risiko in Kauf genommen, auch kanadisches Hoheitsgebiet in Mitleidenschaft zu ziehen. Denn die kanadische Botschaft in Damaskus grenzt direkt an das angegriffene iranische Konsulatsgebäude an:

Screenshot von cbc.ca

Ob sich die Bundesregierung zumindest im Falle des NATO-Partners Kanada und seiner von israelischen Raketen beschädigten Botschaft entsprechend kritisch gegenüber der israelischen Regierung äußern wird?

Titelbild: Shutterstock / Stephan Dost