Bundesregierung: Wir wissen nicht, wer iranisches Botschaftsgelände in Syrien angegriffen hat

Bundesregierung: Wir wissen nicht, wer iranisches Botschaftsgelände in Syrien angegriffen hat

Bundesregierung: Wir wissen nicht, wer iranisches Botschaftsgelände in Syrien angegriffen hat

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Bei der Regierungspressekonferenz am 3. April war auch der israelische Angriff gegen das iranische Botschaftsgelände in Damaskus, bei dem mindestens 13 Personen starben, darunter mehrere Diplomaten sowie der Brigadegeneral Mohammad Reza Zahedi und dessen Stellvertreter, ein Thema. Die Bundesregierung vertrat in der BPK die Linie, dass man nicht wisse, wer für die Tat verantwortlich sei, daher könnte man auch keine Wertung vornehmen. Dies, obwohl bereits einen Tag zuvor das US-Verteidigungsministerium offiziell eingeräumt hatte, dass es sich bei dem Militärschlag um eine israelische Operation gehandelt habe. Wohl einer der seltenen Fälle, in denen die Bundesregierung nicht der Einschätzung der USA folgt. Von Florian Warweg.

Hintergrund

Am 2. März, also einen Tag vor der Regierungspressekonferenz in Berlin, gab es eine Pressekonferenz der Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh in Washington D.C. Dort wurde sie mehrfach auf die Angriffe in Damaskus angesprochen. Die erste Frage lautete:

„Und dann nur zwei Klarstellungen. Die USA haben keinen Angriff in Damaskus durchgeführt?“

Die Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums verwies als Antwort unmissverständlich auf Israel als Quelle des Militärschlags in Damaskus:

„Die USA haben keinen Angriff in Damaskus ausgeführt. Ich würde Sie an die Israelis verweisen, um über ihren Luftangriff zu sprechen.“

Daran anschließend kam die Nachfrage, ob jemand im Verteidigungsministerium von den Israelis vor, während oder nach diesem Militärschlag kontaktiert wurde. In Reaktion auf diese Frage sprach Singh erneut von „Israelis und ihrem Angriff“:

„Wir wurden von den Israelis nicht über ihren Angriff oder das beabsichtigte Ziel ihres Angriffs in Damaskus informiert.“

Es ist durchaus bemerkenswert, dass selbst vor dem Hintergrund dieser Aussagen der Pentagon-Sprecherin, die mit großer Sicherheit dem Auswärtigen Amt bekannt waren, die Bundesregierung trotzdem auf ihrer Haltung beharrt, dass man nicht wisse, wer diesen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände durchgeführt hat, und man daher keine Bewertung (dieses zweifelsfrei völkerrechtswidrigen Aktes) vornehmen könne. Die Frage ist nur, wie lange die Bundesregierung noch die diese Augen-zu-Linie gegenüber Israel („überzeugt, dass sich Israel an das Völkerrecht hält“) durchhalten kann, angesichts der beinahe täglich eintreffenden Berichte von UN- und Menschenrechtsorganisationen über eklatante Verstöße der israelischen Armee gegen humanitäres und Kriegsvölkerrecht.

Auszug aus dem Wortprotokoll zur Regierungspressekonferenz am 3. April 2024

Frage Towfigh Nia (freier Journalist)
Ich habe zunächst eine Frage zu Israel. Es fällt auf, dass die Bundesregierung zu dem israelischen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus schweigt. Ist dieses Schweigen als eine stillschweigende Zustimmung für den Angriff zu sehen?

Meine zweite Frage betrifft Gaza. Dabei geht es um den Angriff auf das Al-Shifa-Krankenhaus. Ärzte ohne Grenzen hat über Massenerschießungen von Krankenhauspersonal, von Chirurgen in dem Krankenhaus und von Massengräbern berichtet. Auch dazu hätte ich bitte gern einen Kommentar.

Fischer (AA)
Ich schlage vor, wir teilen die Themen; denn das sind ja schon sehr zwei unterschiedliche Themenkomplexe.

Zu dem Angriff auf das Gebäude in Damaskus: Uns liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor, die eine vollständige oder abschließende Bewertung dieses Vorfalls ermöglichen. Sie wissen, wir haben keine eigene Botschaft in Syrien und können dementsprechend auch nicht aus eigener Anschauung berichten, was dort passiert ist. Klar ist aber, dass wir alle Akteure in der Region immer wieder dazu aufgerufen haben und das auch das jetzt tun, eine regionale Eskalation unbedingt zu vermeiden.

Zusatzfrage Towfigh Nia
Sie haben jetzt von einem Gebäude geredet, also ganz explizit nicht von einer diplomatischen Mission. Das würde ja gewissermaßen einen solchen Angriff rechtfertigen.

Fischer (AA)
Ich habe von einem Gebäude gesprochen, weil wir in der Tat den genauen Status des Gebäudes, das angegriffen worden sein soll, nicht kennen. Wir kennen die Berichte, dass das ein Gebäude der iranischen Botschaft ist, dass es ein iranisches Konsulatsgebäude gewesen sein soll. Wir kennen auch Äußerungen aus anderer Quelle, die das bestreiten. Wie gesagt: Da wir nicht vor Ort sind, können wir das jetzt auch nicht abschließend überprüfen. Aber lassen Sie mich vielleicht so viel sagen: Gewaltsame Maßnahmen oder militärische Operationen, die sich gegen Botschaften oder Konsulate richten, bergen gefährliches Eskalationspotenzial. Jeder bestätigte bewaffnete Angriff gegen eine Botschaft oder ein Konsulat wäre ein Grund zur Sorge.

Frage Blank (dpa Reporter)
Herr Fischer, dazu nachgehakt: Welche Konsequenz würde denn das nach sich ziehen? Das Wiener Abkommen legt dazu im Prinzip explizit nichts fest. Müsste da irgendjemand klagen? Würde das eine Rolle vor dem UN-Sicherheitsrat spielen? Müsste sich Syrien oder Iran vor der UN äußern? Welche Konsequenzen könnte man sich vorstellen, wenn sich das als Verstoß herausstellt?

Fischer (AA)
Ich werde jetzt nicht spekulieren. Wie Sie schon richtig sagen, ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen nur im Verhältnis zwischen dem Entsendestaat und dem Staat, in dem sich die Liegenschaft befindet, rechtswirksam. Insofern ist das in diesem Zusammenhang nicht wirklich einschlägig, weil von syrischer Seite unbestrittenermaßen kein Angriff auf die Liegenschaft erfolgt ist. Es gibt das internationale Gewaltverbot, das für zivile Objekte gilt, und das mit den bekannten Einschränkungen. Aber wie gesagt: Ich kann hier nicht spekulieren, weil mir noch nicht einmal der Status des Gebäudes vollumfänglich klar ist.

Frage Nehls
Gibt es eigentlich gesicherte Erkenntnisse auch wenn man keine Botschaften hat, gibt es Nachrichtendienste, nicht nur Agenturen etc., die Erkenntnisse liefern oder Vermutungen darüber, dass seit dem 7. Oktober gelieferte Rüstungsgüter aus Deutschland möglicherweise Verwendung fanden beim Angriff auf das Konsulat in Damaskus ich glaube, es war keine Botschaft und auch bei dem schrecklichen Geschehen gegen die Hilfsorganisation, das sieben Tote gefordert hat? Da können ja oder gibt es da nur ein Achselzucken? auch deutsche Rüstungsgüter Verwendung gefunden haben. Ich weiß nicht, wer dazu etwas sagen kann, Herr Stempfle oder das Wirtschaftsministerium als Genehmigungsbehörde.

Fischer (AA)
Ich fange einmal mit dem Vorfall in Damaskus an. Wie gesagt: Wir haben keine eigenen Erkenntnisse darüber, was für ein Gebäude angegriffen worden ist. Ich kann Ihnen auch nicht bestätigen, wer das Gebäude angegriffen hat. Von daher kann ich diese Frage schlussendlich nicht beantworten.

Zusatzfrage Nehls
Und zu Gaza?

Dr. Säverin (BMWK)
Ich kann dazu auch nichts weiter sagen. Wir haben keinerlei Erkenntnisse über die beiden Vorfälle.

Zusatzfrage Nehls
Gibt es in der Bundesregierung in welchem Ministerium auch immer Bemühungen, Erkenntnisse herbeizuschaffen, welche Kampf- oder Kriegsverläufe oder als was auch immer man das bezeichnen kann – da abgelaufen sind und ob möglicherweise damit bin ich wieder bei der Ursprungsfrage Regelungen für deutsche Rüstungsgüter verletzt wurden? Denn es gibt ja das Gebot, nicht in Krisen-, Kriegs- und ähnliche Gebiete zu liefern.

Fischer (AA)
Hierbei geht es um Dinge, die im Bundessicherheitsrat diskutiert werden und die auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen beruhen würden. Weder zu den Beratungen des Bundessicherheitsrats, die ja geheim sind, noch zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen kann ich hier Auskunft geben.

Frage Towfigh Nia
Herr Fischer, der Iran hat schon mit Vergeltung gedroht. Der iranische Revolutionsführer hat gesagt, dass auch der Iran selbst so einen Angriff machen würde. Wie besorgt sind Sie, dass es jetzt zu einem direkten Krieg zwischen Israel und dem Iran kommt?

Fischer (AA)
Wir haben die Äußerungen der iranischen Seite natürlich, genau wie Sie, zur Kenntnis genommen. Wie ich vorhin schon sagte: Wir haben immer wieder betont, dass alle Akteure in der Region aufgerufen sind, eine regionale Eskalation unbedingt zu vermeiden.

Zusatzfrage Towfigh Nia
Das gilt auch für Israel?

Fischer (AA)
Das gilt für alle Akteure in der Region, und zu denen gehört auch Israel.

Frage Warweg
Herr Fischer, ich will nur sichergehen: Hatten Sie gesagt, dass Sie noch nicht wissen, wer diesen Angriff gegen das mutmaßliche um bei Ihrem Terminus zu bleiben Botschaftsgelände des Iran in Damaskus durchgeführt hat?

Fischer (AA)
Mir liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor. Ich kenne die Mutmaßungen, die wir alle kennen. Aber über belastbare eigene Erkenntnisse verfüge ich in diesem Zusammenhang nicht. Das ist jetzt auch nicht total überraschend. Es geht um einen Luftangriff in einem Land, mit dem wir keine normalen diplomatischen Beziehungen haben und in dem wir nicht vor Ort präsent sind.

Zusatzfrage Warweg
Gestern hat zumindest das Pentagon eindeutig erklärt, das sei ein israelischer Angriff gewesen. Das ist ja sonst ein Partner, dem man auch vertraut. Meine Frage geht aber eher dahin ganz davon abgesehen, ob es sich um ein diplomatisches Gebäude handelt oder nicht: Wie bewertet die Bundesregierung aus völkerrechtlicher Perspektive den Angriff Israels – laut Pentagon auf Damaskus, auf einen Staat, mit dem Israel nicht im Krieg ist, zumindest nicht de facto, und auf das Gelände insgesamt? Schlussendlich zielt meine Frage darauf: Wie bewertet die Bundesregierung generell Angriffe, die es ja regelmäßig gibt, von israelischer Seite auf syrisches Hoheitsgebiet aus völkerrechtlicher Perspektive?

Fischer (AA)
Ich werde hier jetzt kein völkerrechtliches Proseminar führen, …

Vorsitzende Wefers
Ich bin sehr dankbar, dass Sie das nicht machen.

Fischer (AA)
… wenn ich noch nicht einmal weiß, wer den Angriff durchgeführt hat.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 03.04.2024

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!