Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür klingelt …

Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür klingelt …

Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür klingelt …

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Gab es jemals in diesem Land einen Politiker, der 700 Bürger angezeigt hat? Bleibt bei diesem bemerkenswerten „Anzeigenfetischismus“ überhaupt noch Zeit für das, wofür die Steuerzahler viel Geld bezahlen: für den politischen Dienst an Land, Gesellschaft und Bürgern? Gerade macht eine Nachricht die Runde, die in den Abgrund der politischen Verwahrlosung führt. Es geht um Habeck, die Bezeichnung „Schwachkopf Professional“ und dem Besuch der Staatsmacht morgens um 6 Uhr bei einem Bürger. Vorweg: Möchte der Politiker Habeck die gutmütigste Güte besitzen, das politische Steckenpferd in den Stall zu stellen? Das wäre sehr angebracht. Danke. Eine Glosse von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Überkompensation – so lässt es sich deuten. Was an politischer Kompetenz fehlt, wird versucht, durch Anzeigen am Fließband wettzumachen. Prinzip: Willst du nicht mein Wähler und Bewunderer sein, dann lad‘ ich eben die Polizei dir ein. Gewiss, Goethe dreht sich in Anbetracht dieser Dichtkunst im Grabe um. Aber immerhin ist er beim Umdrehen da unten in der Gruft nicht allein. Mit ihm dreht sich der Geist der Demokratie und der Meinungsfreiheit.

Und das hat mit der Politik zu tun. Und mit Politikern. Und mit einem Habeck. Einem Robert. In manchen Bundesländern ist es Usus, beim Sprechen über Personen, die man kennt oder auch nicht kennt oder zu kennen glaubt, zuerst den Nachnamen anzuführen – um dann den Vornamen folgen zu lassen. Das ist zwar jetzt für diesen Beitrag keine wesentliche Information. Das macht aber nichts. Denn gerade herrscht im ganzen Land eine beschauliche Zeit, die viel Raum für das Unwesentliche lässt.

In Deutschland, diesem Land der Dichter und Denker, diesem Land mit blühenden Landschaften (seit Helmut Kohl), mit einer Meinungsfreiheit wie aus dem Bilderbuch, zieht gerade auf Medienplattformen ein sogenanntes Meme umher. Das Meme zeigt das Konterfei des Habeck, Robert – flankiert von einigen Buchstaben, die sich wie folgt lesen: „Schwachkopf Professional“. Das Meme erinnert an die Haarspray-Marke „Schwarzkopf“. Anders gesagt: Wer 1 + 1 richtig zusammenzählt, darf angstbefreit zu dem Ergebnis kommen: ein Witz. Ein Spaß. Da wird ein Politiker durch den Kakao gezogen. Alte Tradition. Und so.

Herrje, sagt da der Bürger: Gibt es sonst noch was? War da nicht etwas von einer schweren Überlastung der Justiz? Von einer chronisch überlasteten Polizei? Von einer Staatsverschuldung von 2.500 Milliarden Euro? War da nicht auch etwas von einem Koalitionsbruch? Von einer Regierungskrise? Von einer Vertrauensfrage im Parlament? Von Neuwahlen? Von einem Kanzlerkandidaten, der Russland ein Kriegsultimatum stellt? Von einem Land, das „kriegstüchtig“ werden soll? Von einer Wirtschaft kurz vorm Kollaps?

Ja, ja, schon, aber: First thing first, sagt bekanntlich der Englischsprachige. Womit wir dann wieder bei diesem „Schwachkopf-Professional-Dings“ sind. Also dem Meme. Bei Lichte betrachtet ist das zwar auch ohne jede Bedeutung, aber ohne Licht lässt sich das ganz anders sehen. Wohl so, wie es der Habeck, Robert sieht. Der hat, schreibt die Rheinische Post, die Ermittlungsbehörde eingeschaltet. „Durch Herrn Dr. Habeck wurde Strafantrag gestellt“, sagt gegenüber der Zeitung „ein Sprecher der Staatsanwaltschaft“ in Bamberg. Der Habeck, Robert ist übrigens nicht einfach irgendein Durchschnittstyp, etwa wie der Meier, Kurt, sondern der ist Minister. Also Bundesminister. Also Bundeswirtschaftsminister. Gerade hat VW angekündigt, dass Zehntausende entlassen werden – was aber selbstredend in Anbetracht eines Memes in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Der Habeck, Robert – das ist nun wichtig zu wissen – wird öfter von Bürgern verbal angegriffen. Grundlos, versteht sich. Gute „1984-Demokraten“ sprechen von Hassverbrechen. Da ein Politiker sich „nicht alles“ gefallen lassen muss, wehren die sich seit geraumer Zeit. Ganz im Sinne der von gewissen Politikern immer wieder verkündeten „wehrhaften Demokratie“.

Jetzt hat es dann wohl wieder ein Bürger übertrieben – aus Habeck’scher Sicht. „Schwachkopf Professional“ – dieses Meme hat ein Bürger erstellt, veröffentlicht und dann hat es ein anderer Bürger auf der Plattform X – Achtung! Ganz schlimm! – retweetet. Das heißt, er hat es weiterverbreitet. Klopf, klopf! Und schon steht da bei dem 64-jährigen „Weiterverbreiter“ das Überfallkommando. Morgens um 6 Uhr. Hausdurchsuchung. Wie bei Terroristen. Bei schweren Schwerverbrechern. Was die Durchsucher suchten, ist noch nicht bekannt – ermittlungstaktische Zurückhaltung und so. Vielleicht haben sie nun auf einem Blatt Papier neben den Begriff „Schwachkopf Professional“ auch noch den Begriff „Mollekopp Professional“ entdeckt. Insider gehen davon aus, dass unter diesen Umständen die Bundesanwaltschaft das Verfahren übernehmen wird.

Wie der Habeck, Robert so darüber denkt, dass bei dem Mann und seiner Familie die Staatsmacht in die Wohnung trat, ist nicht bekannt. Auf seinem „X-Kanal“ – Motto: „Mit euch. Für euch“ – zeigt sich Habeck, Robert aber sehr offen und kommunikativ. „Lasst uns den Raum wieder öffnen für Debatten“, ist da in einem Tweet zu lesen. „Ha!“, ruft da der Bürger. Hausdurchsuchungen sind bekanntlich der Boden für freie, ungezwungene Debatten im besten demokratischen Sinne.

Doch genug der Ironie. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Das Recht des Kleinen Mannes besteht darin, den Mund zu halten. Und das Recht des großen Habecks besteht darin, „anzuzeigen“ – wegen Beleidigung. Nun will Habeck auch noch Kanzler werden. Wie wohl der 64-Jährige und die anderen 700 + darüber denken? Der Churchill, Winston soll übrigens mal gesagt haben: „Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe.” Der war nicht unklug, dieser Churchill. Möchte der Politiker Habeck vielleicht einfach die gute gutmütigste Güte besitzen, das politische Steckenpferd in den Stall zu stellen? Das wäre sehr angebracht. Danke.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Rebeca R.S/shutterstock.com und Screenshot nius.de