„Wir brauchen Waffensysteme, die weit (…) in die Tiefe des russischen Raumes reichen, die angreifen können (…). Die ukrainischen Streitkräfte werden (…) bereits Ende diesen Monat die ersten weitreichenden Waffensysteme geliefert bekommen” – das sind die Worte von Generalmajor Christian Freuding, zu hören im „ZDF heute journal“. Ist eigentlich allen klar, was diese Aussagen bedeuten? Von Marcus Klöckner.
Da steht ein Generalmajor der Bundeswehr in Kampfuniform in Kiew und gibt dem „heute journal“ ein Interview. Es geht um die aktuelle Lage in der Ukraine und um die Lieferung weitreichender Waffensysteme. Was dann folgt, scheint leider ein Großteil der Zuschauer nicht richtig zu verstehen. Denn würden die Worte des Leiters des designierten Inspekteurs des deutschen Heeres verstanden: Ein lauter Protest sollte zu hören sein.
Die Worte offenbaren, wie tief Deutschland bereits in den Ukraine-Krieg verstrickt ist; und sie verdeutlichen: Die politische Führung schiebt Deutschland noch tiefer in einen Krieg, der sich zu einem großen Krieg in Europa entwickeln kann.
Auftritt Christian Freuding: „Wir müssen auch Gegenmaßnahmen treffen, wir müssen die ukrainische Luftverteidigung weiter stärken. Deutschland ist da ja schon seit Jahren in einer führenden Rolle. Wir haben da Führungsverantwortung übernommen. Wir sind gerade in engster Abstimmung mit den Partnern, wie wir Feuereinheiten, wie wir neue Luftverteidigungseinheiten mit mittlerer und großer Reichweite ins Land kriegen. Der Verteidigungsminister und der Außenminister haben vor wenigen Wochen eine Initiative gestartet. Wir sind in Gesprächen mit der Industrie sowohl in Deutschland als auch in Partnerländern (…). Wir müssen uns diesem Zyklus, wer schneller mehr produzieren kann, da müssen wir an Geschwindigkeit gewinnen (…).“
Die Interviewerin Dunja Hayali fragt nach, wie der Stand in Sachen Taurus-Lieferungen denn sei.
Freuding antwortet: „Ich glaube, zu Taurus ist alles gesagt. (…) „Wir brauchen Waffensysteme, die weit (…) in die Tiefe des russischen Raumes reichen, die angreifen können – Depots, Führungseinrichtungen, Flugplätze, Flugzeuge. (…) Auch Deutschland ist bereit, solche Waffensysteme zur Verfügung zu stellen.“
Hayali fragt nach: „Auch den Taurus? Würden Sie den Taurus liefern, Herr General?“
Freuding sagt: Wie gesagt, zu Taurus ist alles gesagt. Wir liefern solche Waffensysteme. (…) Wir haben heute hier vor Ort einer Unterzeichnung beiwohnen können zwischen der ukrainischen Industrie und dem ukrainischen Verteidigungsministerium – durch Deutschland finanziert. Wir haben diese Initiative angestoßen erst Ende Mai, und wir werden, die ukrainischen Streitkräfte werden aus dieser Initiative bereits Ende diesen Monats die ersten weitreichenden Waffensysteme geliefert bekommen, um dann folgend in einer hohen dreistelligen Stückzahl (…).
Die Frage, die sich aufdrängt, lautet: Wird Deutschland nun Kriegspartei? Oder ist Deutschland längst Kriegspartei?
Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick, der immer wieder die aktuelle Ukrainepolitik des Westens kritisiert, äußerte sich mit folgenden Worten auf der Plattform X:
„Deutscher General gibt in Bundeswehruniform aus Kiew ein Interview, in dem er Lieferung von weitreichenden dt. Waffen in hoher dreistelliger Zahl ankündigt, die tief im russischen Raum wirken können. #Kriegspartei sind wir aber natürlich nicht. Soso.“
Daraufhin reagiert der Grünen-Politiker Volker Beck: „„Kriegspartei”, also Beteiligter an einem internationalen bewaffneten Konflikt, ist nur ein Staat, der aktiv an Kampfhandlungen teilnimmt. Waffenlieferungen sind keine solche aktive Kampfhandlung. Das wissen Sie. Warum schreiben Sie dann: Soso?“
Varwick antwortet: „Eine rein völkerrechtliche Betrachtung trägt hier nicht. Politisch ist Deutschland faktisch Kriegspartei. Generalmajor Dr. Freuding symbolisiert das hier passend.“
Beck schreibt: „Man kann natürlich auch die Kremlrechtfertigungen für die Kriegsentgrenzung immer weiter verbreiten und jede Verteidigungsaktion zur Provokation umdichten. Sie ebnen Russland den Weg zum Rhein, oder habe ich etwas übersehen?“
Deutlich wird: Die deutsche Politik führt einen Tanz auf dem Vulkan auf. Die Situation ist längst viel gefährlicher, als es den meisten bewusst sein dürfte. Beck spricht argumentationsschwach von „Kremlrechtfertigungen“, so als ob Varwicks Äußerungen auf einer nüchternen, analytischen Ebene keinen Bestand hätten.
Was Beck und andere Befürworter der deutschen Ukrainepolitik nicht verstehen: Politische Entscheidungen, die das Wohl Deutschlands und seiner Bürger gefährden, hat die Politik zu unterlassen. Wir reden hier – und das kann man sich nicht deutlich genug vor Augen führen – über die Frage, ob Deutschland Kriegspartei (!) ist.
Dass in dieser Situation keine Spur von kritischem Journalismus im Interview zu sehen ist, rundet das Problem ab. Hayali leitet ihre Moderation mit den Worten ein: „Aber immerhin eine gute Nachricht gibt es: Kiew wird weitreichende Waffensysteme in hoher dreistelliger Zahl durch Deutschland bekommen.“
Titelbild: Screenshot ZDF