„Zunächst freiwillig“: Auf den neuen Wehrdienst wird die neue Wehrpflicht folgen

„Zunächst freiwillig“: Auf den neuen Wehrdienst wird die neue Wehrpflicht folgen

„Zunächst freiwillig“: Auf den neuen Wehrdienst wird die neue Wehrpflicht folgen

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Kommunizieren Politiker gegenüber der Öffentlichkeit mit einer weit offenen Hintertür, gilt es, hellhörig zu sein. Gerade hat das Bundeskabinett einem Gesetzesentwurf für den „neuen Wehrdienst“ grünes Licht gegeben. Anders gesagt: Wehrdienst ja, Wehrpflicht nein. Ist damit die Kuh vom Eis? Nein, denn eine Formulierung ist im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorstoß immer wieder zu hören: zunächst freiwillig“. Das heißt bei Lichte betrachtet: Auch die Wehrpflicht wird kommen. Die Politik setzt auf die Salamitaktik. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Wird es in Deutschland wieder eine Wehrpflicht geben? Müssen junge Männer in absehbarer Zeit ihrem Land mit der Waffe in der Hand dienen? Ja, daran sollte besser nicht gezweifelt werden. Das Bundeskabinett hat sich gerade auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, wonach ein neuer Wehrdienst eingeführt werden soll – eine Wehrpflicht ist demnach nicht vorgesehen. Wer nun beruhigt durchatmet und glaubt, die Kuh sei damit vom Eis, unterliegt einer Täuschung. Licht an! – und zu sehen ist die Kuh, wie sie längst mit Schlittschuhen über das gefrorene Wasser gleitet. Anders gesagt: Die Politik hat sich schon jetzt eine Hintertür offengelassen, durch die hindurch zu sehen ist, was dem Land bevorsteht. Nämlich: die Rückkehr zur Wehrpflicht.

„Zunächst freiwillig“ – so lautet die Formulierung, mit der die Politik im Zusammenhang mit dem Gesetzesentwurf an die Bürger herantritt. Zunächst wolle man auf Freiwilligkeit setzen und sehen, ob der angeblich als notwendig betrachtete „Aufwuchs“ der Bundeswehr sich auch ohne Pflicht zum Wehrdienst erreichen lasse.

Langsam!

Erstens: Die Jugend mag vielleicht mitunter naiv sein – aber doof ist sie mit Sicherheit nicht. Das heißt: Es mag einige geben, die auf die Propaganda der Bundeswehr reinfallen und sich von dem neuen, vorgeblich so „attraktiven“ Wehrdienst anziehen lassen. Aber das dürfte nicht ausreichen, um das Zahlenkontigent zu erreichen, das die Bundesregierung vor Augen hat. Es wird aller Voraussicht nach eher so sein: In Zeiten, wo Politiker von „Kriegstüchtigkeit“ und von einem möglichen Krieg mit Russland reden, dürften weite Teile der Jugend und generell der Staatsbürger alles andere als Lust darauf haben, in absehbarer Zeit in Soldatenuniform an irgendeine Kriegsfront geworfen zu werden, um dann – wenn überhaupt – nur noch mit einem Bein oder einem Arm zurückzukommen.

Zweitens: Wenn die Politik es ernst meint mit der Umsetzung ihres Vorhabens, das Land auf Kriegstüchtigkeit zu trimmen, kann und wird es ohnehin nicht bei der Freiwilligkeit bleiben. Derzeit ist die Rede davon, dass die Bundeswehr zusätzliche 80.000 Soldaten benötige. Die Zahl ist so weich wie Wachs. Warum nicht 70.000? Oder 90.000? Wenn unter den Zeichen eines in Betracht gezogenen großen Krieges heute 80.000 Soldaten mehr benötigt werden, dann sind es morgen 120.000 und übermorgen 150.000 usw. Schon jetzt sehen wir: Aufrüstung kennt keine Grenzen.

Drittens: Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass ab 2027 eine verpflichtende Musterung eingeführt wird. Das heißt: Hier wird eine greifbare, weitreichende Struktur aufgebaut. Diese Struktur lässt sich wie ein rot blinkender Pfeil verstehen, der darauf hinweist: Die Wehrpflicht wird kommen. Und dazu bedarf es nämlich einer Struktur, die landesweit in der Lage ist, Männer (und vielleicht Frauen) für den Dienst an der Waffe zu mustern.

Sind diese Überlegungen unrealistisch und zu spekulativ? In Anbetracht der Gesamtentwicklungen wohl kaum.

Der Politik darf unterstellt werden: Die Formulierung „zunächst freiwillig“ ist nicht im Rahmen einer vernünftigen, offenen Kommunikation gegenüber den Bürgern zu verstehen. Wenn Politiker an dieser Stelle von „zunächst freiwillig“ reden, dann verwenden sie eine altbekannte Strategie: die Salamitaktik. Im Hinterkopf wissen sie: Der aktuelle Gesetzesentwurf ist nur ein Zwischenschritt, um Widerstand zu verringern.

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte einmal gegenüber dem Spiegel:

Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Dieses Prinzip findet gerade Anwendung.

Wir reden von Kriegstüchtigkeit, von einem „zunächst freiwilligen“ neuen Wehrdienst, von einer verpflichtenden Musterung und von „Mentalitätswandel“, der sich aufseiten der jungen Leute im Hinblick auf das Militär vollziehen soll.

Nein, es wird nicht bei einem Freiwilligendienst bleiben.

Titelbild: DesignRage/shutterstock.com

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