Durch Propaganda vergiftet, verliert Europa seinen Kompass. Albert Einstein sagte einmal: „Die Masse ist niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet wird. Wir müssen sie gegen Propaganda immunisieren. Wir müssen unsere Kinder gegen Militarismus impfen, indem wir sie im Geiste des Pazifismus erziehen.“ Die Mittel des klassischen Krieges sind Waffen, die Mittel des Wirtschaftskrieges sind Sanktionen. Der Informationskrieg erzeugt Feindbilder, dämonisiert den Gegner, setzt auf Lügen und das Schüren von Angst. Von Oskar Lafontaine.
Wenn beispielsweise der deutsche „Verteidigungsminister“ Boris Pistorius uns — wie einst Hitlers Propagandaminister Goebbels – „kriegstüchtig“ machen will, dann muss er Lügen verbreiten und Angst schüren. Er muss wie viele andere Kriegspropagandisten behaupten, dass der Einmarsch der russischen Armee im Februar 2022 unprovoziert und grundlos war; er muss so tun, als hätte es den von den USA finanzierten Maidan-Putsch und den Bürgerkrieg Kiews gegen die Ostukraine mit 14.000 Toten nie gegeben. Er muss Angst schüren und die Lüge verbreiten, Wladimir Putin wolle in einigen Jahren Deutschland und Europa überfallen.
Machtanspruch der USA
Überhaupt ist die Dämonisierung Putins wesentlicher Bestandteil der Kriegspropaganda. Man könne eine Gruppe von Menschen nicht insgesamt hassen, nicht einmal als Feinde, schrieb die belgische Historikerin Anne Morelli 2001 in ihrem Buch „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“. Es sei daher wirkungsvoller, den Hass auf die feindliche Führungspersönlichkeit zu richten. Der Gegner bekomme so ein Gesicht, und dieses Gesicht würde Gegenstand des Hasses werden.
Der Informationskrieg zur Vorbereitung des Ukraine-Kriegs begann allerdings lange vor Pistorius. Er hatte seinen Ursprung im Anspruch der USA, die Welt zu beherrschen. Um die Weltherrschaft sicherzustellen, musste verhindert werden, dass auf dem eurasischen Kontinent eine Macht entsteht, die den USA gefährlich werden könnte. In seinem 1994 veröffentlichten Buch „Diplomacy“ schrieb der ehemalige Außenminister Henry Kissinger:
„Und nach wie vor ist die Beherrschung einer der beiden Hauptsphären Eurasiens – Europas also und Asiens – durch eine einzige Macht […] die strategische Gefahr, der sich die Vereinigten Staaten einmal gegenübersehen könnten, gleichviel, ob unter den Bedingungen eines Kalten Krieges oder nicht. Denn ein solcher Zusammenschluss wäre im Stande, die USA wirtschaftlich und letztendlich auch militärisch zu überflügeln, eine Gefahr, der es selbst dann entgegenzutreten gälte, wenn die dominante Macht offenkundig freundlich gesinnt wäre.“
2015 wurde der Geostratege George Friedman konkreter: „Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert die Kriege führen – Erster und Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg –, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es immer, sicherzustellen, dass das nicht eintritt.“
Mit dem Ukraine-Krieg haben die USA das Ziel, Deutschland und Russland gegeneinander aufzubringen, erreicht. Der in seinem Amt völlig überforderte, korrupte US-Präsident Joe Biden hatte allerdings übersehen, dass mit China auf dem eurasischen Kontinent eine den USA ebenbürtige Macht entstanden war und dass es aus Sicht Washingtons ein großer Fehler war, Russland an die Seite Chinas zu drängen. Donald Trump hat das erkannt: „Die einzige Sache, die wirklich niemand will, ist, dass sich Russland und China verbünden.“ Er sei überzeugt, dass man die Länder schnell voneinander trennen müsse. „Ich denke, das kann ich auch tun. Ich muss sie trennen.“ Nicht zuletzt deshalb will er den Ukraine-Krieg beenden und sich auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Das Treffen mit Putin in Alaska und die Audienz, die er den europäischen Vasallen im Weißen Haus gewährte, dienten diesem Ziel. Seine Botschaft war unmissverständlich: Die USA haben ihren Rohstoffdeal und ziehen sich zurück.
Und sie lernen nicht dazu
Die Ukrainer und die Europäer sollen sehen, wie sie den von den USA provozierten Krieg gegen Russland zu Ende bringen und wie sie mit den verheerenden Folgen dieses Krieges zurechtkommen. Und jetzt machen die Europäer das, was sie über viele Jahre versäumt haben: Sie proben den Aufstand, aber zum falschen Zeitpunkt und mit den falschen Zielen. Sie wollen den Krieg weiterführen, obwohl er verloren ist. Sie machen sich nur noch lächerlich und fordern einen bedingungslosen Waffenstillstand, nachdem die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige französische Präsident François Hollande zugegeben haben, dass sie beim letzten Mal, beim Minsker Abkommen, falschgespielt und Putin über den Tisch gezogen haben. Sie fordern zur Friedenssicherung NATO-Truppen in der Ukraine, als wüssten sie nicht, dass die russische Armee einmarschiert ist, weil Putin keine NATO-Truppen und -Raketen an der russischen Grenze wollte. Merken sie nicht, dass sie immer mehr ins Abseits geraten und dass die Welt sie nicht mehr ernst nimmt?
Und sie lernen auch nicht dazu. Wie im Stellvertreterkrieg mit Moskau ist es den transatlantischen Netzwerken und der Propaganda-Armee der Vereinigten Staaten bereits gelungen, die Europäer auch bei der Auseinandersetzung mit China vor ihren Karren zu spannen. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping oder sein Nachfolger wird den russischen Präsidenten Putin bald als bevorzugtes Ziel der US-Kriegspropaganda ablösen. Wenn die Europäer auch im Kampf der USA gegen China die folgsamen Vasallen bleiben und nach dem Verlust der preiswerten russischen Energieversorgung auch die für beide Seiten so ertragreichen Wirtschaftsbeziehungen zum Reich der Mitte zurückfahren, dann ist der Niedergang Europas nicht mehr aufzuhalten.
Der Artikel ist zuerst in der Weltwoche Nr. 35.25 erschienen.
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